Felix und Therese Dahn
Kaiser Karl und seine Paladine
Felix und Therese Dahn

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3. Die Schlacht am rauhen Berge.

221 Karl hielt, um Pfingsten war's, Hoftag in Paris, die Großen seines Reichs waren gekommen, mit vielen Gefolgen. Ogier, König Salomon, Garin, Sansun, Herzog von Burgund, Ganelon von Mainz, Graf Grifon von Hautefeuille, Galdebod der Friese, und viele andre: Grafen, Barone, Edelinge aus sechs Königreichen, wohl tausend Männer in allem. Der Kaiser saß auf seinem Hochsitz, Herzog Naimes stand an seiner Seite und mahnte: »Gib ihnen Gaben, Herr Karl, gib immer wieder deinem treuen Volk.« Und Waffen, Kleider, Gold und Silber spendete Kaiser Karl mit offenen Händen. Da drängte sich ein Fremder durch die dankende, jubelnde Menge bis vor des Kaisers Thron: er war ein Saracene: »Baland heiß' ich,« hub er an mit hochfahrender Gebärde, »bin ein Bote meines Herrn, Agoland von Afrika, des Admirals, und also spricht er zu dir: »Kalabrien hab' ich bezwungen, eure Kirchen niedergerissen und strecke meine Hand aus, der Franken Reich zu nehmen. Kaiser Karl, unterwirf dich mir: doch eile dich! Bekenne Mohammed, dann magst du dein Reich behalten!«

Zornflammend fuhr Karl vom Sitze auf, schon hatte seine Faust das Schwert zur Hälfte aus der Scheide gerissen, da legte sich Naimes Hand auf seinen Arm und er flüsterte: »Halt' an dich, Karl! Heilig sind Gesandte.« Langsam ließ der Kaiser das Schwert zurückgleiten, er strich seinen langen, schon mit weißen Haaren durchzogenen Bart und sprach funkelnden Blickes: »Bote, säume hier nicht länger, kehr' um, raste nirgends, eile, deinem Herrn zu melden: Karl kommt.«

222 Fort flog Baland, der Krieg war beschlossen. Der Hoftag ward aufgelöst, die Orte wurden verabredet, wo die verschiedenen Scharen zu des Kaisers Hauptheer stoßen sollten, und die Vasallen eilten in ihre Lande, sofort die Kriegsfahrt zu rüsten.

Roland war noch zu jung, an einer Schlacht teilzunehmen: der Kaiser befahl dem Erzbischof Turpin, ihn und seine Bankgenossen nach Laon, in das feste Schloß, zu führen. Allein kaum war Turpin wieder fortgeritten, da stachelte jung Roland seine Genossen auf: sie überwältigten den Burgwart und erzwangen das Tor, Rosse und Waffen waren schnell beschafft, sie ritten dem Heere nach und erreichten bald des Kaisers Nachhut. Lachend verzieh Karl den Ungehorsam, aber sie hatten in der Nachhut zu bleiben.

Kaiser Karl zog in Eilmärschen durch Francien nach Rom, von Woche zu Woche wuchsen seine Heeresmassen an von eintreffenden Vasallen. Auf der Fahrt – so wird erzählt – erkrankte ein Edler: sterbend übergab er seinen Hengst einem Freunde, der ihn verkaufen und den Erlös unter die Armen verteilen sollte zum Seelenheile des Verstorbenen. Der Freund löste hundert Gulden für das Tier, behielt das Gold und vertat es. Dreißig Tage danach stand der Tote vor ihm und sprach: »Du hast übel getan an mir, doch Gott war mir gnädig, dreißig Tage habe ich gebüßt, morgen fahr' ich in den Himmel, du aber an meine Stelle.« Da kam der Teufel und holte den unredlichen Freund mit Leib und Seele. Nach vier Tagen fand Karl den verschwundenen Mann mit umgedrehtem Halse.

In Rom stieß Gerhard von Fratte, Herzog der Langobarden, mit seiner Schar zum Heere. Lang hatte er sich geweigert, dem kaiserlichen Heerruf Folge zu leisten, und 223 trotzig Karls Boten, Erzbischof Turpin, geantwortet: dazu verpflichte ihn sein Lehnseid nicht. Erst als sein Weib ihn mit sanften Worten darum gebeten hatte, war er aufgebrochen. Als dem Kaiser seine Ankunft gemeldet wurde, erhob er sich und ging dem trotzigen Vasallen entgegen zur Begrüßung: da glitt ihm der Mantel von den Schultern, Herzog Gerhard beugte das Knie und hob ihn wieder auf, Turpin stand dabei, lächelte fein und sprach: »Seht, Herzog, nun habt Ihr, wie Vasallen tun, dienend vor Eurem Herr gekniet.«

Von Rom zog Karl mit seinem ganzen Heere nach Kalabrien. Erzbischof Turpin segnete es: das Lager war zwei Tagesmeilen lang und breit, zwölf Meilen weit hörte man den Waffenlärm und das Getöse.

