Georg Ebers
Die Gred
Georg Ebers

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Sechstes Kapitel.

Der Sommer ging zur Rüste, auch der Waldhafer war eingebracht worden, und im Weinland hatte die Lese begonnen. Da ging ein gar köstlicher, sonniger Tag auf, und wenn ihr mich fraget, zu welcher Frist mich das Leben im Forst wonnesamer dünke, in der Maienzeit oder im Herbst, so bin ich um die Antwort verlegen.

Ja, es ist schön im Wald, wenn der Lenz den fröhlichen Einzug hält! Er ist der Heiland des zahllosen großen und kleinen Volkes, das da grünet und blühet, und darum feiert ihm auch der Wald ein Geburts- und Weihnachtsfest, wie es ihm zukommt! Die Tanne heftet leuchtende Spitzlein an das Ende der Aeste, wie die Menschenkinder Lichtlein an die Zweige des Christbaums. Dann folgt die Bescherung. Sie dauert nicht nur einen Abend, und die Gaben, so sich da zeigen, sind sonder Zahl und von gar buntem, mannigfaltigem Ansehen. Wie die Schelle des Vaters die Kinder, so ruft Schneeglöcklein die andern Blumen herbei. Als Erster und Primus kommen die Primeln, die Himmelsschlüßlein öffnen den andern frohen Lenzkindern die Pforte. »Heraus, heraus!« rufen die wiederkehrenden Singvöglein dem Laubwerk zu, und an den Zweigen springen silbergraue Sammetkätzlein hervor. Das Buchenblatt sprengt die braune, spitze Hülle und tritt zu Tage, so weich wie Seide und so grün wie edler Smaragd. Die andern thun es ihm nach und gesellen sich zum schattenden Schirm gegen die höher steigende Sonne. Was in Minne erglühet, das hebt die Stimme im blühenden Mai, und der stumme Forst ist erfüllt vom Hin- und Widerruf der dankenden und jubelnden Liebesleute, die sich gefunden, von zärtlichen Liedern, Braut- und Hochzeitsgesängen.

An tausend heimlichen Plätzlein in der Krone der Bäume, im laubigen Geäst der Sträucher, im Ried des Weihers haben sich Nester gerundet, und bald zwitschert darin junges Leben, rufen sich Vater und Mutter und ermuntern sich und preisen sich glücklich in der Pflege der Jungen. In dieser Zeit der Minne, des Werdens, der Lebensentfaltung fühl' ich des Höchsten Walten mir bei jedem Gang durch den Wald absonderlich nahe, maßen er dann eine Kirche ist, ein herrlicher Dom am höchsten Festtag, der ganz voll von Licht und Gesang und über und über geschmückt mit bunter, frischer Blumen und Laubzier.

Dann wird's merklich stiller und der Sommer ist da.

Aber im Herbst wird der Wald zum Festsaal, worin man frohgemut einen Abschied auf glückliches Wiedersehen feiert. Dem Vergehen neigt sich das Gewordene entgegen, doch an schönen Tagen schaut jenes uns an wie das liebwerte Antlitz eines Freundes, der die Hand nach uns ausstreckt beim Scheiden. Des Forstes weite Halle ist sodann gar ansehnlich ausstaffiret mit rot und gelbem Putz, und wenn die Stimmen der Vöglein auch seltener geworden, wenn auch des Hähers Schrei dem Sang der Nachtigall und dem Rufe des Buchfinken weichen muß, so ist es dannocht anjetzt so wenig stumm wie im Lenze; denn durch des Forstes Wipfel und über sie hin schmettert des Hifthorns Ruf, das Bellen der Rüden, das Klappern der Treiber, der Weidmannsstimmen jubelnder Halalischrei. Aus der Brust frischer, starker, gesunder Menschenkinder, die sich Herrscher fühlen über alles, so da kreucht und fleucht, dringt es aufwärts. Wie rein ist die Luft, wie würzig duftet das fallende Laub an solch köstlichem Herbsttag! Schimmert es im Lenz weiß und rosenrot, blau und gelb drunten im grünen Rasen, so glänzt jetzt Gold und Scharlach in den Laubkronen und von den Ebereschenbäumen. Deutlicher, klarer denn je zeigt sich die Ferne, und seine Silberfäden schweben in der Luft umher, als wollten sie uns festhalten im Walde, dessen frische Schöne dahinwelkt.

