Felix und Therese Dahn
Kaiser Karl und seine Paladine
Felix und Therese Dahn

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11. Der Sachsenkrieg.

Um Weihnachten traf Karl mit seiner Heerschar bei Köln ein. Die Sachsen hatten sich in ihre Wälder zurückgezogen. Der Winter war milde: da gelüstete es Herrn Karl, über den Rhein zu fahren und in den weiten Wäldern Hirsch und Vogel zu jagen. Herzog Naimes mahnte ihn: »Herr, willst du allein mit deinen Jägern reiten? Das ist allzugefährlich, die wilden Sachsen könnten dich erschlagen: gedulde dich, bis das ganze Heer beisammen ist, dann geleitet dich der Paladine Schar.«

»Bis dahin, Freund, hat mir der Sachse das edelste Wild längst abgejagt. Du reitest mit mir, und von den Baronen folge, wer im Lager ist und Lust zu jagen hat.«

So ritt er allein gen Osten, von einem kleinen Gefolge junger Edelknaben und von Jägern begleitet, immer tiefer in den Sachsengau. Bald hatte Widukind davon Kunde bekommen und er eilte mit einer Schar Streitmänner herzu, den Kaiser zu bekämpfen. Am vierzehnten Tage, auf einer Waldwiese war's, sah Karl die Sachsen aus dem Gehölz 420 kommen; er hielt den Hengst an und sprach zornig: »Freund Naimes, reiche mir einen Langspeer, nun kommt Widukind und fordert sein Wild zurück.«

Widukind saß auf einem friesischen Rapphengst; sobald er den Kaiser vor seinem Gefolge erblickte, jagte er den Seinen weit voran, den Schild auf den Rücken werfend, mit geschwungenem Schwert auf Karl zu. Der saß im Sattel, hielt den runden Schild vor und ließ den Ungestümen mit der Brust auf seinen Langspeer prallen.

»Hilf Woden!« rief der Herzog und fiel rückwärts aus dem Sattel, und schon sprangen einige Franken ab und griffen nach ihm, aber da war Widukinds Schar zur Stelle: hundert Sachsen hieben mit Schwertern und Schlachtbeilen ein auf die fränkischen Herren, die, meist nur in Jagdkleidern, mit Jagdwaffen ausgerüstet, nichts tun konnten, als den Herzog freigeben und ihres Kaisers und ihr eignes Leben verteidigen. Und das schien verloren: aber Naimes erspähte einen alten Turm und riet seinem Herr, dorthin zu fliehen. Das gelang, sie fanden das Tor offen, Herzog Naimes warf es krachend zu und schob den Riegel ein, gerade als Widukind davor ankam. Der Sachse ließ den Turm umstellen, entsandte Boten und in wenigen Stunden lagerte ein kleines Heer vor dem Bau und begann zu stürmen. Die Burg, eines fränkischen Edelmanns Eigen, der wohl vor den Sachsen hatte fliehen müssen, war gar eng und barg nur wenige Vorräte an Lebensmitteln und Waffengerät. Der Kaiser und seine Paladine schossen mit Pfeilen auf die Belagerer und warfen Steine auf sie hinab. Die Sachsen stürmten Tag um Tag; am sechsten gingen die Lebensmittel im Turm zu Ende. Da bot Karl Widukind ein Lösegeld, aber der Sachse antwortete: »Behalte dein Gold! – Willst du dich lösen, so geschieht's nur mit deinem Haupte.«

421 Schweigend wendete der Kaiser ihm den Rücken und trat von der Zinne hinweg, dann sprach er: »Auf, Barone, wer eine Brünne mitgeführt hat auf diesem Ritt, der lege sie an: dann sitzt auf, wir müssen uns Speise schaffen. Sechs von euch Jägern hüten den Turm.«

Sie machten einen Ausfall, die Sachsen waren dessen so wenig gewärtig, daß die Franken bis in Widukinds Lager dringen und reichliche Vorräte erbeuten konnten. Sie mußten blutig darum streiten: bis ans Tor verfolgten und bedrängten sie die Feinde.

In der Nacht entsandte Karl seinen kühnsten Jäger mit einer Botschaft nach Köln.

