Lena Christ
Mathias Bichler
Lena Christ

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Kindlnot und Brautschau

Es schickte sich um Laurenzi desselben Jahres, da ich wieder auf der Alm saß, daß unsere Schwaigerin, die Hosennandl, über allerhand Beschwernisse und Gebresten klagte und mit Schmerzen die Zeit herbeisehnte, wo wir wieder heimtreiben durften von der Alm.

Und etliche Wochen darnach geschah es, daß es mitten in der Nacht heftig an meine Kammertür klopfte und die Nandl mit Zähnklappern bat, ich solle doch geschwind hinüberlaufen in die Riedleralm, daß die Mariandl käm und ihr beistünd.

Ich stand also eilends von meinem Strohsack auf, fuhr in die Hosen und lief, was ich konnte; denn die Nandl tat so wehleidig und jämmerlich, daß mir ganz angst um sie wurde.

Pochte also ungestüm an die Fenster und Tür der Mariandl, bis sie endlich aufmachte und mich anhörte.

»Daß 's Gott gsegn!« schrie sie. »Sie wird doch nit die rot Ruhr im Leib haben oder gar die Pestilenz!«

Eilig legte sie ihren Kittel an, und wir liefen, so schnell wir konnten, durch die mondhelle Nacht hinüber in die Weidhoferalm zu der Kranken.

Aber, wer kann unser Staunen und Verwundern beschreiben, als wir die Tür auftaten und uns ein dünnes Kreischen in die Ohren scholl! Da lag die Nandl, müd und matt, und neben ihr ein nackends Wuzerlein, nicht größer denn eins von unsern jungen Säulein, so die Alte zu Pfingsten geworfen hatte.

Mit schwacher Stimm bat mich die Mutter Nandl, daß ich mich ums Melken bekümmern wolle; die Mariandl, der's Gott danken mög ihre Lieb, würd schon fertig in der Hütten.

Hätt ja schon gern noch das brennrote Würmlein mit dem feinen, schwarzen Haarschüppel ein wenig betrachtet; aber ich ging, als man mir sagte, daß ich darnach noch lang das Kindsmensch machen könnt, wenn unser lieber Herr den Balg da ließ auf der Welt, und daß ich ihm, zumal es ein Bub sei, Gevatter stehen und ihn aus der Tauf heben dürft.

Als nun der helle Tag heraufgekommen war, schickten mich die Frauen hinab zum Weidhof, daß ich meiner Ziehmutter die Botschaft brächt von dem Ereignis, auch um eine Aushilf für die Schwaigerin tracht und im Vorbeigehen dem Häuslpauli ans Fenster pumpere und ihm ausricht: ein Bub wär's, und er sollt an seine Vaterpflicht denken.

Also machte ich mich auf den Weg und traf den Pauli grad auf dem Rübenacker vom Staudenweber, Blätter für seine Stallhasen rupfend. Pfiff ihm also, daß er erschrocken in die Höhe fuhr, und schrie ihm zu: »He, Pauli! Ich soll einen Kinihasen auf d'Weidhoferalm bringen, Kindstauf gibt's!« Er kam langsam, wie lauernd, näher: »Ha moanst?«

»Wie ich mein, fragst!« schrie ich ihm da in die Ohren, als wenn er stocktaub wär. »Na, ich mein, und ich weiß und soll dirs sagen, daß d' Vater worden bist heut nacht; 'n Buben hat s', die Hosennandl vom Weidhof; wirst ja schon gutding wissen jetzt, was d' zu tun hast.«

Damit wollte ich gehen; der Pauli aber hielt mich am Ärmel fest: »Daß i net wüßt, Bua!... Is mir nix bekannt! – Gar nix!... An Buam, sagst?... Naa, gar nix bekannt!... Soo, heunt nacht, sagst?... Woaßt, mi gehts ja nix o, i kenn mi aa net o als Vatern; naa, gar net!... Wenn hat s' denn schon?... Ja so, heunt nacht... Ja... no – sagst halt, es is scho recht. I werd mirs überlegn.«

Damit bückte er sich wieder und rupfte weiter, wie wenn nichts gewesen wär; ich aber rief ihm noch zu: »Ist auch gescheider, du überlegst dirs, Pauli! D' Nandl hat ein hübsches Geldl und ist auch sonst gar net übel!«

Dann lief ich weiter und kam gerade in dem Augenblick in den Weidhof, als zwei mit Bändern und Blumen geschmückte Rösser am Brunnengrand vor der Haustür standen und tranken.

