Felix und Therese Dahn
Kaiser Karl und seine Paladine
Felix und Therese Dahn

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4. Oliver.

Graf Garin saß in seinem Schloß Montglane an dem Rhone: seine Söhne, einst von ihm an Karls Hof gesandt, hatten Ehren und Burgen gewonnen. Rainer, einer von ihnen, war gegen Räuber und Diebe zu Feld gezogen und ein Mehrer von Karls Recht geworden: dafür hatte ihn Karl mit Genua belehnt und ihm eine schöne Fürstentochter vermählt. Die gebar ihm zwei Kinder: Oliver, den Sohn und Alda, die Tochter.

Gerhard, ein andrer Sohn Garins, sollte die Herzogin von Burgund heiraten und ihr Herzogtum verwalten. Er ließ die Herzogin aber so lange einer Antwort warten, bis sie ihn nicht mehr wollte. Da mußte Gerhard sich mit dem Lehen von Viane genug sein lassen. Doch die verschmähte Frau sann Rache: sie entzweite durch übermütige Spottreden Gerhard mit dem Kaiser. 242 Der stolze Graf ritt nach Montglane zu seinem Vater und fragte um Rat. Garin wollte den Hader friedlich beilegen. Auf einem Hoftag in Reims erschien er mit Gerhard, dessen trotzige Worte Karl noch mehr beleidigten. Einer der Hofherren erhitzte sich allzusehr im Gespräch: er zupfte Garin gar unsanft am ergrauenden Barte, daß die Haare davonflogen. Flugs riß Gerhard sein Schwert heraus und durchbohrte den frechen Höfling: seine Genossen folgten seinem Beispiel: im Nu war die Pfalz erfüllt vom Lärm der Kämpfenden. Die vom Rhoneland mußten weichen und flohen vor den Kaiserlichen in Gerhards festes Schloß Viane. Die ganze Sippe stand nun zueinander. Vettern und Freunde eilten herbei, Gerhards Feste zu verteidigen: denn Kaiser Karl selbst kam herangezogen, Viane zu brechen und den Trotz seiner Vasallen.

Die Vianer ritten und zogen zum Kampfe hinaus: stolz und freudig rannten da die Herren einander an und wenn der Abend dem Spiel ein Ende gemacht hatte, begann es am nächsten Morgen von neuem. Einmal gingen die Frauen und Mädchen von Viane vor die Tore, den Kämpfenden zuzuschauen. Sie hatten sich zu weit vorgewagt: unter ihnen war schön Alda: Roland erschaute sie: ihr wallend Blondhaar, die blauen Augen, die blütenweiße Stirn und die rosigen Wangen; rasch sprang er an ihre Seite, griff nach ihr mit der gepanzerten Faust, die unbekannte Schöne als Beute zu entführen. »Oliver hilf! rette mich,« rief Alda laut. Oliver lief eilig herzu und schlug einen gewaltigen Hieb auf Roland: während der den Schlag auffangen mußte, entschlüpfte ihm Alda und eilte mit ihren Frauen und Mägdlein zurück, hinter die sichern Mauern von Viane, indes Oliver ihren Verfolgern wehrte.

243 Wie oft die stolzen Kämpfe sich erneuten, wie lange Karl im Felde lag, – die Entscheidung erzwang keiner der Gegner. Graf Gerhard begehrte endlich nach Versöhnung und schickte Oliver in Karls Lager.

Oliver stand im Zelt vor Kaiser Karl: des Grafen Friedensvorschläge wies der erzürnte Kaiser zurück. »Dann,« rief Oliver, »stelle mir Roland entgegen, großer Kaiser, und laß uns zwei im Einzelkampf den Streit entscheiden.« Das wurde ihm gern bewilligt und der Ort der Zusammenkunft, eine Insel im Rhone, verabredet.

Auf dem Heimweg geriet Oliver mit den fränkischen Herren in Streit, er wurde von einigen angegriffen und befreite sich. Aber die Vianer, welche auf dem Felde, seiner wartend, hielten, schwangen die Waffen und ritten die Kaiserlichen an. Karl sprengte selbst in den Kampf: Graf Gerhard prallte auf ihn mit eingelegtem Speer und warf ihn ins Gras: jetzt sah er, daß es Karl selbst war: rasch sprang er ab, knieete nieder und sprach: »Verzeiht mir, Herr, ich hab Euch wahrlich nicht erkannt!« Nachdem er sich überzeugt, daß dem Kaiser kein Leid geschehen war, saß er wieder auf und mischte sich in das dichteste Handgemenge.