Almont, Agolands Sohn, war jung und feurig: er hatte ganz Kalabrien und Apulien in seine Gewalt gebracht. Als er hörte, daß Karl nahte, nahm er Durendal, sein gutes Schwert, das nicht zerbrechen konnte; denn Weland hatte es geschmiedet und die Helze war aus dem Holze des Baumes Ajol gefertigt, und der Held blies in sein Horn Olifant: – fünfzehn Meilen weit drang sein Schall: – sammelte seine Schar und zog gegen Karl. In den Tälern am rauhen Berge (Aspremonte) stießen die Heere aufeinander. Die Saracenen hatten einen Wagen mit drei Rindern bespannt: darauf stand ihr Banner aus feuerrotem Zindal, von hoher Stange herabflatternd: und sie hatten geschworen, nicht zu fliehen, solange noch das Banner flattere.

Als der Kaiser in die Schlacht ritt, scheute sein Grauhengst vor diesem Banner: er wollte nicht vor- noch rückwärts. Die Christen wurden verwirrt, mußten auf einen 224 Berg fliehen und konnten nichts als sich verteidigen. Der Kaiser aber ließ dem Hengst die Augen verbinden und sprengte geradewegs auf den Bannerwagen ein. Mit sicherem Hieb schlug er das Banner nieder, und Entsetzen faßte die Saracenen: sie flohen, doch viele tapfere Franken wurden erschlagen.

Die Franken verfolgten nicht, sondern trugen die erbeuteten Schätze in ihr Lager.

Almont rief zürnend: »Wo sind nun die Tapfern, die so stolze Worte redeten, als sie in meines Vaters Palast saßen, zwischen Frauen und Mädchen, und meines Vaters Wein tranken? Pfui über sie alle! Niemals werde ich mich der heutigen Schmach trösten.«

Es war noch früh am Tage: des Kampfes begierig kam Agolands Schwestersohn mit einer Bannerschar, ihm folgten noch vier Geschwader, von Emiren und Scheichs geführt. Sie ritten auf starken Hengsten, in blanken Waffen: der Schein von ihren Helmen und Schilden ging über Berg und Tal. Der Jüngling begrüßte sie und klagte seinen Unsieg: »Und das grämt mich doch zumeist, daß Karl mein Banner gewonnen hat: könntet ihr es zurückgewinnen, ich wollt' es euch reichlich lohnen.«

»Herr,« riefen sie übermütig, »gewinnen wir's nicht zurück, noch bevor die Sonne sinkt, dann laß uns Fürsten alle hängen.«

Ein kleiner Haufe Langobarden war zur Spähe ausgeritten. Sie sahen Staub aufwirbeln, Wimpel flattern, goldene Helme und Schilde blinken: rasch meldeten sie's ihrem Herzog Gerhard von Fratte, der sandte die Botschaft weiter an den Kaiser, sammelte seine Mannen in einem Tal und sprach: »Seit Jahren zieh' ich nun in die Schlacht: seht mein Banner, von den Vätern mir vererbt, noch nie ist es in die Flucht geschlagen: folget ihm! Wer 225 fällt, kommt ins Himmelreich, wer am Leben bleibt, gewinnt soviel Goldes, daß er nie mehr daran Mangel leiden wird. Betet zu Gott und reitet: drauf! Zu Gottes Ehre!«

»Du sprichst gut, Herzog. Keiner wird fliehen, wenn du es nicht selbst gebietest,« antworteten sie.

Erzbischof Turpin brachte dem Kaiser die Kunde von den wieder heranrückenden Heiden. Da ließ Karl seine Heerhörner blasen; er brach gleich auf mit seiner Schar, Herzog Naimes, herrlich gewaffnet, Graf Garin und Ogier folgten ihm zunächst. Jetzt trug der Däne Karls Banner nicht, heute wollte er nur fechten. Fern auf einem Berge sahen sie gewaffnete Reiter halten und glaubten die Saracenen schon da: Herzog Gerhard war's mit seinen Langobarden; sie schlossen sich dem Kaiser an. Beim rauhen Berge stießen die Christen mit den Ungläubigen zusammen und die Schlacht begann. Graf Garin rief hell: »Montjoie, haut wacker zu! Heut' gewinnen wir Preis und Ehren.« Er schoß, der ersten einer, seinen Speer auf einen goldgeschmückten Heiden: tot fiel der Mann zur Erde.

Almont hieb mit beiden Händen drein: wer ihn nicht an seinem schönen Antlitz merken konnte, der merkte ihn sich an seinen Hieben, und wer einen Schlag mit Durendal empfing, kam nicht mit dem Leben davon.

»Mächtiger Gott,« grollte Ogier, »wie dieser junge Heide uns niedermäht!« Er spornte nun sein Roß und rannte den Tapfern mit gesenktem Speer an.

