Lena Christ
Mathias Bichler
Lena Christ

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Mittlerweil hatten sie droben im Hochzeitssaal unser Verschwinden bemerkt und machten sich nun alle samt den Musikanten auf, uns zu suchen, und fanden uns am End in lauter Lustbarkeit.

Da spielten die Manner fröhlich auf; die Hochzeiter nahmen ihre Bräut bei der Hand und juchzten und tanzten dazu; der Wirt aber mußt reichlich Wein auftragen und feine Sträublein, Klauben- oder Früchtenbrot und Honigzelten.

Gings also an ein Fressen und Saufen, Stampfen und Schreien, bis die Wirtin in die Gaststube trat und meldete, daß die Abendtafel gericht' sei; darauf alles seinen Krug oder Glas leerte und hinaufeilte, als hätt keiner seit drei Tagen einen Bissen mehr im Leib gehabt.

Nun war es lustig anzuschauen, wie einer nach dem andern sein rots oder blaus Binkeltuch aus dem Sack zog, einen Brocken Kälbernes, ein Trumm Schweinernes, eine Hennenbrust oder sonst ein Schmankerl nebst etlichen Schmalznudeln, Bavesen und einem Stück Klaubenbrot dareinband und den also gefüllten Binkel an den hagelbuchernen Stecken knüpfte.

Nach diesem Mahl wurden noch allerhand Tänz aufgeführt, zwiefache und abdrahte, Hirtentänz und der Polsterltanz, welch letzterer mich sehr ergötzte; denn da mußten alle Paar einen Kreis bilden, indes ein Weibsleut mit einem Polster oder Kißlein in der Mitten drin stand. Jetzt begannen die Spielleut in einem schnellen Drehertakt aufzumachen, und das Maidlein tanzte dreimal innerhalb des Kreises wirbelnd herum, warf plötzlich einem Burschen oder Jungherrn den Polster zu Füßen, indes dann die Musik eine andere Weis brachte. Also mußt sich der Bursch vor dem Maidel auf die Knie niederlassen, bis sie ihn wieder aufhob und küßte, dazu dann abermals anders gespielt wurde. Darauf mußte es der Jungherr ebenso machen wie die Jungfrau, und kamen alle dran bis auf eine alte Dirn vom Lackenschuster, die zum End mir überblieb, was mir viel Gespött eintrug.

Unterdessen wurde es Zeit, die Hochzeit zu beschließen, und mein Kostvater, der Meßmer, gab der Wirtin ein geheims Zeichen.

Da erhob sich in der Kuchel ein wildes Geschrei und Geschirrklappern; die Wirtin kam laut jammernd in den Saal gelaufen und schrie gar jämmerlich: »Aus ist's und, gfehlt ist's, Leutln! Alles ist dahin! Unser alte Gluckhenn ist mitsamt ihre vierazwanzg jungen Heah'ln zum Kuchelfenster dahereingflogn und hat alles Gschirr und alle Haferln derschlagn!«

Ein großes Gelächter und spaßhaftes Entsetzen folgte dieser Red. Der Hochzeitlader aber stand auf, klopfte mit seinem Stab auf den Boden und rief:

»Dös is a trauriger Bericht, den wo mir da kriagn!
Hochzatleut, jetz hoaßts Barmherzigkeit übn und n' Beutl ziagn!
Und der Wirtin gent gschwindse ein etlichs paar Kreuzer verehrn,
Daß zu der nachstinga Hochzat wieder aufkocht kann wer'n!
I gib als erschta an nagelneun Hosenknopf her;
Wer nach mir kimmt, zahlt 'n Gulden und gibt 'n Hochzeiter d' Ehr!«

Also mußt ein jeder seinen ledernen Zugbeutel auftun und einen Gulden für sich und seine Jungfrau oder Ehefrau als Haferlgeld erlegen und darnach den Brautleuten die Hand geben und seine Danksagung machen, dabei auch an mich die Reihe kam und mein Kostvater mir erst mußt einen Gulden vorgeben, denn ich selber nichts mehr hatte.