»Melde dem Erzbischof,« sprach er, »daß Kaiser Karl wohlauf im Sachsenlande haust. Keiner meiner Herzöge, – wenn sie schon eintrafen – wage sich mit seinem Heer in diese Sachsensümpfe: in Köln sollen sie mich erwarten! Du aber, reite weiter auf der Heerstraße nach Nobles zu Roland, und ihm sage, was du hier gesehen.«

Der Jäger war treu, listig und verschlagen: er kam durch der Sachsen Lager und nach Köln. Des Kaisers Kriegsheer war noch nicht beisammen. Der Bote tat seine Meldung und ritt davon. Und wo er auf der Fahrt ein besser Roß antraf als seines, da sprang er drauf mit dem Rufe: »Ich bin Herrn Karls Bote!« und ließ das wegmüde zurück. Bald hatte er Nobles erreicht, jagte durch die Lagergassen vor des stolzen Roland Zelt und tat seine Meldung. Der Markgraf erbleichte und rief: »Auf, Freund Oliver! Vorwärts Genossen! Noch heute erstürmt mir Nobles; denn ich muß Herrn Karl, meinen Ohm, befreien.«

Da begann grimmer Sturm: die Mauern barsten, die Tore sprangen krachend auf, Roland ritt zuerst in die Stadt und erschlug mit Durendal den Befehlshaber der 422 Saracenen. Er legte starke Besatzung in die Stadt und zog in Eilreisen nach Sachsen. Oliver, Turpin und Herr Reginhar ritten mit ihm.

Reginhar wollte mit dem Vortrab über den Rhein, er wurde aber von Sachsen überfallen und zurückgeworfen, er selber ertrank dabei. Die Sachsen hielten ihn für Roland, meldeten Widukind den Sieg und brachten einige abgeschnittene Frankenhäupter als Wahrzeichen mit.

Da ritt der Herzog vor den Turm: unter dem Helm hervor quoll ihm dichtes, gelbes Haar auf die breiten Schultern, gleichfarbiger Bart umwogte das lange Kinn und den trotzigen Mund, scharf spähten seine graublauen Augen auf die Zinne, bis sie den Kaiser fanden. Er hielt eines der Totenhäupter empor und rief:

»Sieh dies als Wahrzeichen: deine Franken sind geschlagen, der stolze Roland ist ertrunken in den Fluten des Rheins! Kaiser Karl, nun ergib dich meiner Gnade!«

Zornblickend befahl Karl: »Schießt mit Speer und Pfeil und vertreibt mir den Sachsen aus meinem Angesicht!«

»Herr, sorge nicht,« sprach Naimes, »ich glaube nichts von alledem, was der Heide da spricht! Getrost, uns kommt's wieder besser.«

Und so kam's. Roland und Oliver waren über den Rhein gekommen, hatten der Sachsen Verschanzungen erstürmt, viele hundert Männer erschlagen und jagten das letzte Häuflein vor sich her. Die Flüchtigen trafen bei Widukind ein und riefen: »Alles ist verloren, Herzog! Roland lebt! Er kam mit neuen Scharen über den Rhein und hat uns geschlagen: wir allein entrannen vor ihm mit dem Leben zu dir. Horch! da klingt schon fernher sein schreckliches Horn.«

»All' die Sachsen tot! Und der Markgraf lebt!« rief 423 Widukind, »dann rasch auf, Genossen, mir nach! In die Waldverstecke!«

Mit grollendem Schweigen gehorchten sie: drohend hob noch hier und dort einer die Axt oder das Schwertmesser gegen den Turm, dann zogen sie ohne Hasten ab nach Nordosten. »Hilf Woden, hilf Sassenot!« hörte der Kaiser es noch aus ihren Reihen schallen.

Da befahl er: »Jeder waffne sich, so gut er's kann. Sitzt auf, alle! Wir reiten nach!«

Er war der erste im Sattel, er stieß das Tor auf: »Dem Herr die Ehre!« rief er, schwang den Speer und Tencendur flog in gewaltigen Sprüngen über die Waldheide. Naimes ritt ihm zunächst und hielt ihn zurück: denn das Gefolge kam nicht so rasch vorwärts. Aber doch rasch genug, daß sie aus der Sachsen Nachhut noch manchen Mann, der sich Herrn Christus und Herr Karl nicht ergeben wollte, tot niederstreckten.

