Lena Christ
Mathias Bichler
Lena Christ

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hochzeit

Unter dem Vordach der Kirche stand schon der alte Pfarrer mit meinem Ziehvater, dem Meßmer, als wir aus den Fuhrwerken stiegen und in den Gottsacker traten.

Da ward nun von dem Priester eine Red im Freien gehalten und darnach gefragt, ob einer aus der Gemeind was auszubringen hätt gegen die Brautleut, das ein Hindernis wär, dessentwegen sie einander nicht heiraten kunnten.

Und da niemand was wußte, wurden die Beiständer oder Zeugen herbeigerufen, was gewesen sind: der alt Vetter vom Lackenschuster, genannt Simmer vom Tal, und der Rumpl von Reuth für den Anderl und die Kathrein, der Jackl, unser Oberknecht, und der Hausl vom Weidhof für den Pauli und die Nandl.

Wie denn nun alles wohl in der Ordnung war, der Hochzeitlader auch allerhand Schreibebriefe aus dem Hutfutter zog und dem Pfarrer übergab, wurde zur Kopulierung geschritten; fragte also der Priester alle vier nacheinander, ob sie in den heiligen Stand der Eh eingehen wollten, darauf dann erst der Anderl, drauf die Jungfer, hernach der Pauli und am End die Nandl antworteten: Ja.

Wurden also alle vier eingesegnet und ihnen das Sakrament der Eh gespendet, darnach die Kirchtür geöffnet und alle hineingeführt; und es begann der Schulmeister die Orgel zu traktieren in forti und fortissimi, der Meßmer schwang das Rauchfaß, daß alle Heiligen samt den Altären in blaue Dünste und Nebel gehüllt wurden, und alle nahmen in den Kirchenstühlen Platz.

Darnach ward ein festliche Amt gehalten, das an die vierzig Gulden kostete, und den Hochzeitsleuten der feierliche und kräftige Brautsegen gespendet, den Abgeschiedenen aber am Friedhof ein Memento und Requiem gesungen und ihre Grabhügel mit Rauch und Weichbrunn gesegnet. Dabei ich der guten Irscherin gedachte, die auch ohne solche Benediktion ihre Ruh gefunden hatte und eine leichte Erde samt dem Frieden.

Mag auch nicht vergessen, daß ich benenn den Opfergang beim Amt, da dann erst die Manner um den Altar gehen mußten, darnach die Frauen, und mußten in vier silberne Teller opfern: am rechten Seitenaltar, zu beiden Seiten des Hochaltars und am linken Seitenaltar. Da war es lustig hinzuhören, wie auf dem Hochaltar die Silbergroschen laut vernehmlich klangen, an den andern aber bloß magere Kreuzer leise klirrten.

Nach dem Amt wurde noch den beiden vermählten Paaren und allen Hochzeitsgästen vom Pfarrer aus einem goldenen Kelch Wein gereicht; und er hatte ein kleins Tüchlein, damit wischte er immer, wenn eins getrunken, den Rand des Kelchs. Dabei durften die Brautleut dreimal trinken, die andern aber bloß einmal, und es sagte der geistliche Herr dazu die Worte: »Trinket die Liebe des heiligen Johannes!«

Mein Ziehvater, der Meßmer, stand daneben und goß drauf, als der Kelch leer wurde, und sagte zu jedem, der sich ans Speisgitter kniete: »Nit stark saufen!« So war denn die Kirchenfeier zu End, und es folgte das weltlich Fest mit Mahl und Trunk, mit Musik, Sang und Tanz, dabei die Gulden sprangen und klangen.

Und der Klinglwirt rieb sich die Händ und freute sich schon auf den andern Tag, da dann gemeiniglich den Tag nach der Hochzeit mit dem Wirt abgeroatet wird. Der hatte sich schon am Hochzeitstag selber den breiten Tiroler Ledergurt mit der Geldkatz umgelegt, damit ein jeder gleich sehen kunnt, daß er wohl genug Ding und Säck hätte, einen gerechten Haufen Münz darin zu verwahren. Stieg auch wie der Gockel im Hanfsamen, reichte jedem der Gäste die Händ und hatte sich dazu einen artigen Spruch als Gruß ausgedacht, den er nun jedem, sei 's Mann oder Weiberts gewesen, zum Eintritt gab: »Gfreut mi, gfreut mi! Wünsch Glück und an Buam!«

Mittlerweil war auch der Weidhofer, mein Ziehvater, seiner Meßmerpflichten ledig geworden und kam nun und setzte sich neben seine Meßmerin, indes die Musikanten anfingen, einen seltsamen Tanz aufzuspielen, den man Hungertanz heißt, da er dem Herkommen gemäß dem Mahl vorausgeht. Dabei war die Ordnung also, daß erst der Anderl mit der Kathrein dreimal herumtanzte, darnach der Pauli mit der Nandl und drauf in guter Folg die Freundschaft; und es währte der Hungertanz so lang, bis die Frau Wirtin die Schüssel mit Kraut hereinbrachte.

