Felix und Therese Dahn
Kaiser Karl und seine Paladine
Felix und Therese Dahn

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480 15. Wilhelms von Orange Tod.

Graf Wilhelm war ein gewaltiger Kämpe geworden, und Karl liebte ihn sehr. Einst weilte er zu Paris in der Pfalz: einsam war's da um den großen Kaiser. Sein Gemahl Hildigard lag in der Gruft, seine Freunde waren gefallen in seinem Dienst. Deren Söhne saßen nun auf den Stühlen ihrer Väter. Karl schaute umher und sprach scherzend:

»Wilhelm, du wirst auch alt: ich sehe graue Haare auf deinem Haupt.«

Hastig sprang der Graf auf und antwortete: »Du mahnst mich zur rechten Zeit. Ich habe dir so lange gedient, daß mein Haar darüber die Farbe verlor, nun will ich noch Gott dienen. Entlaß mich, gerechter Kaiser.«

Da mochte Karl ihn nicht halten, traurig sah er den letzten Genossen seiner Schlachten und Siege scheiden.

Graf Wilhelm ritt nach Orange, küßte Weib und Kinder und ging in ein Kloster im Langobardenland, und niemand gab er sich zu erkennen.

Und bald darauf erschien dem Kaiser im Traum der Engel Gabriel und sprach: »Karl, rüste ein Heer, fahre nach Libia in Spanien gegen den Heidenkönig Madul, der die Christen bedrängt.«

»Gott,« seufzte Karl erwachend, »welch mühselig Leben hast du mir bereitet!«

Er ließ in seinem Reich alle Wehrpflichtigen aufbieten und nach Wilhelm suchen.

Der hatte gerade seine Kutte wieder abgelegt. »Euch Mönchen fehlt die wahre Demut: ich mag nicht länger unter euch bleiben,« sagte er zum Abt und ging hinweg. 481 So kam er an ein Gehöft, Grymer hieß der Eigner, er saß an der Haustür, sein junges Weib neben ihm.

»Sei gegrüßt,« sprach Wilhelm, »was blickst du so finster?«

Unmutig antwortete der Gefragte: »Vor drei Monden hielt ich Hochzeit, morgen muß ich fort zu hartem Kriegsdienst! Jeden pflichtigen Mann ruft Herr Karl ins Heer.« Und er erzählte, wie Madul die Saracenen rächen wolle an Karl. Und er schloß: »Der Kaiser ist alt, seine erprobten Herzoge liegen tot: weh' uns Heermännern! Wär' ich nur ein Graf.«

»So leih' mir deine Waffen und deinen Hengst: ich will statt deiner in den Krieg ziehen!«

Da gab Grymer Waffen und Roß gern hin. Wilhelm zog fort und stellte sich dem Banner, welchem der Mann zugehörte; er hielt den Helm geschlossen und redete mit niemand.

Madul war über See gefahren, nördlich vom Ebro ans Land gegangen und verwüstete Karls Gebiet.

Kaiser Karl musterte seine Scharen in der spanischen Mark und sprach: »Der Kampf wird schwer: meine besten Kämpen liegen tot! Wer mir Wilhelm von Orange bringen könnte, den wollte ich reich belohnen, und wer Madul erschlüge, noch reicher: ich mache ihn zum Grafen, Herzog oder König.«

Wilhelm hörte ihn wohl; er schwieg und band seinen Helm fester.

Dann begann die Schlacht. Der Graf ritt allen weit voran, er traf zuerst den Bannerträger und warf das Banner nieder: dann fällte er die kühnsten Heiden, bis er endlich mit dem König zusammentraf. Hei, hieb ihm der fromme Graf das turbangeschmückte Haupt von den Schultern, er faßte es und zeigte es den Ungläubigen: da flohen die 482 schneller, als sie gekommen waren, und Karl gewann den Sieg. Wohl hatte er Wilhelm reiten sehen und geglaubt ihn zu erkennen; aber Wilhelm ritt gleich vom Schlachtfeld weg zu Grymer in den Wald und brachte ihm Maduls Haupt.

»Waffne dich, reite auf deinem Hengst mit diesem Haupt zu Karl und fordere dafür die Grafenwürde, wie er's gelobt,« sprach er und schritt tiefer fort in den Wald.

Grymer fand den Kaiser in Paris; dahin waren aber viele mit abgeschlagenen Saracenenköpfen gekommen und jeder sagte, er bringe den rechten.

Aber Karl glaubte keinem. Da ritt Grymer in den Burghof und hielt das Haupt empor mit den Abzeichen der Königswürde daran.

»Wer bist du, Mann?« fragte Karl.

»Ich heiße Grymer.«

»Deinen Hengst sah ich wohl in der Schlacht,« antwortete Karl, »aber ein stolzer Kämpe saß darauf.«

»Kein andrer als ich. Mich dünkt, du willst nicht halten, was du versprochen, Kaiser!«

»Was ist's, danach du so begehrst?« forschte Karl.

»Die Grafenwürde.«

»Die will ich dir verleihen, dem Helden zu Ehren, der dieses Haupt abschlug und dir gab: das tat Graf Wilhelm! Und du sollst sein Mann werden.«

So wurde Grymer Graf.

Aber Karl wußte wieder nicht, wohin sein Freund geschwunden.

Einige Zeit danach erschien Wilhelm seinem Grafen Grymer im Traum und sprach: »Suche im Walde: dort, wo ich von dir geschieden bin, wirst du meinen Leib finden: schaff' ihm ein Grab.«

Da ritt Grymer zum Kaiser und bekannte ihm alles.

483 Im Walde an der bezeichneten Stelle fanden sie Wilhelm tot liegen: sein Leib war unverwest, und süßer Duft erfüllte die Waldwiese. Karl ließ ihn dort begraben und ein Kloster darüber erbauen. Das Grafenamt aber nahm er Grymer und setzte ihn zum Vogt über die Stiftung.


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