Solche Fäden schlangen sich genug durch die sonnige Herbstluft, da die Ann und ich am Sankt Mauritiusmorgen unserer Pflicht nachgingen, das Gefieder, so sich in den Dohnenstiegen gefangen, aus den Schlingen zu lösen.

»Treffen die Zugvögel zeitig ein,
Wird hart und streng der Winter sein« –

kündet die Weidmannsregel, und heuer waren sie früh gekommen, die Krammetsvögel und Drosseln, und es gab bisweilen so reichen Fang, daß unsere Jagdränzlein die Beutestücke kaum faßten, unter die sich leider auch manch herzig sangesfroh Rotkehlchen verloren.

Die Sprenkel zogen sich in mäßigen Zwischenräumen zu beiden Seiten zweier Waldgassen hin. Die eine hatte ich, die andere die Ann zu begehen. Beide kamen unweit der Straße, die in die Stadt führt, zusammen. Der Balzer stellte die Schlingen, von uns aber rechnete es sich jedes zur Ehre, die ansehnlichere Beute heimzubringen, und wenn wir uns nach gethaner Arbeit auf einer Rasenbank trafen, die der schwäbische Junker für mich gerichtet, zählten wir die Vöglein, und es gab dabei mancherlei Kurzweil. Einen Hüter brauchten wir nicht, maßen uns der große Spond das Geleit gab.

Diesmal war ich sicher, des Gefieders die größere Anzahl im Ränzlein zu haben, und gar fröhlichen Herzens schritt ich dem Ende des Stieges entgegen.

Allbereit zweimal hatte mich gedünkt, es sei Hufschlag auf der Heerstraße erschollen, nun aber hob auch der Spond die Nase, und wie mich die Neubegier ankam, also daß ich die Füße hurtiger hob, nahm ich einen Reiter wahr, der sich aus dem Sattel schwang und, ohne des Rosses zu achten, mit langen Schritten der Lichtung entgegeneilte, wo die Ann aus ihrem Stieg hervortreten mußte.

Da brach ich mir gewaltsam Bahn durch das Unterholz, so mir den Ausblick verlegte, und weil ich nun auch die Ann wahrnahm und allbereit die Lippen aufthat, um sie zu rufen, schnürte mir eine unsichtbare Gewalt die Kehle zu, und wie angewurzelt mußte ich stehen bleiben und mit fliegendem Odem den Dingen Auge und Ohr leihen, so sich dort am Saume der Heerstraße begaben. Ach, und ich wußte doch nicht, ob ich ihnen zujauchzen solle aus dem tiefsten Grunde des Herzens, oder sie beklagen und verdammen und dazwischen springen, um ihnen ein jäh End' zu bereiten.

Dannocht regt' ich kein Glied, und wie gebannt war mir die Zunge. In der Brust fühlt' ich das Herz, in den Schläfen die Adern wie Hämmerlein pochen; auch flimmerte es mir vor den Augen, und trotz alledem vermochten sie so scharf zu schauen wie je, und da erblickt' ich denn zuerst auf der einen Seite der Lichtung den Reiter, der kein anderer war, wie der Herdegen, mein lieber ältester Bruder, und auf der andern die Ann, die ihr Ränzlein in der Hand trug und mit ruhesamem Lächeln die Vöglein zählte, so sie aus den Schlingen genommen.

