Joseph Conrad
Lord Jim
Joseph Conrad

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Zwölftes Kapitel

Alles ringsumher war still, soweit das Ohr reichte. Der Nebel seiner Gefühle, von seinen Kämpfen aufgewühlt, flirrte zwischen uns, und zwischen den Falten des stofflosen Schleiers erschien er dann und wann vor meinen fragenden Blicken, deutlich und scharf umrissen, mit einem unbestimmten flehentlichen Ausdruck, wie eine symbolische Gestalt in einem Gemälde. Die kalte Nachtluft lag schwer auf meinen Gliedern wie eine Steinplatte.

»Ganz recht«, murmelte ich, hauptsächlich, um mir zu beweisen, daß es in meiner Macht lag, diese Benommenheit zu durchbrechen.

»Die Avondale nahm uns vor Sonnenuntergang auf«, bemerkte er düster. »Fuhr geradewegs auf uns zu. Wir brauchten nur dazusitzen und zu warten.«

Nach einer langen Pause sagte er: »Sie erzählten ihre Geschichte.« Und wieder entstand das drückende Schweigen. »Erst dann begriff ich, wozu ich mich entschlossen hatte«, fügte er hinzu.

»Sie sagten nichts?« flüsterte ich.

»Was konnte ich sagen?« fragte er ebenso leise... »Leichter Stoß. Schiff gestoppt. Schaden festgestellt. Maßnahmen getroffen, die Boote flottzumachen, ohne eine Panik hervorzurufen. Wie das erste Boot heruntergelassen wurde, ging das Schiff in einer Sturmbö unter. Sank wie Blei... Was konnte klarer sein« ... Er senkte den Kopf... »und schrecklicher?« Seine Lippen bebten, während er mir gerade in die Augen sah. »Ich war gesprungen – nicht wahr?« sagte er zerknirscht. »Damit mußte ich fertig werden. Die Geschichte war gleichgültig.«... Er verschränkte die Hände, blickte rechts und links ins Dunkel. »Es war, als ob man die Toten betröge«, stammelte er.

»Und es gab doch keine Toten«, sagte ich.

Daraufhin ging er von mir weg. Nur so kann ich es beschreiben. Plötzlich sah ich seinen Rücken dicht an der Brüstung. Dort stand er eine Weile, als bewunderte er die Reinheit und den Frieden der Nacht. Ein blühender Strauch im Garten strömte seinen starken Wohlgeruch in die feuchte Luft. Jim kam mit hastigen Schritten zu mir zurück.

»Und das machte nichts aus«, sagte er so halsstarrig, wie ihr es euch nur denken könnt.

»Kann sein«, erwiderte ich. Es fing mir zu dämmern an, daß ich ihm nicht gewachsen war. Schließlich, was wußte ich?

»Tote oder nicht – ich konnte nicht klarkommen«, sagte er. »Ich mußte leben; nicht wahr?«

»Nun ja, freilich – wenn Sie es so auffassen«, brummte ich.

»Ich war natürlich froh«, warf er hin, während seine Gedanken woanders weilten. »Die Aufklärung«, sagte er langsam und hob den Kopf. »Wissen Sie, was mein erster Gedanke war, als ich davon hörte? Ich war erleichtert, als ich erfuhr, daß diese Schreie – ich sagte Ihnen doch, daß ich Schreie hörte? Nein? Nun also, ich habe sie gehört. Hilfeschreie... die der Regen hertrug. Einbildung, wahrscheinlich. Und doch kann ich kaum ... Wie dumm... Die andern haben nichts gehört. Ich fragte sie später. Sie sagten alle nein. Nein? Ich hörte sie auch dann noch. Ich hätte wissen können – aber ich dachte nicht nach – ich horchte bloß. Sehr schwache Schreie – Tag für Tag. Dann suchte mich der kleine Mischling hier auf und erzählte mir. ›Die Patna... von einem französischen Kanonenboot ... erfolgreich nach Aden bugsiert... Untersuchung... Marineamt ... Seemannsheim... Vorsorge für Ihre Unterkunft und Verpflegung getroffen.‹ Ich ging mit ihm und genoß die Ruhe. So hatte es also gar keine Schreie gegeben. Einbildung. Ich mußte ihm glauben. Ich hörte fortan nichts mehr. Ich bin neugierig, wie lange ich es ausgehalten hätte. Sie waren sogar schlimmer geworden... ich meine – lauter.«

Er versank in Nachdenken.

