Georg Ebers
Die Gred
Georg Ebers

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Sechzehntes Kapitel.

Es stund der Ann gar lieblich, wie sie der Muhme bekannte, die große Herzensgüte, die sie in der harten Winterszeit aus dem Wald zu ihr geführet, mache sie ganz verschämt, und ihr dabei recht inniglich die hageren Händlein küßte; doch auch der älteren Frau ließ es gut, wie sie des Herzens ganze Wärme, die sie sonst keinem zu sehen gab, dem Lieblinge rückhaltlos zeigte.

Die Pernharts hatten vernommen, welche Sorge sie in die Stadt gezogen, und so räumten sie denn bald das Gemach, und der Meister rief Frau Giovanna mit sich hinaus, nachdem die Muhme ihr zu erkennen gegeben, wie sie sich ihrer seltenen Anmut freue.

Da ich es nun gleichfalls für schicklich achtete, mich zu entfernen, winkte mir die Muhme, zu bleiben.

Die Ann hatte längst erkannt, was die sieche Frau zu ihr geführet, und mir unten zugeraunet, so tief sie auch die Fülle der Gutheit erkenne, die ihr die Muhme erwiesen, werde sie dannocht nichts von ihrem wohlbedachten Entschluß abzuwenden vermögen; mir aber war es daraus nur vergönnt gewesen, ihr schnell zuzuraunen, in einem Stücke wenigstens habe sie die Meinung zu ändern; denn ich wisse jetzund sicher und gewiß, daß die Meisterin-Mutter ihr herzlich gut sei. Da hatte sie froh und dankbar gerufen: »O Gred, – wenn sich das doch bewährte!«

Sobald wir Drei nun allein, ging die Muhme gerad auf das Ziel los, bekannte offen, aus was Zweck und Ursach sie gekommen, daß sie mit allem vertraut, was der Ann durch den Herdegen widerfahren, wie sie es hingenommen, und daß sie gewillet, dem Magister das Jawort zu geben.

Weil die Ann sie nun hienach mit einem entschlossenen »Das bin ich!« unterbrach, ging die Muhme sie an, das eine dem anderen folgen zu lassen. Der Herdegen sei vor dem Magister gekommen, und es frage sich darum zuerst, wie es mit ihr und selbigem beschaffen.

Da bat die Ann dringlich, seiner zu geschweigen. Wenn sie der Muhme wert, möge sie es unterlassen, auf die kaum verharschende Wunde zu schlagen.

Solches drang ihr recht weh und schmerzlich über die Lippen; doch die andere ließ sich nicht rühren, sondern rief: »Dank' ich nicht noch dem Meister Ulsenius, wenn er mir die Sonde in den Herd des Uebels führet, wenn er mich brennt oder schneidet? Hast Du seine Rede nicht fröhlich gebilligt, der Arzt dürfe nicht früher verzweifeln, bis des Kranken Herz zu schlagen verlernet? Nun wohl! Dein Handel mit dem Herdegen ist siech und wund und liegt schwer darnieder . . .«

Da fiel ihr die Ann ins Wort: »Nein, nein, Vielgestrenge, selbigen Handels Herz hat aufgehöret zu schlagen. Es muß mit ihm aus sein auf immer!«

»Muß es?« fragte die Muhme, völlig gelassen. »Aber schauen wir dem Ding doch näher ins Antlitz! Dem alten Im Hoff – wir haben's gelesen – verhieß Dein Liebster, Dich preiszugeben und ihm den Willen zu thun. Aber an Dich, Kind, mit eigener Hand zu schreiben, das ließ er fein bleiben. Weil es ihn selbst zu sauer ankam, Dir abzusagen, überließ er's der Gred! Und nun sein Schreiben! Eine Faschingsposse nannt' ich es gestern. Da ist es! Lies es noch einmal! Es trieft ja von Minne wie ein Gewand, so man aus dem Teiche gezogen. Indem er Dir den Stuhl vor die Thür setzt, zieht er Dich ans Herz. Vielleicht hat ihn die Minne nimmer so heiß gebrannt, ist er Dir nie zärtlicher gewogen gewesen, denn da er mit diesem schnöden Geschreibsel die heiligen Bande zerriß, die Euch verknüpfen. Bist Du blöde genug, das nicht selbst zu empfinden?«