Die Aquitanier mußten den Franken weichen: Gerhard riß Olivers Roß herum und jagte zurück in die Stadt. Als der letzte Vianer eingeritten war, zogen sie die Brücke auf und schoben den Riegel vor das Tor.

»Nun auf zum Sturm!« rief Kaiser Karl erzürnt, »und bei meinem Bart, ihr Herren, heut fehle keiner von euch, dem daheim sein Lehen lieb ist!«

Da kamen alle heran: das Troßvolk schleppte Strauchwerk, Erde, Steine, altes Gerät herbei und warf es über und in die Gräben. Gedeckt unter Schilden gingen dann die Krieger über ausgefüllte Stellen und griffen die 244 Mauern der festen Stadt mit Hammer und Eisenstangen an; hinter ihnen schossen die Schützen gutgezielte Pfeile gegen die Besatzung auf den Zinnen. Die Vianer standen oben, warfen Steine und Holzblöcke hinab: viele Jünglinge wurden zermalmt oder zerquetscht.

»Herr,« sprach Naimes, »wenn du die feste Stadt mit Sturm nehmen willst, mußt du's anders angehn! Sende nach Frankenland und laß die Antwerkmeister kommen, die müssen uns die Antwerke bauen: den Tribok und den Schwenkel, die Blide und den Parderel: dann schleudern wir Feldsteine, Blei und Feuer auf die Mauern und berennen sie mit dem Widder. Hammer und Stangen brechen solche Mauern nicht.«

Der weise Rat schuf dem Kaiser Grimm: er sah wie die Krieger von den nutzlosen Versuchen abstehen wollten: mit schallender Stimme rief er: »Montjoie, ihr Herren! Was zögert ihr? Land und Lehen geb' ich zum Lohn! Vorwärts.« »Montjoie,« riefen die Barone und von neuem begann der Sturm. Alda stand auf einer der Mauerzinnen, goldgesäumter Mantel deckte ihre Schultern, ihre leuchtenden Augen schauten hinab in das Tosen und Lärmen der Feinde. Sie bückte sich, ergriff einen Stein und schleuderte ihn einem Gascogner auf den Helm, der krachend barst; schier wäre der Mann tot geblieben. Roland hatte sie erspäht und ihr Tun beobachtet, da rief er heftig: »Beim Sohne Sankt Mariens, zurück hier von der Feste, ihr Leute: gegen Frauen stürm' ich nicht.« Und näher an die Mauer tretend rief er hinauf: »Wer seid Ihr, schöne Jungfrau?«

»Man nennt mich Alda! ich bin die Tochter Rainers von Genua, Olivers Schwester.« Da dachte Roland: »Wie leid, daß sie nicht neulich meine Gefangene geworden!«

245 Doch Alda fuhr fort: »Verhehlt mir nun auch nicht länger, wer Ihr seid? Eure Waffen stehen Euch wohl an: der Schild, der Speer, das Schwert und das apfelgraue Roß, das ich wie einen Pfeil unter Euch rennen sah als Ihr, allen voran, unsre Schar so hart bedrängtet. Ich acht' Euch einen Helden: Eure Herzensherrin mag wohl von großer Schönheit sein?«

Roland lachte hell: »Ja, Dame Alda, das ist sie: ihr gleicht wahrlich keine. Ich geb' Euch ehrlichen Bescheid: ich bin Roland.«

Schnell fragte Alda: »Der Roland, den sie zum Zweikampf mit meinem Bruder bestimmt haben?« Er nickte, sie fuhr fort: »O Ihr wißt noch nicht wie kühn Oliver ist.« Sie zögerte ein wenig: »Es kränkt mich, daß Ihr gegen ihn kämpfen wollt. – – Wär' ich Euch nicht entwischt, Ihr hättet mich wohl nicht der Haft entledigt.«

»Spottet meiner nicht, schön Alda,« bat Roland.

