Felix und Therese Dahn
Kaiser Karl und seine Paladine
Felix und Therese Dahn

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»Seid frohen Mutes, Barone,« sprach Floripas, »der Turm ist fest, heut Nacht sind wir hier gut geborgen, an Speis' und Trank fehlt's hier auch nicht, deshalb laßt uns niedersitzen zum Mahle.« Sie rief ihre Mägdlein herbei, die mußten den Tafelnden dienend zur Hand sein. »Morgen,« hub sie dann wieder an, »sollt ihr auf den Zinnen stehen und eure Burg verteidigen mit Pfeilschüssen, Wurfspeeren und Steinen: ich und meine Mägdlein wollen euch alles hinauftragen; denn zweifelt nicht, mein Vater wird den Turm bestürmen.«

Und so geschah's. Balan hatte noch in der Nacht seine Boten entsendet und ein Heer gesammelt: vor Agremore ließ er die Lagerzelte aufschlagen. Am Morgen begann der Sturm. Tapfer schlugen die Paladine ihn ab, Balan mußte zurück ins Lager. »Mohammed, Mohammed,« schrie er wild, »wach' auf und hilf mir! Weißt du nicht, daß mein ganzer Schatz in dem Turm liegt? Hilf mir oder ich sage ab, dir und deinem Gesetz.«

Oliborn beriet seinen Herrn besser: »Der Turm ist fest und reich versehen mit Lebensmitteln, die Franken können sich lange darin behaupten: sende darum Agolafer Befehl, daß er niemand über die Brücke lasse, dann können sie keinen Entsatz von Kaiser Karl erhalten und müssen doch endlich Hungers sterben.«

Espiard schwang sich aufs Roß und trug den Befehl zu Agolafer, dem Brückenwart. Der war ein Riese aus Äthiopien, sein Kopf glich dem eines Leoparden. Er rollte die Augen, fletschte die Zähne, schlug mit seiner Eisenkeule auf die Brücke, zog sie auf, sperrte sie mit 381 vierundzwanzig Ketten und sprach: »Espiard, melde Balan: Agolafer hält die Brücke, lebend kommt keiner herüber.«

Balan rief Mavon den Werkmeister und sprach: »Schaff' eine Mange herbei und schleudere Steinblöcke auf den Turm.«

Mavon richtete die große Schleuder her, belud sie mit schwerem Felsblock, eine Schar Sklaven zog die Winde auf: »los,« befahl Mavon. Die Winde ward freigegeben, die Kurbel schnellte drehend zurück: der Schleuderkorb schwang sich im Bogen durch die Luft, der Felsblock flog heraus und schlug dröhnend auf den Turm: krachend fiel eine Mauerzinne nieder. Roland und Oliver standen daneben, sie sprangen zurück und riefen: »nun wird's ernst.«

Da ritt auf feurigem Hengst der Berberkönig Marsedag an den Graben und rief: »Verräter, ergebt euch: oder ich verbrenne euch in dem Bau bei Termagant, meinem Gott!« Herr Guy stand auf der Mauer, hielt einen afrikanischen Rohrspeer in der Hand, hob ihn und schoß ihn dem Heiden mitten ins Herz. Der König flog aus dem Sattel ins Gras. »Das war ein guter Schuß, Sir Guy,« triumphierte Floripas und gab ihm einen Kuß. Balan aber ließ abblasen vom Sturm. Der tote Marsedag wurde ins Lager getragen und nach Saracenenbrauch balsamiert und verbrannt. Sieben Tage und Nächte beklagten sie ihn und sangen Sprüche des Koran.

Dann aber umschloß Balan die Burg enger.

Bald hatten die Belagerten ihre Vorräte aufgezehrt. Die Paladine verbissen den Hunger. Bleich und müde saßen die Jungfräulein im Saal: das schnitt Roland ins Herz, er klagte: »Karl, teurer Ohm, hast du uns denn ganz vergessen? Wir müssen hier elend Hungers sterben.«

382 »Das fürchte nicht, stolzer Graf, ich helfe euch allen,« sprach Floripas. Sie band ihren Gürtel ab, einer nach dem andern mußte ihn anlegen: da schwanden Hunger und Durst, sie fühlten sich gekräftigt wie nach dem besten Mahl und gewannen ihren frohen Mut wieder. Balan wunderte sich sehr, wie so lang die Belagerten aushielten, bis ihm Floripas' Zaubergürtel in den Sinn kam. »Das ist's,« dachte er, rief Malpi, einen listigen Mauren herbei und sprach: »Meine Tochter besitzt einen gefeiten Gürtel aus bunten Tierhaaren, den muß ich haben. Du lerntest in Toledo die schwarze Kunst, du siehst bei Nacht so gut wie bei Tag. Schaff' mir den Gürtel, du findest ihn in ihrem Gemach, und tausend Pfund Goldes sollen dein Lohn sein.«

Um Mitternacht schwamm Malpi durch den Wassergraben an die Burgmauer, erkletterte den Turm und stieg durch den Kamin in Floripas Gemach. Neben ihrem Lager, in einem zierlichen Schrein, fand Malpi den Gürtel, nahm ihn heraus und band ihn sich um. Darüber erwachte Floripas, sah den Mann und schrie: »Helft, helft, ein Dieb, ein Räuber, ein Mörder ist hier.« Die Paladine sprangen auf, allen voran stürmte Roland, Durendal in der Hand haltend, ins Gemach. Von Schrecken gelähmt stand Malpi vor Floripas' Lager. Roland spaltete ihm den klugen Kopf, packte ihn am Arm und schleuderte ihn durchs Fenster in die See.

