Edward Bulwer
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer

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25.

Das Fest des Diomedes sollte ein ungewöhnlich glänzendes werden. Es waren im ganzen achtzehn Personen eingeladen. Außer dem liebenswürdigen Glaukus, der schönen Jone, dem würdigen Pansa, dem stattlichen Klodius, dem unsterblichen Fulvius, dem Stutzer Lepidus, dem Epikureer Sallust und anderen erwartete man einen beim Hofe einflußreichen römischen Senator und einen großen Krieger aus Herkulanum, der unter Titus gegen die Juden gekämpft hatte.

Sallust und Glaukus, die auf dem Wege nach dem Hause des Diomedes waren, unterhielten sich über das bevorstehende Fest.

»Dieser Diomedes ist ein recht einfältiger Alter«, sagte Sallust. »Aber er hat einige gute Eigenschaften – in seinem Keller.«

»Und eine reizende – in seiner Tochter.«

»Gewiß, Glaukus, aber diese Reize scheinen dich nicht sehr zu rühren. Ich denke, Klodius hat nicht übel Lust, dein Nachfolger zu werden.«

»Er wird willkommen sein. Auf dem Bankett ihrer Schönheit wird gewiß kein Gast zurückgewiesen werden.«

»Nun ja, sie ist weitherzig in ihrem Umgang. Aber wir sind es ja auch, sonst würden wir nicht mit diesem Taugenichts von einem Falschspieler verkehren.«

»Du machst oft Anspielungen, als ob er im Spiel betrüge – glaubst du es wirklich?«

»Mein teurer Glaukus, ein römischer Edler hat seine Würde zu behaupten, das kostet Geld. Klodius muß betrügen wie der gewöhnlichste Gauner, sonst kann er nicht als vornehmer Mann auftreten.«

»Meinst du? Übrigens seit einiger Zeit spiele ich gar nicht mehr. Ach, Sallust, ich hoffe, daß ich eine törichte Jugend wieder gutmachen kann, wenn Jone mein Weib ist. Wir beide sind für Besseres geboren, als womit wir jetzt die Zeit vergeuden.«

»Ach,« erwiderte Sallust in einem fast schwermütigen Tone, »was können wir mehr tun? Das Leben ist kurz, jenseits des Grabes ist es finster. Es gibt keine bessere Weisheit als die, welche sagt: Genieße!«

»Ich zweifle, beim Bacchus!, oft, ob wir wirklich auch alles genießen, was das Leben uns darzubieten vermag.«

»Ich bin ein mäßiger Mann«, erwiderte Sallust, »und mache auf das höchste nicht Anspruch. Wir sind alle wie Missetäter und betäuben uns, während wir am Rande des Grabes stehen, mit Wein und Myrrhen. Ich gestehe, daß ich zur Schwermut geneigt war, bevor ich mich so tapfer an das Trinken gab – seitdem bin ich wie neugeboren, mein Glaukus.«

»Gut, Sallust, bei allen deinen Fehlern bist du der beste Wüstling, den ich je kennenlernte; und wäre ich in Lebensgefahr, so würdest du gewiß in ganz Italien der einzige Mann sein, der den Finger ausstreckte, um mich zu retten.«

»Vielleicht geschähe es doch nicht, wenn ich gerade mitten im Essen wäre. Aber wir Italiener sind allerdings schreckliche Egoisten.«

»Alle Menschen, die der Freiheit entbehren, sind es«, sagte Glaukus mit einem Seufzer. »Nur die Freiheit macht die Menschen fähig, sich füreinander aufzuopfern.«

»Dann muß die Freiheit für einen Epikureer recht langweilig sein«, antwortete Sallust. »Doch da sind wir am Hause des Diomedes.«

Die beiden jungen Leute traten in das Vestibül der großen Villa ein und gelangten durch einen Säulengang in einen großen Saal, in dem das Fest stattfinden sollte. Sie waren kaum angelangt, da trat die schöne Julia in einem prächtigen weißen, mit Perlen und Goldfaden gestickten Kleide in den Saal.