»Hier kommt einer, der gern sterben will,« rief der Saracene lachend. Sie prallten zusammen und fielen beide aus dem Sattel; sie sprangen auf und schwangen die Schwerter. Durendal spaltete Ogiers Schild. Das sah einer von des Dänen Gefolgen, ein Franke: wütend holte er aus mit der Francisca gegen den nächsten Feind vor 226 ihm, einen Wesir auf reichgeschirrtem Hengst, und spaltete ihm krachend Helm und Haupt bis auf die Zähne, tot fiel der zurück in den Sattel; der Franke zog das Roß ihm unter dem Leibe fort und brachte es Ogier, der sich nur mühsam Almont vom Leibe hielt. Während er aufsaß, wurde Ogier von Feinden umringt: sie wollten ihn lebend fangen. Mit knapper Not und grimmigen Schlägen entrann er ihnen. Der Saracene aber stürmte mit seinen Genossen wild jauchzend hinterdrein; rechts und links fielen vor ihm die Christen. Da traf Almont auf Gerhard und sein Häuflein. Zehn Heiden flogen tot aus den Sätteln bei dem ersten Zusammenprall, der Herzog zwang die Heiden zum Stehen: er schlug mit jedem Schlag einen Feind zu Boden. Erst als die Nacht sank, ließen Heiden wie Christen vom Streit und noch war der Sieg nicht entschieden.

Herzog Gerhard zog unter den rauhen Berg in eine schutzgewährende Felsenkluft. Er zählte seine Krieger, viele fehlten ihm, und laut beklagte er ihren Tod. Sie verbrachten die Nacht im Sattel mit gezogenen Schwertern, eines Überfalls gewärtig.

Auf dem Schlachtfelde blieb eine starke fränkische Schar: sie bestatteten die Toten und hielten Wache. Der Kaiser lagerte mit seinem Volk in einem nahen Tale. Grafen, Edle, Freie und Knechte, Reiter und Fußgänger waren in großer Zahl gefallen.

Almont verbrachte die Nacht unfrohen Herzens in seinem Zelt. Sein halbes Heervolk lag tot oder wund. Und heimlich verließen ihn mit ihren Haufen zwei Emire: »Die feigen Verräter!« zürnte er, »sie drängten mich zumeist zum Kampf.«

»Herr,« antwortete der stolze Baland, »hier gibt's 227 nur zweierlei zu tun: sterben, oder heldenmütig dreinhauen.«

Baland glich dem Raubvogel mit den starken Fängen: wenn man ihn zu kleinen Vögeln sperrt, so schweigen alle. Keiner wagte Widerrede, Almont freute sich der stolzen Worte.

Als die Sonne aufging, sprach Herzog Gerhard: »Gebet Gott und dem Kaiser, was wir ihnen schuldig sind. Reitet rasch in den Streit.«

Almont zog in aller Frühe wieder auf den Kampfplatz. Die fränkischen Wachen erfaßte gewaltiges Grausen bei seinem Anblick; laut riefen sie zu Gott um Rettung; von fern sahen sie Gerhard mit seiner Schar nahen. Almont schoß den ersten Wurfspeer. Er drang dem Wachtführer durch Schild und Herz. Baland tat den ersten Hieb und schlug einen edlen Mann nieder. Da war Gerhard zur Stelle: aber der Saracenen waren zweimal so viele als der Franken.

Die Kaiserlichen ordneten sich im Tal. Karl legte die Waffen an, da ritt Ogier vor sein Zelt: er kam vom Schlachtfelde, den Schild zerspellt, Helm und Brünne zerhackt, Blut rann an ihm nieder: »Herr Kaiser, rasch auf, der Sieg wartet deiner! Ich griff einen Dolmetsch der Ungläubigen: der Mann sagte aus: ›Almont ist stolz, er will seinen Vater nicht zu Hilfe rufen, er will's mit seinem Volk allein entscheiden; sie sind entschlossen, zu siegen oder zu sterben.‹ Sende an alle deine Herzoge Botschaft: ›Herbei!‹«

Da jagten Boten davon mit gellendem Hornruf. Karl ritt so gottvertrauend in die Schlacht, daß die Heiden einer nach dem andern vor seinem Schwerte fielen. »Sehet den großen Karl!« rief Almont, »bei Mohammed, er darf nicht lebend von diesem Felde kommen!«

228 König Salomon hieb Bordand nieder, der Almonts Olifant trug, schon nahm er das Horn von des Toten Halse, da fuhr Durendal sausend auf seinen Helm: Haupt, Brünne, Brust, den Sattel und den guten Hengst dazu in zwei Hälften spaltend; Almont griff das Horn mit der Rechten und hing's sich selber um. Aukaris, ein edler Franke, wollte Salomon rächen und stach mit dem Speer gegen Almonts Schild, aber der Speer zerschellte, Almont faßte Durendal mit der Linken und hieb den allzu Kecken nieder. Wäre der schöne Almont ein Christ gewesen, – deuchte den Franken – so gäb' es seinesgleichen nicht auf der Welt.