Floripas durchsuchte ihren Schrein und rief: »Mein Gürtel ist fort! Er hatte ihn gestohlen! Roland, was hast du für eine Torheit begangen? Du warfst den Gürtel mit dem Dieb hinaus. Nun müssen wir Hungers sterben.«

Aber Roland antwortete: »Ei, tröste dich, schöne Herrin, morgen wollen wir einen Ausfall wagen und uns von Balans Tisch Speise holen.«

383 Früh am Morgen, ehe die Lerche sang, ritten die Paladine aus. Sie überrumpelten die Lagerwachen: die schlaftrunkenen Köche flohen schreiend und ließen Weine und Wildbret, Obst und Brot in Stich. Sieben Barone rafften davon an sich, soviel sie tragen konnten, während die andern eine Schar erwachter Saracenen abwehrten: »Montjoie,« rief Roland, »Barone, schlagt zu ums liebe Essen.« Jeder tat sein Bestes und so entkamen sie mit ihrer Beute nach Agremore.

Da waren die Belagerten froh. Balan aber ward gar zornig, und als auch Malpi nicht wiederkam, maß er seinem Gott die Schuld bei: »Allah, versagst du mir in der Not?« rief er, »hilf! Oder ich räche mich, verbrenne dein Bildnis und sage dir ab.« Fortinbrace und Oliborn sprachen: »Laß die Rede, Herr: Allahs Zorn könnte über dich kommen, gib lieber das Zeichen zum Sturm.«

Da stürmten viele Scharen zugleich gegen die Burg. Die Paladine warfen mit Steinen: wie Hagelschauer prasselten sie nieder, erschlugen und zerquetschten die Anstürmenden: bald lagen die Gräben voller Toten. Die übrigen zogen zurück, frisches Wehrvolk trat an ihre Stelle, Fortinbrace an der Spitze: Kriegshörner gellten und Zuruf. Besorgt blickte Naimes hinab: »Sie stürmen von neuem, wir können den Turm nicht halten, wir haben keine Steine mehr.«

Floripas antwortete: »Deshalb verzagt nicht! In meines Vaters Schatzkammer liegt Gold und Silber zu Haufen, das werft hinab.«

Roland lachte hell: »Das ist ein lustiger Rat.«

Sie eilten in das Gewölbe. »Welche Mengen Goldes!« rief Guy, »hätt' es Herr Karl, er könnte allen Mannen Halsketten schenken.«

»Und noch Sankt Peter in Rom damit vergolden,« fügte 384 Naimes bei. Da standen auch der ungläubigen und heidnischen Völker Götterbilder.

»Das sind unnütze Götzen,« sprach Roland und warf eines nach dem andern um. »Seht, nicht einer steht wieder auf.«

Alle Mägdlein halfen den Schatz auf den Turm tragen. Die Paladine warfen mit eifrigem Ungestüm das gleißende Gut auf die Anstürmenden. Hier flog eine Handvoll Goldmünzen und Silberschillingen herab, dort schwere Erzbecken und Goldschalen, steinverzierte Silberkrüge, Schüsseln, Becher, Halsberge, Schilde, goldene Schachbretter, Fackelständer, ganze Götterbilder: wie's ihnen vor die Hände kam. Mit Schaudern sah's der Admiral, mit wilder Gier das Kriegsvolk: es raffte die leuchtende Beute auf, schlug und erschlug sich darum und ließ vom Sturm.

»Blast ab,« befahl Balan grimmig, »zurück ins Lager, eh' mein ganzer Schatz verloren ist.« Eilig trieb er die Säumigen fort, zürnend schritt er in sein Zelt. »Termagant, Julian, Apolin! Falsch bist du, Allah! und falsch ist Mohammed! Hielt ich darum dein Gesetz, Prophet? Fluch euch!« rief er und schlug mit der Faust nach einem Bildnis Mohammeds; das fiel, das Antlitz nach unten, auf die Erde.

Mit aufgehobenen Armen lief der Imam, der Vorbeter, herbei und sprach: »Balan, was beginnst du? Der Preis ist Gottes, des Herrn der Welten! Allah, dich beten wir an, führ' uns auf den Pfad jener, die nicht in der Irre gehen. Falle nieder, Admiral, tu' Buße, ehe Gott, der Rächer, dich verderbe!«

Da entblößte Balan seine Füße, warf sich nieder auf sein Antlitz und betete: »Kein Gott ist außer Allah und 385 Mohammed ist sein Gesandter. Dir zu Diensten, o Allah, dir zu Diensten!«

Und er opferte hundert Gold-Besanten zur Buße.