»Und ich hatte also nichts gehört! Gut – sei's drum. Aber die Lichter! Die Lichter gingen aus. Wir sahen sie nicht mehr. Sie waren nicht da. Wären sie dagewesen, so wäre ich zurückgeschwommen – ich wäre zurückgegangen und hätte den ganzen Weg gerufen – hätte sie angefleht, mich an Bord zurückzunehmen... Es wäre die Zeit für mich gekommen gewesen... Sie zweifeln? Wie können Sie wissen, was ich empfand? Welches Recht haben Sie, zu zweifeln?... Ich war sowieso nahe daran, es zu tun – verstehen Sie!« Seine Stimme sank. »Da war nicht ein Schimmer – nicht ein Schimmer«, beteuerte er kummervoll. »Begreifen Sie denn nicht, daß Sie mich nicht hier sähen, wenn es anders gewesen wäre? Sie sehen mich – und Sie zweifeln.«

Ich schüttelte verneinend den Kopf. Diese Frage der Lichter, die nicht mehr gesehen wurden, als das Boot kaum eine Viertelmeile vom Schiff entfernt sein konnte, war ein Gegenstand vielfacher Erörterung. Jim blieb dabei, daß nach dem ersten Guß nichts mehr zu sehen war; und die andern hatten den Offizieren der Avondale das nämliche versichert. Natürlich schüttelten die Leute die Köpfe und lächelten. Ein alter Kapitän, der im Gerichtshof neben mir saß, kitzelte mein Ohr mit seinem weißen Bart und murmelte: »Natürlich lügen sie.« Tatsächlich log keiner; nicht einmal der Obermaschinist mit seiner Geschichte von dem Topplicht, das wie ein weggeworfenes Streichholz niederfiel. Wenigstens nicht bewußt. Jemand in solchem Zustand kann wohl, wenn er flüchtig über seine Schulter blickt, im Augenwinkel einen fliegenden Funken sehen. Sie konnten durchaus kein Licht sehen, obwohl sie noch in Schußweite waren, und sie konnten sich das nur auf die eine Art erklären: das Schiff war gesunken. Es war augenscheinlich und tröstlich. Die vorhergesehene Tatsache, die sich so schnell vollzogen, hatte ihre Eile gerechtfertigt. Kein Wunder, daß sie nach keiner anderen Erklärung suchten. Die Wahrheit aber war sehr einfach, und sobald sie Brierly dem Gerichtshof nahegelegt hatte, zerbrachen sie sich nicht weiter die Köpfe darüber. Wenn ihr euch recht erinnert, so war das Schiff gestoppt worden und lag auf dem Kurs, den es während der Nacht gesteuert hatte, das Heck hoch und den Bug tief unten, weil die vordere Abschottung mit Wasser vollgelaufen war. Da die Patna aus dem Gleichgewicht war, als die Bö sie backstagsweise traf, so drehte sie vor dem Winde auf, so heftig, als wäre sie vor Anker gelegen. Durch diesen Stellungswechsel waren alle Lichter in wenigen Augenblicken vom Boote weg, leewärts gerichtet. Es kann sehr wohl sein, daß, wenn sie gesehen worden wären, sie die Wirkung einer stummen Mahnung gehabt hätten – daß ihr in der Dunkelheit des Gewölks verlorener Schimmer die geheimnisvolle Macht des menschlichen Blickes gehabt hätte, der Gefühle der Reue und des Mitleids zu wecken vermag. Er hätte gesagt, ›ich bin hier – noch hier...‹ und was kann das Auge auch des verlassensten menschlichen Wesens mehr sagen? Aber das Schiff wandte ihnen, gleichsam in Verachtung ihres Schicksals, den Rücken; es hatte aufgedreht, um standhaft der neuen Gefahr der offenen See zu trotzen, die es so seltsam überstand, um seine Tage auf einer Abbruchswerft zu beschließen; als wäre es sein ausgemachtes Schicksal gewesen, in Verkommenheit, unter den Schlägen vieler Hämmer zu sterben. Welche verschiedenen Lose den Pilgern vorbehalten waren, vermag ich nicht zu sagen; aber die unmittelbare Zukunft führte am folgenden Morgen, etwa um die neunte Stunde, ein französisches Kanonenboot auf der Heimfahrt von Reunion vorbei. Der amtliche Bericht seines Kapitäns ist veröffentlicht worden. Er war ein wenig von seinem Kurs abgeschwenkt, um festzustellen, was mit dem Dampfer los war, der so gefährlich vorlastig auf der stillen, dunstigen See trieb. Eine Notflagge flatterte an der Großgaffel (der eingeborene Bootsmann war so vernünftig gewesen, bei Tageslicht ein Notsignal zu hissen); vorne in den Kombüsen aber waren die Köche wie gewöhnlich an der Arbeit. Die Decks waren vollgepfropft wie eine Schafhürde: längs der ganzen Reling und auf der Kommandobrücke waren die Menschen zu einer festen Masse zusammengepfercht; Hunderte von Augen starrten, und kein Laut war zu hören, als das Kanonenboot sich in Front legte, als wären diese Hunderte von Lippen durch einen Zauber versiegelt gewesen.