Da fiel ihr die Ann eifrig ins Wort: »O, ich seh' es recht wohl! Beim ersten Lesen des Briefes hab' ich's erkannt. Aber das, gerade das! Wer um schnöden Gewinn echte Minne verhandelt, muß der nicht schlecht sein? Hätt' er mit der Treue der Minne vergessen, wäre der leichtblütige Fortunatus des ernsten Liebchens überdrüssig geworden, ich hätt' es ihm tausendmal eher vergeben.«

»Hat dann Dein Herz überhaupt einmal in Minne für ihn geschlagen?« versetzte die Muhme und schaute ihr erstaunt und, als sei sie einer verneinenden Antwort gewärtig, scharf in die Augen, und weil die Ann hienach ausrief: »Wie möget Ihr solches nur fragen?« fuhr die andere fort: »Also dannocht! Und von der Gred ward mir berichtet, daß Ihr beide ein gar seltsam Bündnis geschlossen: Glückliche Menschen wolltet Ihr schaffen. Zwei Mägede, so sich den Herrgott zu spielen vermessen! Der Magister, nicht wahr, der sollte der erste sein, an dem Du, was Dich's auch koste, den frohen Opfermut zu bewähren gedachtest? Verhält sich's nicht also?«

Da nickte ihr die Ann nicht mehr so frei denn vordem bejahend zu, die Muhme aber murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, wie sie immer that, wenn ihr etwas wider den Strich ging, und rief sodann dringlich: »Aber Kind, armes Kind, was hat die Minne, hat der gekränkte Trutz und das Herzeleid aus Deiner warmen Seele und Deinem geraden Köpflein gemacht! Ich Alte, gottlob, ich sehe klarer: Echte und rechte, Vater, Sohn und Geist und dazu der gnadenreichen Jungfrau und jeglichem Menschenkinde, so Dir gewogen, wohlgefällige Minne ist es, was Dich von Kind an mit dem Herdegen verbunden. Er, der treuvergessene Sünder, trägt die seine noch immer im Herzen, und auch Dir ist es mit nichten geglückt, sie aus dem Deinen zu roden. Er hat Dir das Schwerste angethan und sich damit – denk seines Schreibens – und sich damit allbereit jetzund das junge Leben vergiftet. In dem Babel Paris taumelt er nunmehr von einer Lust in die andere. Doch wie lang kann dergleichen dauern? Siehst Du nicht schon den Tag mit mir kommen, an dem er, übersättigt und angeekelt von all dem Tand, als der Unseligen Unseligster ausschauen wird nach festem Grund, wie der Schiffer, der aus leckem Boot im Meere umhertreibt? Dann wird er sich der vergangenen Tage, seiner Kindheit und frühen Jugend, seiner reinen Minne und Deiner erinnern. Dann wird selbige, ja dann wirst Du, die Ann, des rettenden Eilandes Ufer sein, darnach er schmachtet. Dann – ja, Kind, dann bist Du die Einzige, die ihm zu helfen vermag, und ist es Dir ernst, Glückliche zu machen, war die Minne so echt, wie Du – 's ist nicht gar lang her – mir Alten auf den Knieen und unter heißen Zähren vertrautest, dann wird er der erste sein müssen, nicht der fremde Magister, an dem Du Deine – wie soll ich die Hirngespinnste nennen – Deine Vorsätze wahr machst!«

Da schluchzte die Ann laut auf und rief mit gerungenen Händen: »Aber er hat mich von sich gestoßen, mich um Gold und Güter verhandelt. Ich, die er in den Staub trat, kann ich ihm nachgehen? Bleib' ich denn noch eine züchtige, verschämte Jungfrau, wenn ich ihn rufe? O, er ist glücklich – und wird es bleiben noch lange, lange Jahre unter den ausgelassenen Genossen, und kommt einmal die Zeit, von der Ihr redet, vielgestrenge Frau, dann wird er nach der verblühten Ann und ihrer Minne so wenig fragen, wie nach dem verschlissenen Festgewande, in dem er weiland geprunket. Er bedarf meiner und meiner Minne, so heiß sie hier drinnen auch glühen wird, so lang ich atme und lebe, er bedarf ihrer nimmer bei dem blendenden Dasein, darin er sich sonnet. Es ist kein Hirngespinnst, wonach ich trachte, und will ich Elende beglücken, muß ich nach anderen suchen!«