Die beiden Gäste begrüßten sie mit den üblichen überschwenglichen Schmeicheleien, wurden aber bald durch neue Ankömmlinge abgelöst. Fast gleichzeitig traten Pansa mit seiner Gemahlin, Lepidus, Klodius und der römische Senator herein. Darauf erschien die Witwe Fulvia, dann der Dichter Fulvius, der außer dem Namen mit jener Witwe weiter keine Ähnlichkeit hatte; der Krieger aus Herkulanum mit seiner Umbra und die wenigen anderen Gäste. Jone blieb noch aus.

Nach der Begrüßung brachten die Eingeladenen noch einige Zeit damit zu, den Saal mit seinen Bronzen, Gemälden zu bewundern.

»Dies ist eine herrliche Statue des Bacchus!« sagte der römische Senator.

»Eine Kleinigkeit«, erwiderte Diomedes.

»Welche vortrefflichen Gemälde«, sagte Fulvia.

»Kleinigkeiten«, antwortete der Besitzer.

»Wie künstlich diese Kandelaber gearbeitet sind!« sagte der Krieger.

»Wie künstlich!« wiederholte seine Umbra.

»Kleinigkeiten! Kleinigkeiten!« entgegnete der Kaufmann.

Glaukus war an eines der Fenster jener Galerie, die mit den Terrassen in Verbindung stand, getreten, und bald stand die schöne Julia neben ihm.

»Ist es eine athenische Tugend,« sagte die Tochter des Kaufmanns, »diejenigen zu vermeiden, die wir einst aufsuchten?«

»Nein – schöne Julia!«

»Mir scheint es aber eine von den Eigenschaften des Glaukus zu sein.«

»Glaukus vermeidet niemals einen Freund oder eine Freundin«, erwiderte der Grieche, indem er auf das letzte Wort einigen Nachdruck legte.

»Darf sich Julia zu seinen Freundinnen zählen?«

»Es wäre für den Kaiser selbst eine Ehre, eine so liebenswürdige Freundin zu besitzen.«

»Du weichst meiner Frage aus«, erwiderte die verliebte Julia. »Schon, indem du so sprichst, ist dein Auge unruhig. Deine Gesichtsfarbe wechselt – du bewegst dich unwillkürlich – es zieht dich zu Jone hin.«

In diesem Augenblick war Jone wirklich eingetreten, und Glaukus hatten die durch die eifersüchtige Schönheit bemerkten Bewegungen verraten.

»Kann die Bewunderung eines weiblichen Wesens mich der Freundschaft eines anderen unwürdig machen? Rechtfertige nicht, o Julia, die Schmähungen der Dichter gegen dein Geschlecht.«

»Allerdings, du hast recht, oder ich will es wenigstens glauben. Glaukus, noch einen Augenblick, du wirst dich mit Jone vermählen, nicht wahr? «

»Wenn das Schicksal es gestattet, so ist es meine entzückende Hoffnung.«

»Nun, so nimm denn von mir als Zeichen unserer neuen Freundschaft ein Geschenk für deine Braut an. Nein, weigere dich nicht. Wie du weißt, ist es unter Freunden gebräuchlich, der Braut und dem Bräutigam einige geringe Beweise der Achtung zu geben.«

»Julia, ich kann dir keinen Beweis deiner Freundschaft verweigern. Ich will die Gabe wie ein Omen von der Fortuna selbst annehmen.«

»Dann komm, wenn die Gäste fort sind, mit mir in mein Zimmer und empfange es aus meinen Händen. Aber vergiß es nicht.« Damit verließ sie Glaukus, der sich zu Jone begab, so wie Julia zur Gemahlin des Pansa.

Die Witwe Fulvia und die Gattin des Ädils waren in einer wichtigen Unterredung begriffen.

»Ich versichere dich, o Fulvia, daß nach den letzten Nachrichten aus Rom der Kopfputz mit den kurzen Locken aus der Mode gekommen ist. Man trägt das Haar jetzt, wie das der Julia, turm- oder auch helmförmig.«

»Und niemand trägt das Haar, wie jene Neapolitanerin, nach griechischer Art?«

»Was, auf der Stirn gescheitelt und hinten in einen Knoten gewunden? Oh, nein, wie lächerlich ist das! Es erinnert an die Statue der Diana. Aber diese Jone ist schön, nicht wahr?«

»Sie gefällt den Männern, aber sie ist auch reich. Sie wird den Athener heiraten, ich wünsche ihr viel Glück. Ich denke, er wird ihr nicht lange treu bleiben. Diese Fremden sind sehr unbeständig.«