Ich trat ins Haus und mit dem Ruf in die Kuchel: »D' Nandl braucht eine Hilf, sie ist krank und hat 'n Buben!«

Aber kein Mensch merkte auf mich; die Ziehmutter stand lachend vor dem Herd und kochte ein fettes Eiergericht, und das Kuchelmensch holte die Schnapskrugel aus der Speiskammer und lief damit in die Stube, wo zwei mit bunten Bändern und Blumen aufgeputzte Mannsleute standen und sich mit dem Ziehvater laut vom Wetter und von der Ernte unterhielten.

Ich folgte der Dirn und trat neugierig ein, als plötzlich der eine von den Bandelnarren die Nase in die Luft reckte und ausrief:

»Was kimmt denn jetzt lei a feins G'rüchei in d' Stubn daherein?
Meiner Treu! In dem Haus muaß a Bräutl sein!«

Worauf auch der andere herumschnupperte und sagte:

»Bruada, du hast recht, und i werd schaugn gschwind,
Ob i das Bräutl nindascht find!«

Damit nahm er seinen blumengeschmückten Hut vom Tisch, steckte sich einen Rosmarinzweig ins Knopfloch und zog einen hölzernen, bemalten Säbel aus der rot und blaubebänderten Scheide, salutierte und ging hinaus, während der andere dem Weidhofer mit einem Gläschen Schnaps Bescheid tat.

Derweilen brachte die Ziehmutter das duftende Eierschmalz auf einer großen Platte herein und stellte es auf den Tisch, indem sie sagte: »I kann mirs a schier gar nit denken, was uns die groß Ehr verschafft; aber ich mein, daß ichs erraten hab, wenn i sag, zwegn der Oarspeis!«

»Fehlg'raten!« schrie der Bandelnarr und riß einen Rosmarinzweig aus dem Sack, steckte ihn ins Knopfloch, zog gleich seinem Genossen einen bemalten Holzsäbel aus der bandgeschmückten Scheide, salutierte und rief:

»Also, meine Leutln, ich tu enk z' wissen und kund,
Daß ich ein Bräutl such in diesem Haus und auf diese Stund,
Das Bräutl soll heißen: Jungfrau Maria Kathrein
Und soll dem Lackenschusteranderl seine Hochzeiterin sein.
Drum, Leutln, teats mi net lang umasprenga und plagn,
Vielmehr teats mir als dem Hochzatlader dem Bräutl sein Aufenthalt sagn,
Auf daß i hingeh zu der Jungfrau und Braut,
Und lad s' zum G'festen, in d' Kirch und zum Kraut!«

»Ja, was nit gar!« rief da die Weidhoferin lachend; »unser Kathrein! Dera fallts net im Traum ein, daß s' in Ehstand geht!... Da bist gstimmt, mein Lieber!«

Und sie schob den Widerstrebenden an den Tisch und bat ihn, doch zu essen, bevor das Gericht kalt sei.

Da setzte sich also der Bandlnarr oder Hochzeitlader nach vielen Komplimenten und aß, während der Weidhofer ganz leis aus der Stube schlich.

