Hans Dominik
Atomgewicht 500
Hans Dominik

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Als Phil Wilkin am Abend dieses Tages die Woodward Avenue in Detroit entlangschlenderte, stieß er unversehens auf Thom White, einen alten Bekannten aus früheren Zeiten. In vergangenen Jahren hatten beide einmal zusammen Chemie studiert, sich danach aber aus den Augen verloren. Wilkin legte keinen besonderen Wert auf das Zusammentreffen; um so mehr schien der andere darüber erfreut zu sein, und seiner Einladung in den nächsten Salon konnte Wilkin sich schließlich nicht entziehen.

Beim Bier kam schnell ein Gespräch in Gang, aus dem er erfuhr, daß sein früherer Studiengenosse jetzt auch in Detroit in den großen Farbwerken am oberen River tätig sei. Daß Wilkin bei der United arbeitete, war White bereits bekannt, und im weiteren Verlauf des Gesprächs machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Mit großem Freimut äußerte er sich über die schlechten Arbeitsbedingungen in den Farbwerken und schimpfte abwechselnd über miserable Bezahlung und engstirnige Vorgesetzte, während er eine Lage Bier nach der anderen anfahren ließ. Zuerst ließ Wilkin ihn reden, dann aber begann er, ganz gegen seine sonstige Art, ebenfalls aus sich herauszugehen, und schließlich kam eine halbe Stunde, in der er fast allein sprach.

Von seiner angenehmen Stellung als Erster Assistent bei Professor Melton erzählte er, und ein Wort gab dabei das andere. Auf den querköpfigen deutschen Doktor kam er zu sprechen. Offenbar ein Protektionskind der Direktion, sei der vor einem Vierteljahr mit ganz verschrobenen Ideen in die Abteilung hineingeschneit, aber sie würden ihn schon bald zahm bekommen. Professor Melton sei der richtige Mann, um solche Leute ablaufen zu lassen.

Tom White hörte aufmerksam zu und warf nur noch hin und wieder ein Wort in die Unterhaltung, wenn Wilkin einmal in seinem Redefluß erlahmte.

»Der deutsche Doktor ist jetzt schon kaltgestellt. Die neue Versuchsreihe werde ich zusammen mit Professor Melton bearbeiten«, beendete Wilkin schließlich seine Ausführungen.

Der andere seufzte. »Sie sind ein Glückspilz, Wilkin. Wer es doch so gut treffen könnte wie Sie! Ließe sich in ihrer Abteilung nicht vielleicht auch ein Plätzchen für mich finden?«

Unter dem Einfluß des Alkohols liefen Wilkins Gedanken anders als sonst. Durch und durch Egoist, hätte er unter andern Umständen die Frage von White wohl mit einer höflich ablehnenden Antwort beiseitegeschoben. Jetzt aber sagte er mit Gönnermiene:

»Man könnte es einmal versuchen. Schicken Sie doch ein Bewerbungsschreiben an Professor Melton, in dem sie unsere Bekanntschaft und gemeinsame Studienzeit erwähnen. Dann wird er mich sicherlich nach Ihrer Person fragen, und ich glaube, mein lieber White, meine Stimme hat bei Professor Melton einiges Gewicht.«

In überschwenglichen Worten sprach Thom White dem Assistenten seinen Dank für den guten Rat und seine Fürsprache aus. Gleich morgen früh wollte er das Schreiben an Professor Melton aufsetzen.

»Sobald die Sache klappt, werde ich Sie anrufen und Ihnen Bescheid sagen«, versprach Wilkin; »unter welcher Nummer kann ich Sie in den Farbwerken erreichen?«

Tom White schien um eine Antwort verlegen zu sein.

»Es wäre mir angenehmer, wenn Sie mich nicht an meiner Arbeitsstelle anriefen«, sagte er nach einigem Zögern. »Bei uns werden die Telephongespräche der Angestellten häufig von der Zentrale belauscht. Schreiben Sie mir lieber ein paar Zeilen in meine Wohnung. Hier haben Sie meine Adresse.«

»Wie Sie wünschen, Mr. White«, sagte Wilkin, während er die Adresse an sich nahm, »ich kann Ihre Bedenken verstehen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Großer Gott, wo ist die Zeit geblieben! Für heut wollen wir Schluß machen, morgen ist auch noch ein Tag. Vergessen Sie nicht, Ihr Gesuch einzureichen.«

Während der letzten Worte griff er bereits nach Stock und Hut.

Großzügig ließ er es zu, daß Tom White die ganze Zeche beglich, obwohl dessen Gehalt in den Farbwerken nach seiner eigenen Aussage doch beklagenswert niedrig war. Draußen auf der Straße noch ein kräftiger Händedruck, und die beiden alten Bekannten gingen nach verschiedenen Richtungen auseinander. – –

Von Detroit bis zu dem Städtchen Salisbury in Delaware, in der die Dupont Company ihren Sitz hatte, sind es nur hundert geographische Meilen, und die amerikanische Flugpost arbeitet schnell. Schon am Nachmittag des folgenden Tages hielt Mr. Spinner, der Chef der Nachrichtenabteilung von Dupont, einen Brief in den Händen, in dem die Unterredung zwischen Phil Wilkin und Tom White fast wortgetreu zu lesen stand. Mr. Spinner studierte das Schriftstück sehr gründlich, und die anerkennenden Worte, die dabei gelegentlich von seinen Lippen fielen, hätten Tom White sicherlich erfreut, wenn er sie gehört hätte. Nun ließ Mr. Spinner das Schreiben sinken und fuhr in seinem Selbstgespräch fort.