In Agremore berieten die Paladine ihr Schicksal. Naimes begann: »Die Vorräte werden bald zu Rande gehen, der Turm ist geborsten, wir müssen dem Kaiser Botschaft senden.«

Dietrich antwortete: »Das ist Torheit: das Land ist voller Heiden, jeder Bote fällt ihnen in die Hände.«

»Dann laßt uns lustig leben, so lang's noch dauert,« rief Herr Guy und küßte die weißen Hände seiner Geliebten.

Aber Oliver sprach: »Naimes Rat ist besser.«

»Er ist gut,« fuhr Ogier fort, »wer soll der Bote sein?«

»Ich,« rief der stolze Roland.

»Das geht nicht,« sprach Naimes, »das greuliche Volk der Ungläubigen fürchtet zumeist dich: du bist hier unser bester Schutz.«

Herr Guy sprang auf und rief: »Laßt mich reiten.«

Doch Floripas umschlang ihn, aufschreiend, mit den Armen: »Nein, nein, bleibe bei mir: wie sollt' ich leben, verlör' ich dich?«

Da sprach Richard: »Ich will der Bote sein: mein Haar ist weiß, mir lebt daheim ein tapferer Sohn, der wird mein Erbe sein, fall' ich hier. Widerredet mir nicht, auch du nicht, Däne, ihr sollt mir diesen Ehrendienst vertrauen. Morgen bei Tagesgrauen macht ihr einen Ausfall ins Lager der Feinde, ich reite zur Seite und finde meinen Weg.«

Sie fügten sich seinem Willen.

Als die Nacht wich, – ein matter Lichtschimmer flutete von Osten her über den Himmel, der Nachttau lag schwer 386 auf Strauch und Stein, – da öffneten die Paladine die Turmpforte, ließen die Brücke nieder und ritten hinüber. Floripas mit ihren Mägdlein stand daneben. Roland war der letzte; als sein Hengst den Fuß auf die Brücke setzte, legte Floripas ihre Hände leise auf des Grafen Schwertarm und flüsterte: »Edler Graf, behüte du Sir Guy, daß er nicht gefangen oder getötet wird: gedenke, wie ich euch mit eigner Lebensgefahr errettet und beschützt habe.«

Sie blickte ihn an, in den lichten, lachenden Falkenaugen standen Tränen.

»Wahrlich, ich will's nicht vergessen, schöne Herrin,« antwortete der stolze Roland und stieß seinen Hengst mit dem Sporn.

Floripas und die Mägdlein zogen die Brücke wieder auf und verriegelten das Tor.

Richard lenkte sein Roß gleich seitwärts und jagte nach Montrible; die Paladine ritten bis dicht ans Lager und brachen mit Speeresstoß und Schwerthieb unter die überraschten Saracenen. Aber hurtig fuhren die auf von Schlaf und Ruhe und in die Waffen. Graf Oliver wollte neue Vorräte gewinnen und hielt dahin, wo des Admirals Köche lagerten. Doch hier standen Balans Babylonier, die schossen Pfeile und Rohrspeere entgegen, Graf Oliver mußte zurück. Herr Guy sah ganz nah Balan selber und traf ihn mit scharfem Hieb, ohne ihm groß Leids zu tun: da fuhren die Babylonier grimmig auf ihn ein, umringten ihn, im Nu war er den Blicken seiner Genossen entschwunden, die Feinde rissen ihn aus dem Sattel, zogen ihm den Helm ab und banden ihn. »Fort mit ihm, zu Balan und dann an den Galgen.«

»Das hoff' ich, lügt ihr,« sprach Herr Guy dazu.

Er kam vor Balan. »Wer bist du?« fragte der.

387 »Herr Guy von Burgund und Floripas' Verlobter,« antwortete trotzig der Gefangene.

»Elender Christ,« schrie der Sultan, »um deinetwillen also hat meine verworfene Tochter ihr Volk und ihren Gott verraten? Du sollst's am Galgen büßen.«

Graf Roland hatte Guy befreien wollen: die Paladine konnten sich aber nicht halten gegen die Übermacht der Feinde, sie mußten zurückfliehen nach Agremore. Dort fanden sie die Brücke von Saracenen besetzt, die ihnen den Zugang wehrten.

Der Markgraf rief hell: »Montjoie, Karl!«

Das gab ein greulich Schlachten. Durendal sauste auf und nieder, Roland schonte nicht Mann noch Tier. An seiner Seite schwang Oliver Alteclär. Naimes und der grimme Dietrich rangen und kämpften wie wütende Bären, der starke Ogier schlug breite Hiebe: wen er mit Curtaine traf, dem stand das Herz still. Da durchbohrte Herrn Bernard von Montdidier ein Pfeil das Herz: »Montjoie,« rief er noch, vom Roß taumelnd.