Herzog Gerhard wollte der Heiden Banner niederwerfen. »Mir nach, alle, mit scharfen Hieben!« rief er und ritt den Seinen voraus: keiner blieb zurück. Schon war der Herzog so nahe dem Banner, daß er mit seinem Handschuh danach werfen konnte, da hieb er sich ungestüm einen Weg hin, die Bannerschirmer fielen, das Banner stand verlassen und war gewonnen. Erschöpft stieg der Herzog ab, die Seinen zogen ihm die Waffen aus und setzten ihn unter das Banner, das Blut rann von ihm: der Herzog war müde und durstig.

Almont mit seinen Freunden stritt dicht am Fuße des Berges, er wußte nichts von dem Fall seines Banners. Da ritten die Grafen Richard und Morand gegen sie. Morand durchspeerte den einen, König von Jerusalem: der gute Harnisch hatte ihm nichts genützt, tot sank er zur Erde. Graf Richard schoß seinen wuchtigen Speer dem Heiden Gorfant durch Schild und Herz. Als der Jüngling seine Freunde fallen sah, klagte er laut: »Was soll aus mir werden, nun auch sie tot liegen?«

»Das ist Kampfgeschick,« sagte Baland, »verzage noch nicht!«

229 Da blies Almont in sein Horn, daß die Erde zu erzittern schien, und es sammelten sich um ihn alle Heiden, die noch in Waffen gingen, zu Roß wie zu Fuß, und grimmig begann er wieder das Schädelspalten mit Durendal. Herzog Gerhard unter dem Banner sprach bei Olifants Schall zu seinem Grafen: »Ordne deine Reiter und fort mit euch in den Kampf; ich folge, sobald ich kann, mit meinem Zuge.«

Da brachte ein Bote Almont die Nachricht von dem Verlust seines Banners. »Weh!« rief der Königssohn, »dreimal Weh!« Aber Baland antwortete: »Nun müssen bis Abend alle Franken erschlagen liegen, vorwärts!« Und er fuhr unter die Christen, wie der Falk auf seine Beute stößt.

Karls Fußschar schmolz immer mehr zusammen, da kamen zur guten Stunde Gerhards langobardische Speerreiter; ihrer einer sprengte allen voran in zerfetzten Wehrkleidern, Beine, Arme und Sattel mit Blut beschmutzt: »Gott helfe dir, Mann,« rief Karl ihn an, als er ihn sah, »wie ist dein Name?«

»Ich heiße Walter und bin aus Gerhards Zug, der Herzog hat der Heiden Banner genommen.«

»Lebt der Brave?«

»Ja, Herr Kaiser, und keiner tut solche Hiebe, wie er tat.«

Damit ritt er weiter, und Karl wandte sich einem Boten zu, der eintraf: »Nun, kommen sie bald, die Herren all aus ihren Zelten, die ich zur Schlacht entbot?«

»Sie alle sind schon gekommen, auch jung Roland.«

Roland war, als er den Klang des Heerhorns vernahm, mit seinen Bankgenossen aufgebrochen. Zwei Pfeilschüsse weit ritt er, einen Speer schwingend, ihnen voran und vorwärts, bis er unter des Kaisers Banner kam; seine Genossen 230 folgten, so gut sie konnten. Die Saracenen schossen einen Hagel von Pfeilen auf sie.

»Zu unserm Unheil sind wir in dieses Land gekommen,« sprach Almont, als er die neuen Scharen anrücken sah.

»Hättest du rechtzeitig Hilfe von deinem Vater begehrt, wäre Karl längst bezwungen,« antwortete Baland finster.

Nun kam auch Herzog Gerhard wieder geritten: er drängte mit seinen Speerträgern so ungestüm in die Heiden, daß Almont Baland das Zeichen zum Rückzug gab. Almonts Hengst lief so schnell, daß ihn keiner überholte. Zwei von seinen Freunden, Ebraim und Baland, ritten hinter ihm; er sah um und merkte, wie Kaiser Karl, Herzog Naimes, Ogier, Roland und andre ihnen folgten. Ebraims Roß erlahmte.

»Müßte ich auch dich missen,« rief der Jüngling, »das wäre mir leid;« er wandte und hielt – da kamen die Franken heran – und er stieß Naimes vor die Brust, daß er ins Gras rollte: das ledige Roß sollte Ebraim besteigen, aber Ogier schlug ihn, als er in den Steigbügel trat, nieder. Zornig hieb Almont auf des Dänen Haupt: das Schwert glitt ab und fuhr in des Rosses Nacken und trennte den Kopf vom Rumpf.

Zum Glück war's nicht Braiefort. Der Saracene entfloh, so rasch er konnte.

Baland suchte den Kaiser aufzuhalten und griff ihn an; Karl warf ihn ins Gras und sprengte dem Fliehenden nach.

Heil stand Baland auf und wollte wieder auf seinen Hengst, allein das gute Roß begehrte Herzog Naimes und sie schlugen sich um den Besitz des Tieres, daß das Feuer von ihnen flog.

231 Mehrere Paladine halfen dem Herzog, Ogier schwang sein Schwert zum Todeshieb über den Saracenen, da rief der Bedrohte: »Laß mir mein Leben, Franke, rette mich, Herzog Naimes, ich bin Baland und will ein Christ werden.«

»Halt,« antwortete Naimes, »dann soll dir kein Leid geschehen; Freunde, nehmt seine Waffen.« Da gaben sie ihm Frieden.