Der Kaiser wollte den Fliehenden immer weiter folgen, aber Naimes sprach: »Nicht länger jage dieses Wild, Herr; es ist auch gut, heimzukehren in heiler Haut: wann der Wolf gehetzt wird, wendet er sich oft und beißt.«

Da hörten sie einen hellen Hornklang vom Westen her; der Kaiser hielt Tencendur an, sein Auge leuchtete, er rief: »Das ist der stolze Roland, er bläst mir zum Gruße! Zurück zu ihm, zu meinem Heervolk!« Und er lenkte den schnaubenden Hengst westwärts.

In Köln waren mit dem Frühling alle Herzoge, die nicht zur Besatzung im Süden Franciens zurückbleiben mußten, eingetroffen. Aber auch Widukind kam von Osten wieder heran. »Nun laßt uns zuerst eine breite Brücke 424 bauen,« sprach der Kaiser, »dann ziehen wir mit allem Heervolk gegen die Sachsen.«

»Dazu mußt du erfahrene Steinmetzen und Zimmerleute berufen,« antwortete die Pfaffheit. Und Roland sprach heimlich zu Turpin: »Zum Stillliegen und Brückenbauen bin ich nicht hergezogen. Komm, Freund, wir suchen eine Furt.«

Sie ritten aus, den Rhein entlang, mit einer auserlesenen Schar und kamen an eines Einsiedlers Klause vorüber: »He, frommer Mann, weißt du eine Stelle, wo wir durch den Strom reiten können?« fragte Roland.

Der Gefragte hob weisend die Hand: »Frühmorgens sah ich dort unten ein Rudel Hirsche und Hindinnen durch den Rhein schreiten, und das Wasser ging ihnen nicht über die Lenden.«

Turpin segnete die Flut und ritt zuerst hinein: ihm folgten Roland und seine Reiter.

»Freund,« sprach der Erzbischof, als der letzte aufs Ufer klomm, »laß nun Herr Karl diese Furt anzeigen.«

»Zuvor, Bischof, reiten wir zu Widukind und schlagen ihm eine Wunde, und Herrn Karl einen Sieg, davon die Kunde fliegen soll bis in den fernsten Sachsenhof.«

Eskland war ein Sachsenführer; er lag mit seinem Häuflein in den Rheinwäldern und hielt sich verborgen. Ruhig ließ er die Franken dahintraben. »Geduldet euch, Leute,« sprach er, »wir besetzen die Furt: der stolze Markgraf kommt nicht darüber zurück.«

In der Nacht überrumpelte Roland Widukinds Lager: mancher Sachse erwachte da – im Mondlicht blitzte ihm Francisca und Schwert entgegen – um zu sterben. Viele wurden von den stampfenden Hengsten zertreten; dennoch gelang es Widukind, seine fliehenden Krieger zu sammeln.

425 »Hilf, Woden! Hilf, Sassenot!« riefen sie und gingen zum Angriff vor.

Sie waren in der Überzahl, fochten zu Fuß, schwangen den Speer, stießen mit dem Sachs den Rossen in den Bug, daß diese, sich überschlagend, zu Boden stürzten, die Reiter zerquetschend. Der stolze Roland mußte weichen; er blies in sein Horn, und der Franken Renner flogen auf der mondhellen Straße zurück an die Furt.

Doch da stand Eskland mit seinen Mannen.

»Mich dünkt, wir sind verraten!« rief Turpin, die grimmen Feinde schauend.

»Das dünkt nur solchen, die keinen Mut haben!« antwortete Roland. »Freund Bischof, jetzt müssen wir scharfe Hiebe hauen!« Und er schoß seinen Wurfspeer dem vordersten mitten durch die Brust.

Eskland wies auf Turpin: »Seht Herrn Karls Friedenspriester! Sie schwingen das Schwert und taufen mit Blut! Erschlagt ihn, Herrn Woden zum Opfer.«

Da wäre der Erzbischof schier erlegen, doch der tapfere Markgraf half ihm heraus, nicht achtend der Wunden, die er dabei empfing: denn von rechts, von links und vom Rücken her drangen die Sachsen nun auf ihn ein. Die fränkischen Speerreiter spornten die Hengste, überritten die zu Fuß Kämpfenden, befreiten ihre Führer, jagten mit ihnen davon und wateten durch die erzwungene Furt über den Rhein. Da glitt noch hier und dort mit grellem Aufschrei ein Mann aus dem Sattel in den Strom, getroffen von einem nachfliegenden Stein oder Speer der Sachsen.