»Hm, hm! Auf die Manier hat der Junge die Sache gedreht. Soll eine Verbindung mit Doktor Wandel aufnehmen, zieht es aber vor, sich an Wilkin 'ranzumachen; auch nicht übel . . . kann recht nützlich sein . . . Geht verflucht hart an den Wind, der Boy . . . trotzdem, wenn es glückt . . . eine Stellung im andern Lager, er könnte uns wertvolle Informationen geben . . . aber verdammt gefährlich. Na, er muß riskieren, dafür wird er bezahlt . . . aber in die Büroakten darf die Korrespondenz nicht kommen.«

Mr. Spinner erhob sich und trat zu einem großen Bücherschrank. In goldgepreßten Lederbänden leuchteten ihm daraus die englischen Klassiker entgegen. Ein Druck auf einen verborgenen Kontakt, und ein Elektromotor begann zu schnurren. Geräuschlos schob sich der ganze Schrank zur Seite. Eine Stahltür in der Zimmerwand wurde sichtbar, die Mr. Spinner mit einem komplizierten Schlüssel aufschloß, und das Innere eines Tresors lag offen da. Der Nachrichtenchef griff nach einem Aktendeckel und legte den Brief aus Detroit hinein.

»Bericht White – U. C.« schrieb er mit Rotstift auf den Deckel und legte ihn in den Tresor. Dann schnappte die Stahltür wieder zu, und der Bücherschrank rollte an seinen alten Platz zurück. Mr. Spinner ließ sich am Schreibtisch nieder und griff zur Feder, um einen Brief an Tom White zu verfassen. Es wurde ein mehrere Seiten langes Schreiben, und wer den Text so las, wie er auf dem Papier stand, mußte den Eindruck gewinnen, daß ein redseliger alter Onkel seinem Neffen endlose Familiengeschichten auftischte. Das Bild änderte sich aber wesentlich, wenn man sich beim Lesen einer Kartonschablone bediente, die Spinner neben sich liegen hatte. Auf eine Seite dieses wunderlichen Schreibens gelegt, verdeckte sie den größten Teil der Schrift und ließ nur einzelne Worte sichtbar. Dann stand etwas ganz anderes in dem Brief zu lesen. Neue Deckadressen fanden sich darin und eine dringende Mahnung zur größten Vorsicht bei allen weiteren Schritten.

Der letzte Satz, der unter der Schablone zutage trat, lautete:

»Wenn Sie die Stellung bei der U. C. bekommen, versuchen Sie, das Vertrauen Doktor Wandels zu gewinnen. Zu gegebener Zeit lassen Sie durchblicken, daß man ihn bei uns nicht vergessen hat und nicht abgeneigt ist, die Verhandlungen wieder aufzunehmen.«

Mr. Spinner beendete seinen Brief und legte die Schablone in eine Mappe. Unwillkürlich malte er sich dabei aus, wie der Empfänger des Schreibens in Detroit ein Duplikat der Schablone aus seinem Schreibtisch nehmen würde, bevor er sich ans Lesen machte.

Der Briefumschlag, in den der Nachrichtenchef das Schriftstück steckte, trug eine gedruckte Firmenbezeichnung, aber es war nicht diejenige der Dupont Company. Der Aufdruck wies vielmehr auf eine große Konfektionsfirma hin, die durch ihre billige Garderobe in den Staaten bekannt war.

Und schließlich gebrauchte Mr. Spinner noch die Vorsicht, sein Schreiben selbst zum Bahnhof zu bringen und in den Briefkasten des nach dem Westen fälligen Abendzuges zu stecken. Auf diese Weise wurde auch der Poststempel »Salisbury« auf den Briefmarken vermieden, der in einem argwöhnischen Beobachter vielleicht Erinnerungen an die Dupont Company wecken konnte.

Mr. Spinner liebte es, in jeder Hinsicht sicher zu gehen, und vielleicht beruhten seine zweifellosen Erfolge zum Teil mit auf der Sorgfalt, die er auch auf scheinbare Nebensächlichkeiten verwandte.

*

Professor Melton war über den Gleichmut erstaunt, mit dem Dr. Wandel die Mitteilung entgegennahm, daß der Professor die Versuche mit dem neuen Autoklav ohne ihn durchführen wollte.

»Ganz wie es Ihnen beliebt! Sie haben darüber zu bestimmen«, hatte der Doktor nur kühl und kurz erwidert und war in sein Zimmer zu den theoretischen Berechnungen zurückgekehrt, die ihn schon seit Wochen beschäftigten.