»Ho, Julia,« sagte Fulvia, als die Tochter des Kaufmanns zu ihnen trat, »hast du den Tiger schon gesehen?«

»Nein!«

»Aber alle Damen sind hingegangen, um ihn zu sehen. Er ist so hübsch!«

»Ich hoffe, wir werden irgendeinen Verbrecher oder sonst jemand für ihn und den Löwen finden,« erwiderte Julia; »dein Gemahl« (indem sie sich zu Pansas Gattin wendete) »scheint in dieser Angelegenheit sich nicht Mühe genug zu geben.«

»Ja, die Gesetze sind nicht streng genug«, sagte die Angeredete. »Es gibt so wenige Verbrechen, für welche die Strafe der Arena stattfinden kann, und die Gladiatoren werden auch zu weichlich. Selbst die kühnsten von ihnen weigern sich, mit einem Löwen oder Tiger zu kämpfen.«

Der Krieger trat in diesem Augenblick zu den Damen.

»Es versöhnt mich mit dem Frieden,« sagte er, »wenn ich solche Schönheiten sehe.«

»Oh, ihr Helden seid immer Schmeichler«, erwiderte Fulvia, indem sie sich beeilte, das Kompliment besonders auf sich selbst zu beziehen.

»Bei dieser Kette, welche ich aus des Kaisers eigener Hand erhielt,« sagte der Krieger, indem er mit einer kurzen Kette spielte, die er um den Hals trug, »bei dieser Kette, ihr tut mir unrecht, ich bin ein aufrichtiger Mann, wie ein Soldat immer sein muß.«

»Wie gefallen dir im allgemeinen die Damen in Pompeji?« fragte Julia.

»Bei der Venus, sehr gut; es ist wahr, sie begünstigen mich etwas, und das macht meine Augen desto empfänglicher für ihre Reize.«

»Wir lieben die Krieger«, sagte die Gattin des Pansa.

»Ich sehe, es ist, beim Herkules!, fast unangenehm, in diesen Städten zu sehr ausgezeichnet zu werden. In Herkulanum klettern sie auf das Dach meines Atriums, um mich durch das Compluvium zu betrachten. Die Bewunderung der eigenen Mitbürger ist zuerst erfreulich, sie kann aber leicht lästig werden.«

»Jawohl, o Vespius!« sagte der Dichter, welcher der Gruppe sich anschloß. »Ich finde es auch so.«

»Du!« sagte der stattliche Krieger, indem er die kleine Gestalt des Dichters mit verächtlichen Blicken maß, »In welcher Legion hast du gedient?«

»Ich kämpfe auf einem andern Gebiete als du«, sagte der Dichter. »Wisse, daß ich der Dichter Fulvius bin. Ich bin es, der die Krieger unsterblich macht.«

Der Sohn des Mars fand hierauf keine Antwort, doch wurde jetzt zu seiner Freude das Zeichen für den Anfang des Festes gegeben.

Diomedes, der die Zeremonie liebte, hatte einen Nomenklator aufgestellt, der jedem Gaste seinen Platz anwies. Der Sitz der Jone stand neben dem Ruhebett des Glaukus. Die Sitze waren mit Schildkrötenschalen ausgelegt, und auf ihnen lagen Federkissen, mit kostbaren babylonischen Stickereien geschmückt. Die Tafelaufsätze bestanden in kleinen Götterstatuen von Bronze, Elfenbein oder Silber. Das geheiligte Salzfaß und die Familienlaren fehlten nicht. Aber der ganzen Tafel und den Sitzen schwebte ein reicher Thronhimmel. An den Ecken eines jeden Tisches standen hohe Kronleuchter, denn der Saal war, obgleich die Sonne noch hell schien, verfinstert. Von Dreifüßen, die im Saale verteilt waren, erhob sich der köstliche Dampf von Myrrhen und Weihrauch, und an der Seitentafel waren herrliche Vasen und Silbergeschirr aufgestellt.

Die Stelle unseres Tischgebetes vertrat stets eine den Göttern dargebrachte Libation, und der Vesta, als der Göttin der Häuslichkeit, galt gewöhnlich die erste.