Rolands Wunden waren so viele, daß er tatlos in seinem Zelt liegen mußte. Karl sandte ihm seinen Arzt Wintar, der pflegte ihn Tag und Nacht.

Unterdes bauten die Werkleute an der breiten Brücke; doch die Sachsen überfielen sie plötzlich, zerstörten, was sie 426 gebaut hatten, erschlugen viele der Wehrlosen und jagten die übrigen davon. Der Kaiser drohte den Entlaufenen mit Landesverweisung: da kehrten sie zurück und begannen aufs neue den Bau unter Schutz fränkischer Wehrmannen. Abermals kamen die Sachsen: und während die einen mit der fränkischen Waffenschar fochten, fielen die andern über die Bauleute her und zertrümmerten abermals ihr Werk.

Unwillig rief der Kaiser: »Wäre nur Roland wieder heil! Dann würde die Brücke bald fertig stehen.«

Da meldeten sich zwei Baumeister, die waren aus Spanien, die konnten tauchen und im Wasser aushalten, wie ein Lachs darin springt. Sie sprachen:

»Herr Kaiser, gebt uns Holz und alles, was man zu einem Bau bedarf, dann bauen wir Euch die Brücke.«

So geschah's: sie zimmerten ein Schiff, das mit dem Vordersteven an das östliche, mit dem Achtersteven an das westliche Ufer stieß. Dann mauerten sie eine Pfeilerbrücke und setzten darauf Karls Bild aus Stein gehauen: in der Bildsäule war hohler Raum für einen Mann, der mußte darin stehen und seine Hand in die Rechte des Bildes legen, einen Königsstab drohend gegen die Sachsen schwingen und ihnen entgegenrufen, wann sie anstürmten. Sie hatten den Bau nicht hindern können, und sie glaubten, Karl selber stehe auf der Brücke. Mit Speer und Stein schossen sie auf das Bildnis und konnten es nicht zertrümmern, da hielten sie das Bild und Herrn Karl für göttergleich und meldeten ihrem Herzog: »Kaiser Karl steht auf der Brücke und schwört bei seinem Bart: ›Widukind, nicht eines Spornes Wert soll dir bleiben von deinem Land.‹«

Zornig sprang der Herzog auf seinen Rapphengst, ritt auf die Brücke vor das Steinbild und rief laut: »Du da, 427 großer Karl! Dein eigner Gott strafe deinen Hochmut und verderbe dich! Mit welchem Recht willst du mein Vaterland von mir nehmen?«

Der Mann im Bilde antwortete: »Mit dem Recht, das Gott der Herr mir gab über die Heidenschaft! Sachsen ist mein!«

»Niemals, solang ich lebe, sollst du es gewinnen!« antwortete Widukind: »Landgierig und hochfährtig bist du, großer Karl! Ich rufe Herrn Christus an und bete zu Herrn Woden, daß sie beide dich verlassen und verderben mögen! Laß dir's genug sein, daß dich dein Gott nach gefahrvoller Jugend zum Frankenkönig erhob, und begehre nicht nach andrer Fürsten Reiche.«

»Mein Vater Pippin bekriegte den deinen, da er nicht Christ werden wollte: und wärst du, Widukind, mächtiger noch als er war, und du willst nicht lassen von deinem falschen Gott, so bekämpf' ich dich.«

»Wohlan,« rief der Sachse drohend, »dein Sack soll dir in meiner Mühle gemahlen werden: auf zum Kampf! Ich räche mein Volk und schlage dir das weiße Haupt ab!«

Er wandte den Rappen herum, hielt den Schild vor den Mund und rief, den Franken uuverständliche Worte, nach Osten. Da sprangen aus Busch und Gestein bewaffnete Sachsen empor und eilten an ihres Herzogs Seite; mit geschwungenen Schwertern griffen sie die Brückenwache an; dazwischen hallten Axtschläge unter der Brücke und krachend splitterten die Planken des Schiffes.

Bald war die Brücke gewonnen.

Roland lag in seinem Zelt, bei ihm saß Balduin; der war sein Halbbruder: denn nachdem Herr Milon im Kampfe gegen Bretonen gefallen war, hatte Karl die Witwe Ganelon vermählt; er war gerade im Lager eingetroffen, da hörten sie den Lärm: rasch hatten sie die 428 Ursache erfragt. »Vorwärts, Bruder, gegen die Heiden!« rief der Markgraf, sprang auf, waffnete sich trotz mancher unvernarbten Wunde und ritt stracks mit seinem Volk auf die Brücke.