Professor Melton war sich nicht klar darüber, ob die Ruhe Dr. Wandels echt oder nur gemacht sei. Das aber wußte er sicher, daß er selbst sich in einer höchst unruhevollen Stimmung befand, und diese Stimmung wurde nicht besser, wenn sein Blick auf die mächtige dunkelschimmernde Stahlkugel in dem großen Laboratorium fiel. Immer mehr kam's ihm so vor, als ob das nicht ein toter physikalischer Apparat sei, sondern ein lebendiges, unheildräuendes Wesen, das ihn tückisch anfunkelte. Schon kamen gelegentlich Minuten, in denen er es fast bereute, daß er die Versuche mit dem unheimlichen Gerät nicht dem deutschen Doktor überlassen hatte. Doch dann war es immer wieder Phil Wilkin, der ihm mit irgendeiner scheinbar zufällig hingeworfenen Bemerkung den Rücken steifte und die Durchführung der vorbereiteten Arbeiten weitertrieb.

Glücklicherweise hatte Dr. Wandel ein Manuskript in die Akten des Laboratoriums gegeben, in dem alles Wichtige über die geplanten Versuche und die dafür erforderlichen Vorbereitungen enthalten war . . . oder doch wenigstens enthalten zu sein schien. An Hand dieser Aufzeichnungen war Wilkin jetzt dabei, eine besonders kräftige Druckpumpenanlage und eine Starkstromquelle an die Autoklavkugel anzuschließen. Das beanspruchte immerhin mehrere Tage, in denen Professor Melton Zeit hatte, sich über die Versuche selbst schlüssig zu werden.

Nach dem Programm des deutschen Doktors sollten extrem hohe Drücke und Temperaturen auf eine geeignete Materie wirken. Über die Drücke ließ sich aus seinen Aufzeichnungen etwas entnehmen. Einer inneren Höchstspannung von hunderttausend Atmosphären durfte der stählerne Hohlkörper des Autoklavs ausgesetzt werden. Ging man darüber hinaus, dann riskierte man, daß der Apparat wie eine Riesengranate explodierte, und dem Professor war bei dem Gedanken an solche Möglichkeit nicht wohl zumute. Schon jetzt war er entschlossen, ein gutes Stück unter dem gefährlichen Höchstdruck zu bleiben.

Höchsttemperaturen sollten außerdem in der Stahlkugel erreicht werden, und dieses Problem machte dem Professor auch einige Kopfschmerzen, denn hier waren die Aufzeichnungen Dr. Wandels lückenhaft. Es war natürlich klar, daß man die Glut auf elektrischem Wege unmittelbar im Innern der Autoklavkugel erzeugen mußte. Aber während der Doktor sich noch mit der Projektierung der dafür erforderlichen Einrichtungen beschäftigte, hatte sein Zerwürfnis mit Melton bereits gröbere Formen angenommen, und verärgert hatte er davon abgesehen, weitere Notizen zu den Akten zu geben.

In verdrießlicher Stimmung ließ der Professor seinen Assistenten kommen, um die Frage mit ihm zu besprechen. Nach seiner Gewohnheit nahm Wilkin die Angelegenheit von der leichten Seite und versuchte die Zweifel seines Vorgesetzten zu zerstreuen.

»Der Heiztransformator mit einer Höchstleistung von tausend Kilowatt wurde nach den Angaben Doktor Wandels gebaut und angeliefert«, sagte er leichthin. »Ich trage kein Bedenken, ihn zu benutzen, und lasse eben jetzt einen dazu passenden Heizkörper wickeln.«

Die Ruhe, mit der Wilkin es sagte, strahlte auch auf Professor Melton über, und im Augenblick schien ihm die Angelegenheit gar nicht mehr so bedenklich, die ihm vor kurzem noch Sorgen machte.

»In etwa fünf bis sechs Tagen wird der neue Heizkörper fertig sein«, fuhr Wilkin in seinem Bericht fort. »Ich möchte vorschlagen, Herr Professor, daß wir dann zunächst einmal eine Reihe von Heizungsversuchen machen, ohne dabei Druck auf den Autoklav zu geben. Wir würden auf diese Weise ein klares Bild über die Hitzeentwicklung in der Kugel gewinnen.«

Bereitwillig stimmte Professor Melton den Worten seines Assistenten bei. Einmal, weil dessen Vorschlag ihm wirklich vernünftig erschien, weiter aber auch, weil sich in seinem Unterbewußtsein der Gedanke regte, daß bei solchem Vorgehen die wirklich gefährlichen Hochdruckversuche noch eine gute Weile Zeit haben würden.

»Übrigens«, meinte er, als Wilkin sich zum Gehen anschickte, »hier ist ein Bewerbungsschreiben von einem Mr. White eingelaufen. Gerade jetzt könnten wir noch eine Hilfskraft brauchen. Der Mann bezieht sich auf die nähere Bekanntschaft mit Ihnen. Können Sie ihn empfehlen?«

Wilkin dachte längst nicht mehr an Tom White. Erst die Worte Meltons brachten ihm jenen feuchtfröhlichen Abend und die Versprechungen, die er dem alten Studienkollegen gegeben hatte, wieder in die Erinnerung. Blitzschnell überlegte er.

Offensichtlich hatte der Chef die Absicht, noch jemand einzustellen. Warum sollte sein Freund White den Platz nicht ebensogut bekommen dürfen wie irgendein anderer? Er würde ihm jedenfalls für seine Empfehlung verpflichtet sein und nicht daran denken, gegen ihn zu arbeiten.