Nachdem diesem Gebrauch Genüge getan worden, streuten die Sklaven Blumen auf die Sitze, die Ruhebetten und den Fußboden und schmückten das Haupt eines jeden Gastes mit Rosenkränzen, in welche bunte Bänder und Efeu, letzterer, um den Wirkungen des Weins zu begegnen, eingeflochten waren. Diomedes hielt es jetzt für notwendig, einen Basileus oder König des Festes zu ernennen – ein wichtiges Amt, welches oft durch das Los, bisweilen, wie dieses Mal, durch den Wirt bestimmt wurde.

Diomedes war nicht wenig in Verlegenheit, wen er zum König wählen sollte, als plötzlich seine Augen den munteren Blicken des Sallust begegneten, und wie durch eine Eingebung ernannte er den lebensfrohen Epikureer zum Range eines Königs des Trinkens.

Sallust nahm mit gebührender Bescheidenheit diese Würde an. »Ich bin«, sagte er, »für die, welche tief trinken, ein gnädiger Fürst. Für die lässigen Trinker aber soll Midas selbst nicht strenger gewesen sein – darum seht euch vor!«

Die Sklaven reichten den Gästen silberne Becken mit wohlriechenden Wassern, und nach der Abwaschung begann das Mahl, und die Tische bogen sich fast unter dem ersten Gange.

Die anfangs einsilbige Unterhaltung gestattete Glaukus und Zone, jenes süße Geflüster zu wechseln, welches Liebenden mehr wert ist als alle Beredsamkeit. Julia beobachtete sie mit funkelnden Augen.

»Wie bald werde ich ihre Stelle einnehmen«, dachte sie.

Klodius aber, der an dem mittleren Tische saß, so daß er die Züge der Julia gut beobachten konnte, erriet ihre Stimmung und beschloß, dieselbe zu benutzen. Er sprach mit ihr über den Tisch in gewählten galanten Phrasen, und da er von vornehmer Geburt und von leidlichem Äußeren war, so blieb die eitle Julia nicht unempfindlich gegen seine Aufmerksamkeiten. Die Sklaven wurden fortwährend durch Sallust in Tätigkeit erhalten. Er ließ einen Becher dem anderen mit einer Schnelligkeit folgen, als sei er gesonnen, jene geräumigen Keller, die sich unter dem Hause des Diomedes befanden, ausleeren zu lassen. Der Kaufmann begann bereits seine Wahl zu bereuen, als eine Amphora nach der anderen wieder gefüllt werden mußte. »Entschuldige, o Senator,« sagte Sallust; »ich sehe, du wirst lässig, deine purpurne Borte kann dir hier nicht zugute kommen. Trinke!«

»Bei den Göttern,« sagte der Senator hustend, »meine Lungen sind schon ganz erhitzt. Du übertriffst in deiner bewundernswerten Schnelligkeit den Phaethon selbst. Ich bin schwächlich, guter Sallust, du mußt Nachsicht mit mir haben.«

»Ich nicht, bei der Vesta! Ich bin ein unparteiischer Monarch. Trinke!«

Der arme Senator war gezwungen, den Befehlen des Königs zu gehorchen, obgleich ihm mit jedem Becher übler wurde.

»Sachte, sachte, mein König,« sagte Diomedes, »wir fangen schon an zu–«

»Verräterei!« unterbrach ihn Sallust. »Hier wird kein Brutus geduldet. Kein Verrat vor der königlichen Würde.«

»Aber unsere weiblichen Gäste?«

»Sie lieben die Trinker! Liebte die Ariadne nicht den Bacchus?«

Das Fest nahm seinen Fortgang, die Gäste wurden immer redseliger und lauter. Das Dessert, oder der letzte Gang, war bereits auf dem Tische, und die Sklaven trugen Wasser mit Myrrhen und Ysop für die letzte Abwaschung umher. Zugleich öffnete ein kleiner, runder Tisch, der den Gästen gegenüber aufgestellt war, sich plötzlich und wie durch Zauberei in der Mitte, und es drang ein kühler Staubregen hervor, der die Tische und die Gäste besprengte. Als dieses vorbei war, wurde der Vorhang über ihnen fortgezogen, man sah ein Seil ausgespannt, und einer jener gewandten Tänzer, derentwegen Pompeji so berühmt war, zeigte jetzt seine lustigen Künste gerade über den Köpfen der Gäste.