Nach diesem hielt der Hochzeitlader den Abdank und sagte:

»Also meine lieben Leut,
Jetz sag i enk halt Dank
Vom Tisch auf d' Bank,
Von der Bank bis auf d' Schinderbruck,
Aufs neu Jahr in der Fastnacht
Kriagts enka Geld wieder zruck!«

Alsdann begann er nach altem Brauch und Herkommen auf alle Hochzeitsgäste lustige Reime zu machen, ihre Schwachheiten aufzudecken und besonders die Verliebten und die Brautleut herunterzumachen, dabei keines aufmucken durft oder sich getroffen fühlen, vielmehr lachen mußte und dem Bandelnarren darnach Bescheid tun mit dem letzten Trunk. Da gings denn erst über den Pauli und die Nandl:

»Wann s Kind amal schreit
Und s Muas kocht am Herd,
Hat s Hausen im ledinga Stand
Nimmer viel Wert!«

Darnach kam er über das ander Paar:

»Der Anderl und sei Kathrein,
Die schaugn sie liabli in d' Augn;
I wett, in dreiviertel Jahrn
Hängan d' Windeln am Zaun!«

Trafs auch bei der Stallmagd vom Weidhof nicht schlecht, dann sie sich mit dem Staudenwebersepp abgegeben hatte.

»A Stallmensch und a Bauernbua
Gengan der Stauden zua,
Gengan ins greane Gras;
Wern scho wissen, zwegn was!«

Da wurde es manchem anders, und er hätt gern ungesehen verschwinden mögen, eh ihn der Bandelnarr erschaut hatte und nun durchlaufen ließ; doch an der Tür standen die Musikanten und spielten nach jedem Gsätzlein einen kurzen Landler.

»Ei«, dachte ich, »er wird ja nicht gar viel wissen von dir«, und saß keck auf meinen Hosen und trank hitzig dahin.

Da hatte er mich aber schon im Maul:

»Der Weidhofer Hias is a Woaslbua,
Is krumpat und gstumpfat und bucklat dazua;
Aber anhabisch dengerst und broglat mitn Mäu,
Und beim Ausrichtn und Schiachredn is er aa glei dabei!«

Ha! Da schluckte einer und druckte und rutschte auf seinem Sitzleder hin und her, als hätten ihn die Ameisen besaicht! Da goß einer seinen Wein hinunter, als hätt er einen Brand zu löschen da drinnen!

Aber es half nichts, daß ich soff und überlaut lachte; die andern hatten mich schon, und die Hochzeiterin an meiner Seite sah verächtlich auf mich nieder und rückte von mir weg, indem sie ihr Kleid zusammenraffte, daß ja kein Fädchen meinen Körper streifte!

Mittlerweil hatte der Bandelnarr lang etliche andere durchgehechelt, und die Abdankung nahm gemach ihr End.

Nach solchem ward also noch der Ehrentanz gehalten. Den muß die Braut mit dem Hochzeitslader allein aufführen und es darf niemand außer ihnen den Tanzplatz betreten.

So machten denn die Spielleut auf; der Bandelnarr faßte die zwei Hochzeiterinnen bei den Händen und hielt den Ehrenreihen, bis plötzlich erst die eine und gleich drauf die ander Braut zu hinken anfing und keine mehr vom Fleck kam. Zugleich begannen die Musikanten gänzlich falsch und gar quieksend zu spielen, bis der Hochzeitlader schrie:

»He, Jungherrn! Schaugts amal,
Was daß dös is,
I moan alleweil und i schätz,
Es is a Natternbiß! «

Worauf der Fritz und ich eilends hinzuliefen, die Schuh der Bräute untersuchten und einen Gulden darin fanden.