»Ich habe Mr. White zwar einige Zeit aus den Augen verloren«, sagte er mit betonter Objektivität, »aber von früher her kenne ich ihn als einen recht tüchtigen Chemiker und geschickten Laboranten. Ich glaube, Herr Professor, daß Sie keinen schlechten Griff tun, wenn Sie ihn einstellen.«

Der Professor nickte und gab ihm das Bewerbungsschreiben.

»Es ist gut, Mr. Wilkin. Veranlassen Sie, daß der Mann sich bei mir vorstellt. Auf Ihre Empfehlung hin will ich es mit ihm versuchen.«

Drei Tage später hielt Tom White seinen Einzug in die Abteilung Professor Meltons und wurde dem Ersten Assistenten Phil Wilkin zugeteilt. Der Neuling brauchte nicht lange Zeit für die Erkenntnis, daß er sich hier auf einem gefährlichen Boden befand. Es herrschte eine ziemliche Geheimnistuerei, und keiner schien dem andern recht über den Weg zu trauen. Am besten war noch das Verhältnis zwischen Melton und Wilkin. Sehr bald aber fand White heraus, daß der Professor sich von seinem Assistenten in weitgehendem Maß leiten ließ. Freilich machte Wilkin das sehr geschickt, und nach außen hin sah es immer so aus, als ob alle Anordnungen von Melton selber kämen.

Wie es um Dr. Wandel stand, konnte auch ein Blinder merken. Er war bei dem Professor in Ungnade gefallen und einfach kaltgestellt worden. White gewann den Eindruck, daß Melton es nur aus Scheu vor der Direktion unterließ, den Doktor kurzerhand an die Luft zu setzen, und er wunderte sich im stillen nicht wenig, daß der sich diese Behandlung schweigend gefallen ließ.

Einige Aufklärung darüber erlangte er von dem Laboratoriumsdiener MacGan. Während Mr. White jetzt seinem Gönner Wilkin gegenüber ein sehr zurückhaltendes und respektvolles Benehmen zur Schau trug, genierte er sich nicht, mit dem Laboratoriumsdiener nach Schluß der Geschäftsstunden gelegentlich einen Salon aufzusuchen, und sobald er mit ihm erst einmal warm geworden war, redete der Ire sehr frei von der Leber weg.

»Der deutsche Doktor ist der einzige tüchtige Kerl in der ganzen Abteilung«, sagte er beim dritten Soda-Whisky zu White.

»Der neue Autoklav, der große Transformator . . . die Maschinenanlage für die Herstellung flüssiger Luft, das ist alles sein Werk. Die anderen sind nur neidisch und ihm aufsässig.«

White schüttelte den Kopf. »Aber ich verstehe Professor Melton nicht.«

»Der Professor ist ein Narr«, platzte MacGan heraus und schwieg jäh, selber über seine Offenheit erschreckt. Mit Erleichterung stellte er fest, daß Mr. White seine freimütige Äußerung nicht übelnahm und sogar mit einem leichten Lächeln quittierte. Der Irishman konnte ja die Veranlassung dazu nicht wissen, die in einer gewissen Aktennotiz der Dupont Company zu suchen war. Es war eine Bemerkung, die eine starke Ähnlichkeit mit den Urteilen aufwies, die soeben MacGan und vor einiger Zeit Direktor Clayton über den Professor gefällt hatten.

»Der Chef ist kein großes Kirchenlicht, das habe ich auch schon gemerkt«, setzte White die Unterhaltung fort. »Wie findet sich denn Doktor Wandel damit ab? Bis jetzt habe ich ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.«

MacGan nahm einen langen Zug aus seinem Glas, bevor er antwortete.

»Der deutsche Doktor hat sich hinter seine Bücher und Hefte zurückgezogen. Ich komme ja öfters in sein Zimmer, um da aufzuräumen, und habe dabei auch mal einen Blick in seine Schreiberei getan. Wissen Sie, Mr. White, ein bißchen versteht man schließlich auch von dem Kram, obwohl ich nur ein einfacher Laboratoriumsdiener bin. Was der Doktor da macht, das hat mich doch gewundert . . .«

Tom White sah, daß das Glas von MacGan leer war. Er sorgte für neue Füllung und wollte danach Näheres über die Arbeiten des Doktors hören. MacGan befeuchtete seine Kehle mit dem frischen Trunk und erzählte weiter.

»Der Doktor beschäftigt sich mit Atomkonstruktionen. Viele Seiten in seinen Heften sind mit Atommodellen vollgezeichnet, und daneben stehen dann immer so lange mathematische Formeln, daß einem schon schwarz vor Augen wird, wenn man sie bloß ansieht.«

Tom White zuckte die Achseln.

»Das scheint mir eine ziemlich brotlose Kunst zu sein, mein lieber Mr. MacGan. Damit haben sich schon viele beschäftigt, ohne was Sicheres herauszubekommen. Ich glaube, das tut der deutsche Doktor wohl nur, um auf anständige Weise die Zeit totzuschlagen.«

Der Ire steckte die Nase in sein Glas. Als er sie wieder zum Vorschein brachte, meinte er:

»Darüber kann ich nichts sagen, Mr. White, aber das eine glaube ich sicher zu wissen. Doktor Wandel hat in sein letztes Heft die Modelle von Atomen hineingemalt, die noch schwerer als das Uran-Atom sind, und er hat auch dicke Berechnungen danebengeschrieben.«

Tom White hatte Mühe, seine Erregung zu verbergen. Von unschätzbarem Wert konnte die Mitteilung, die ihm MacGan in seiner Ahnungslosigkeit eben machte, für die Dupont Company werden, wenn es gelang, Näheres über diese Arbeiten des deutschen Doktors in Erfahrung zu bringen. Mit Gewalt unterdrückte er die Flut seiner eigenen Gedanken, um sich kein Wort von dem entgehen zu lassen, was der Laboratoriumsdiener noch weiter vorbrachte.