Kaiser Karl aber jagte auf Tencendur hinter Almont her. Der war so weit voran, daß er den Verfolger gar nicht sah. An einem Bache stieg er ab, band Helm und Schwert los und legte sie auf einen hohen Steinblock; dann kniete er nieder, um zu trinken. Seit drei Tagen hatte er nicht recht getrunken. Wie er so lag, überraschte ihn Karl und nahm die Waffen von dem Stein. Almont sah's und erschrak; aber er erkannte den Kaiser nicht. Der sprach: »Glaubst du, Heide, ich wolle einen wehrlosen Mann erschlagen? Nimm Helm und Schwert, steig' auf und wehre dich; den Trunk, den du da getan, mußt du teuer bezahlen.«

Rasch hatte der Jüngling die Waffen ergriffen und sprang in den Sattel und rief: »Du gabst mir mein Schwert zurück; deine Tat komme über dich! Du reitest ein rasches Roß, da du mir folgen konntest, und bist, deucht mir, von vornehmem Geschlecht, und weil du mich ehrtest, will ich dich wieder ehren: laß Hengst und Waffen hier und laufe zurück zu den Deinen, ich schenke dir dein Leben.«

Karl antwortete mit zornigem Blick: »Heide, du bist nicht würdig meiner Waffen.«

»Ei, wer bist du denn?« fragte der Jüngling.

»Kaiser Karl, König der Franken.«

»Der große Karl!« jauchzte Almont. »Nun schmerzt 232 mich nicht mehr die verlorene Schlacht. An deinem Haupte will ich mich rächen und mir dein Reich gewinnen.«

»Du bist nicht würdig des Reiches, das du so leicht zu erobern gedenkst! Verteidige dich!«

Drohend scholl des Kaisers Stimme. Der Heide war jung, feurig und stark, Karl hatte ein stolzes Herz und war ein gewaltiger Kämpe; sie rannten zusammen und stachen einer den andern von den Hengsten. Da zogen sie die Schwerter, und solcher Kampf war nie zuvor gesehen. Schild und Harnisch zerhackten sie, Karl schlug dem Feind auf die rechte Schulter, die Brünne barst, und eine tiefe Wunde klaffte.

»Ich sehe vier seltene Steine in deinem Helm glänzen; solange du den Helm trägst, bezwing' ich dich nicht, der Helm muß mein werden,« rief der Saracene.

»So Gott will, gewinnst du ihn nie,« antwortete Karl. Aber der Heide griff dem Kaiser an den Hals und drückte ihn unter sich, er zerrte an den Helmketten und Riemen, rückte und riß den Helm ihm vom Haupt, Karl hielt ihn noch mit beiden Händen gefaßt und sie zogen so beide an dem Helm hin und her.

Da kam Roland angeritten, er war dem Kaiser unablässig gefolgt; er trug den Stumpf eines zerbrochenen Speeres in der Hand. Almont achtete seiner nicht viel, weil er noch klein war. Roland sah des Ohms Not und schlug mit seinem Speerstumpf auf des Heiden Helm. Den bekümmerte das wenig, er lachte laut: »Ihr müßtet einen gewaltigen Gott haben, wenn ihr lebend von hier entkämet.« Dabei hielt er mit der Linken den Helm fest und riß noch heftiger. Roland holte zum zweiten Schlage aus, Almont schwang mit der Rechten Durendal zum Schutz entgegen. Roland hieb zu, traf die Faust, und Durendal flog weit weg aus des Saracenen Griff. Da erbleichte Almont wie der Tod. Schon hatte Roland Durendal aufgerafft, schwang das scharfe Schwert und spaltete des Heiden schönes Haupt; tot stürzte der Tapfere nieder.

Ermattet setzte sich der Kaiser auf einen Feldstein. Sorgend beugte Roland sich zu ihm nieder: »Teurer Ohm, ist Euch ein Leid geschehen?«

»Nein, Knabe,« antwortete der Kaiser ernst, »aber wärst du nicht gekommen, so läg' ich nun tot.«

Nun kamen auch Naimes, Ogier und viele Barone in großer Sorge um ihren Herrn. Sie trugen den Toten unter einen Ölbaum und deckten ihn mit seinem Schilde. Roland nahm Durendal und Olifant, darauf kehrten sie zurück. Da konnte man kaum übers Schlachtfeld reiten vor toten Menschen und Rossen, vor Brünnen und Waffengerät.

Der Kaiser ließ die gefallenen Christen forttragen, die Toten begraben, die Wunden verbinden. Er verbrachte die Nacht in Almonts Zelt, das war aus bunter Seide gewirkt, mit Gold und Silber geziert, und köstliche Steine überall angebracht, die gaben hellen Schein wie Fackeln. Waffen lagen ringsum; oben auf der Zeltstange stak eine goldene Kugel, darin konnte man sehen, was fünfzehn Meilen weit geschah: und der Kaiser schaute bei Neapel große Heeresmassen stehen, auf dem Meer aber Kriegsschiffe heranschwimmen.