Aber bevor ich noch Zeit gefunden, dem Heimgekehrten zu rufen, scholl eine Stimme hell durch den Wald, und es war die meines Bruders, doch sie war es auch nicht, und was sie rief, das war nur das eine kurze Wörtlein »Ann!«, doch es lag in dem langgezogenen Ruf eine Herzenslust und zärtliche Sehnsucht, dergleichen ich sonst nur aus der Kehle des Nachtigallbuhlen vernommen, wenn er in stiller Maiennacht die Liebste gelocket. Und dieser Schall, er rührte mir selbst an die Seele, doch der Ann, der trieb er das Blut in das Antlitz, so allbereit lang nicht mehr bleich war, und wie die Hindin, die aus dem Dickicht hinaustritt und die entlaufenen Jungen asen sieht auf der Lichtung, hob sie das Haupt hoch und spähte leuchtenden Auges nach der Heerstraße hin, von wannen der Ruf kam. Da traf alsbald, wenn auch erst nur aus der Ferne, ihr Blick den seinen und seiner den ihren, und als hätte ihnen ein unsichtbarer Geist ein Zeichen gegeben, hoben beide die Arme und eilten einander entgegen. Da war kein Hemmen und Halten; denn deutlich nahm ich wahr, daß es sie fortriß, wie die Blume, die man in den brausenden Bach wirft, und dannocht ließ sie, bevor sie ihn völlig erreichet, von jungfräulicher Verschämtheit befangen, die Arme sinken und neigte das Haupt. Aber das Rotkehlchen hatte sich allbereit zu tief hineingewagt in die Schlinge, und der Vogelsteller war nicht der Mann, es entwischen zu lassen, und bevor die Ann sich solcher Gewaltthat versehen, hatte er sie mit beiden Armen umfangen, und sie mochte ihm nicht wehren, ja konnt' es wohl nicht, und so schmiegte sie sich an ihn und ließ es geschehen, daß er ihr das Haupt hob und ihr erst die Augen und dann den Mund küßte, nicht nur einmal, nein, vielemale, und lange, so lang, daß mir sechzehnjährigem Kinde fast bang ward.

Da stund ich nun, und es bebten mir die Kniee, und ich sagte mir, daß, was da vorging, kein fromm und dem Herzen der Mutter einer sittigen Maged wohlgefällig Ding sei, ja es schmerzte mich, daß es geschehen und daß mir von meiner Ann etwas bewußt, so das Licht zu scheuen habe, und dannocht konnt' ich mich nicht erwehren, meine Lust daran zu finden; ja es wollte mich wie eine Unthat dünken, ihn und sie so schnell aus solcher Glückseligkeit zu reißen.

Sobald aber ihre Lippen von einander gelassen und er endlich die ersten Worte an sie zu richten anhub, da meint' ich, daß nun auch für mich die Zeit gekommen, den Bruder zu grüßen. So faßt' ich mich denn mit aller Macht zusammen, und während ich auf sie zutrat, kehrte des Geistes Besonnenheit, die ganz und gar von mir gewichen, aufs neue in mir ein, und eine innere Stimme fragte mich: Was soll daraus werden?

Da streckte er abermals den Arm aus, um sie zu umfangen, und weil eine geheime Scheu mich abhielt, mich in ihr Geheimnis zu drängen, rief ich, bevor ich aus der Lichtung herfürtrat, des Herdegen Namen. Bald lag ich denn auch an des Heimgekehrten Brust, doch wie er mich gar zärtlich geküsset, wollt' es mich dünken, als seien ihm die Lippen mit etwas Fremdem behaftet, so mir nicht fromme, und ich weiß noch, daß ich alsbald das Tüchlein zum Munde führte, um mich davon zu erlösen.

Hienach schritten wir selbander heimwärts. Der Herdegen führte das Roß am Zügel, und zwischen mir und ihm schritt die Ann und schaute ihm mit leuchtenden Augen ins Antlitz, so in den letzten zwei Jahren gar stattlich und mannhaft geworden. Gespannten Ohres lauschte sie seinen Berichten, doch einmal, da ihm der Hengst zu schaffen machte, also daß er sich von uns Weibsbildern abwenden mußte, drückte sie mir ganz schnell und als scheue sie sich, es ihn wahrnehmen zu lassen, einen Kuß aus die Wange.

Auf der Forstmeisterei wurden wir fröhlich empfangen. Dem Ohm, wie seiner Hausfrau, leuchtete es hell aus den Augen, wie redlich sie sich der Heimkehr meines Herdegen freuten, wenn auch der Mutter, die den eigenen herrlichen Sohn verstoßen, der Anblick jedes andern weidlichen Jünglings ins Herz schnitt.

