Lena Christ
Mathias Bichler
Lena Christ

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Kindstauf und Einstand

Etwan eine Woch nach diesem kam die Mutter Nandl und trug ihr Kindlein in einem dicken Pack von Kissen und Tüchern auf dem Arm; hatte ihm auch etliche Rosenkränz, Amuletten und Ablaßpfennig um den Hals und die Fingerlein gewunden und ein geweihts Wachs auf die Zudeck gebunden, auf daß dem armen Heidenbübl nicht vom bösen Feind oder von einer Hex kunnt was Übles angewunschen werden.

Nun gab es ein großes Zulaufen; Knecht und Mägd, Bauer und Bäuerin und auch die Jungfer Kathrein kamen, das Wuzerlein zu betrachten, bei den winzigen Händlein zu fassen und über die seidigen Härlein zu streichen; worüber ich am End ganz wild wurde; denn ich hatte sogleich das versprochene Amt der Kindsdirn übernommen, den verstäubten Kinderwagen vom Dachboden geholt, einen Haufen Bettzeug und Polster aus dem ganzen Haus zusammengeschleppt und das elendige Dinglein hineingebettet.

Und nachdem ich neue Zwecken in die hölzernen Räder des Wagens gesteckt hatte, bracht ich das Büblein sogleich in demselben vor das Haus des Burgermeisters und zeigte es ihm an als das Kind der Weidhoferschwaigerin Nandl Wiesmüller und des Paulus Heckmaier, genannt Häuslpauli von Sonnenreuth. Der hatte sichs nun wirklich überlegt, hatte vier Gulden für das Kindl und einen feisten Stallhasen für die Mutter Nandl geschickt und dazu sagen lassen, daß es mit allem seine Richtigkeit hätt, und wenn die Nandl Lust hätt, Häuslerin zu werden, könnten sie's noch vor Kathrein richtig machen.

Worauf ihm die Nandl voller Freud sagen ließ, es müßt wohl gut Häuslerin sein, und – je ehender, desto lieber.

Da sah es nun gerad aus, als sollten in Bäld zwei Hochzeiten statt einer zugericht werden im Weidhof, wie denn auch geschah; denn die Jungfer Kathrein war schon mit ihrem Hochzeiter, dem Lackenschusteranderl, aufs Gfesten, das ist, zum Pfarrer wegen des Stuhlfests und der Ehestandslehr gegangen, waren auch schon zweimal von der Kanzel herab verkündigt worden und hatten bereits beim Sonnenreuther Klinglwirt das Hochzeitsmahl angedungen.

Die Nandl wiederum hatte den Pauli eilig in den Weidhof holen lassen, ihm den Jaschmarren zum Zeichen ihrer Einwilligung vorgesetzt und alles mit ihm richtig gemacht zwegen der Ausricht und dem Heiratsgut. Er war wohl zufrieden mit seinem Bräutl und lief also eilig zum Pfarrer, damit das Büblein ohne Verzug in seine Rechte möcht kommen als ein gut eheliches; worauf ihm der geistliche Herr den Verspruch tat, noch vor der Kirchweih die dritt Verkündigung zu ordnen.

Nun aber mußt noch das kleine Heidlein getauft werden, und ich sollt ihm richtig zum Gevatter stehen; was mich gar stolz und narret machte.

Da wollt ich ihm denn gern ein ansehnliches Godengeschenk geben und beriet mich dessentwegen mit allen vornehmen Leuten, dabei denn die einen meinten: einen silbernen Becher; die andern: einen schönen, guten Frauentaler; wieder eine riet mir zu einem Paar feiner Schühlein und eine andere zu einem Rosenkranz mit vielen Ablaßpfennigen dran.