»Recht, recht,« versetzte die Muhme, »vorausgesetzt, daß Deine Minne nicht höher und besser denn seine.« Und aus der gepeinigten Jungfrau Brust rang sich's: »Aber sie ist dannocht echt und hoch und heiß; es hat nimmer ein echtere gegeben!«

»Nimmer?« wiederholte die Muhme und schaute sie fragend an. »Hast Du nichts von der Liebe der Geschrift vernommen, die bereit und fertig ist, alles zu tragen?«

Da kamen mir die Worte des Apostels in den Sinn, so uns die Karthäuserin eingeschärft als diejenigen, welche vor allen anderen in des christlichen Weibes Herzen stehen bleiben sollten wie eingebrannt und gemeißelt, und während ich mich bis dahin bescheidentlich zurückgehalten, trat ich jetzt vor und sagte sie mit aller Wärme, deren mein junges Herze fähig, andächtiglich her, und sie lauteten also:

»Die Liebe ist langmütig und wohlwollend, sie eifert nicht, sie neidet und prahlet nicht, sie brüstet sich nicht stolz . . . sie ist nimmer auf den eigenen Vorteil bedacht, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht an . . . sie vertraget alles, sie glaubet alles, die Liebe hoffet alles und erduldet alles.«

Während ihr nun selbige Worte ans Ohr drangen, schaute die Ann mit fliegendem Odem zu Boden, die Base aber sprach mir mit heller Stimme nach: »Echte Minne verträget alles, glaubet alles, hoffet und erduldet auch alles.« Dann fuhr sie eindringlich fort: »Und so glaube, hoffe und dulde auch Du nur weiter, mein armes Kind, und sage jetzt redlich: Hältst Du es für ein geringer Werk, den verirrten Sünder zum Guten und der Seligkeit diesseits und jenseits zurückzuführen, denn dem Bettler Almosen spenden?«

Da schüttelte die Ann verneinend das Haupt, die Muhme aber fuhr fort: »Und wenn eine – laß Dir's wiederholen – so bist Du es, die den Herdegen, der doch erst halb verloren, durch treufeste Minne zu erretten vermag. Komm, komm,« und dabei winkte sie ihr, und da die Ann ihr folgte und wie damals in der Forstmeisterei sich vor ihr niederwarf auf die Kniee, küßte sie ihr Locken und Augen und sprach weiter: »Halte denn fest an Deiner Minne, mein Herzblatt. Du hast nur die eine, und ohne sie ist das Leben schal, ist es nichts. In des Magisters Armen findest Du sie nimmer, und daß Dir der Sinn nicht darnach steht, um jeden Preis eines wohlbestellten Mannes Hausfrau zu werden . . .«

Doch sie führte selbigen Satz nicht zu Ende, maßen die Ann die großen Augen mit leisem Vorwurf flehentlich zu ihr aufschlug, als habe sie sich vor Schaden zu wahren.

Da tröstete sie die Muhme denn mit etlichen holden Worten und fuhr hienach fort, sie zu mahnen: »An Minne fehlt Dir's gewiß nicht, nur an geduldigem Glauben. Ich weiß ja von der Gred, wie schwere Täuschungen Dir widerfahren. Da fällt es dem armen Herzen freilich sauer, auf ein neu Ergrünen des verdorrten Glücksreises zu hoffen. Aber denke nur meines alten Hausherrn! Er lasset nicht ab, Eichen zu säen, und doch weiß er, daß es ihm nimmer vergönnt sein wird, sie als starke Bäume zu schauen und Gewinn durch sie zu erzielen. So lerne auch Du in Geduld Dich fassen und vergiß nicht, daß, geht der Herdegen verloren, die Frage sich gegen Dich erheben wird: Hast Du ihm die Hand geboten, da es noch Zeit, ihn zu erretten, oder in kleingläubiger Ungeduld gleich nach dem ersten Schlage ihm Huld und Minne entzogen?«

Die letzten Worte klangen gar eindringlich von den Lippen der Muhme, und sie griffen der Ann ins Herz, also daß sie bekannte, dergleichen habe sie sich selbst unzähligemale vorgehalten, dann aber sei der gekränkte jungfräuliche Stolz mächtig in ihr geworden und habe ihr verboten, der mahnenden Stimme das Ohr zu leihen, und dannocht sei keine auch nur halb so oft und laut in ihrer Seele vernehmbar, und was sie fordere, das entspreche ja ihres Herzens allerheißester Sehnsucht.