Kaiser Karl hatte die zwei bemerkt und fragte: »Wer ist dort auf der Zinne das Mägdlein, mit welchem Roland so vertraulich Zwiesprache hält?«

»Das ist Alda,« hieß es, »Olivers Schwester, ein Langobarde soll sie freien.«

»Bei meinem Bart, das wird er nicht,« lachte Karl, »denn mich dünkt, Roland will sie gewinnen.«

Alda trat von der Zinne zurück und verabschiedete Roland, der sich dem Kaiser nahte. »Ei schöner Neffe,« sprach der neckend, »was hattest du mit der Jungfrau? Hat sie etwa deinen Zorn erregt? Du verweiltest gar lang mit ihr: inzwischen brach Oliver aus der Stadt: zwanzig der Unsern liegen mit gespalteten Schädeln. Das war wohl eine Kriegslist, um welche schön Alda wußte. Traun, sie hat dich nur geneckt mit süßen Worten.«

246 Jähe Glut bedeckte Rolands Antlitz, grimmig fuhr er auf: doch Karl legte die Hand auf seinen Arm: »Gemach, gemach, trauter Neffe, ist sie dir so lieb, jene Maid? Wohlan, um ihretwillen hat der Sturm ein Ende: zurück in die Zelte.«

Da blies Roland sein Horn Olifant, alles Heervolk hörte den Schall und wandte zurück ins Lager.

In selbiger Nacht träumte dem Kaiser, sein Habicht kämpfe gegen einen Falken, der aus Viane geflogen kommen: die Schwingen schlagend hackten sie einander mit Fängen und Schnabel, keiner bezwang den andern, da machten sie Frieden und schnäbelten sich.

Am andern Morgen ritt Roland zum Zweikampf: er ließ sein Roß durch den Rhone schwimmen und traf Oliver seiner wartend. Höfisch begrüßte er Herrn Oliver und sprach: »Um die feste Stadt Viane zu erstreiten Kaiser Karl, meinem Herr, halt' ich hier! Bist du tapfer, Oliver: – jetzt bedarfst du dessen.«

Oliver entgegnete: »Versöhne uns mit dem Kaiser: dann werde Viane dein Lehen, ich folge deinem Banner zu jedem Kampfe, solang ich lebe, und Alda werb' ich dir zum Weibe.«

»Nein, sieg' ich, wird ja doch alles mein!«

»So bin ich's nicht gewillt,« entgegnete Oliver: »schaff' uns Frieden, Roland. Nicht um aller Ehren willen möcht' ich dich niederwerfen. Sieh, dann nimmt das Streiten gar kein End'.«

»Daraus wird nichts!« rief Roland. »Töten will ich dich oder fangen: dann führ' ich dich neben meinem Hengste nach Paris, – und schön Alda nehm' ich mir.«

»Das sollst du nie, solang ich lebe,« schwur Oliver.

247 »Versagt mir nicht Durendal,« lachte da Roland, »rollt, noch ehe die Sonne sinkt, dein blutend Haupt ins Gras.«

»Ich bin ein Tor, mit dir zu schwätzen: willst du nicht Frieden, dann wehre dich jetzt.«

Roland war stolz, Oliver war weise.

Sie senkten die Speere und rannten aufeinander los mit gewaltigen Stößen. Die Speere brachen, die Schilde zerspellten, die Rosse beugten sich in den Gelenken. Hui, flogen die Schwerter heraus: mit dem ersten Hieb Durendals schlug Roland auf Olivers Helm, daß Steine und Zimier davonflogen, und nieder sauste der Streich hinter den Sattel auf Olivers Roß, zerschnitt das Tier und hieb Herr Oliver noch dazu den Sporn weg.

»Montjoie Karl!« rief Roland, »heute noch baumelt am Galgen Gerhard der Verräter.«

»Noch steh' ich hier, heil und bewehrt!« antwortete drohend Oliver, der nun zu Fuße weiter kämpfen mußte.

Aber sorgenvoll schaute Graf Gerhard von den Zinnen Vianes herab und rief laut: »Gott im Himmel, rette Oliver!« Schön Alda, an seiner Seite stehend, hatte den Streich gesehen und erzitterte gleich sehr für den Bruder wie für den heimlich Geliebten. Sie eilte in eine nahe Kapelle und betete weinend zu Gott um solche Hilfe, die zugleich ihrem Ohm, wie Herrn Karl genehm sei.

Nun tat Oliver einen wuchtigen Gegenhieb, zerhackte Rolands Helmzier, traf des Apfelschimmels Nacken und schnitt ihn ab. Roland fiel zur Erde, rasch sprang er wieder empor und sie schlugen grimmig aufeinander: wie ein Hagel flogen Funken, sprangen die Ziersteine aus Rüstung und Waffen.