Das war zwar etwas verworren, denn von atomaren Zustandsgleichungen hatte MacGan nur einen sehr schwachen Schimmer. Aber schon das wenige, das White mit mancherlei Zwischenfragen herausholte, zeigte ihm, daß es sich hier um Dinge von größter Wichtigkeit handelte. Wenn die Mitteilungen des anderen auch nur einigermaßen stimmten, dann hatte der Deutsche das große Problem bereits theoretisch gelöst, mit dem sich die United Chemical jetzt beschäftigen wollte und mit dem Mr. Slawter von der Dupont Company sich bereits seit Monaten befaßte, ohne bisher wirkliche Erfolge erzielen zu können.

Während MacGan weiterplauderte und auf andere Angestellte der Abteilung zu sprechen kam, zerbrach sich Tom White den Kopf darüber, wie er an die Aufzeichnungen Dr. Wandels herankommen und sich Abschriften davon verschaffen könne.

MacGan ins Vertrauen ziehen? Der kam eine Stunde früher als die anderen ins Laboratorium; Gelegenheit und Zeit würde er genügend haben, um Kopien zu machen . . .

Ebenso schnell, wie ihm der Gedanke kam, verwarf ihn White schon wieder. Er wußte genug um den irischen Charakter. Niemals würde MacGan sich gegen den Deutschen, vor dem er Achtung hatte, gebrauchen lassen. Die Sache mußte anders angefaßt werden. Aber wie? Das war die Frage, die White während der nächsten Stunde, die er mit MacGan noch zusammensaß, unablässig bewegte.

Er war zufrieden, als sie endlich aufbrechen konnten; der Abend hatte sich jedenfalls für ihn gelohnt. Wie er weiter vorgehen mußte, darüber wollte er sich in den kommenden Tagen klar werden.

Ein netter Kerl, der Neue, sinnierte der Laboratoriumsdiener auf dem Wege zu seiner Wohnung; setzt sich mit unsereinem gemütlich an den Biertisch und behandelt einen wie seinesgleichen. Das hätte nicht einmal der deutsche Doktor gemacht. Wenn ich dem Neuen mal irgendwie helfen kann, will ich's gern tun. –

In Professor Meltons Abteilung waren die Werkleute an der Arbeit. Ein Kran hob den schweren Deckel des Autoklavs ab und versenkte den mächtigen elektrischen Heizwiderstand, der nach den Angaben Wilkins hergestellt worden war, in den Bauch des stählernen Ungetüms. Geschäftig stellte Wilkin die elektrischen Anschlüsse her, der Deckel wurde wieder aufgelegt, seine Verschraubungen wurden festgezogen, und für den Beginn der Versuche war damit alles vorbereitet.

Unschlüssig stand Melton da, als Wilkin es ihm meldete. Vorläufig sollten es ja nur – so hatte er es mit seinem Assistenten besprochen – einfache Heizversuche sein, aber allzu lange würde es dabei nicht bleiben dürfen. Über kurz oder lang würden sie außer der Hitze auch noch Drücke von vielen Tausenden von Atmosphären in die Stahlkugel geben, würden die verschiedenen Stoffe diesen außergewöhnlichen physikalischen Verhältnissen aussetzen müssen. Die volle Verantwortung für alle diese Experimente würde er, Professor Melton, ganz allein zu tragen haben.

In diesem Augenblick bedauerte er es doch, daß er der deutschen Doktor so brüsk kaltgestellt hatte. Ob er nicht jetzt noch einlenken und den Doktor unter irgendeinem Vorwand hinzuziehen sollte?

Ein dumpfes, tiefes Brummen riß ihn aus seinen Gedanken Wilkin hatte den großen Transformator eingeschaltet. Elektrische Energie bis zum Betrage von tausend Kilowatt stand bereit, sich auf eine zweite Schalterbewegung hin in die Heizwiderstände zu ergießen und sie im Innern der gewaltigen Stahlkugel hell aufglühen zu lassen. Die Stimme Wilkins drang an sein Ohr.

»Darf ich Strom geben, Herr Professor?«

Der Assistent mußte die Frage noch einmal wiederholen bevor Melton mit einer unbestimmten Bewegung seine Einwilligung gab. Wilkin legte den zweiten Stromschalter um; tausend Kilowatt arbeiteten in dem Stahlkörper. Schnell stiegen die Thermometerzeiger, welche die Temperatur in seinem Innern meldeten.