Zeigten ihn also überall herum und warfen ihn darnach den Musikleuten in ihre Baßgeige, dazu der Hochzeitlader ein ganz glückseligs Gesicht machte und ausrief:

»Himmlischer Vater! Is dös a Glück!
A so a Jungherr hat do an guatn Blick!
A Nagl hat aus 'n Schuach außagschaut,
Den hat halt der Schuasterlenz net grecht einighaut!«

Nach diesem faßte er die beiden Hochzeiterinnen wieder und wollte mit ihnen weitertanzen.

Doch in diesem Augenblick hörte man von der Gassen herauf einen wüsten Lärm, und der Wirt lief, weiß wie die Wand, herein und schrie: »Manna! Leut! Brenna tuats!«

Ein wildes Schreien der Weiber, dumpfes Murmeln der Männer –, die Lust hatte ein End, und alles rannte hinab und dahin, um zu schauen, wo es sei.

Blutrot war der Himmel; – einer schrie: »Die Kirch!« – da erscholl es ringsum: »Die Kirch brennt, – die Kirch!«

In diesem Augenblick stürmte meine Ziehmutter, die Meßmerin, hinter uns drein, rannte gegen die Feuerstatt zu und – o mein Gott – und reckt plötzlich beide Arm gen Himmel und schreit gellend auf: »Jesus! Der Weidhof!« –

Und fällt wie ein Baum zur Erden.

Und da wir sie aufheben wollen, sehen wir, daß es zu End ist: Sie ist tot.

Etliche Frauen nehmen sie auf und tragen sie vom Wege ab, die andern stürmen dahin, den Schrei: Der Weidhof! weitergebend und den Mannen zur Brandstatt folgend.

Mir aber liegts wie Blei auf der Brust; denn ich wußte es: Das war kein anderer denn der Ambros.

Mein Ziehvater und der Lackenschuster waren die vordersten, die in den brennenden Hof eindrangen.

Der Pauli und etliche andere folgten; doch mußt ein jeder eilends wieder umkehren – es brannte überall: unten, oben, im Stall und in der Scheune, in der Stube und in den Kammern.

Da schlug der Meßmer mit furchtbarer Kraft die Stalltür ein, das Vieh zu retten.

Drei – vier – sechs – zehn Kühe sprangen geängstigt ins Freie; – Rösser folgten – Hühner flogen schreiend heraus – etliche Ochsen schoben sich brüllend durch den Qualm und Rauch – wie gelähmt standen die Menschen dabei, ohne einen Finger zu rühren.

Endlich faßte einer oder der andere ein Tier bei der Kette und zog es weg vom Feuer; – ein Kommando erscholl, und man besann sich, daß man ja löschen sollt.

Aber da tat es einen entsetzlichen Krach, die Feuergarben lohten wild gen Himmel, und ein einziger Schrei ging durch die Menge: »Der Meßmer!«

Das Dach überm Heuboden war eingestürzt und mit ihm die Stalldecke.

»Hilf Himmel!« schrie ich; »er kann ja nimmer heraus!«

Bebend sprang ich hinzu, der Hausl folgte mir; – wir drangen in den rauchenden, prasselnden Trümmerhaufen und suchten und schrien nach dem Meßmer.

Ach Gott! Es war leider ein nutzloses Hin und Her, ein vergebliche Rufen und Schreien! Nichts mehr zu sehen als Feuer, nichts mehr zu greifen als Glut und Trümmer!

Hätt uns bald auch noch verderbt; denn da wir weiter eindringen wollten, stürzte abermalen ein Flez Weißdecke herab, brennendes Heu und Stroh kam fuderweis nach – und wir mußten in großem Schreck zurückweichen.

Wohl begannen nun die Manner den Eimer zu schwingen, die Weiber geweihte Teller und Kräuterbuschen in die Flammen zu werfen und die Brunst im Namen des dreieinigen Gottes zu beschwören – doch wilder und höher schlug die Lohe, bis endlich der stolze Weidhof in ein kleins Häuflein Schutt und Glut, Asche und Kohle zusammenfiel und meinen herzguten Ziehvater in sich begrub.


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