»So stille sie!« fiel ihr hier die Muhme eifrig ins Wort, und ich stund ihr zur Seite, und wie die Ann sich also nicht nur bewältigt sah, sondern auch überzeuget und zugegeben hatte, daß es ihr als des Magisters Hausfrau nimmer gelungen wäre, die alte Minne ganz zu ertöten, zeigte sie sich bereit, dem Trutz und Groll zu entsagen.

So hatte denn der Muhme liebreiche Treue sie auch vor schwerer Sünde gewahret, und wie fröhlich stimmt' ich der wackern Seele bei, da sie der Ann zurief: »Du mußt Dich für den schlimmen Sausewind dort in Paris schon aufbewahren, Kind; denn wahrhaftig glücklich machen kann Dich keiner als er, und ihn keine andere denn mein lieb und vielgetreu Herzblatt!«

Da bedeckte die Ann die Hände der Muhme mit ungestümen Küssen, und frisch und schier jubelfroh quoll es ihr von den Lippen: »Ja, ja, ja! So ist es! Und wenn er mich schlüge und verachtete, wenn er so tief unterginge, daß keiner ihm nachspringen möchte, ich, ich laß ihn nicht sinken!«

Und jetzt warf die Ann sich auch mir an die Brust und rief: »O, wie leicht mir wieder ums Herz ist! Ach, Gred, wenn es mich nun zu beten verlanget, so weiß ich doch wieder, wofür!«

So hell wie zu jener Stunde haben der Muhme blanke Aeuglein selten geleuchtet, und auch ihre Stimme klang klarer und reiner denn sonst, da sie uns wiederum zu sich berief und sagte: »Und nun will die Alte Euch zu guter Letzt noch ein Geschichtlein zur Nachachtung erzählen: Ihr habet das Riklein gekannt, die Spinnerin, die die Leute das Spät-Riklein nannten. War es nicht ein lieb, immer frohgemut Weiblein? Und doch hat es ihr nicht an schwerer Heimsuchung gemangelt. Neulich, am Damasiustage, ist sie verschieden, und was ich berichten wollte, das knüpft sich an sie.

»Das Spät-Riklein hieß sie, weil sie oft bis tief in die Nacht hinein beim Rade saß, um viel zu erwerben, maßen ich doch für jede Strähne drei Heller zahle. Aber die Alte war nicht aus Habgier so schlimm aus nach dem Gelde!

»Sie hatte in der Jugend zu den saubersten Mägeden weit und breit gehöret und das Herz an einen Köhlerburschen gehänget, der ein schlimmer Gesell, ein Schafdieb und Räuber gewesen und auf dem Rad ein kläglich Ende genommen. Aber darum ließ das Riklein nicht ab, ihm die Minne treu zu bewahren, und ob er auch tot war, hörte sie dannocht nicht auf, für ihn zu leben und emsig zu schaffen. Der Herr Kaplan hatte ihr nämlich gekündet, ihres Liebsten Seele stehe, da er auf dem Blutgerüst das Sakrament empfangen, das Himmelreich offen, doch werde es manchen Gebetes und mancher Messe bedürfen, um sie aus dem Fegefeuer zu erlösen. Da spann und spann denn das Riklein Tag und Nacht, und was es verdiente, das that es zusammen, und da sie neulich auf das letzte Lager kam, und der Kaplan ihr das Sakrament reichte, holte sie das Ersparte aus dem Bettstroh herfür und wies es ihm mit der Frage, ob es wohl genug sei, um dem Endres damit Einlaß zu erkaufen in der Seligen Himmel? – Da nun der Kaplan solches bejahet, wandte sie sich frohgemut um und entschlief. – So spinne denn auch Du, Kind, und der Flachs an Deinem Rocken sei fröhliches Zutrauen, und will der Mut Dir sinken, so gedenke des alten Spät-Rikleins!«

»Und der Meierstochter aus dem ›armen Heinrich‹,« fügte ich hinzu, »die ihr jung Blut willig hingab, um ihren trauten Herrn vom Aussatz zu befreien.«

