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Fünfte Famiie: Furchenwale ( Balaenopterida)

Im Vergleiche zu der ebenso mannigfaltigen wie artenreichen Abtheilung der Zahnwale erscheint die Unterordnung der Bartenwale ( Mysticete) einförmig und arm. Die zu ihr gehörenden Wale kennzeichnen sich vornehmlich dadurch, daß beiden Kiefern die Zähne fehlen, Oberkiefer und Gaumen dagegen Barten tragen. Anderweitige Merkmale liegen in dem sehr großen, breiten Kopfe, den getrennten, längsgerichteten Spritzlöchern, dem engen Schlunde, den großen Felsenbeinen und dem Mangel an Thränenbeinen. Das bedeutsamste Kennzeichen sind und bleiben die Barten. Sie vertreten weder die Stelle der Zähne, noch ähneln sie ihnen hinsichtlich ihrer Anlage, ihrer Befestigung am Kiefer und ihrer Gestaltung. Bei ganz jungen Walen hat man in den Kiefern kleine, knochenartige Körperchen gefunden, welche man als Zahnkeime deuten konnte; dagegen sitzen die später erscheinenden Barten gar nicht an den Kiefern, sondern am Gaumen und sind nicht unmittelbar an den Kopfknochen befestigt. Ihre Querstellung im Gewölbe der Mundhöhle erinnert an die Gaumenzähne der Fische. Die Barten, hornige, nicht knochige Oberhautgebilde, sind dreiseitige, seltener vierseitige Platten, an denen man eine Rinden- und Markmasse unterscheiden kann. Erstere besteht aus dünnen, übereinander liegenden Hornblättern; letztere bildet gleichlaufende Röhren, welche am unteren Ende der Platte in borstenartige Fasern, zerschlissene Theile der Platte selbst, auslaufen. Gekrümmte Hornblätter verbinden die einzelnen Barten an deren Wurzel, mit welcher sie an der sie ernährenden, etwa zwei Centimeter dicken, gefäßreichen Haut des Gaumengewölbes angeheftet sind. Jede einzelne Bartenplatte richtet sich quer durch das Rachengewölbe gegen das als Kiel hervortretende, nur mit Schleimhaut bekleidete Flugscharbein, in dessen Nähe sie verläuft; die längsten dieser Platten, deren man im ganzen zwischen zweihundertundfünfzig bis vierhundert zählt, finden sich in der Mitte des Kiefers, die kürzesten an der Spitze und an der Einlenkungsstelle desselben, da sie von der Mitte aus ziemlich gleichmäßig nach beiden Seiten sich verkleinern. Von vorne nach hinten steht eine dicht hinter der anderen; nach hinten werden die Zwischenräume größer. Von der Seite gesehen, errinnert die gesammte Bartenreihe an einen Kamm, dessen Zinken die hier mit gerader Fläche endigenden Bartenplatten darstellen. Vergleicht man solche Platten mit einem Dreiecke, so ist die längste Kathete desselben am Gaumen angeheftet, die Hypotenuse nach unten hin in die besprochenen Fasern aufgelöst und die kürzeste Kathete vom Oberkieferrande aus senkrecht nach unten gerichtet. Die gesammte Bebartung läßt sich daher mit einem Gewölbe vergleichen, von dessen Decke, den mittleren Kiel ausgenommen, unzählige biegsame, mehr oder minder lange Fasern herabhängen. Schließt der Bartenwal sein Maul, so nimmt der Unterkiefer den ganzen Oberkiefer in sich auf; die Fasern berühren, wenn nicht überall, so doch an den Rändern die Zunge, schließen damit die Gaumenhöhle vollständig nach außen ab und halten auch die kleinste und schlüpferigste Beute unentrinnbar fest.

Die Bartenwale sind ungeheuere Thiere mit sehr großem Kopfe, weit gespaltenem Rachen, doppelten Nasen- und Spritzlöchern, verdeckter Ohröffnung und sehr kleinen Augen. Ihre Wirbelsäule besteht aus sieben Hals-, vierzehn oder fünfzehn Brust-, elf bis fünfzehn Lenden- und einundzwanzig und mehr Schwanzwirbeln. Nur eine Rippe verbindet sich unmittelbar mit dem Brustbeine; alle übrigen sind falsche. Am Schädel sind die Kiefer bogenartig gekrümmt und schnabelartig verlängert, gegen den äußerst kleinen Hirnkasten ungeheuer groß. Das Schulterblatt ist sehr breit, die Hände verschieden gestaltet, indem sie bald mehr, bald weniger Zehen enthalten. Die schwere Zunge ist ringsum im Maule festgewachsen und unbeweglich, die Speiseröhre eng, der Magen dreitheilig.