Da liefen alle an die Tafel; die Musikanten stellten sich hinter die Gäst und spielten übers Kraut auf, dazu dann ein jedes einen Reimen singen mußt und einen Silbergroschen ins Kraut werfen als Waisung oder Trinkgeld für die Spielleut.

Nach diesem wurde für die zwei Bräut der vorderste Jungherr erwählt, was eine große Ehr für denselben bedeutet; denn er darf, solang die Hochzeit währt, zur Rechten der Braut sitzen, ihr die Schüsseln mit der Speis darreichen, hat auch das Recht des Entführens und zu guter Letzt die Gnad, die Vermählten heimzugeleiten und der Braut vor dem Schlafengehen die Strümpf auszuziehen, dafür ihm dann ein ansehnliche Geschenk wird.

Wählte also der Weidhofer für die Nandl einen von meinen Kostbrüdern, den Fritz, der kaum um zwei Jahr älter war denn ich, doch schon einen männlichen Burschen vorstellte; für die Kathrein aber nahm er mich, dabei mir das Blut gach ins Hirn stieg und meine geheimen Wünsch wie ein Feuer schürte, obgleich mich eine Angst und innere Furcht deswegen ankam und mich sagen hieß, der Ziehvater sollt einen andern nehmen, weil ich nicht taugte für die Ehr.

Stand aber schon fest bei allen, und ich konnt nimmer lang nein sagen; mußte mich also neben die Braut setzen und ein ordentlicher Jungherr sein. Ward mir freilich nicht wohl bei diesem Amt, und ich hätt viel lieber in einem Ritt zehn Rosenkränz abgebetet, denn hier die Schüsseln und Platten vor die Braut zu setzen und dabei wie ein nasser Pudelhund zu zittern.

Nun mag ich nicht des langen und breiten reden von dem Mahl, da ein jeder leichtlich ermessen kann, daß es gar hoch und reich hergegangen ist, da der Lackenschusteranderl der alleinige Erbe und Besitzer des besten Hofes zu Sonnenreuth gewesen; das war zu dieser Zeit ein Gut mit sechzig Tagwerk Ackerland und zwölf Scheffel Samen für Getreid und Klee, ungerechnet die vielen fetten Wiesen und Weiden, die Alm und den Wald.

Da gab es also vielerlei Gericht, und es währte das Mahl bis spät in den Nachmittag, da dann der Tanz anging.

Hab auch etlichemal mit der Braut ein Tänzlein machen müssen, wenn ichs gleich nicht recht wohl verstand und wie ein Geißbock lächerliche Sprüng machte oder dem Kathreinl auf die Zehen trat; was sie aber nicht für ungut nahm, vielmehr mit der Zeit gar lieblich und freundlich mit mir tat und sich gerad so wohl benahm wie einstmals, da wir noch im Waldhaus saßen.

Gemach wurde es aber im Tanzsaal immer hitziger, die Luft ward rauchig und das Treiben der Gäst lauter und lärmender, so daß bald ein Paar ums andere hinabging ins Freie, um sich zu erkühlen, was dann auch ich mit dem Kathreinl tat.

Da lag ein dichter Nebel ringsum, daß man kaum zehn Schritt weit vor sich sehen konnt und niemand auf diese Streck erkennen.

Indem wir so standen, faßte mich wieder die unsinnige Lust, dem Kathreinl noch einmal die Händ zu pressen und ihr von meiner Lieb für sie zu sagen. Zog sie also weiter vom Wirtshaus weg und fragte sie, ob sie sich wollt entführen lassen, da es eben eine gute Zeit wär dazu; worauf sie lustig lachte und sagte: »Meinst, daß mich die andern nimmer finden sollten! Wo möchtst denn aus mit mir?«

»Am liebsten in die ander Welt!« fuhr es mir heraus, und ich ergriff ihre beiden Händ; »weißt, so weit fort, daß dich keiner mehr finden kunnt, und daß d' grad noch mir allein ghörn tätst!«

Darauf sie mir, hellauf lachend, eine Hand entzog, mir einen Schlag ins Gesicht gab und ausrief: »Schau, schau! Wie sich das Baunzerl krautrig macht! – Büble, Büble! Sei froh, daß d' noch so ein armselige Gafferl bist, sunst kunnt di leicht heut noch einer erwischen und a bißl abrankeln, fürcht ich!«

Wähnte also immer noch, daß ich ein harmloses Bürschlein wär, und versah sichs nicht, als ich sie plötzlich um den Hals faßte und an mich drückte.