Es war schon am letzten Abend Besuch angekommen, der hochansehnliche Reichsschultheiß Wigelois von Wolfstein und der Herr Besserer von Ulm. Da galt es sich denn schnell für die Mittagstafel kleiden, und so sorglich und mit so emsigem Gebrauch des Spiegeleins hatte die Ann solches nimmer verrichtet. Dabei fügte es sich, daß wir nur auf kurze Augenblicke allein sein konnten, und kein traulich Wort miteinander zu reden vermochten.

Bei Tafel ging es ebenso, und maßen der Ohm am Nachmittag den Gästen zu Ehren eine Wildhatz bereitet, und der Jagdschmaus endlich bis gen Mitternacht währte, geriet meiner Geduld ohnehin nicht überstark Fädlein oft in Gefahr, zu zerreißen.

Inzwischen ging mancherlei um mich her vor, was meinem nachdenklichen Sinn zu thun gab und die Unruh', die mich allbereit früher befallen, verschärfte. Die Ann ergab sich mit voller Lust dem Weidwerk, und auf dem Heimweg verzögerte sie sich mit dem Herdegen also, daß sie erst heimkamen, nachdem das Thor längst hinter dem letzten geschlossen.

Beim Schmause nickte sie mir etlichemal glückselig zu, sonst aber war ich für sie wie versunken, sintemal sie den Erzählungen des Heimgekehrten wie hohen Offenbarungen lauschte. Was ihn betraf, so warf er ihr wohl bisweilen verstohlen einen kurzen, feurigen Blick zu; sonst aber gab er sich geflissentlich das Ansehen, als hab' er wenig mit ihr zu teilen. Oft streckte er sich wie ermüdet, und nur wenn die edlen Herren ihn fragten, war er mit flinker und kluger Antwort beflissen zur Hand. An seines hellen Geistes sonderbarer Frische hatt' er keinerlei Einbuße erlitten; und doch wollte mir nicht mehr alles an ihm behagen wie früher. Wenn der Ohm scherzend sagte, die gelehrte Eule von Padua scheine ein recht bunt und gleißend Gefieder zu tragen, so verstund sich solcher Rede Meinung von selbst, wenn man meinen Aeltesten ansah, und auch mir sagte der schöne Bursch in dem Festgewand, so er für die Tafel gewählet, weit weniger zu, denn im Reise- und Jagdhabit, maßen ihm die ungeschlachte Länge der Aermel des Obergewandes beim Speisen und die übertrieben hohen Schuhspitzen beim Schreiten hinderlich waren.

Wie die Muhme Jacoba endlich aufbrach, um die Mannsbilder bei feurigem Wein und freierem Gespräch allein zu lassen, lag es uns ob, ihr bescheidentlich zu folgen; der Herdegen aber winkte mir, mit ihm beiseite zu treten, und nun hoffte ich, er werde mir das Herz erschließen und sich in der alten vertrauten Weise wiederum als mein lieb und treu Brüderlein bewähren, dem das Herz aus der Zunge lag; doch weit entfernt davon, sagte er mir schmeichlerische Dinge über mein anmutig Aufblühen, und erkundigte sich sodann nach der Base, dem Kunz, dem Großohm und zuletzt gar nach der Ursula Tetzelin, was mich billig verdroß.

In kurzen Worten gab ich ihm Bescheid und fragte ihn, ob er mir des weitern gar nichts zu sagen habe? Da blickte er nachdenklich zu Boden und murmelte vor sich hin: »Doch, doch.« Aber im Handumdrehen fiel er in den früheren Ton zurück, und nachdem ich ihm unwillig eine gute Nacht geboten, umfaßte er mich und drehte mich wie beim Tanz um sich her.

Da macht' ich mich von ihm los und stieg gesenkten Hauptes in unsere Kammer. Dort nestelte eben meine alte Sus der Ann das Festgewand auf, und weil letztere mir dabei recht lieb und dazu, wie es mich dünkte, geheimnisvoll zunickte, vermeinte ich, daß es die Maid sei, die sie am Reden hindere, und sandte die Sus alsbald von hinnen.

Nun hätt' ich eher des Himmels Einsturz erwartet, als daß sie, die meines Herzens trauteste Freundin, vor mir verborgen halten könne, was sich heut in der Früh mit ihr ereignet, und dannocht blieben ihr die Lippen verschlossen.