Erwachsen können die Bartenwale eine Länge von zwanzig bis dreißig Meter und ein Gewicht von zwanzig- bis hunderttausend Kilogramm erreichen: sie sind demnach die größten aller Geschöpfe, welche unsere Erde gegenwärtig beherbergt und jemals erzeugte.

Sie leben ziemlich einzeln; denn bloß zufällig, vielleicht durch reichliche Nahrung herbeigelockt, sieht man sie in Scharen beisammen. Die meisten wohnen im Eismeere und verlassen nur zuweilen die Buchten zwischen den Eisfeldern; andere ziehen südlicher gelegene Meerestheile vor. Sie halten sich nicht immer in einer Gegend auf, sondern wandern. Im Winter treiben sich einzelne Arten mehr in der hohen See herum, während sie gegen den Herbst hin und den Winter hindurch die Nähe der Küsten aufsuchen. Einige unternehmen regelmäßige Wanderungen von den Polen auch gegen den Gleicher hin oder von Westen nach Osten und zurück. Ungeachtet ihrer ungeheueren Massigkeit bewegen sie sich im Wasser rasch und gewandt; ja, die meisten durchziehen die Flut fast mit der Schnelligkeit eines Dampfschiffes. Sie schwimmen geradeaus, aber in beständigen Bogenlinien fort, indem sie bald bis zur und theilweise bis über die Oberfläche des Wassers emporkommen, bald wieder unter ihr fortsegeln. Nach eigenen Beobachtungen tauchen sie, wenn sie ungestört sich bewegen, durchschnittlich alle vierzig Sekunden mit dem ungeheueren Kopfe und einem Theile des Rückens über den Meeresspiegel empor, um Luft zu schöpfen, treiben unter schnaubendem, hörbarem Geräusche das in die Nasenlöcher eingedrungene Wasser mit großer Kraft heraus, verschwinden, nachdem sie hinlänglich geathmet haben, in der Tiefe, und können nunmehr hier unter Umständen sehr lange verweilen. Ungestört halten sie sich hauptsächlich an der Oberfläche auf, legen sich bisweilen auf den Wasserspiegel, bald auf den Rücken, bald auf die Seite, wälzen sich, stellen sich senkrecht und treiben andere Spiele, schnellen sogar manchmal mit halbem Leibe über den Wasserspiegel empor. Bei ruhiger See überlassen sie sich wohl auch dem Schlafe auf den Wellen, welche sie hin- und hertragen.

Die Nahrung der größten Thiere der Erde besteht aus kleinen, unbedeutenden Weich- und Schalthierchen, Kopffüßlern, Seerosen, Quallen, und Würmern, unter denen sich viele Arten befinden, welche dem bloßen Auge kaum sichtbar sind. Aber von diesen Geschöpfen nehmen sie Millionen mit einem Schlucke zu sich. Den ungeheueren, weitgespaltenen Rachen aufgesperrt, streicht der Wal rasch durch die Flut, füllt das ganze Mundgewölbe mit Wasser und den in ihm schwimmenden und lebenden kleinen Thieren an und schließt, wenn das Gewimmel derselben seiner nicht unempfindlichen Zunge fühlbar wird, endlich die Falle. Alle Fasern der Barten stehen senkrecht nach unten und bilden so eine Reuße, durch welche beim Schließen des Maules das Wasser zwar entweichen kann, die sämmtlichen kleinen Geschöpfe aber zurückgehalten werden. Ein einziger Druck der plumpen, kaum beweglichen Zunge treibt hierauf die gallertartige Masse durch die Mundröhre hinab in den Magen. Die Falle wird von neuem geöffnet, und weiter streicht der Bartenwal durch die Flut. Ein kleiner Fisch, welcher zufällig in diesen Naturhamen gelangen sollte, wird wahrscheinlich auch mit verschluckt. Nebenbei fressen die Bartenwale auch Seetange mit, welche zufällig in den Rachen gekommen sind.