Endlich hörte der Tänzer, wenigstens zur großen Beruhigung der Jone, die an solche Unterhaltungen noch nicht sehr gewöhnt war, plötzlich auf, als von außerhalb Musik ertönte. Bald aber fing er nur noch wilder zu tanzen an; die Melodie wechselte, und er hielt wieder inne; noch konnte der Zauber nicht gelöst werden, der ihn zu fesseln schien! Er stellte eine Person dar, die unwillkürlich zum Tanzen gezwungen wird, bis eine gewisse Melodie ertönt. Endlich schien die Musik den rechten Ton zu treffen; der Tänzer machte noch einen gewaltigen Sprung, schwang sich vom Seil auf den Fußboden und hüpfte hinaus. Jetzt folgte eine Kunst der anderen; und die Musiker, welche außerhalb der Terrasse aufgestellt waren, spielten eine sanfte und weiche Melodie, zu welcher ein ausgelassenes Lied gesungen wurde.

»Es ist ein hübscher Gesang«, sagte Fulvius, indem er sich eine Kennermiene gab.

»Ach, wenn du uns beglücken wolltest«, flüsterte die Gattin des Pansa.

»Wünscht ihr, daß Fulvius singe?« fragte der König des Festes, der eben die Gesellschaft aufgefordert hatte, die Gesundheit des römischen Senators, und zwar einen Becher für jeden Buchstaben seines Namens, zu trinken.

»Kannst du noch fragen?« sagte die Matrone, indem sie den Dichter durch einen zärtlichen Blick auszeichnete.

Sallust rief einen Sklaven, flüsterte ihm einige Worte in das Ohr, und dieser brachte kurz darauf in der einen Hand eine Harfe, in der anderen einen Myrtenzweig.

»Ach, ich kann nicht spielen«, sagte der Dichter.

»Dann mußt du zur Myrte singen. Es ist ein griechischer Gebrauch – Diomedes liebt die Griechen – ich liebe die Griechen – du liebst die Griechen – und das ist nicht das einzige, was wir beide von ihnen haben. Übrigens führe ich diesen Gebrauch ein – ich, der König – singe, Untertan, singe!«

Der Dichter nahm mit verschämtem Lächeln den Myrtenzweig in die Hand, und nach einem kurzen Vorspiel sang er eine Hymne auf die Liebesgötter. Reicher Beifall belohnte ihn. Die Harfe und der Gesang machten jetzt die Runde in der Gesellschaft, und fast jeder lieferte seinen Beitrag zur Unterhaltung.

Draußen war die Sonne schon im Sinken, als der Senator, der müde und matt war, und der Krieger von Herkulanum, der nach dorthin zurückkehren mußte, das Zeichen zum Aufbruch gaben. »Bleibt noch einen Augenblick, meine Freunde«, sagte Diomedes. »Wenn ihr so bald gehen wollt, so müßt ihr wenigstens an unserem Spiel noch teilnehmen.«

Er winkte jetzt einem der Ministri, flüsterte ihm etwas in das Ohr. Der Sklave ging hinaus und erschien bald wieder mit einem kleinen Gefäß, das mehrere sorgfältig zugemachte und scheinbar ganz ähnliche Täfelchen enthielt. Jeder Gast mußte eine derselben für den Wert der niedrigsten Silbermünze erstehen, und das Wesen dieser Lotterie (welche eine Lieblingsbelustigung des Augustus war, der sie einführte) bestand in der Verschiedenheit der Preise, deren Art und Betrag auf den Täfelchen bezeichnet war. Der Dichter zog zum Beispiel mit saurem Gesicht eines seiner eigenen Gedichte, kein Arzt hätte unwilliger sein eigenes Rezept verschlingen können. Der Krieger zog eine Nadelbüchse, was Gelegenheit zu einigen witzigen Äußerungen über den Herkules mit dem Spinnrocken gab. Die Witwe Fulvia erhielt einen großen Trinkbecher, Julia einen männlichen Gürtel und Lepidus eine Schminkbüchse. Der Spieler Klodius zog das sprechendste Los, und er wurde rot vor Ärger, als er einige falsche Würfel erhielt. Die Unterhaltung, welche diese Spiele des Zufalls veranlaßten, wurde durch ein Ereignis gestört, das man für eine böse Vorbedeutung halten mußte. Glaukus zog den schätzbarsten aller Preise, eine kleine, marmorne Statue der Fortuna, von griechischer Arbeit. Als der Sklave sie ihm aber einhändigen wollte, ließ er sie fallen, und sie zerbrach in Stücke.