Mehr im Hintergrund des Laboratoriums hatte sich Mr. White einen Platz gesucht, von dem er aus dem Halbdunkel heraus die Vorgänge am Autoklav gut beobachten konnte, ohne selber besonders in die Augen zu fallen. Verstohlen notierte er Zeiten und Temperaturen auf seiner linken Manschette und konnte dabei ein gelegentliches Kopfschütteln nicht unterlassen. Ein leichtes Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Er wandte sich um, erkannte den Laboratoriumsdiener und winkte ihm, näherzutreten. Mit gedämpfter Stimme begann er eine Unterhaltung mit ihm.

»Ein schönes Experiment, nicht wahr, Mr. MacGan?«

»Ich kann nichts Besonderes daran finden, Mr. White«, erwiderte der Ire ebenso leise; »wenn man einen elektrischen Ofen einschaltet, wird's warm. Das hätten die Herren auch ohne den Versuch wissen können. Wenn Dr. Wandel dabei wäre, hätte er die Sache bestimmt ganz anders gemacht.«

Tom White dachte daran, in welcher Weise Slawter bei der Dupon Company Versuche, die das gleiche bezweckten, durchgeführt hatte, und mußte MacGan innerlich recht geben. Nach außen spielte er weiter den Naiven.

»Es kommt Professor Melton sicher darauf an, die Erhitzung der Kugelwand festzustellen«, meinte er. »Ich vermisse allerdings Thermometer an der Außenseite der Kugel, die dafür doch notwendig wären.«

»Falsch, Herrschaften! Dazu braucht man keine Thermometer! Eine einfache Rechnung genügt.«

Die Worte kamen aus dem Munde Dr. Wandels, der durch eine Seitentür in das Laboratorium gekommen und zu ihnen getreten war. Tom White hatte den Doktor bisher nur einmal bei der offiziellen Vorstellung gesehen. Mit Interesse versuchte er jetzt dessen Züge zu studieren, soweit das Halbdunkel, in dem sie standen, es zuließ. Ein Gemisch von Spott und Verachtung glaubte er darin zu erkennen, und schroffe Ablehnung sprach aus den weiteren Worten des Deutschen.

»Das ist ein überflüssiger und törichter Versuch, mit dem Professor Melton höchstens den Apparat ruinieren kann.«

Während er weitersprach, schlug er eine Seite in seinem Notizbuch auf. »Die Rechnung ist so einfach, daß jeder technische Anfänger sie aufstellen kann. Wir kennen das Gewicht des Autoklavs, hundert Tonnen Stahl. Wir kennen die zugeführte elektrische Energie. Daraus ergibt sich die Erwärmung mit Leichtigkeit.«

»Ich hörte zufällig, Herr Doktor, wie Mr. Wilkin dem Professor riet, mit einfachen Heizversuchen zu beginnen«, warf MacGan ein.

Großer Gott! Was für Schaumschläger und Angsthasen sind die beiden da drüben! dachte Tom White mit einem Seitenblick auf Melton und seinen Assistenten.

In Dr. Wandel kämpften Ärger und Empörung, und, hingerissen von diesen Stimmungen, sagte er mehr, als hier in Gegenwart von Mr. White ratsam war.

»Ein kompletter Irrsinn ist dieser Versuch. Diese Menschen haben ja den Kernpunkt der Sache überhaupt noch nicht erkannt. Die Stahlwände sollen und dürfen ja gar nicht heiß werden. Nur einen Druck von hunderttausend Atmosphären müssen sie aufnehmen. Die Hitze von möglichst vielen tausend Grad soll in der Mitte der Kugel konzentriert bleiben . . . Ah bah! . . . Was rede ich noch darüber? Bald wird das Narrenspiel ja doch ein Ende haben. Dann werde ich die Versuche machen, dann wird's anders gehen. Na, viel Vergnügen einstweilen, gentlemen . . .«

Ebenso unbemerkt, wie er hereingekommen war, verließ der Doktor wieder den Raum.

»Schade, sehr schade«, sagte MacGan bedauernd, »der Deutsche würde andern Schwung in die Sache bringen. Der kennt keine Furcht. Er weiß genau, was er will und was er dem Apparat zumuten darf. Der würde wahrscheinlich sehr bald Erfolg haben.«

Vergeblich wartete er auf eine Antwort. Tom White zog es vor, zu schweigen, denn allzu sehr ging ihm die letzte Äußerung des Doktors durch den Kopf. In seinem Unmut hatte der Deutsche mit ein paar Worten klar ausgesprochen, worum es sich bei dem großen Problem in Wirklichkeit drehte. Blitzschnell hatte White das verstanden und im gleichen Augenblick auch begriffen, daß Slawter diesen Kernpunkt bei seinen Versuchen außer acht gelassen hatte . . . Der Einbau der Stahlkugel in die Dammgrube in Salisbury . . . keine Wärmeabfuhr durch die festgestampfte Erde möglich . . . Überhitzung, Bersten der Bombe . . . Fast hellseherisch erkannte er in diesen Sekunden den Hergang der Katastrophe, die Slawter und seine Leute fast ums Leben gebracht hatte. Den Bericht Spinners darüber hatte er am vergangenen Abend erhalten. Es war wieder einer jener langen und weitschweifigen Familienbriefe, äußerlich anscheinend ganz unverfänglich. Aber als Wilkin seine Schablone benutzte, las er viel Sorge und Bestürzung heraus und ein dringendes Ansuchen zum Schluß, schleunigst in Erfahrung zu bringen, wie die Leute bei der United die Sache anfassen wollten.