Hinsichtlich der höheren Begabungen stehen die Bartenwale den früher beschriebenen Seesäugern ziemlich gleich. Gesicht und Gefühl sind ihre ausgebildetsten Sinne. Die geistigen Fähigkeiten scheinen schwächer zu sein als bei den Zahnwalen. Alle Bartenwale sind furchtsam, scheu und flüchtig und leben daher unter sich friedlich und harmlos und wohl auch mit den meisten anderen Seethieren in Frieden. Wenn sie sich angegriffen sehen, erwacht allerdings zuweilen ihr natürlicher Muth, welcher selbst in Wildheit ausarten kann, und sie vertheidigen sich dann mit Heftigkeit, nicht allzu selten auch wohl mit Erfolg; im allgemeinen aber fügen sie ihrem furchtbarsten Feinde wenig Schaden zu. Ihre Hauptwaffe ist der Schwanz, dessen ungeheuere Kraft man sich vorstellen kann, wenn man erwägt, daß er das Werkzeug ist, vermittels dessen der Wal seinen massigen Leib mit Dampferschnelle durch die Wogen treibt. Ein einziger Schlag des Walfischschwanzes genügt, um das stärkste Boot in Trümmer zu schlagen oder in die Luft zu schleudern, ist hinreichend, schon ein sehr starkes Thier, und somit auch den Menschen, zu tödten.

siehe Bildunterschrift

Buckelwal.

Auch über die Fortpflanzung der Bartenwale weiß man noch wenig, höchstens so viel, daß die Weibchen oder » Kühe«, ein einziges oder zwei Junge zur Welt bringen, welches sie lange säugen, sehr lieben, mit Muth und Ausdauer vertheidigen, bei Gefahr unter einer der Finnen verbergen und so lange führen, bis der junge Wal selbständig geworden ist. Ueber die Zeit der Trächtigkeit fehlen genaue Beobachtungen. Es ist wahrscheinlich, daß die Bartenwale verhältnismäßig schnell wachsen; dennoch gehört eine größere Reihe von Jahren dazu, ehe sie ihre volle Größe erlangt. Gegenwärtig trifft man selten vollständig erwachsene Bartenwale an: Speck, Thran und Fischbein sind so gewinnbringende Gegenstände, daß der Mensch kaum noch einem der gewaltigen Thiere sein volles Alter erreichen läßt. An Altersschwäche stirbt gegenwärtig kein Bartenwal mehr; für jeden, welcher lebt, ist bereits eine Harpune geschmiedet. Thran und Fischbein sind das Verderben der Thiere; Fleisch, Haut und Knochen, welche von einigen Völkerschaften benutzt werden, kommen nicht in Betracht.


Gray zerfällt die Unterordnung in zwei Familien, welche jedoch vielleicht nur als Unterfamilien angesehen werden dürfen. Die Furchen- oder Röhrenwale ( Balaenopterida), welche die erste Familie bilden, erhielten ihren Namen von tiefen, neben und hinter einander liegenden, im ganzen gleichlaufenden Längsfurchen, welche sich über die ganze Kehl-, Hals-, Brust- und einen Theil der Bauchfläche erstrecken, sind verhältnismäßig schlank gebaut, mit einer deutlichen Rückenflosse versehen, mit mehr oder minder langen lanzettlichen Brustflossen ausgerüstet und haben nur kurze, aber breite Barten. Die Halswirbel verwachsen wenigstens nicht regelmäßig; die Felsenbeine sind eiförmig, das Schulterblatt ist breiter als hoch.