Ich lief ihm nach und sagte draußen: »Vater, ist's Euch recht, wenn ich die Stallmagd mitnimm auf d' Schwaig? D' Nandl is krank.«

Dabei überkam mich plötzlich ohne jede Ursach ein Zwang, laut aufzuweinen; unterdrückte ihn aber und tat einen derben Fluch und spaizte giftig auf den Boden, so daß der Meßmer mich zornig und verwundert ansah und rief: »Schlingel, unrespektierlicher! Muß i dir 'n Haselhans oder d' Birkalies zeigen und überstreichen, damitst lernst, was sich ghört?«

Wurde aber gleich wieder gnädig und besann sich auf meine Frage: »D' Stallmagd brauchst?... Ja, sag ihrs nur!... Nimm ein etlichs paar Flaschen Most oder Wein mit für d' Nandl!... Wo fehlts denn?«

»Halt am Gsund«, sagte ich; »'n Buben hat s' auf d' Welt bracht heut nacht.«

Aber der Weidhofer hörte schon nichts mehr; eilends schlüpfte er aus seinen Haferlschuhen, sprang die Stiegen hinauf und in die Kammer der Jungfer, steckte den Kopf zur Tür hinein und rief halblaut: »Auf, Maidl, der Hochzatlader is da! Der Anderl möchts richtig machen und d' Hochzat ansetzen. – Wenn paßts dir denn am ehndesten?«

Herrgott! Wie wurd mir da bald warm, bald kalt; und eh ich mich dessen versah, stand ich auch schon droben hinter dem Ziehvater, zitternd und auf die Red der Jungfer harrend, die nun kam.

Mit einem hellen Lachen sagte sie: »Ja, was! Der Lader ist da! Da muß ich mich aber gschwindse verkriechen!«

Sie lachte wieder laut und lustig und sprach weiter. »Sagts eahm halt: In drei Wochen kann er mich haben! Am Samstag 's Stuhlfest, am Sonntag zum ersten verkünden, und derweil, denk ich, wird der Schreiner schon richtig sein mit 'n Kuchelwagen!... Übrigens, was ich noch sagn möcht, Meßmer: In Glaskasten muß er noch a Spiegelwand einsetzen! – Und der Hausaltar soll bloß drei Heilige kriegen: unser liebe Frau, d' Sankt Kathrein und 'n Sankt Andrä; sonst weiß man ja kaum mehr, wo man hinbetn soll, vor lauter Heilige. So viel übrige Zeit hat man ja auch nit, daß man den ganzen Tag an unsern lieben Herrn sein Freundschaft denken kunnt. – So, und jetz geh ich nunter hinter d' Stiegen.«

Da kam sie auch schon aus der Kammer; ich aber wollt, ein Mausloch oder Mauerspalt hätt mich in dem Augenblick aufgenommen; – mit brennrotem Kopf stand ich auf der obersten Staffel und mußt mich an die Wand lehnen, daß ich nicht herabfiel vor Übelkeit.

Sie aber lachte lustig auf: »Ei sieht eins! Der Mathiasle!... Gilt schon, Mathiasle, gilt schon! Hättst nit eigens brauchen den weiten Weg z'kommen! Glaub's schon, daß d' mir du nix Schlechts wünschst zu mein Ehstand!«

Sie langte in den Sack: »Da! – Halt – ich hab was anders für dich!« – lief noch einmal zurück in die Kammer und holte eine Schachtel, während der Ziehvater lachend und voll Spott sagte: »Na, Bursch, wo hast denn jetzt auf einmal deine Schneid lassen? Bist doch ehvor noch so anhabisch gwesen!«

O, wie gern wär ich da hinab über die Stiegen und davon! Aber es war, als hätt der Blitz in mich eingeschlagen; ich lehnte ganz schwach und elend an der Mauer und konnte nicht Fuß noch Hand rühren, auch nicht den Mund auftun und hinausschreien, was in mir tobte.

Derweil brachte also die Jungfer eine schöne Kette, aus Haaren zierlich geflochten und mit goldenen Schließen und Schnörkeln geschmückt und hing sie mir um den Hals, indem sie mit lieblicher Stimm dazu sagte. »So Bub, die Ketten soll für dich sein; ist noch von der Irschermutter eine. Halt s'gut und in Ehren!«

Dann täschelte sie meine Wange und lief drauf eilig über die Stiegen hinab und hinter dieselbe, wo das große Krautfaß stand. Schlüpfte geschwind hinein, und der Weidhofer deckte eine Wagendecke drüber; ging drauf in die Stuben und lud den Bandelnarren schalkhaft ein, das Bräutl, von dem er red, zu suchen.


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