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Einundzwanzigstes Kapitel.
Wie man stolze Kniee beugt

Ein Mann, der ein Duell auszufechten hat, pflegt immer einige Vorbereitungen zu treffen. Da das Duell, das Hervey vor sich hatte, ein ganz eigenartiges war, so traf er auch Vorbereitungen ganz besonderer Art; dieselben bestanden darin, dem an und für sich hübschen Zimmer, in dem er wohnte, einen möglichst unordentlichen, gemeinen Anstrich zu geben; er ließ das Frühstücksgeräte nicht wegbringen und gesellte den Ueberresten seiner Mahlzeit noch eine Flasche Whiskey zu. Dann warf er Tabak, schmutzige Karten und eine kurze Pfeife auf den Tisch. Er verbot dem Mädchen, sein Schlafzimmer zu reinigen, und öffnete die Thüre in dasselbe, das dem Besucher ebenfalls einen höchst unordentlichen Anblick gewährte. Seine eigene Person brachte er in Einklang mit der Umgebung; er zog niedergetretene Pantoffeln und ein schmutziges Hemd an und machte weder von seiner Weste noch von seiner Halsbinde Gebrauch. Alle diese Vorbereitungen bekundeten die äußerste Bosheit, er wußte, daß es für Beatrice entsetzlich sein mußte, in solcher Umgebung die Demütigung zu erdulden, die er ihr zugedacht hatte. »Alle Wetter,« sagte er, als er befriedigt um sich blickte und sich seines Werkes freute, »ich wollte, ich hätte meine Sträflingsjacke hier. Ihnen zuliebe würde ich sie noch einmal anlegen, meine Gnädige!« Er ordnete an, daß eine Dame, die er erwarte, sobald sie komme, heraufgeführt werde. Dann steckte er sich eine Cigarre an und warf sich aufs Sofa. Fünf Minuten vor zwölf Uhr, als er schon an ihrem Kommen zweifelte und sich überlegte, ob es sich mit seinem Vorteil vertrüge, sie in diesem Falle in Hazlewood House aufzusuchen, öffnete sich die Thüre und Beatrice stand vor ihm. Er lachte spöttisch auf und betrachtete sie, ohne seine Stellung zu verändern, aufmerksam. Bei dem ersten Blick auf das verwahrloste Zimmer und seinen Bewohner bebten Beatrices Nasenflügel und ein Zug bitterer Verachtung legte sich um ihren Mund. Er sah es und seine Augen glänzten vor Schadenfreude.

Und sie sah ihn an und sie fragte sich, wie es ihr selbst in der thörichtsten Zeit ihrer Jugend möglich gewesen, diesen Menschen auch nur eine Stunde lang zu lieben. Heute hätte ihr kein anderer Mann mehr Verachtung einflößen können als dieser. Sie fürchtete ihn indessen nicht, weil sie glaubte, das Aeußerste zu wissen, was er ihr anthun könnte.

»Nun, mein zärtliches Weib,« sagte er, nachlässig liegen bleibend und die Asche von seiner Cigarre klopfend, »du bist ja eine wunderschöne, hochelegante Dame geworden! Du hast dich vermutlich nicht sehr nach mir gesehnt.«

Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme und die gemeine, höhnische Schmeichelei vernahm, aber sie richtete ihren stolzen Blick fest auf ihn.

»Du hast mir etwas zu sagen,« sagte sie fest, »so sprich.«

»Sagen! Ich dächte, es wäre an dir, etwas zu sagen! An dir, die mich fünf Jahre lang hat mit Spitzbuben zusammen Steine graben lassen. Du wolltest keinen Finger zu meiner Rettung rühren. Was hast du zu sagen?« Er sprach mit gehässigem, bitterem Ausdruck.

Sie sagte nichts. Sie hätte ihm aber erzählen können von all dem Jammer, den sie gehabt, von all dem Elend, das sie erduldet, mit dem verglichen seine wohlverdiente Strafe nichts war.