Sonst pflegten wir beim Zöpfen des Haares und beim Zubettgehen wie die Grasmücken zu schwatzen, doch heute bekam die Kammer kein Wörtlein zu hören.

Mit einem schlichten »Gut' Nacht, Gred!« »Schlaf wohl, Ann!« suchten wir sonst das Lager, nachdem wir unser Gebetlein vor dem Bild der gebenedeiten Jungfrau gesprochen, heut aber schloß mich die Freundin fest in die Arme, und da ich mich anschickte, das Bett zu besteigen, stürzte sie zum andernmal auf mich zu und küßte mich mit Ungestüm.

Hab' ich damals ihre Zärtlichkeit erwidert oder nicht, ich kann's nicht mehr sagen, des aber bin ich mir deutlich bewußt, daß ich stumm blieb, und mir Kümmernis und Weh das Herz abzudrücken drohten. Verraten fühlt' ich mich, und meine treue Liebe verachtet. War es denn möglich? Hatt' ich meines Annelein Vertrauen verscherzt, oder es gar nimmer besessen?

Und weiter!

War sie denn noch die, für die ich sie bisher gehalten, wenn sie mit dem Herdegen ein verborgen und verboten Minnespiel trieb, auch hinter meinem Rücken, und das, heilige Jungfrau, vielleicht allbereit seit Jahren!

Die Kerze war längst erstorben. Beide lagen wir dicht neben einander auf den Kissen und suchten den Schlaf, und der Kummer und das wunde Selbstgefühl trieben mir Thränen ins Auge.

Da hört' ich von ihrem Lager her ein sonderbar Getön und nahm wahr, daß auch sie weine, immer inniglicher und schmerzlicher weine. Das schnitt mir tief in die Seele. Doch ich suchte mein Herz zu verhärten, bis daß es von ihr zu mir herüberklang: »Gred!«

Und nun war es aus mit dem Schweigen, und »Ann!« gab ich zur Antwort.

Da schluchzte sie: »Ich hab' ihm ja auf dem Heimweg von der Birsch geloben müssen, es nicht zu verraten; aber es drückt mir das Herz ab. O Gred, Gred, in mich vergraben und einsargen soll ich's, er hat mir's geboten, und dannocht . . .«

Da richtete ich mich wie neu belebt auf in den Kissen und rief: »Ach, Annelein, Annelein, da ist ja nichts, was ich nicht allbereit wüßte; denn ich hab' zu geschaut, wie er absaß und wie ihr euch herztet.«

Und dann! Bevor ich mich des versah, war sie aufgesprungen, und gleich darauf lag sie vor dem Hauptende meines Bettes auf den Knieen, und ihre Lippen fanden die meinen, und ihre Wange preßte sich an mein Antlitz, und ihre Thränen flossen mir auf Wange, Hals und Brust, während sie mir alles, alles bekannte.

Und nun bekam die stille Schlafkammer ein gar bunt Durcheinander von Liebesbeteuerungen und Befürchtungen, von Anschlägen für künftige Zeiten und von langen Berichten zu vernehmen, wie das alles gekommen.

Ich hatt' es ja vor meinen offenen Augen keimen sehen und für sein Wachstum, wenn auch unwissentlich, das Meine gethan. Wie konnt' es mich wundernehmen, daß es jetzt da war und zur Blüte gekommen?

Bei ihrem Wiederbegegnen heut in der Frühe waren Stahl und Stein zusammengestoßen, und wenn es Funken gegeben, sie hatten's nicht hindern können; auch glaubt' ich der Ann willig, daß sie dem Liebsten in die offenen Arme geflogen wäre, und hätten Vater und Mutter und hundert Warner daneben gestanden.

Die vollste und fröhlichste Zuversicht schaute mich mit hellen Augen aus allem an, was sie da sprach, und solche bemächtigte sich auch meiner jungen Seele, und obschon ich mir nicht hehlte, daß sich der Wahl meines Aeltesten manch schwer und übel Hindernis in den Weg stellen werde, gelobt' ich mir dannocht, den beiden mit bester Kraft die Wege zu ebnen.

Was mir am Abend minder zugesagt an dem Heimgekehrten, das war jetzund vergessen, und da ich der Ann den letzten Nachtkuß bot, o wie liebt' ich sie wieder.


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