Roland und Oliver wurden wild vor Weh: sie schlugen zu wie Dämonen. Da flohen von dem Türkenvolk so viele noch heile Glieder am Leibe hatten und liefen schreiend ins Lager: »Das sind nicht menschengeborene Männer, Ungeheuer sind's, der Hölle entstiegen, uns zu quälen. Gott und Mohammed, errette uns vor ihnen.«

Die Paladine hoben den toten Bernard auf und trugen ihn mit in die Burg, um ihn zu begraben. Als Roland vom Rosse sprang, trat Floripas auf ihn zu und fragte: »Wo ist Guy, mein Geliebter?«

Er antwortete traurig: »Schöne Herrin, er ist dir verloren: gefangen.«

Da schwanden ihr die Sinne, sie fiel nieder auf die Steine. Graf Roland hob sie empor, sie schlug die lichten 388 Augen auf und klagte: »Wehe, weh' mir! Ich kann nicht leben ohne Guy. Liefert den Turm aus, ihn zu lösen! Nein, tut es nicht, – – tut, was ihr wollt, aber rettet ihn: ich kann nicht leben ohne ihn. Gott schütze mich! Ich komme von Sinnen vor Schmerz!«

Sanft redete Roland ihr zu: »Tröste dich, schöne Floripas, morgen bring' ich dir Guy zurück oder lasse mein Leben dabei.«

Balan befahl am nächsten Morgen dem Emir Tamper, dicht vor der Burg einen Galgen zu bauen, an dem Guy sterben sollte. »Lege dich mit starker Schar in Hinterhalt, die Franken werden den Gefangenen befreien wollen, laß sie herauskommen, dann brich vor und überwältige sie.«

Bald stand der Galgen aufgerichtet, Guy wurde, gebunden wie ein Dieb, hingeführt. Roland sah's vom Turmfenster herab: »Genossen, zu den Waffen!« rief er, »wir müssen Guy retten.«

Naimes sprang auf und blickte hinab: »Bei Herr Karls Zorn, sie wollen ihn hängen. Vorwärts! Ihr Mädchen, behütet das Tor.«

Schon saßen die Barone auf ihren Hengsten, Roland rief: »Wir sind zehn gegen ein Heer! Trefft gut und nun drauf.«

Und ungestüm sprengten sie über die Brücke dem Galgen zu. Da brach Tamper hervor, Oliver spaltete ihm gleich den Schädel bis auf die Schultern. Roland durchspeerte einen indischen Königssohn auf edlem Hengst und warf ihn rücklings in den Sand. Dann riß er ihm das Schwert aus dem Gurt, faßte des Rosses Zügel und ritt damit unter den Galgen, die Wächter flohen vor ihm, rasch hieb er nun des Freundes Bande durch, half ihm in den Sattel, drückte ihm das Schwert in die Faust und sprach: »Halte dich zu mir.« Die führerlosen Türken 389 liefen bald vor den Paladinen in wilder Unordnung davon. Die Franken verfolgten sie nicht weit. Als sie zurückkehrten, sahen sie einen Zug von fünfzehn Maultieren, beladen mit Vorräten für des Sultans Küche, auf der Heerstraße ziehen. Balans Wesir, sein Bannerträger und wenige Bewaffnete geleiteten den Zug. »Sie sollen mit uns teilen,« dachte Roland und rief sie an: »He, laßt uns freundlich von eurem Reichtum ab, wir können hier nirgend etwas kaufen.«

Der Wesir antwortete: »Ihr bekommt von uns nichts, es seien denn Hiebe.«

»Dann nehmen wir uns, was wir brauchen,« rief Roland und schlug ihm gleich den harten Kopf ab. Graf Oliver stieß mit der Schwertspitze dem Bannerträger mitten ins Herz. Die andern Franken jagten die Troßknechte mit Hieb und Stoß davon und führten die Beute in den Burghof, wo Floripas ihrer harrte: ihr roter Mund dankte Roland, ihre lachenden Augen grüßten den Geliebten.

Graf Richard jagte inzwischen, sein Roß unablässig spornend, über Weg und Wiese, Feld und Flur einem Hügel zu: als er die Höhe erreicht hatte, brach sein Hengst erschöpft unter ihm zusammen.

Ratlos stand der Graf im Strahl der aufgehenden Sonne. Da erspähten ihn feindliche Wachen: sofort entsandte Balan Clairon, seinen Neffen, mit einem Zug. Weit voran allen ritt Clairon auf arabischem Hengst. Der war weiß auf der einen, rot auf der andern Seite, buntgefleckt war der hochgestellte Bug, lang und voll der Schweif, die wallende Mähne mit Goldbändern geziert. Aus breiten Nüstern blies er schnaubend, spitzte die kleinen Ohren und blickte aus klugen Augen. Mit seinen Fesseln 390 und starken Schenkeln sprang er dahin, wie Blitz oder Windstoß fahren, und lieblich klangen dazu goldene Glöcklein, die allerorten an dem reichen Zaumzeug hingen.

»Beim Barte des Propheten, Franke, jetzt mußt du sterben,« rief Clairon, den schnaubenden Hengst dicht vor Richard zum Stehen zwingend.

»Weshalb?« fragte der Normann.