»Beinahe fünf Jahre – langweilige, knechtische Arbeit,« fuhr er fort, »Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr, immer dasselbe, immer dasselbe. Und alles durch dich, durch dich! Und nun mein süßes Weib, was erwartest du – daß ich dich schlage oder küsse?«

Er änderte den Ton seiner Stimme, die einen scherzhaften Klang annahm, der aber für Beatrice noch widerlicher war, als der, welcher seine wahre Natur verriet. Er trat ihr, während er die letzten Worte sprach, um einige Schritte näher.

»Du hast schon beides gethan,« sagte sie langsam und bitter. »Die Erinnerung an deine Küsse ist mir heute aber entehrender als die an den Schlag.« Ihre Verachtung reizte ihn zur Wut, er machte ein paar Schritte auf sie zu.

Ein scharfes, spitziges Messer lag auf dem Tisch, Beatrice ergriff es und sagte ruhig: »Wenn du mich berührst, werde ich dich töten.«

Der Mann wußte, daß sie es thun würde. Er warf sich in einen Sessel und lachte verächtlich.

»Komm,« sagte er, »laß uns von den Geschäften reden.«

»Ja, zwischen uns kann es sich nur noch um Geschäfte handeln.«

»Setze dich! Ich kann nicht sprechen, wenn du stehst, und habe viel zu sagen.« Sie gehorchte, um zu zeigen, wie wenig sie ihn fürchte.

»Um also zur Sache zu kommen,« begann er, »was hast du mir vorzuschlagen? Ich bin dein Mann und mit all deinem angenommenen Stolz und deiner scheinbaren Gleichgültigkeit weißt du recht gut, daß ich nun endlich die Oberhand habe.«

Beatrice sah ihn an und wunderte sich aufs neue, daß sie ihn je geliebt hatte.

»Ich will dir unter gewissen Bedingungen die Hälfte meines Einkommens abtreten.«

»Und wie hoch beläuft sich dein Einkommen?«

»Zweitausendfünfhundert Pfund jährlich.«

»Du lügst,« sagte Hervey frech, »es ist mehr.«

Beatrice errötete. Sie erhob sich halb von ihrem Stuhl, setzte sich aber wieder, ohne zu antworten.

»Nehmen wir aber einmal an, es sei so,« sagte der Mann; »nun laß die Bedingungen hören.«

»Daß du mich nie aufsuchst, nie belästigst, noch irgend jemand mitteilst, daß ich deine Frau bin.«

»Du hast es also bisher geheim gehalten?«

»Nur meine treue Dienerin weiß es.«

»Die Hexe! Natürlich hast du gehofft, ich werde in diesen fünf Jahren sterben.«

»Nein,« sagte Beatrice einfach; »aber ich hoffte selbst zu sterben.«

Das Duell nahm seinen Fortgang. Bisher war Beatrice im Vorteil gewesen; jetzt kam Hervey daran.

»Höre,« sagte er, »ich habe dir auch einen Vorschlag zu machen und Bedingungen zu stellen.« Beatrice neigte das Haupt.

»Du hast zweitausendfünfhundert Pfund jährlich. Für ein Frauenzimmer sind auch die Hunderte genug zum Leben; die Tausende sollen mein sein.«

Sie schwieg einen Augenblick.

»Ja,« sagte sie dann, »ich will sogar dies thun – wenigstens viele Jahre lang.«

Hervey lachte boshaft. »Wie nett ist es, so gehaßt zu werden! Die Liebe der Weiber hat mir nie 'was eingebracht, der Haß ist vorteilhafter. Nun höre die Bedingungen.«

»Ich habe sie schon genannt,« sagte Beatrice kalt.