Der Franzose rief das Schiff an, erhielt keine verständliche Antwort und entschloß sich, nachdem er sich durch sein Fernrohr vergewissert hatte, daß der Haufe auf Deck nicht pestkrank aussah, ein Boot zu schicken. Zwei Offiziere kamen an Bord, hörten den eingeborenen Bootsmann an, versuchten mit dem Araber zu reden, konnten aber aus der Sache nicht klug werden; immerhin war der Fall klar genug. Sie waren auch sehr betroffen, als sie einen toten Weißen entdeckten, der friedlich zusammengekauert auf der Kommandobrücke lag. Sie waren »fort intrigués par ce cadavre«, erzählte mir lange nachher ein französischer Leutnant, den ich durch reinsten Zufall eines Tages in Sydney in einer Art Cafe traf und dem der Fall noch völlig in Erinnerung geblieben war. In der Tat widerlegte diese Geschichte, wie ich beiläufig bemerken muß, die Erfahrung von der Kürze der Gedächtnisse und der Länge der Zeit: sie schien mit unheimlicher Kraft in den Köpfen der Menschen lebendig zu sein und schwebte ihnen immer auf der Zunge. Ich hatte das fragwürdige Vergnügen, sie Jahre danach, tausend Meilen entfernt, aus völlig andern Gesprächen auftauchen, aus den entlegensten Anspielungen an die Oberfläche kommen zu sehen. Ist sie nicht auch zwischen uns heute zur Sprache gekommen? Und ich bin der einzige Seemann hier. Wenn sich aber zwei Männer, die einander nicht kannten, auf irgendeinem Fleck der Erde trafen, so stand es unverbrüchlich fest, daß sie, wenn sie von der Sache wußten, vor dem Auseinandergehen auch davon reden würden. Ich hatte den Franzosen nie zuvor gesehen, und nach einer Stunde waren wir miteinander für immer fertig: er schien auch nicht einmal sehr redselig; er war ein stiller, massiver Mensch in zerknitterter Uniform, der schläfrig über einem halbvollen Glase mit dunkler Flüssigkeit saß. Seine Achselklappen hatten den Glanz verloren, seine glattrasierten Backen waren breit und mißfarben; er sah aus wie ein Mann, der dem Tabakschnupfen frönt. Ich will nicht sagen, daß er es tat; aber man hätte ihm diese Gewohnheit zugetraut. Er fing damit an, daß er mir eine Nummer der Home News, die ich gar nicht wollte, über den Tisch herüberreichte. Ich sagte merci. Wir tauschten ein paar anscheinend harmlose Bemerkungen, und plötzlich, bevor ich wußte wie, waren wir mittendrin, und er erzählte mir, wie »peinlich sie diese Leiche berührt« habe. Es stellte sich heraus, daß er einer der Offiziere gewesen war, die an Bord gegangen waren.