»Weshalb?« rief Clairon lachend, »weil's Balan und mir gefällt.« Und er warf den Rohrspeer auf Richard, der rasch den Schild vorschwang. Der Schild barst am Buckel, der Speer durchstach den Halsberg und ritzte den Franken an der Seite. Richard säumte nicht und schoß seinen Eschenspeer auf Clairons Helm, aber der wollte nicht bersten, da riß er sein Schwert heraus und schlug ihm einen zornigen Hieb unter die Nase: das halbe Haupt flog ab ins Gras, der Rumpf fiel zur Erde. Rasch griff Richard das herrliche Roß und schwang sich ihm auf den Rücken. Traurig blickte er seinen müden Hengst an, strich ihm liebkosend über den Nacken und sprach: »Du hast mich aus mancher Not gerettet, nun Gott befohlen, er führe dich in eines Christen Hand.« Dann jagte er auf dem Schecken davon.

Als Clairons Saracenen auf dem Hügel anlangten, fanden sie seinen Leichnam und Richards Roß. Sie wollten es einfangen, aber es wehrte sich mit seinen Hufen, entkam ihnen und lief davon nach Agremore an den Turm. Die Paladine ließen es ein, hielten Richard für erschlagen und wurden gar traurig.

Die Ungläubigen trugen den toten Clairon in Balans Zelt: der Sultan fiel klagend an der Bahre nieder. Im ganzen Lager schallte Jammerschreien, feierlich wurde der Tote begraben. Daran erkannten die Franken ihren Irrtum und dankten Gott.

391 Als Richard bei Montrible angekommen war, fand er die Brücke aufgezogen und gesperrt. Agolafer stand davor, drohte mit seiner Keule und blies in sein Horn. Da eilten aus den Brückenhäusern Speerträger herbei zur Verteidigung. Richard lenkte zur Seite an den Fluß: zwischen steilen Felsufern schoß tief unten das Wasser hin. Hüben hinabspringen, drüben hinaufklettern, – beides war unmöglich und dennoch rief Richard: »Ich will's versuchen. Waltender Himmelsherr, behüte mein Leben!«

Da schwoll das Wasser an, und stieg, bis es die Felsufer erreicht hatte, und eine weiße Hinde sprang auf dicht vor Richard und in den Strom. Der spornte seinen Schecken und ließ ihn schwimmen, der Hinde folgend. Die führte ihn ungefährdet ans andre Ufer. Die Brückenwärter kamen nun über die Brücke gelaufen und verfolgten den Grafen, aber der feurige Hengst trug ihn, dem Sturmwind gleich, davon.

Kaiser Karl saß in seinem Zelte voller Gram, der ihm Kraft und Mut gelähmt hatte.

»Laß uns heimfahren,« riet Ganelon, »die zwölf Barone sind längst umgekommen und unser Volk ist entmutigt. Biete zu Paris oder Aachen den ganzen Heerbann auf gegen Balan und räche dann Roland und seine Leidensgefährten.«

Eifrig stimmten dem Vorschlag Ganelons Verwandte zu: Macarius, Hardrat und Griffon von Hautefeuille. Rainer von Genua aber rief: »Feige seid ihr oder allzu lässig im Dienst eures Kaisers.«

Ganelon zog sein Schwert gegen Rainer, seine Vettern taten's ihm nach, aber zürnend trat Karl dazwischen: »Frieden gebiet' ich euch! Dir, Ganelon, antwort' ich: besser ist's, das Leben lassen, als fliehen vor dem Feind.«

392 »Nicht fliehen sollst du, großer Kaiser,« entgegnete Ganelon, »nur jetzt der Übermacht weichen, um bald desto gewaltiger wiederzukommen.«

Schon überlegte Herr Karl im weisen Sinn Ganelons Rat: er ließ die Heerhörner blasen zum Abbrechen des Lagers. Da schallten von der Lagergasse her eiliger Hufschlag und freudiges Rufen. Der Kaiser horchte auf: »Das ist gute Botschaft,« rief er, den Zeltvorhang zurückschlagend: da hielt vor ihm auf dem schnaubenden Schecken Graf Richard.

»Bei Gottes Ruhm, Freund Richard,« sprach Karl, »was ist's mit Roland, was mit den andern?«

»Sie leben im Turm zu Agremore,« antwortete Richard und gab Bescheid von allem, »und heil mir,« schloß er, »daß ich dein Antlitz wieder schaue! Nun wirst du Balan vernichten und deine Getreuen erretten.«

Zürnend blickte Karl auf Ganelon und sprach: »Bei Saint Denis, Ganelon, schlecht hast du mich beraten! Auf, nun laßt die Hörner gellen: vorwärts nach Montrible. Haltet aus! Nur noch kurze Frist, ihr meine Getreuen, dann räche und befreie ich euch.«

Das ganze Heer brach auf. Durch eine List wollten sie die Brücke gewinnen, ohne viel Blutvergießens. In einem Hügeleinschnitt nahe Montrible ließ Karl Halt machen. Die Scharen standen kampfbereit, vor den Feinden durch Baum und Strauchwerk verdeckt. Auf ein Hornzeichen Richards sollten sie hervorbrechen. Der wählte zwölf Degen aus, sie warfen Kappenmäntel, wie sie Kaufleute trugen, über ihre Rüstungen, hielten die Schwerter darunter verborgen und ritten mit einigen bepackten Saumtieren an die Brücke. Beim Anblick der Befestigung erschraken die Franken, aber Richard mahnte sie: »Tapfer wollen wir sein und nicht verzagt. Laßt mich reden, und 393 sind wir jenseits der Brücke, dann fort mit den Kappen und die Schwerter heraus.«

Sie stiegen ab. Agolafer stand am nördlichen Brückentor, die Brücke dahinter war aufgezogen und mit Ketten befestigt, seine Keule hielt er auf der Schulter. Das Eisen daran war vier Fuß breit, am Stiel flatterte ein rotes Wimpel.