Er zeigte seinen Räten, was in der Kugel zu sehen war, und befahl, alle Scharen sollten schlagfertig sein bei Tagesanbruch.

Am Morgen berief er mit Hörnerschall die noch unbewehrten Jünglinge vor sich. Da kam auch Roland geschritten und sprach zu Naimes und Ogier:

234 »Weshalb haltet ihr mich wie ein Kind? Auf einem elenden Gaul bin ich gestern in die Schlacht geritten! Schafft Hengst und Harnisch, mir und meinen Genossen.«

Ogier umarmte und küßte ihn: »Das sollst du alles haben.«

Und Naimes führte ihn vor den Kaiser. Der sprach: »Er ist noch zu jung für Brünne und Kampf, Freund Naimes.«

Aber Roland antwortete: »Bin ich auch noch jung, habe ich doch starke Hände und ein festes Herz. Gott kann den Jüngsten wie den Ältesten schirmen.«

Da sprach der Kaiser: »Ich schulde dir noch den Lohn für deine Tat: wohl, was du begehrst, gewähr' ich dir.«

Roland beugte das Knie, Karl neigte sich zu ihm, küßte ihn zärtlich und sprach: »Ich will dir Vater sein; steh' auf, Roland von Anglant, Markgraf der Bretagne.«

Er zog ihn empor, nahm Durendal, umgürtete ihn damit und sprach: »Nimm Durendal, trag' und schwing' die gute Waffe tapfer für deinen Herrn,« und hing ihm das Horn Olifant um die Schulter. »Dem Klange deines Horns sollen folgen deine edlen Bankgenossen, und wer immer in die Gefolgschaft treten will.«

Naimes und Ogier banden ihm die Sporen an. Da wurde Rolands Gesellen und vielen tauglichen Jünglingen das Schwert verliehen aus des Kaisers eigner Hand, und alle traten in Rolands Gefolgschaft.

Baland ward Priestern zur Unterweisung und Taufe überwiesen. Dann ließ Karl vom Erzbischof Turpin eine Messe singen, und Roland mit seinen Freunden opferte dabei viel Goldes für die Armen.

235 Agoland von Afrika saß in der Burg zu Rise beim Brettspiel, als der erste Flüchtling vom Schlachtfelde am rauhen Berg hereinstürzte: »Herr,« rief er, »die Franken haben gesiegt, unser Banner ist genommen, wer nicht entrann, liegt tot: von deinem Sohne weiß ich nichts zu sagen.«

»Verräter und Ausreißer!« zürnte der Admiral, »du flohst von deinem Banner, statt mit ihm zu fallen, fort mit dir:« er winkte einem Kerkermeister, – »er sterbe.«

Da kam ein zweiter, er schleppte sich an des Admirals Tisch, das Blut troff ihm über den Lederpanzer aus mancher Wunde:

»O Herr, dein Sohn hat den Sieg verloren: vor unsern Augen zerschlugen die Christen unsre Götterbilder auf dem Wagen und sie taten kein Wunder! – Ich sah einen gewaltigen Kämpen deinen fliehenden Sohn verfolgen und weiß nicht, wie sie schieden.«

Besorgt und zornig zugleich erhob sich Agoland und sprach:

»Auf, meine Feldherren, rüstet alle Scharen.«

Vergebens wartete er dann auf Almont oder dessen Boten: unmöglich deuchte ihm seines Sohnes Flucht oder Unsieg.

Er wählte zwei seiner Emire aus: »Reitet zu Karl und sprecht in meinem Namen: »Gib heraus unsre Banner und Götterbilder, bekenne Mohammed und zahle Zins: fünfzig Maultiere beladen mit Gold, vierhundert Jungfrauen, und komme du selbst barfuß und bitte um Gnade, dann will ich deiner schonen.«

Als die Boten bei den Franken ankamen, fanden sie den Heerbann kampfbereit, Schar neben Schar geordnet, Ogier trug des Kaisers Banner in der Hand, Roland hielt an der Spitze eines Reiterzuges. Kaum ein Mann war 236 ohne Brünne, Ketten, Leder oder Leinenpanzer, so viele hatten sie erbeutet. »Wo ist der große Karl?« begann der erste Emir, »wir sind Boten Agolands.«

»Hier bin ich,« antwortete Karl vor das Zelt tretend, »redet.«

Er hörte sie zu Ende, dann sprach er zornig: »Bei meinem Bart, ihr verlangt harte Dinge! Ich ging noch niemals barfuß, Gold und Silber erbeutete ich genug und teilte es aus an Herren und Knechte, Jungfrauen aber behüten wir wie einen Schatz in sichern Festen und Städten; eure Götzenbilder sind zerschlagen, ihren Goldschmuck schenkten wir unsern Troßdirnen.«

»Agoland wird dich vernichten und Almont, seinen Sohn, zum König von Francien krönen,« rief drohend der zweite.