In dem Lokal, in dem wir saßen, konnte man allerhand ausländische Getränke bekommen, die für die einkehrenden Seeoffiziere geführt wurden; er nahm einen Schluck von dem dunklen, medizinartigen Zeug, das wahrscheinlich nichts Greulicheres war als cassis á l'eau, und indem er mit einem Auge ins Glas guckte, schüttelte er leicht den Kopf. »Impossible de comprendre – vous concevez«, sagte er mit einer seltsamen Mischung von Gleichgültigkeit und Tiefsinn. Ich konnte sehr wohl begreifen, wie unmöglich es ihnen gewesen war, zu verstehen. Niemand in dem Kanonenboot konnte genug Englisch, um sich das, was der eingeborene Bootsmann erzählte, zusammenreimen zu können. Es ging um die beiden Offiziere herum auch sehr lebhaft zu. »Sie drängten sich um uns. Es bildete sich ein Kreis um den Toten (autour de ce mort)«, erzählte er. »Das Dringendste mußte getan werden. Die Leute fingen an, unruhig zu werden – Parbleu! Soviel Volk – was glauben Sie?« sagte er mit philosophischem Gleichmut. Was das Schott anging, so hatte er seinem Kommandeur geraten, es zu lassen wie es war, es war so gräßlich anzusehen. Sie schafften eiligst (en toute bâte) zwei Trossen an Bord und nahmen die Patna – das Hinterschiff voran – ins Schlepptau, was unter den Umständen gar nicht so dumm war, da das Ruder zu sehr aus dem Wasser heraus war, um zum Steuern viel nutz zu sein, und dieses Manöver auch den Druck auf das Schott erleichterte, dessen Zustand, wie er mit unnötiger Zungenfertigkeit darlegte, die größte Sorgfalt erheischte (exigeait les plus grands ménagements). Ich konnte nicht umhin, anzunehmen, daß mein neuer Bekannter bei den meisten dieser Anordnungen eine maßgebende Stimme gehabt hatte: er machte den Eindruck eines zuverlässigen, nicht mehr sehr rührigen Offiziers und hatte auch etwas von einem echten Seemann, obwohl er einen, wie er mit über dem Bauch gefalteten Händen dasaß, an einen jener schnupfenden, friedlichen Dorfgeistlichen gemahnte, in deren Ohren ganze Generationen von Dorfbewohnern ihre Sünden, Leiden und Gewissensqualen ausgießen und auf deren Gesichtern der Ausdruck der Ruhe und Einfalt wie ein Schleier über das Geheimnis des Schmerzes und der Not geworfen ist. Er hätte eine fadenscheinige, bis an sein volles Kinn hochgeknöpfte, schwarze Soutane tragen sollen, anstatt eines Waffenrocks mit Schulterklappen und Messingknöpfen. Seine breite Brust atmete regelmäßig, während er mir weiter erzählte, daß es eine ganz verdammte Arbeit gewesen sei, wie ich mir zweifellos (sans doute) in meiner Eigenschaft als Seemann (en votre qualité de marin) vorstellen könne. Am Ende seines Satzes neigte er sich leicht gegen mich vor, und, seine rasierten Lippen aufwerfend, ließ er die Luft mit einem leichten Zischen daraus entweichen. »Glücklicherweise«, fuhr er fort, »war die See eben wie dieser Tisch, und es war nicht mehr Wind als hier in diesem Zimmer...« Ich muß sagen, der Raum kam mir in der Tat unerträglich stickig und heiß vor; mein Gesicht glühte, als ob ich wirklich noch jung genug zum Erröten und Verlegenwerden gewesen wäre. Sie hatten ihren Kurs nalurettement nach dem nächstliegenden englischen Hafen genommen, wo ihre Verantwortlichkeit Dieu merci aufhörte. Er blies seine flachen Backen ein wenig auf. »Denn, merken Sie wohl (notez bien)«, solange wir schleppten, hatten wir zwei Steuermannsmaate mit Äxten bei den Trossen stehen, die uns abhauen sollten, falls es...« Er schlug seine schweren Augenlider nach unten, um, was er meinte, so deutlich wie möglich zu machen... »Was wollen Sie! Man tut, was man kann (on fait ce qu'on peut)«, und einen Augenblick gelang es ihm, seiner gewichtigen Unbeweglichkeit den Ausdruck der Resignation zu geben. »Zwei Steuermannsmaate – dreißig Stunden lang – immer dabei. Zwei!« wiederholte er, indem er ein wenig seine rechte Hand hob und zwei Finger zeigte. Dies war die allererste Bewegung, die ich ihn machen sah. Es gab mir Gelegenheit, auf seinem Handrücken eine strahlige Schramme – die offenbar von einem Schuß herrührte – zu »notieren«. Und als wäre mein Blick durch diese Entdeckung geschärft worden, bemerkte ich auch die Narbe einer alten Wunde, die ein wenig unterhalb der Schläfe anfing, sich an der Kopfseite unter dem kurzen grauen Haar verlor und wohl von einem Streifschuß oder einem Säbelhieb stammte. Er faltete die Hände wieder über dem Bauch. »Ich blieb an Bord der, der – mein Gedächtnis schwindet (s'enva). Ah! Patt-nà. Cest bien ca Patt-nà. Merci. Komisch, wie vergeßlich man wird! Ich blieb dreißig Stunden auf dem Schiff...«