»Was wollt ihr und wer seid ihr?« fragte er.

Richard antwortete: »Wir sind Kaufleute und wollen zum Sultan reisen mit Zobelfellen und persischem Grauwerk. Nenne den Zoll, wir zahlen ihn gern.«

Agolafer schüttelte seinen zottigen Kopf und sprach: »Das hilft euch nichts! Ich lasse meine Brücke nicht herunter: erst neulich haben mich zehn Franken betrogen, ich werde euch gefangen nehmen und zu Balan führen lassen.«

Herr Riol, einer der Degen, rief: »Nieder mit dem Heiden,« riß sein Schwert heraus und schlug nach Agolafer; den schützte eine Brünne aus Schlangenhaut, und wild auflachend schwang er seine Axt gegen Riol, der rasch zur Seite sprang: das Hammereisen fuhr in den Brückenstein.

Richard sprach zürnend: »Riol, du wirst uns verderben! Was nützt die Kraft, die sich nicht fügen lernte!« Er stieß ins Horn, das gab einen guten, schrillen Klang: Kaiser Karl hörte ihn und eilte herzu.

Agolafer aber schrie: »Räuber seid ihr und verfluchte Franken,« und er hob wieder seine Keule. Richard sah eine Eisenstange liegen, er ergriff sie mit beiden Händen, schwang sie empor, und mit gewaltigem Schlag zerbrach er dem Riesen die Beine. Agolafer stürzte nieder, aufschreiend vor Schmerz: »Mohammed, nun hilf mir,« waren seine letzten Worte: denn rasch faßten ihn vier der stärksten Recken und warfen ihn in den Fluß.

394 Sein Schrei war bis in die Stadt gedrungen, und schon kamen einige Bewaffnete aus dem Tor herbeigelaufen. Graf Richard riß und zerrte an den Ketten, bis sie nachgaben und die Brücke sich senkte. »Montjoie,« rief er hell, »Genossen, nun haltet euch die dort vom Leibe, bis Karl kommt.«

In der Mitte der Brücke stießen Franken und Saracenen zusammen. Fest standen die Barone und wichen keines Fußes Breite, da hörten sie hinter sich Karls Heerhörner schallen, und die erste Reiterschar sprengte auf die Brücke mit gesenkten Speeren: in geschlossenem Anprall drängten sie die Saracenen zurück bis Montrible. Fränkische Speerträger besetzten die gewonnene Brücke.

Kaiser Karl ließ sogleich zum Sturm auf die Stadt blasen. Deren Mauern waren aus schwarzen Marmelsteinen geschichtet, mit dicken Eisenklammern zusammengehalten. Auf den Wällen standen die Saracenen: sie schossen mit Pfeilen, Rohrspeeren und Steinen auf die Belagerer. Gewaltig war das Kriegsgetöse. Die Riesin Amiote, des erschlagenen Agolafer Weib, trat unter das äußere Mauertor, eine große Sichel in der Hand, und mähte nieder, wen sie erreichen konnte: kein Krieger wagte sich bald mehr in ihre Nähe. »Wo ist nun der große Karl mit dem stolzen Antlitz?« rief sie, »ich will ihm das Haupt abschneiden!«

»Hier bin ich!« antwortete der Kaiser und ritt an das Tor: »Häßliche Teufelin, willst du mir meine Männer sicheln wie Gras?« Er riß einem Bogenschützen die Waffe aus der Hand, zielte gut und schoß ihr einen Pfeil zwischen die Augenbrauen mitten durch ihr blödes Hirn. Tot stürzte sie vornüber auf die Erde.

Karl spornte seinen Hengst, fünfzehn Barone ritten ihm zur Seite, mit gewaltigen Hieben erzwangen sie das 395 Tor und ritten ein. Doch rasch löste der Torwärter die Kette des Fallgitters, und dröhnend fiel es herunter: Karl und seine Gefolgen waren eingeschlossen zwischen den äußern und innern Mauerwällen. Graf Richard an des Kaisers Seite rief: »Verzage nicht! Gott verdamme den, der sich lebend greifen läßt: nun können wir dir unsern Mut erweisen.«

Im wirren Gedränge verteidigten die Franken ihr Leben und ihren Kaiser. »Montjoie!« tönte Karls Stimme bis vor die Mauern hinaus. »Hautefeuille!« rief von draußen Ganelon zurück; er scharte seine Gesippen um sich und versuchte das Tor zu erstürmen. Ein Steinregen prasselte auf sie nieder: er mußte zurück, das Blut sickerte ihm aus mancher Wunde. Finster sprach er: »Wir sind Toren, hier länger unser Leben zu wagen: gefallen ist Karl, und gefallen sind alle, die mit ihm hineinritten. Laßt uns abziehen.«