Mechanisch wiederholte er in Gedanken noch einmal die Worte des Doktors, um sie sich unvergeßlich einzuprägen. »Die Stahlwand soll nur den Druck tragen, die Hitze muß im Mittelpunkt der Kugel konzentriert bleiben.« Gleich über Mittag wollte er das – in der üblichen Weise verschlüsselt – zu Papier bringen und an seinen Auftraggeber absenden.

Als er aufblickte, war MacGan nicht mehr da. Dem Iren war die schweigsame Gesellschaft zu langweilig geworden, er hatte seinen Platz verlassen und machte sich in der Nähe des Professors zu schaffen. So konnte Mr. White sich weiter seinen Gedanken hingeben . . . Wie würden die Dinge in der Abteilung weitergehen? Einige Tage, vielleicht sogar Wochen mochten Melton und seine Leute noch ihre brotlosen Künste treiben. Dann würde Clayton sicherlich die Sache zu dumm werden, er würde als Direktor ein Machtwort sprechen. Dr. Wandel würde mit der Durchführung der Versuche betraut werden, und dann . . . dann waren vielleicht in kürzester Zeit Erfolge zu erwarten, durch die alle Arbeiten der Dupont Company überholt würden. Wenn irgend möglich, mußte er versuchen, das zu verhindern . . .

Nicht ohne guten Grund hatte ihn Mr. Spinner auf seinen Posten berufen. Tom White verfügte über ein gut Teil Intelligenz und Erfindungskraft, und in dem Augenblick, in dem er sich jetzt die Aufgabe stellte, sah er auch schon eine Möglichkeit, sie zu lösen. Langsam verließ er seinen dunklen Winkel; als ob ihn der Versuch Meltons stark interessierte, kam er immer näher an den Autoklav heran, bis er schließlich dicht neben dem Professor und Phil Wilkin stand. Mit Aufmerksamkeit verfolgte er den Gang der Thermometer, warf hin und wieder eine anerkennende Bemerkung hin, für die Professor Melton nicht unempfänglich war, und erreichte es so, mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Rückhaltlos bewunderte er dabei dessen Anordnungen und ließ auch dem Heizwiderstand, den Wilkin gebaut hatte, uneingeschränktes Lob zuteil werden. Wie die Kater, die man streichelt, schnurren die beiden, dachte er bei sich, während er seine Schmeicheleien immer dicker auftrug und ihre wohlwollenden Erwiderungen dafür entgegennahm. So lange, bis ihm die Frucht schließlich reif zu sein schien.

»In einem Punkt möchte ich mir, wenn Herr Professor es gestatten, erlauben, ein Bedenken auszusprechen«, meinte er.

Melton warf ihm einen verwunderten Blick zu. Was hatte der Neuling, der bisher alles gut fand, plötzlich auszusetzen?

»Bitte, sprechen Sie, Mr. White«, sagte er mit einem etwas säuerlichen Lächeln, »was scheint Ihnen bedenklich?«

»Sie haben den Autoklav frei stehen. Durch einen Zufall erhielt ich Kenntnis davon, daß man das bei der Dupont Company anders macht.«

»Bei der Dupont Company?« Fast gleichzeitig kamen die Worte aus Meltons und Wilkins Mund.

Bisher war es der Company gelungen, ihre Versuche vollständig geheimzuhalten. Nur ein dunkles Gerücht war den Leuten in Detroit zu Ohren gekommen, daß man in Salisbury etwas Ähnliches vorhätte wie bei der United Chemical. Etwas Näheres hatten ihre Agenten nicht in Erfahrung bringen können. Kein Wort über die Versuche Slawters und den Unfall, der ihn betroffen, war in die Öffentlichkeit gedrungen. Und jetzt wollte dieser hier frisch hereingeschneite Neuling etwas Genaueres darüber wissen.

Wilkin faßte sich zuerst.

»Reden Sie weiter!« rief er seinem Schützling zu. »Was macht man bei der Company anders?«

Tom White zögerte, stockte und machte recht naturgetreu den Eindruck, als bereute er es schon, überhaupt etwas gesagt zu haben. Im gegebenen Falle war Mr. White ein vorzüglicher Schauspieler.

»Raus mit der Sprache!« ermunterte ihn Melton. »Wie wird es bei der Dupont gemacht? Es kann recht wichtig für uns sein das zu wissen.«

»Ich hörte, Herr Professor, daß man dort das Stahlgefäß für die Versuche fest in eine Dammgrube eingestampft hat. Es soll aus Sicherheitsgründen geschehen sein . . . Falls der Stahl doch nachgibt . . . falls die Bombe explodiert . . . dann wäre . . .«

Tom White verhedderte sich endgültig und schwieg. Er brauchte auch nicht weiterzusprechen. Das wenige, das er gesagt hatte, genügte vollständig, um Melton scharfzumachen. Ein schneller Blickwechsel zwischen ihm und Wilkin, dann griff der Professor seinen Assistenten am Arm und zog ihn beiseite, wo White sie nicht mehr hören konnte.