»Das, Bote, wird nie geschehen. Bringt den Toten her,« befahl der Kaiser. Des Jünglings Leichnam ward auf seinem Schilde herbeigetragen und vor die Füße der Saracenen niedergelegt.

»Nehmt dieses tapfern Toten Haupt,« sprach Karl, »andern Zins zahl' ich Agoland nicht.«

Die Emire schrien auf vor Schmerz: »Mohammed, wo ist deine Macht? Lässest du so deine Diener verderben?« rief der erste; der zweite, Julian, reichte seinen Handschuh Karl hin und sprach: »Ich biete dir einen Kampf mit unserm stärksten Kämpen. Sende wider ihn, wen du willst: siegen wir, dann sollst du Allah bekennen, siegest du, dann wollen wir . . . .«

Zornig schnitt ihm der Kaiser das Wort ab:

»Zügle deine sündige Rede: aus meinem Angesicht! Nehmt diesen Toten: sein Schwert und Horn habe ich Roland geschenkt, der ihn erschlagen hat.« Er wandte ihnen den Rücken. Die Saracenen kehrten mit dem Leichnam zurück zu Agoland.

237 »Bringt ihr des Kaisers Zins?« empfing sie der. Sie antworteten: »Hier nimm, was Karl dir sendet.« Und behutsam setzten sie den Schild mit dem Toten vor seine Füße nieder. Agoland fiel besinnungslos zu Boden, dann raffte er sich auf, beugte sich über das blutige Haupt und küßte es mehr als zwölfmal. »Geliebter Sohn, wo war Allah, als du erschlagen wurdest? Sprich, Bote, was für ein Mann ist Karl?«

»Gewaltig ist er wie keiner: er schaute so grimm, daß mir das Herz erzitterte,« antwortete der Gefragte.

Agoland hielt das Haupt immer noch mit den Armen umschlungen. Wehklagen und Racheschwur schallten weit durch die Gänge der Burg bis in die Stadt. Alle Ungläubigen rüsteten sich, zum Rachezug gegen Karl.

Am nächsten Tage rückten die Saracenen an. Die Christen zogen entgegen, in Scharen geordnet. Turpin trug dem Heer ein Kreuz voran: darin war ein Stück vom Holze des Kreuzes Christi gefaßt, an der Hüfte hing ihm sein Schwert Almace. Roland sprach zu Ogier: »Sollen wir Freunde bleiben, dann laß mich heute den ersten Streich tun.« Da gesellten sich ihnen drei Reiter in weißen Brünnen und ritten ihnen voran. Ogier fragte den einen, was sie da wollten und wer sie denn wären? »Rede höflich,« antwortete der Gefragte, »ich bin Sankt Georg, und stets tu' ich den ersten Streich, aber heute soll ihn Roland schlagen.« Und zugleich kam ein gewaltiger König der Ungläubigen ihnen entgegen, Sankt Georg griff in Rolands Zügel und rief: »Schlag' ihn, rasch.« Da traf schon des Königs Speerstoß Rolands Schild, die Brünne schützte die Brust, der Speer zerbrach; Roland schwang Durendal auf des Heiden Haupt, und hieb ihm 238 beim linken Ohr hinein und durch die Brust bis in das Roß: der König lag tot. »Schlag' immer so,« rief Sankt Georg und sprengte mit seinen zwei Gefährten mitten in die Schlacht, den Speer schwingend gegen die Saracenen. Sie fielen vor ihm zu Hunderten, ohne Wunden und Blutvergießen. Von des Erzbischofs Kreuz ging so heller Schein, daß die Heiden entsetzt zurückwichen.

Wo die Hiebe am dichtesten fielen, da war Roland und fürchtete sich vor nichts. Wo die Gefahr zur Tollkühnheit reizte, dahin strebte Herzog Gerhard mit seinen Langobarden.

»Heut' müssen wir Agolands Banner gewinnen,« rief der Herzog und hielt auf den Wagen.

»Admiral,« riefen einige Bannerschirmer, als sie ihn kommen sahen, »das sind üble Feinde.«

»Julian, du bist ein ganzer Mann,« sprach Agoland zu jenem Wali, »nimm eine Abteilung und greife sie an.« Er blieb bei seinem Banner. Aber nicht lange widerstanden die Abgesandten den fränkischen Reitern. Jene trugen meist nur Lederkoller, sie wichen zurück vor den Langspeeren. »So stehet doch,« schalt Julian. Umsonst: sie antworteten:

»Was zögerst du noch hier, Feldherr? Unsre Leiber werden ja zerspalten wie Holz,« und die letzten rissen ihn fliehend mit fort. Herr Walther jagte ihm nach, da riß Julian seinen Rotfuchs herum und schoß seinen Rohrspeer Herrn Walther durch Schild und Brünne bis ins Herz. Tot sank der Mutige hin. Julian aber wehrte sich tapfer nach allen Seiten, zuletzt floh er vor Herrn Clares, aus Herzog Gerhards Zug, auf einen Berg, sein Rotroß fiel unter ihm. »Du hieltest mich wohl für einen Feigling, nun lerne mich kennen,« rief er und focht stehend weiter, bis er von einem Zug parthischer 239 Bogenschützen entsetzt wurde und Herrn Clares zu weichen zwang.