Da kam Ferabras hinzu und fragte: »Wo ist Karl?« Ganelon antwortete: »Hinter diesen Mauern eingeschlossen.«

»Was zögert ihr dann? Seid ihr Verräter?« rief Ferabras, »zu mir, wer Herr Karl die Treue halten will, Montjoie, mir nach!«

Da folgte ihm das Heervolk, Ganelon scharte die Edelinge wieder zusammen und schloß sich an. Ferabras schwang seine Axt und mit gewaltigen Schlägen erbrach er das Tor. Zu rechter Zeit: denn schwer rangen Karl und seine Gefolgen wider die Saracenen. Die Franken griffen nun von allen Seiten an, erstiegen die Wälle, erschlossen die Tore und schonten keines Saracenen. Karl hatte die Stadt bald gewonnen und reiche Beute an Kriegsgerät, Gold und Silberschätzen. Er ließ Graf Richard mit einem Heerhaufen in Montrible zurück, Stadt 396 und Brücke ihm zu hüten, während er weiter zog nach Agremore.

Nur ein Saracene war aus der Stadt entkommen, er floh zum Sultan mit der Unglücksbotschaft: »Dein Brückenwart ist erschlagen, Karl hat Montrible genommen.«

Balan war's, sein Herz müsse bersten vor Entsetzen, er sprach: »Allah, soll mein Unglück niemals enden! Mein eigner Sohn reitet an Karls Seite gegen mich. Auf, Wesir, versammle mein Kriegsvolk! Beim Barte des Propheten, die Franken sind im Unrecht, wir werden sie vernichten. Fangt mir Herrn Karl lebend, ich werde ihm die Haut abziehen lassen.«

Karl zog heran. Vom Turme herab sah Herzog Naimes zuerst die Oriflamme flattern: »Nun kommt uns Hilfe!« rief er, »hei, wie Herr Karls Bannerträger reitet.«

»Nun sind wir gerettet,« jubelten die Paladine.

Am Abend trafen die anrückenden Franken im Tal von Agremore ein: sie verbrachten die Nacht auf freiem Feld, in Helmen und Brünnen, nicht einmal die Sporen banden sie ab. Am frühen Morgen stellte Balan seine Heerhaufen in Schlachtordnung auf. Er saß auf einem schwarzen Streithengst, seine Waffen waren mit Gold eingelegt, sein weißer Bart wallte über die Brünne nieder bis an den Gürtel, drohend blickten seine braunen Augen. Er ließ die Banner entrollen: rot, grün, gelb flatterten sie auf, fünfhundert Hörner ergellten von Türken, Parthern, Äthiopen, Arabern: ungläubiges und heidnisches Heervolk. Gefolgt von parthischen Bogenschützen auf raschen Rossen ritt Balan voran in die Schlacht. Da war des Hasses und Mutes genug auf beiden Seiten, und keiner wollte die Kraft sparen. Die Franken erschlugen so viele Feinde, 397 daß schier nicht Mann noch Roß über die Toten steigen konnte. Rainer von Genua traf Fortinbrace: der biternische Speer fuhr durch Schild und Brünne dem klugen Türken in den Leib. Der Speerschaft zerspaltete, Fortinbrace flog tot aufs Feld. Der stolze Genuese zog nun das Schwert und gebrauchte es tapfer: »Wer ihn erwartet, bezahlt's mit dem Leben!« schrien des Fortinbrace Türken und wichen zurück. Balan hatte seinen Speer verschossen, er riß sein Schwert heraus und mit dem Schrei: »Rache für Fortinbrace!« führte er die Weichenden wieder in den Kampf. Da traf er auf Ganelon und seine Gesippen: er schlug ihm auf den Helm, der war stark, das Schwert glitt ab und schnitt in des Rosses Nacken, daß es mit Ganelon stürzte. Der Sultan sprang ab, faßte den Grafen mit beiden Fäusten am Halsberg und wollte ihn gefangen nehmen. Aber die Gesippen umringten die zwei, zerrten Ganelon empor und zückten die Schwerter auf Balan, der sich kaum ihrer erwehren konnte. Seine Babylonier retteten ihn: sie warfen Feuer unter die Barone, die Parther schossen wohlgezielte Pfeile, Balan kam wieder auf seinen Hengst und drang mit wildem Grimm auf seine Feinde ein. Die Franken mußten zurück.

Da machten die im Turm gefangenen Paladine einen Ausfall und ritten den Saracenen in den Rücken: nun brachen krachende Schilde, Helme barsten, Speere zerspellten. »Montjoie!« rief Roland, hielt Durendal in der starken Faust und trieb, manchmal hell dazu lachend, ein Häuflein nach dem andern vor sich her: bald ward das Weichen ein Fliehen.