Roland warf Widukind zurück über den Rhein und schützte die Brücke. Balduin griff Estland an, versetzte ihm einen schweren Speerstoß und verfolgte den Fliehenden. Der kühne Jüngling tat einen verwegenen Ritt – mitten durch fliehende und kämpfende Sachsen.

Die Brücke war nun fertig: Kaiser Karl zog hinüber mit seinem ganzen Heer und schwur bei Saint Denis: »Nun unterwerf' ich mir ganz Sachsen oder sterbe darüber.«

Sobald Widukinds Späher den Anmarsch der Franken meldeten, machte er sich kampfbereit. Eskland lag in einem Wald in Hinterhalt, den Feinden in den Rücken zu fallen, während der Herzog sie von vorn angriff. Roland hatte die List erkundschaftet und legte sich in denselben Wald.

Karl zögerte nicht: sobald er die Sachsen erblickte, sprengte er allen voran in den Kampf. Da kam Widukinds Bannerträger geritten und rief laut: »Wo bist du, Roland, den Woden verderbe? Heut' mußt du sterben!«

Balduin antwortete: »Hier ist Rolands Bruder!« Und er warf zornig seinen Speer auf den Bannerträger: durch den Hals getroffen fiel der ins Gras.

Und Widukind rief: »Wo bist du, großer Karl? Dein Haupt bring' ich Herrn Woden zum Opfer!«

Karl hatte ihn gehört, er rannte ihn an und warf ihn mit einem Speerstoß ins Gras, aber heil sprang der Sachse auf und wieder in den Sattel.

Ein alter Heide ritt da, er war aus dem fernsten Norden gekommen: sein Hengst war von einem Lindwurm 429 gesäugt: er fraß nicht Hafer noch Heu, sondern Fleisch, auf der einen Seite war er grau, auf der andern schwarz, über den Rücken weiß, und der Nordmann tat grimme Hiebe: rechts und links fielen vor ihm die Franken, bis er vor Balduin kam: der stach ihm mit der Schwertspitze mitten ins Herz. Der Alte war tot, saß aufrecht im Sattel, und das Roß jagte mit dem Toten davon über die blühende Heide nach Norden.

Da brach Eskland hervor aus dem Wald: aber dicht neben ihm kam auch Roland heraus und ritt ihn an zum Einzelkampf. Das war scharfes Streiten: von Rolands Helm flogen die Steine weg, seine Brünne barst, eine tiefe Wunde klaffte ihm auf der Brust, sein Roß ward wund, er sprang ab und hieb dem Sachsen mit Durendal auf die linke Achsel und schlug ihm den Arm ab, und noch einmal schwang er das Schwert: und weithin flog Esklands schönes, trotziges Haupt.

Als Widukind seinen Freund fallen sah und einen Sachsen nach dem andern, floh er mit den letzten in ferne Waldverstecke.

Kaiser Karl aber unterwarf die Sachsen und ließ sie taufen mit Befehl und Gewalt, und wer von Herrn Woden nicht lassen wollte, dem ließ der große Karl das Haupt abschlagen.

Von Herzog Widukind geht die Sage, daß er sich in der Osterwoche als Bettler verkleidet in Karls Lager schlich, um zu kundschaften. Er kam gerade, als der Kaiser eine Messe singen ließ. Da nun der Priester bei der Wandlung die heilige Hostie emporhielt, erblickte der Sachse darin ein Knäblein von niegesehener Schönheit. Nach der Messe schritt er mit den andern Bettlern vor Karl hin, einen Silberheller zu empfangen. Er streckte die Hand aus und blickte empor, da sprach Karl, seine 430 Hand fassend: »Dies trotzige Auge kenn' ich, du bist Widukind!«

Der antwortete: »Ich bin's, und Wunderbares hab' ich gesehen.« Er erzählte sein Gesicht. Karl selber belehrte ihn und ließ nicht ab, bis Widukind die Taufe nahm.

Und der Herzog sandte Botschaft aus in alle Sachsengaue: »Widerstrebt nicht länger dem übermächtigen Karl!«

So endete der Sachsenkrieg.


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