Die Ungläubigen flohen zumeist, wo Roland stritt.

»Ich floh noch nie und flieh' auch jetzt nicht,« rief König Cleades, ein Heide aus Afrika, mit heller Stimme. Seine Leute standen wieder; da kam Turpin mit dem Kreuze geritten und mit den drei weißen Reitern. Voll Entsetzen starrte der Afrikaner auf das Kreuz: »Verderben über dich, Bischof!« rief er. »Dein Kreuz wächst und wächst: schon ragt es in die Wolken und es leuchtet heller, als die Sonne;« er wandte sich und floh, seinen Göttern fluchend, und sein ganzes Häuflein hinter ihm.

Julian kam zu Agoland gelaufen: »Gnade, Herr, all meine Mannschaft liegt tot oder lief davon: dies Reich gewinnen wir nie.«

»Dein Helm sitzt auf einem Lehmkopf: ich hielt dich für einen ganzen Mann, nun seh ich wohl, wie ich mich trog,« antwortete Agoland.

»Willst du Karl bezwingen, so tun's deine großen Worte nicht, reite selbst in die Schlacht und erweise deinen Mut,« grollte der Geschmähte. Da traf, speerdurchschossen, der vor dem Kreuz fliehende Cleades ein: »Hier bring' ich die letzten der mir Anvertrauten: die andern liegen tot. Niemals gewinnst du dies Reich! Ich sah das fürchterliche Kreuz in die Wolken wachsen, ich sah drei Kämpen, vor denen fielen machtlos unsre Besten. Kehr' um, Agoland!« Tot glitt er aus dem Sattel.

Emir Amustad aus Afrika stand dabei: er sprach leise zu seinen Söhnen: »Agoland vermag nichts gegen Karl, er wird hier fallen; mich dünkt, wir fahren heim, und ich werde Admiral an seiner Stelle.« Er ritt heimlich an die Schiffe, ließ sie alle bis auf das seine verbrennen und segelte nach Afrika.

240 Agoland aber stand unter seinem Banner, entschlossen mit ihm zu fallen. Und da begann ein letztes heißes Streiten. Helme krachten, Brünnen barsten, zerspellte Speere flogen durch die Luft. Die Fliehenden wurden gehetzt, eingeholt und erschlagen. Kaiser Karl ritt mitten unter seinem Volk, er tat so kräftige Hiebe, daß keiner sie auffangen wollte. Das Roß fiel unter ihm: er stritt zu Fuß weiter, bis er ermattet innehalten mußte; die vornehmsten seiner Paladine geleiteten ihn in sein Zelt.

Gerhard rief seinen Mannen zu: »Haltet euch dicht zusammen und stechet mit den Speeren.« Julian ließ sie mit Pfeilen beschießen, aber die Reiter wichen nicht. Gerhard saß ab mit hundert von ihnen: sie schlangen die Arme einer um den andern, streckten die Speere vor und drangen auf die Bannerschirmer ein. Die Vordersten fielen, die andern flohen. »Stehet, ihr Hunde,« rief Julian, »soll denn ein Christ mutiger sein als hundert von euch?« Aber keiner hörte auf ihn, sie liefen so schnell, daß der Sohn nicht auf den Vater wartete und der Vater nicht auf den Sohn. Da stach Julian einen edlen Franken mitten durchs Herz: doch dessen Schildträger schlug dem Saracenen Helm und Schädel entzwei: tot stürzte er nieder, nun flohen auch die letzten Bannerführer. Agoland kam fast von Sinnen, als er das Banner fallen sah. Er wartete nicht, bis ihm einer den Steigbügel hielt, er sprang auf sein Roß und floh ihnen nach. Aber Herzog Gerhard erstach sein Roß, damit er nicht entrinnen sollte: kein Heide, noch Saracene blieb bei ihm.

»Ich Unseliger, alle haben mich verlassen!« rief er, »so will ich lieber mit Ehren sterben, als mit Schande fliehen.« Er verteidigte sich mutig und als sein Schwert zersprungen war, griff er zum Streithammer, als auch 241 der zerbrach, schwang er die Gürtelaxt und krachend spaltete hier ein Helm, barst dort eine Brünne. Da deuchte es Gerhard schade um solche Tapferkeit. Er fragte ihn, ob er Christ werden wolle.

»Bei Mohammed, niemals,« antwortete Agoland. Herr Clares rannte ihn an und durchstach ihn mit dem Speere. Agoland hieb das Speerholz mit dem Beil vor seiner Brust ab, da schlug ihm Clares auf den Helm und tief hinein ins Haupt. Tot fiel Agoland aufs Antlitz.

Rise wurde erstürmt. Herzog Gerhard und Roland drangen zuerst in die Stadt. Die Saracenen aber flohen aus Italien und Kaiser Karl setzte seine Grafen ein in diesem Land.


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