»Höre jetzt die meinigen, sage ich dir,« sagte Hervey in bitterem Ernst und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ja, ich will fortgehen, dich nicht aufsuchen und nicht belästigen, solange du das Geld zahlst; aber ehe ich gehe« – hier beugte er sich vor und sprach mit leiser, zischender Stimme – »ehe ich gehe, sollst du hier, in diesen Zimmern einen Monat lang mit mir als meine Gattin leben. Alle deine vornehmen Verwandten, alle deine teuren Freunde sollen sehen, daß du Maurice Herveys, des Fälschers und Zuchthäuslers Weib bist. Danach verlasse ich dich und nehme das Geld.«

Beatrice antwortete nicht. Sie zog ihren Mantel an sich und erhob sich, um zu gehen. »Mein Vorschlag gefällt dir, wie es scheint, nicht,« höhnte Hervey. »Und ich dachte mir doch so sorgsam aus, Nacht um Nacht – wie ich mich für alles bezahlt machen wolle. Jetzt habe ich dich – jetzt habe ich dich, mein holdes Weib!«

»Ich glaube, du bist verrückt geworden,« sagte Beatrice verächtlich.

»Verrückt! Nein, ich bin nicht verrückt! Was, du willst mich verlassen – nach so langer Trennung so bald wieder gehen?«

Sie ging der Thüre zu.

»Du willst mich also zum Aeußersten treiben?«

»Ja, du mußt das Aeußerste thun.«

»Das heißt, alles nehmen, was das Gesetz dich mir zu geben zwingt? Du weißt, das Gesetz wird mir einiges zusprechen.«

»Ich glaube wohl,« sagte Beatrice gleichgültig und müde.

»Ja, ich will nehmen, was das Gesetz mir zuspricht – zum Beispiel einen gewissen hübschen, goldlockigen Knaben. Bist du bewandert in den Gesetzen? Weißt du, daß eine Frau, die ihren Gatten und sein Haus böswillig verläßt, nicht das Recht hat, ihn auch seiner Kinder zu berauben? Hier ist das Heim, das ich dir biete. Ich sehne mich nach dir und meinem Sohn. Ich verlange ihn, gib ihn mir! Haha, habe ich dich endlich?«

Ja, er hatte sie. Der Stoß hatte sie ins Herz getroffen; sie stieß einen leisen Schrei aus und griff nach der Stuhllehne, um sich aufrecht zu halten. »Es ist nicht wahr,« stöhnte sie.

»Geh zu deinem Advokaten und frage,« sagte er. »Ich habe den meinen um Auskunft gebeten. Der Knabe gehört mir, welche Freude wird mir seine Gesellschaft bereiten! Und wie nett für ihn, wenn er später erfährt, daß er eines Fälschers Sohn ist. Wirst du jetzt vielleicht meine Bedingungen annehmen? Habe ich dich gelehrt, dein stolzes Knie zu beugen? Willst du zu mir kommen und dich offen als das Weib deines gekränkten Gatten bekennen?«

Er kreischte fast vor Befriedigung. Er hatte seine volle Rache.

»Ich muß nachdenken, ich muß nachdenken,« murmelte sie.

»Ja, geh und denke nach. Ich habe auch etwas zu überlegen. Ich muß herausbringen, ob irgend eine Nergelei dich um das Geld bringen kann. Wenn ja, mußt du mich noch einmal heiraten und die erste Heirat geheim halten.«

»Laß mich gehen,« sagte sie.

»Ja, du kannst gehen. Aber übermorgen wirst du wieder zu mir kommen, dann will ich dir sagen, was zu thun ist. Ach, meine schöne Dame, es wäre gescheiter gewesen, du hättest mir vor fünf Jahren das Geld verschafft. Ich habe dir damals gleich gesagt, du machest eine Dummheit.«

Sie hörte seine letzten Worte nicht mehr; sie hatte das Zimmer verlassen. Hervey warf sich aufs Sofa und lachte laut auf.

»Rache und Geld,« sagte er; »ich will sie in den Staub werfen! Auf ihren Knieen soll sie um den Knaben bitten, ehe ich ihr auch nur ihn überlasse. Das ist Glück! Hat jemals einer solches Glück gehabt!«


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