An den Ufern des Rhone hielt Kaiser Karl mit seinen 248 Großen; er betete: »Hilf, heilige Marie, rette Roland! Ich mache ihn zum Könige der Franken.«

Drüben auf den Mauern der Stadt rief Herzog Rainer: »Hilf, heilige Marie! Nimm meinen tapfern Sohn in deinen Schirm.«

Brünnenringe und Schilde waren zerhackt, Oliver tat mit seinem Schwert noch einen schweren Schlag in Rolands Schild: die Klinge brach darin ab, weit weg in den Fluß schleuderte er das Gehelze. Da war just Alda aus der Kapelle zurückgekommen.

»Weh,« schrie sie auf, »dort unten fechten nun mein Bruder und mein Freund: wer auch fällt, – mir ist's ewig leid. Scheide du sie, heilige Himmelskönigin!«

Oliver wollte lieber waffenlos sterben, als fliehen; mit nackten Fäusten packte er Roland an.

»Halt,« rief der, »du bist wirklich tapfer; einen Waffenlosen bekämpf' ich nicht; fordre dir ein andres Schwert: und höre, laß' Wein bringen: ich habe heißen Durst.«

»Dank, Roland,« sprach Oliver, »ruhe hier im Klee, dieweil ich das besorge.«

Dann rief er dem Fergen, der ihn auf die Insel gefahren hatte: »Geh' ins Schloß und sage meinem Ohm, er solle mir ein gutes Schwert schicken und einen vollen Krug Weines; denn Roland habe Durst.«

Der Ferge kehrte zurück mit einem Knappen, der brachte zwei Schwerter zur Wahl. Alteclär, das eine, war ein altes Schwert, geschmiedet von WelandWalhall. Sämtl. poetische Werke. Erste Serie Bd. VIII. S. 451., in dessen Schmiede auch Joyeuse und manches andre Heldenschwert war geschweißt worden.

König Pippin hatte einst Alteclär aus einem Schatz 249 in Rom genommen und es einem Herzog geschenkt, der's einem Juden für viel Gold verkaufte. Der Jude aber hatte es sorglich aufgehoben, bis er's dem Grafen Gerhard verhandelte.

Oliver wählte Alteclär; dann schenkte er einen Goldbecher voll Wein und reichte ihn Roland. Während der trank, dachte der Knappe seinem Herrn nützlich zu werden, faßte das zweite Schwert und wollte Roland treffen. Oliver schlug ihn mit der Faust nieder und rief zornig:

»Packe dich fort, sonst wirst du gehangen für den Bubenstreich!«

Der Jüngling entfloh. Roland setzte den leeren Becher hin und lachte: »Laß ihn zum Teufel laufen, von dem er gekommen ist, und nun auf, Herr Oliver, zum Streit!«

Da gab Roland Herrn Oliver einen wuchtigen Hieb auf den Helm, der barst: links am Helmring sprang das Schwert ab, zerschnitt Olivers Schild, schnitt ein Stück von der Bauchbrünne weg und fuhr nieder bis auf den Boden.

»Hilf, Gott im Himmel,« sprach Oliver, »ich bin des Todes, geb' ich's ihm nicht zurück.« Und er gab's ihm zurück mit Alteclär.

»Traun, du sparst nicht mit den Hieben,« rief Roland.

Sie wurden so grimmig, daß kein Stück ihrer Wehrkleider noch stand hielt.

Hoch auf der Zinne rief Alda mit Schrecken: »Bleibt einer von ihnen tot, bleib' ich nicht am Leben.«

Oliver schlug Roland einen Teil des Nasenbandes fort, die Ringe sprangen rasselnd ab; das machte Roland nur noch grimmiger, Schritt um Schritt drang er auf Oliver ein und zwang ihn ins Knie; stark blutete Olivers linker Arm, aber rasch sprang er auf und hieb kühn zurück.

250 »Wie mich das traf!« rief Roland. »Du liebst mich wenig.«

Und Oliver entgegnete: »Nur ungern ging ich in diesen Kampf: doch soll's mich freun, wenn ich dir den Stolz ein wenig beugen kann.«

Sie standen in ganz zerfetzten und zerstückten Rüstkleidern da; es schien ein Wunder, daß sie noch lebten.

Die Vianer wie die Kaiserlichen sorgten um das Ende. Einige fränkische Herren hatten sich heimlich gewaffnet und wollten über Oliver herfallen, wenn Roland unterläge. Als der Kaiser das gewahrte, rief er zornig: »Bei meinem Bart, wer unter euch, und wär's mein erster Held, Oliver zu Schaden bringt, der hängt am nächsten Baum.«

Roland sagte: »Ich möchte ausruhen, ich bin müde.«

»Das tut mir leid, ich föcht's lieber gleich aus: doch geh' und ruhe,« antwortete Oliver. Hell lachte der Markgraf.