So hatte denn die Muhme erreicht, was sie wollte; doch die Ann von den Ihren zu lösen und als angenommen Kind auf der Forstmeisterei zu behalten, worauf sie mit des Pernhart und der alten Meisterin Zustimmung losging, solches glückte ihr doch nicht; denn jene bestand auf ihrem Willen, bei der Mutter, den Geschwistern und fürnehmlich bei dem taubstummen Mario zu bleiben. Sobald die Muhme ihrer begehre, habe sie nur zu rufen, auch folge sie ihr gern, wenn es ihr genehm sei schon heute, in den Forst; aber um ihre Spinnzeit – und dabei wies sie im Geist aus das Spät-Riklein – löblich zu vollbringen, dazu müsse sie reinen Gewissens der Pflicht gegen die Ihren genügen.

So ward denn beschlossen, daß die Ann der Muhme sogleich bis über die Christ- und Neujahrszeit hinaus auf die Forstmeisterei folge; nur erbat sie sich einige Stunden Urlaub, um den Magister der Zweifel selbst zu entheben. Mein Geheisch, dies peinliche Amt mir zu überlassen, hatte sie rundweg abgeschlagen, und daß sie damit das Rechte getroffen, sollte sich bald genug aus des abgewiesenen Freiers Verhalten ergeben; denn er blieb ihr in Treuen gewärtig und nannte sie hinfort seine huldreiche Genossin.

Wie er sich nämlich, nachdem sie ihm ihren Entschluß offenbaret, fast ungestüm verschworen, ein Mönch zu werden und das ihm anerstorbene Gut dem Kloster zu verschreiben, war sie gar beredt in ihn gedrungen, solches zu unterlassen, hatte auch ihm die Schönheit der Aufgabe gewiesen, Glückliche zu machen, um seine Bundesgenossenschaft geworben, und nachdem er bekannt, daß er einem solchen Thun keineswegs gewachsen, ihm verheißen, die Elenden auch für ihn aufzusuchen und nur seine Kenntnisse und Guldein in Anspruch zu nehmen. Später verehrte sie ihm auch ein Almoseniertäschlein, darauf gestickt stund: »Die Ann ihrem guten Genossen.«

Hier nun will ich bekennen, daß das schöne Werk, worauf der alte Organist die Freundin verwiesen, nicht nur der Muhme, sondern auch mir wie ein eitel Hirngespinnst erschienen war, nachdem es die Freundin dahin geführet, dem ungeliebten Manne das Jawort zu geben. – Sobald es aber mit ziemlichem Ernst und sonder Ueberschwang und schwärmerischem Zuviel ins Leben trat, und uns der Alte vom Turme der Notleidenden viele zugewiesen, hat es Treffliches gewirket, ja es sollte uns glücken, manchen Elenden nicht nur mit Geld und Gut, sondern auch mit Rat und Wartung unter schwerer Mühe Beistand zu leisten.

So oft wir auch bei dem Magister anklopften, stunden uns Thür und Beutel offen, und vielleicht ist mancher Elende öfter, denn es wohl sonst geschehen wäre, von ihm aufgesucht und beschenkt worden, damit er Gelegenheit finde, bei seiner »huldreichen Genossin« fürzusprechen, ihr Lob zu ernten und des Handküßleins zu genießen, das die Ann gern von ihm hinnahm, wenn er sich recht eifrig erwiesen.

Wir sind freilich ein gar seltsam Vierblatt gewesen: die Ann und ich, der Organist und Magister, und obzwar wir allesamt in der Welt nicht sonderlich erfahren, darf ich doch kühnlich versichern, daß wir mehr Gutes gestiftet und mehr Thränen getrocknet denn manche wohlbehaltene Abtei.

Um Neujahr ritt ich der Ann nach in den Wald und half die Weidmannstafel mit geputzten Jungfräulein verbrämen, und da ich endlich nach dem Obestag mit der Freundin heimkehrte, fand sie im Hause ihres Stiefvaters den kecken Obergesellen nicht wieder, maßen die Muhme der alten Frau Meisterin von dessen Verhalten berichtet und zudem sein Vater zu Augsburg gestorben, also daß ihn der Pernhart sonder Schimpf in das ihm anerstorbene Eigene heimsenden konnte. Später hat er sich vermessen, in einem zierlichen Brieflein um die Ann zu werben und ward dafür mit einer nicht minder zierlichen Absage geehret.


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