Dieses erregte in der ganzen Gesellschaft ein unheimliches Gefühl, und jeder murmelte unwillkürlich einen Segensspruch. Nur Glaukus schien, obgleich er vielleicht den allgemeinen Aberglauben teilte, ruhig zu bleiben.

»Süße Neapolitanerin«, flüsterte er zärtlich der Jone zu, die so weiß geworden war wie der zerbrochene Marmor. »Ich nehme das Omen an. Es bedeutet, daß durch deinen Besitz Fortuna mir schon alles gegeben hat. Sie zerbricht selbst ihr Bild, da sie mich mit dir beglückt hat.«

Um den Eindruck wieder zu beseitigen, den dieser Zufall in der Gesellschaft veranlaßt hatte, kränzte Sallust jetzt seinen Becher mit Blumen und brachte die Gesundheit des Wirtes aus. Hierauf folgte die des Kaisers, und nachdem dem Merkur noch ein Becher gebracht worden, damit er ihnen einen angenehmen Schlaf sende, wurde das Mahl durch die letzte Libation beschlossen, und die Gesellschaft brach auf.

In Pompeji selbst bediente man sich selten der Wagen, teils der engen Straßen wegen, teils weil die Stadt klein war. Die meisten Gäste zogen ihre Sandalen wieder an, welche sie abgelegt hatten, und gingen, in Mäntel gehüllt, zu Fuß in Begleitung ihrer Sklaven nach Hause.

Glaukus hatte Jone bis an die Tür begleitet und, wurde jetzt durch einen Sklaven in das Zimmer der Julia geführt, welche ihn dort bereits erwartete.

»Glaukus,« sagte sie, indem sie die Augen niederschlug, »ich habe mich überzeugt, daß du wirklich Jone liebst. Sie ist auch in der Tat schön!«

»Julia ist edelmütig«, erwiderte der Grieche. – »Ja, ich liebe Jone. Mögest du unter den jungen Männern, die dich bewundern, einen so aufrichtigen Anbeter haben!«

»Ich bitte die Götter, daß sie mir dieses gewähren! Sieh, Glaukus, diese Perlen sind das Geschenk, welches ich deiner Braut bestimme, möge Juno Jone beschützen!«

Mit diesen Worten überreichte sie ihm ein Kästchen, welches kostbare Perlenschnüre enthielt. Es war so sehr gebräuchlich, für Personen, die sich vermählen wollten, diese Geschenke anzunehmen, daß auch Glaukus es nicht verweigern konnte, obgleich der stolze und freigebige Athener beschloß, die Gabe durch eine Gabe von dreifachem Werte zu vergelten. Indem Julia seine Danksagungen unterbrach, goß sie etwas Wein in einen kleinen Becher.

»Du hast so manchen Trinkspruch mit meinem Vater gewechselt,« sagte sie lächelnd, »jetzt trinke auch einmal mit mir. Glück und Gesundheit deiner Braut!«

Sie berührte den Becher mit ihren Lippen und übergab ihn dem Glaukus. Er mußte, um nicht unhöflich zu sein, den ganzen Inhalt leeren. Julia, die nichts von der Verwechslung des Trankes durch die Nydia wußte, beobachtete ihn mit funkelnden Augen. Wenn die Hexe ihr auch gesagt hatte, daß die Wirkung vielleicht nicht unmittelbar sein werde, so traute sie doch ihren Reizen zu, daß sie dieselbe beschleunigen könnten. Sie sah sich getäuscht, als Glaukus ruhig den Becher niedersetzte, in demselben gleichgültigen, aber höflichem Tone wie bisher sich mit ihr unterhielt. Und obgleich sie ihn so lange zurückzuhalten suchte, als der Anstand es irgend gestattete, war doch in seinem Benehmen nicht die geringste Veränderung zu bemerken.

»Aber morgen,« dachte sie, »morgen wird der verhängnisvolle Tag sein!«

Und allerdings war der nächste Tag ein sehr verhängnisvoller für Glaukus.


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