»Das ist eine glänzende Idee, mein lieber Wilkin«, fing Melton an. »Ich war von Anfang an nicht damit einverstanden, daß der neue Autoklav hier so frei und offen im Labor aufgebaut würde.«

»Ich weiß, Herr Professor, es geschah auf Veranlassung von Doktor Wandel«, bestätigte Wilkin die Meinung seines Chefs. »Jetzt darf ich's wohl offen sagen, die Sache war mir gleich etwas unheimlich. Hier im Laboratorium etwa eine Explosion . . . die Folgen müßten grauenhaft sein. Keiner von uns würde mit dem Leben davonkommen.«

»Ganz meine Meinung, Wilkin. Sehen Sie, ich hatte gleich so ein instinktives Gefühl, daß hier leicht etwas schiefgehen könnte. Wie gut, daß Ihr Freund uns diesen Tip gab.« –

Tom White hatte sich inzwischen so hinter die große Stahlkugel gestellt, daß er die beiden unauffällig beobachten konnte. Er bemerkte, wie sie erst zusammen tuschelten, dann lauter miteinander sprachen, und vermochte schließlich einzelne ihrer letzten Worte aufzufangen. Mit Vergnügen entnahm er daraus, daß sie schon entschlossen waren, seinem Hinweis zu folgen, und mit innerlichem Behagen malte er sich aus, was fast naturnotwendig daraus entstehen mußte. Eine Überhitzung des Stahles, ein Bersten des Autoklavs . . . die Notwendigkeit, einen neuen zu beschaffen. Monate würde das in Anspruch nehmen . . . Monate, wo jede Woche bei diesem Wettlauf der beiden großen Konzerne wertvoll war.

Gespannt versuchte er, noch mehr von der Unterhaltung zwischen Melton und Wilkin zu erlauschen, doch deren Stimmen waren jetzt wieder leiser geworden. –

»Was hindert uns, Herr Professor, es ebenso wie die Dupont-Leute zu machen?« fragte Wilkin. »Eine Dammgrube läßt sich schnell ausheben. Zehn Meter tief können wir hier bequem gehen, bevor wir auf Grundwasser stoßen . . .«

»Je tiefer, desto besser, mein lieber Wilkin«, unterbrach ihn Melton.

»Wir können es hier an Ort und Stelle machen«, fuhr der Assistent in seinen Vorschlägen fort, »unser Labor ist nicht unterkellert. Nur eine schwache Betondecke trennt uns hier vom Erdboden, die sich leicht aufbrechen läßt . . .«

»Großartig, Wilkin! Dann wollen wir's so machen. Eigentlich war das von Anfang an meine Idee.«

»Allerdings, Herr Professor«, fuhr er geschmeidig fort, »macht die Durchführung Ihres ursprünglichen Planes ein paar Abänderungen notwendig, die etwas Zeit kosten werden.«

»Was für Abänderungen?« fragte Melton mit einem leichten Anflug von Verstimmung.

»Wir werden die Leitungen zwischen dem Autoklav und den Meßinstrumenten verlängern müssen, damit wir ihre Angaben außerhalb der Grube ablesen können.«

Melton machte eine wegwerfende Bewegung.

»Wenn es weiter nichts ist, Mr. Wilkin! Der Aushub der Grube wird mehrere Tage in Anspruch nehmen. Inzwischen können die Leitungsverlängerungen bequem gemacht werden.«

»Ganz recht, Herr Professor«, beeilte Wilkin sich seinem Chef beizupflichten. Der Gesprächsstoff schien damit erschöpft zu sein, aber Melton hatte noch etwas auf dem Herzen.

»Wissen Sie, mein lieber Wilkin«, hub er wieder an, »es würde mich doch interessieren, auf welche Weise unser Neuer seine Informationen bekommen hat. Sie wissen ja auch, daß unsere Leute nicht das geringste über die Arbeiten in Salisbury in Erfahrung bringen konnten. Holen Sie ihn doch mal bei nächster Gelegenheit unter vier Augen vorsichtig darüber aus. Vielleicht hat er zufällig irgendwelche Beziehungen, durch die man noch mehr über die Arbeiten der Dupont Company erfahren kann.«

»Eine ganz vorzügliche Idee, Herr Professor«, versicherte Wilkin dienstbeflissen. »Ich will es gleich heute abend versuchen. Mr. White ist ja ein alter Bekannter von mir. Ich glaube, es wird nicht schwerfallen, bei einem Glas Bier alles Wissenswerte von ihm zu erfahren.«

»Tun Sie das, mein lieber Wilkin. Nutzen Sie Ihre Bekanntschaft nach besten Kräften aus . . . und jetzt wollen wir unseren Versuch unterbrechen und den Strom wieder abschalten. Ich bin doch dafür, daß wir die Arbeiten erst fortsetzen, wenn der Autoklav in der Grube steht.«

»Sehr wohl, Herr Professor«, stimmte der Assistent zu und ging zur Schalttafel, um den Strom zu unterbrechen.

Von dem letzten Teil der Unterhaltung zwischen Melton und Wilkin hatte Tom White leider nichts mehr vernehmen können, weil sie zu leise sprachen. Er brannte darauf, Näheres darüber zu erfahren, am besten vielleicht wieder am Biertisch. Nur der Zweifel drückte ihn, ob der Erste Assistent der Abteilung jetzt noch eine Einladung dazu von ihm annehmen würde.

*


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