»Ha, ha, das war nur Scherz, Freund; vier Tage hielt' ich aus, auch ohne Speis' und Trank.«

Und abermals schwangen sie die Schwerter, daß ihnen der Schweiß von den Schenkeln rann. Keiner wußte mehr, wie sich zu helfen vor dem andern, und Roland rief: »Wahrlich, einen Mann, der mich solange ausgedauert hat, sah ich noch nie!«

»Und ich weiß keinen, der mich zu Schaden brächte,« entgegnete Oliver fest.

Schon sank der Abend. Es wäre kein Ende geworden, bevor einer fiel, hätte nicht Gott einen Engel gesendet. Als sie wieder mit gezückten Schwertern dastanden, schwebte eine Wolke zwischen beide, und eine Stimme sprach daraus: »Allzulang schon dauert euer Stürmen; macht Frieden! Gott will es.« Sie erschraken und hielten ein. Da erscholl wieder die Stimme: »Roland und Oliver: 251 lasset euer trotziges Zürnen! Zeigt eure Kühnheit gegen die Heiden.«

Dann verflog die Wolke. Da streckten die jungen Helden einander die Hände entgegen und schlossen Brüderschaft, setzten sich unter einen Baum, banden die Helme ab und schauten einander an. Oliver war schön. Hoch trug er sein schmales, wohlgebildetes Haupt: um die kühne Stirn drängte sich dunkelbraunes Kraushaar, goldbraune Augen blickten, wie Falken blicken, unter dunklen Brauen hervor, unter der etwas kurzen Nase sproßte üppig ein Flaumbart um den kleinen Mund und das breite Kinn. Sein Wuchs war nicht so kräftig, als der Rolands, doch von schönerem Ebenmaß.

Roland begann: »Auf meine Treu, Oliver, ich liebe dich, wie keinen. Weder Burg noch Land will ich je besitzen, das du nicht zur Hälfte mit mir teilen sollst. Und Alda will ich heimführen. Ich söhne euch aus mit meinem Ohm, und sagt er nein, dann komme ich zu euch.«

»Wisse, Roland, ich liebe dich ebensosehr: gern geb' ich dir die Schwester zum Weib,« antwortete Oliver. Und nun küßten sie sich auf den Mund und schieden.

Roland ritt zurück ins Lager, erzählte alles und bat beim Kaiser um Gnade für die Vianer. Aber der Kaiser willfahrte ihm nicht so rasch. »Helfe mir Gott,« sprach Roland, »dann umgürte ich mich nie mehr mit dem Schwerte!« Und er ging aus dem Zelt.

Am nächsten Tag auf einer Eberjagd im Wald verlor der Kaiser sein Gefolge. Da wurde er überrascht und überfallen von Graf Gerhard und seinen Freunden, die aus einem unterirdischen Gang hervorstiegen. Der Kaiser war in der Gewalt seiner Feinde, aber Graf Gerhard kniete nieder und bat demütig: »Herr und Kaiser, seid gütig und gewährt mir Verzeihung und Frieden.«

252 Karl blickte milde. Unerschrocken, ehrfurchtgebietend stand er in ihrer Mitte, der weiße Bart wehte im Abendwind. »Stehet auf, edler Graf, und habet meine Huld wieder.« Darauf folgte der Kaiser ihnen in die Feste, wo er herrlich bewirtet wurde von den jubelnden Aquitaniern.

Am andern Morgen ritten die Vianer ungewaffnet, den Kaiser in ihrer Mitte, zu den Toren hinaus, dem Lager zu. Dort hatten die Paladine mit Sorge der Rückkehr ihres Herrn geharrt. Als sie nun die Feinde kommen sahen, griffen sie nach den Waffen und den Rossen und glaubten, in eine Schlacht zu reiten.

Da lachte der Kaiser, gab Tencendur den Sporn, ritt an die Spitze seiner Geleiter und rief: »Steckt ein die Schwerter, ihr Herren: wir haben Frieden gemacht.«

Feierlich wurde da Alda Roland vermählt. Kaiser Karl gelobte, Roland zum König von Spanien zu machen. Aber mitten in die Freude kam die Botschaft von erneutem Einfall der Saracenen in Aquitanien. Die Hochzeitsfeier mußte hinausgeschoben werden. Beim Scheiden knüpfte Alda ihrem Vermählten ein weißes Wimpel an seinen Speer und er steckte ihr einen goldenen Reif an den Finger.


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