So wollt ich mir also vom Weidhofer mein Jahrgeld geben lassen für die Tauf, was zu der Zeit war: sieben Gulden und dreißig Kreuzer als Viehbub nebst einem härenen Hemd und ein Paar Schuh; dasselbe was auch der Ochsenbub Lohnung hatte, doch zwei Hemden. Der Ziehvater aber gab mir eine gute, silberne Uhr samt Kette, einen funkelnden Tauftaler und einen feinen, beinernen Muslöffel, wobei er sagte: »G'halt dein Geld und hebs gut z'samm! Soviel hat der Weidhofer alleweil, daß er eine Taufgab richten kann!«

Wohl zufrieden mit solcher Rechnung machte ich mich nun geschwind daran, noch allerhand kleine Dinge zu schnitzeln und zu schneiden für mein Godenkind; denn was ich auf der Alm gemacht hatte, war alles bei dem Feuer verbrunnen; wie denn die Nandl auch berichtet hatte, daß der Ambros schon oft gesagt, da er noch auf der Alm war: »Dem Hias, dem scheinheiligen Tropfen, heiz ich noch einmal ein, daß er sein Lebtag mehr kein Feuer braucht! Dem laß ich den roten Gockel noch aus seiner Kammer springen!«

Also schnitt ich vielerlei; ein zierliche Tischzeug für mein Godenkindl, aus Messergriff, Löffel und Gäbelein bestehend, die Gabel mit zwei Zinken; auch ein hübsches Dockenköpflein, woraus mir alsdann die Ziehmutter eine Wickeldocke nähen mußte; dazu noch mancherlei Tiere und Häuser, mit denen es dereinst gut spielen könnt.

So kam der große Tag, an dem ich schon lang vor der Morgensonn auf war, die Angebinde bald hierhin, bald dorthin ordnete, an meinem Festtagshabit umbürstete und stäubte und den Flaum auf meinem Hütl wohl zwanzigmal anders steckte, bis er mir gut genug deuchte.

Mit einer andächtigen Zärtlichkeit fuhr ich dann den kleinen Balg, nachdem ihn seine Mutter gebadet hatte, in der Kammer auf und ab und wickelte sein Schnullerläppchen mit einer ernsten Sorgfalt, während meine Ziehmutter, die Meßmerin, den Taufstaat der Kostkinder aus der Kommodlade nahm und samt dem Wickelkissen mit dem blaugeblümelten Überzug aufs Bett des Kindleins legte und dazu meinte: »Da, steckts 'n gleich in das Gwandl; meinerthalben soll ihm ein ordentliche Taufzeug nit mangeln! Es ist das nämliche, in dem du schon gschrien hast. Vielleicht schlagt 's ihm einmal zum Glück aus! Ist keins mehr dringsteckt, seitdem daß du's anghabt hast selbigsmal zu deiner Tauf!«

Drauf gab sie dem Kind noch einen Weichbrunn und ging wieder; mir aber wurde eine Stund schier zum Tag, bis es endlich Zeit war, daß wir uns richteten.

Da flog's! Auf ja und nein steckt ich in meinem Festgewand und lief darnach aufgeregt in die Stube der Nandl, sie bittend, daß sie mit meinem Godenkind noch ein Augenblicklein in meine Kammer schauen möcht.

Und da sie eingetreten, überreicht ich ihr meine Angebinde und wünscht meinem Täufling einen guten Gsund, worauf die Mutter Nandl feuchte Augen bekam, viel Worte des Danks für mich hatte und dem nobel aufgeputzten Kindl unter zärtlichen Liebkosungen sagte, daß ich ein gar werter Gode sei, und er sollt mir ja einmal danken.

Was mich herzlich lachen machte: denn der Zwack begann bei der Red seiner Mutter plötzlich zu schreien und zu kreischen, als hätt man ihm, weiß was, übel getan.

Nun nahm die Nandl das Weichbrunnkrügl, segnete und weihte mich und den Täufling und wand sich ein rotes, geweihtes Wachs um die linke Hand und den rechten Fuß, auf daß weder ihr noch uns etwas Böses widerfahren könnt; denn es lagen Beispiele mehr denn genug vor, wo der Teufel, wenn so ein armes Würmlein getauft wurd, darüber, daß ihm wieder eine Seel auskam, also wütig ward, daß er mit der ganzen höllischen Bosheit und Gewalt derweil auf die Wochnerin losfuhr und sie nicht selten um Leib und Leben bracht.