Da machte sie sich unwirsch los und greinte: »Tolpatsch, narreter! Dank Gott, wenn ich dir nit ein etlichs paar Dachteln wisch für dein anhabischs Treiben! – Gell, jetz wär ich wieder gut für dich! Daß d' mich darnach wieder schlecht machen kunntst!«

Dann ging sie rasch gegen das Haus und ließ mich stehen. Ich aber war wie betäubt und sah ihr nach, wie sie im Nebel verschwand.

In diesem Augenblick huschte eine lange Gestalt an mir vorüber, ohne auf mich zu achten; mir aber fuhrs wie der Blitz durch den Sinn: Das ist der Ambros gewesen! Lief also eilends hinein und wollt dem Weidhofer Botschaft geben; doch war er nicht zu sehen, und auch die Meßmerin schien nicht im Saal zu sein.

Indem ich noch also suchend herumging, fragte mich der Vetter vom Lackenschuster, der Simmer, ob ich nicht bald Gelegenheit fänd, das Bräutl auszuführen; der Weidhofer wär mit der Nandl und dem Fritz schon eine gute Zeit dahin.

War mir aber alle Lust dazu vergangen, und ich bat ihn, dies für mich zu besorgen; er sei schon älter und kunnt besser umspringen mit den Weiberleuten denn ich; doch war mein Bitten umsonst, er wollte nicht.

Mußt ich also gehen und die Braut, die an der Kucheltür stand und mit der Wirtin schwatzte, beim Ärmel zupfen und fragen, ob sie nicht auf ein Wort herhören möcht. Worauf sie mich hochmütig mit den Blicken maß und ohne eine Silbe mit mir ging.

Ich führte sie hinaus vors Haus und sagte: »Der Weidhofer ist mit der Nandl schon fort; ich denk, sie sitzen in der Post drüben.«

»Nein,« erwiderte sie voller Kält; »die sind noch da. Bleiben auch da. Sitzen grad in der Wirtsstuben drin.«

Damit wandte sie sich um und ging hinein; und indes ich ihr folgte wie ein geprügelter Hund, öffnete sie die Tür der Gaststube, sah nach mir zurück und sagte: »Da sitzen s'.«

Worauf ich mit ihr hineinging und ein lustigs Gesicht machte, obgleich ich viel lieber meinen Kopf hätt an die Wänd rennen mögen vor Ärger und Reu über meine Dummheit und unsinnige Raserei. Doch das Kathreinl tat auch munter und lachte und schwatzte, also daß bald eine laute Fröhlichkeit am Tisch herrschte.

Ich hatte ihr einen Krug süßen Weins hinstellen lassen, und sie tat jedem vergnüglich Bescheid; der Weidhofer brachte einen Schwank um den andern vor, die Nandl wußte allerhand lustige Almgeschichten, der Fritz saß mit gläsernen Augen dabei und stieß alle Augenblick ein schallendes Gelächter aus; kurzum, wie die Ding gerad lagen, vergaß ich am End auf meine klägliche Niederlag bei der Jungfer Braut und auch auf die Erscheinung des Ambros.

Meine Kostmutter, die Weidhoferin, saß derweilen an einem Tisch hinter dem Ofen und unterhielt sich mit dem Grasberger, einem steinalten Bauern, der dem seligen Weidhofer, dem Bichlervater, schon manche Kuh abgekauft und manchen Jahrmarktrausch angehängt hatte zu einer Zeit, da der Klinglwirt noch gar nicht in die Welt gesetzt und der jetzige Weidhofer noch ein Büabl gewesen war, das seiner Mutter die Schüsseln zerschlug und den Stubenboden näßte.

Mocht wohl schon bald seine hundert Jahr alt sein, der Grasberger; war auch von allen seinen Kameraden und vom ganzen Grasberghof der einzige, der noch auf dieser Erden wandelte, und hatte schon seinem Eheweib, sieben Kindern und leichtlich zwanzig Enkeln in die Gruben schauen und die ewige Ruh wünschen müssen. War aber immer noch wohl beim Zeug und trank sein Häflein Bier oder Most in gutem Gsund.


 << zurück weiter >>