Als der Sultan Rolands Stimme schallen hörte, rief er: »Mohammed, wie hast du mich verlassen!« Er ließ die Fliehenden laufen, er blutete aus fünfzehn Wunden und ritt vorwärts in den Feind. Da kam Herr Karl 398 heran auf einem lilienweißen Roß, sein langer Eisenspeer traf Balan mitten auf den Schild von Krokodilhaut, der barst in zwei Stücke, der Sultan stürzte aus dem Sattel. Rasch sprang er auf und stieß sein zweischneidiges Schwert dem lilienweißen Hengst in die Brust. Der Kaiser sprang ab, ehe noch das Tier zur Erde fiel, hielt den Schild vor und schwang Joyeuse auf Balans Helm. Steine und Federzimier flogen weg, aber der gute Helm von Tudela barst nicht.

»Admiral,« rief Karl und senkte sein Schwert, »entsage Mohammed, und ich lasse dir Leben und Reich um deiner Tapferkeit willen.«

Als Antwort versetzte ihm Balan einen Streich: aber das Schwert glitt an Karls Helm ab, und, einen Sporn vom Fuße schneidend, fuhr es tief in die Erde und brach an der Helze ab. Rasch zog der Admiral einen Dolch aus dem seidenen Wehrgehänge und wollte Karl erstechen. Aber da packten ihn von rückwärts Rolands und Olivers kräftige Fäuste und banden ihn.

Ferabras war dazugekommen, ihn schmerzten die Fesseln an seines Vaters Händen, sanft sprach er: »Teurer Vater, willfahre Herrn Karl.«

Balan blickte ihn finster an und rief: »Verräter an deinem Gott und deinem Volk! Mir aus den Augen.«

Traurig ging Ferabras zur Seite. Sobald die Ungläubigen ihren Sultan gefangen sahen, hielten auch die Treuesten nicht mehr stand: sie flohen, verfolgt von den Franken, bis in die ferne Küstenstadt Belmarine. Stadt und Burg von Agremore besetzten die Franken. Karl ritt ein, Balan neben sich führend. Floripas kam und grüßte ihren Vater, der aber blickte sie zornig an und sprach. »Pfui über dich, Mohammed verdamme dich.« Da neigte Floripas sich vor dem Kaiser und reichte ihm den aus 399 Rom geraubten Reliquienschrein. Karl küßte das Weihtum und übergab es seinen Kaplänen. Dann dankte er der schönen Saracenin für die Errettung seiner Paladine.

Vor der Burg stand ein weites, tiefes Marmorbecken, dahinein pflegten die Heiden den Wein zu schütten bei Festgelagen. Am nächsten Morgen befahl Karl Erzbischof Turpin, in dem Becken das heilige Wasser zu bereiten, und sprach zu Balan: »Noch einmal frag' ich dich, Admiral, willst du Christ werden? Nicht um Fußesbreite nehm' ich dir dann von deinem Reiche.«

Balan antwortete: »Allah, dich bet' ich an, kein Gott ist außer dir, Mohammed ist dein Gesandter! Und nicht der Tod, Franke, soll mich Allah untreu machen.«

Zornig faßte Karl Joyeuse, ihm das Haupt abzuschlagen, aber Ferabras fiel dem Kaiser in den Arm und bat: »Gnade! Milder Karl, töte mir nicht den Vater, habe Geduld mit ihm.«

Der Kaiser stieß das Schwert zurück in die Scheide und schritt hinweg. Ferabras ließ nicht ab mit Bitten, bis Balan es schweigend – ohne ja oder nein – geschehen ließ, daß er ihn an das Becken führte. Karl mit seinen Paladinen sollten Zeugen sein.

Freudig segnete Turpin das Quellwasser und fragte: »Entsagst du, Balan, dem Teufel und bekennest den dreieinigen Gott?«

Da faßte den Admiral unüberwindlich Zorn und Haß, er spie in das Taufwasser, packte den Erzbischof und wollte ihn hineinwerfen. Ogier befreite Turpin und hielt Balan umklammert, der verfluchte Karl und die ganze Christenheit und schrie: »Und Fluch euch Floripas und Ferabras, ihr habt alles Unglück über mich gebracht. Mohammed möge euch ewige Verdammnis bereiten.«

Da rief Kaiser Karl: »Ich habe genug von seinen 400 Flüchen und Freveln, Herzog Naimes, schlag' ihm das Haupt ab.«

Ferabras sprach voll Schmerz: »Karls Recht mag ich nicht schelten;« er verhüllte sein Haupt und weinte. Herzog Naimes führte Balan hinweg und tat, wie Karl befohlen.

Nun trat Herr Guy, Floripas an der Hand führend, vor den Kaiser und begehrte sie zum Weibe. Da taufte sie der Erzbischof mit all ihren Mägdlein, legte ihre Hand in die Herrn Guys und vermählte sie miteinander. Die Hochzeit wurde acht Tage gefeiert.

Das gewonnene Land teilte Karl in zwei Teile und setzte Guy und Ferabras als Grafen ein. »Lebt wohl,« sprach er beim Scheiden, »haltet zusammen wie treue Brüder und helft einander in der Not.«

Mit reicher Beute zog er nach Francien zurück, legte in Saint Denis die Reliquien nieder und fuhr heim nach Aachen in seine Pfalz, Pfingsten zu feiern.


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