»Wirklich!« rief ich aus. Er blickte noch immer auf seine Hände und schob die Lippen vor, aber diesmal ohne zischenden Laut. »Man hielt es für richtig«, sagte er und zog gelassen die Augenbrauen in die Höhe, »daß einer der Offiziere dort bleiben sollte, um ein offenes Auge zu haben (pour ovrir l'çil)«... er seufzte leicht... »und sich mit dem schleppenden Schiff durch Signale zu verständigen – verstehen Sie? – und so weiter, übrigens war es auch meine Meinung. Wir hielten unsere Boote zum Ausschwingen klar – und ich auf dem Schiff traf gleichfalls Maßnahmen... Enfin! Man hat sein möglichstes getan. Es war eine heikle Lage. Dreißig Stunden. Sie bereiteten mir Essen. Aber Wein – Prost Mahlzeit – keinen Tropfen.« Auf irgendeine besondere Weise, ohne seine starre Haltung und die ruhigen Gesichtszüge merklich zu verändern, gelang es ihm doch, einem tiefen Widerwillen Ausdruck zu geben. »Mit mir ist es so – wissen Sie – wenn ich essen soll, ohne mein Glas Wein – ist nichts von mir zu wollen.«

Ich fürchtete schon, er würde sich des weitern über dieses Ungemach auslassen, denn obwohl er weder ein Glied rührte noch eine Miene verzog, ließ er einen doch erkennen, wie ihn die Erinnerung aufbrachte. Doch schien er es wieder zu vergessen. Sie lieferten ihr anvertrautes Pfand den »Hafenobrigkeiten« ab, wie er sich ausdrückte. Er war verwundert über die Ruhe, mit der man es aufnahm. Man hätte meinen können, daß ihnen jeden Tag solch seltsamer Fund (drôle de trouvaille) zugeführt würde. »Ihr seid merkwürdige Menschen – ihr Engländer«, erklärte er, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, wobei er jeder Gefühlsbezeigung so unfähig schien wie ein Mehlsack. Es befanden sich zu der Zeit zufällig ein Kriegsschiff und ein Dampfer der indischen Marine im Hafen, und er verhehlte nicht seine Bewunderung über die wirksame Art, mit der die Boote dieser beiden Schiffe die Patna räumten. In der Tat, sein gefühlskarges Benehmen verbarg doch nichts; es hatte jene geheimnisvolle, beinahe wunderbare Macht, durch nicht zu entdeckende Mittel starke Wirkungen hervorzubringen, die der höchsten Kunst vorbehalten ist. »Fünfundzwanzig Minuten – Uhr in Hand – fünfundzwanzig, nicht länger...« Er öffnete und schloß die Finger wieder, ohne die Hände vom Bauch zu nehmen, und machte es so weit wirkungsvoller, als wenn er vor Erstaunen die Arme zum Himmel gestreckt hätte. ... »Diese ganze Schar (tout ce monde) an Land – mit ihren kleinen Habseligkeiten – niemand zurückgelassen als eine Marinewache (marins de l'Etat) und der interessante Leichnam (cet intéressant cadavre). Fünfundzwanzig Minuten...« Mit niedergeschlagenen Augen und den Kopf auf die Seite geneigt, schien er gleichsam mit Kennermiene dieses patente Stück Arbeit zu genießen. Er überzeugte einen ohne viel Worte davon, daß sein Beifall außerordentlich erstrebenswert sein müsse, und in seine kaum unterbrochene Unbeweglichkeit zurückfallend, unterrichtete er mich, sie seien, da sie Order hatten, so rasch wie möglich Toulon zu erreichen, schon nach zwei Stunden abgedampft, »so daß (de sorte que) vieles in dieser Episode meines Lebens (dans cet épisode de ma vie) unaufgeklärt geblieben ist.«


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