Indem trat die Weidhoferin festlich angetan in die Stuben; denn sie ließ es sich nicht nehmen, das Bürschlein selber aus der Tauf zu heben. »Erstlich«, sagte sie, »bin ich dies Geschäft schon so gewohnt von den Kostkindern; und dann, so ein Bübl, wie der Mathiasle, könnt das Kind doch leicht unrecht angreifen oder gar fallen lassen!«

Verschmachte mir zwar schon recht, solch eine Geringschätzung meiner Person; doch ließ ichs gut sein und dachte, die Meßmerin laß sich nicht anschauen, die gäb gewiß reichlich, und die Nandl könnts wohl brauchen.

Was auch eine richtige Rechnung gewesen; da dann die Weidhoferin ein kleines Trüchlein auskramte und allerhand schöne Silbersachen für das Büblein, eine feine Vorstecknadel für die Mutter und einen Lederbeutel voll blanker Silbergroschen auf den Tisch legte.

Darnach nahm sie den Täufling, und gings also dahin. Da stieg ich wie der welsch Gockel vom Weidhof neben meiner Ziehmutter her und zur Gottsackertür hinein.

Der Meßmer, mein Ziehvater, stand im weißen Chorhemd vor der Sakristei und blies ins Rauchfaß, daß die Funken flogen; nun wir kamen, lief er geschwind hinein, und wir stellten uns vor die Kirchentür; denn mit dem ungetauften Heidenbübl einzutreten wär gegen Brauch und Sitten gewesen.

Nach einer kleinen Weil tat sich die Pforte auf und trat der Frühmeßpriester mit meinem Ziehvater als Diener heraus, machte das Zeichen des Kreuzes über uns und fragte dreimal: »Willst du getauft werden?«, worauf die Weidhoferin andächtig sagte: »Ja.«

Kam also allerlei Gefrag: ob er widersag dem bösen Feind und seinem Anhang, ob er glaub an Gott den Allmächtigen und Dreieinigen; und die Kostmutter sagte zu allem ja. daß er widersagt und daß er glaubt, worauf nach vieler Benediktion das Heidlein hineingetragen werden durft.

Ging also die Ziehmutter mit dem Päcklein in die Kirch und an den Taufstein, und ich folgte mit einem brennenden Wachs, das mir der Meßmer in die Hand gegeben.

Da ward denn das schlafende Kindlein wuzelnackend ausgezogen und über das Taufbecken gehalten, mit Wasser begossen, mit Öl beschmiert und mit Salz gefüttert im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, daß es endlich laut zu schreien anfing und, eh man sich dessen versah, in die glänzende Kupferschale brinzelt'.

Und wurde also benannt: Mathias Paulus Anton; wurd mit Weihrauch beräuchert, mit Weichbrunn besprengt und darnach wieder in seine Gewändlein und Betten gesteckt und heimgetragen mit großer Freud.

Als wir aber in den Hof traten, stand vor der Haustür ein mächtig aufgetürmter Leiterwagen, mit Bändern, Buschen und Kränzen geziert, mit Krügen und Bildern behangen und mit dem Hausrat der künftigen Lackenschusterin beladen. Da thronte in der Mitten das Himmelbett mit seinem wohlgefüllten Flaumkissen und Ziechen; davor prangte die Wiege und auf ihr der reichgeschnitzte Hausaltar. Hintenauf stand der weitgeöffnete Hausschrein, in dem allerhand Seidenröck und modische Gewänder, schwere Leinenballen und dazwischen mit Bändern durchflochtene Flachszöpfe, seidene Schultertücher, prächtige Gebetbücher und kunstvolle Wachsstöcke prangten. An den Schranktüren hingen Rosenkränze, Skapuliere und eine große Zahl heiliger Bildchen. Im obersten Fach aber standen alle die kleinen Schachteln, Trüchlein und Figuren, die ich der Jungfer einstmals geschnitzelt hatte. Alles war mit Bändern zierlich umwickelt und an Nägel geknüpft, damit beim Fahren nichts verloren ginge.

Da stand ich denn und riß die Augen auf und vergaß die Tauf samt dem Kind, starrte auf den Kuchelwagen und konnte weder denken noch entweichen. Eine bemalte Schüsselrahme wurde hinten an den Wagen gehängt, ein zierlich aufgeputztes Spinnrad zuoberst auf das Dach des Himmelbetts gebunden, ein Stuhl dazugestellt – und ich stand noch immer auf demselben Fleck und sah nichts anderes denn diesen Wagen.


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