Sehr lange Brustflossen, welche mindestens ein Fünftel, oft ein Viertel, der Gesammtlänge erreichen, vierundfünfzig bis fünfundfünfzig Wirbel und vierzehn unter sich gleiche Rippen kennzeichnen die Langflossenwale ( Megapterina), welche der Buckelwal, »Humpback« der Engländer, »Rorqval« der Norweger, »Keporkak« der Grönländer ( Megaptera longimana, Balaena boops und longimana, Kyphobalaena boops), das Urbild der gleichnamigen Sippe ( Megaptera), vertritt. Dieser allverbreitete, in jedem Weltmeere vorkommende Wal erreicht eine Länge von 18 bis 23 Meter, seine Brustfinne bei etwa Meterbreite eine solche von 4 bis 5 Meter, die Schwanzflosse eine Breite von 5 bis 6 Meter. Er zählt zu den plumpesten Gliedern seiner Familie. Verglichen mit anderen Röhrenwalen, ist er entschieden häßlich, sein Leib kurz und dick, längs des Rückens kaum merklich, auf der Unterseite schon vom Unterkiefer an sehr bedeutend gewölbt, der vordere Theil des Leibes überall ausgebaucht, der hintere gegen den Schwanz hin außerordentlich verschmächtigt, der Unterkiefer merklich länger und breiter als der obere, seine Brustfinne fast unverhältnismäßig lang und seine Schwanzfinne außerordentlich entwickelt. Auf dem Rücken erhebt sich im letzten Viertel der Gesammtlänge eine sehr verschieden gestaltete und ausgebildete Fettflosse, der Buckel; ebenso bemerkt man vorn in der Mitte des Kinnes eine höckerige Auftreibung und am oberen Theile der Dünnungen, also in der Kreuzgegend, etwa in der Mitte zwischen dem Buckel und der Schwanzflosse, eine knorrige Erhöhung, auf der Scheitelmitte endlich unregelmäßige, rundliche Beulen, welche sich bei einem Durchmesser von etwa 10 Centim. um 2 bis 3 Centim. erheben. Achtzehn bis sechsundzwanzig 10 bis 15 Centim. breite Falten, welche einer sehr großen Ausdehnung fähig sind und, wie man annimmt, dem Thiere ermöglichen, seinen Rachen nach Belieben mehr oder weniger auszudehnen, verlaufen vom Unterkiefer an über Kehle und Brust, bis hinter die Gegend der Brustfinne. Die Färbung der übrigens glatten Haut ändert vielfach ab. Auf der Oberseite herrscht gewöhnlich ein mehr oder minder gleichmäßiges und tiefes Schwarz vor, wogegen die Unterseite des Leibes und der Brustfinnen eine weißliche Marmelzeichnung besitzt; einzelne Stücke sind oberseits einfach schwarz, unterseits rein weiß, andere oben und unten schwarz, wieder andere oben schwarz, unten weiß, ihre Brust- und Schwanzfinne aber unterseits dunkelaschfarben gefärbt. Da nun, nach Scammons Erfahrungen, auch die Brust- und Schwanzfinnen in Gestalt und Größe abändern, erstere beispielsweise bei einzelnen Stücken ungemein lang, schmal und spitzig, bei anderen verhältnismäßig kurz und breit sind, bei wieder anderen eine Mittelform einnehmen; da ferner ebenso die Schwanzfinne bald schmäler, spitziger und mehr halbmondförmig, bald breiter und am hinteren Ende gerade abgeschnitten ist; da endlich die Rückenfinne sowie die erwähnten Erhebungen und die Falten auf der Unterseite vielfachem Wechsel unterworfen sind: muß man alle von Gray und anderen bis jetzt unterschiedenen Langflossenwale wohl als gleichartig ansehen, um so mehr, als sämmtliche Spielarten nicht allein in einer und derselben Gegend des Meeres, sondern in denselben Herden gefunden werden und in ihren Sitten und Gewohnheiten nicht im geringsten sich unterscheiden.

Wenige Bartenwale zeigen sich dem Schiffer oder Walfänger öfter und in größerer Anzahl als der Buckelwal, welcher in allen Breiten zwischen dem Gleicher und den eisigen Meeren des Nordens und Südens wie auf hoher See oder in der Nähe der Küste, beziehentlich in allen größeren Buchten und weiteren Sunden vorkommt und alljährlich regelmäßig von den Polen aus nach dem Gleicher zu wandern scheint. So sieht man in der Bai von Monterey) in Oberkalifornien die meisten Buckelwale in den Monaten Oktober und November und ihrer nur wenige zwischen April und December, weil die großen Gesellschaften vom Frühlinge an bis zum September nordwärts wandern und erst vom September an wieder nach Süden zurückkehren. An der grönländischen Küste bemerkt man ihn, laut Brown, nur in den Sommermonaten, an den Westküsten Amerikas hingegen im ganzen Jahre, wenn auch nicht in allen Monaten an denselben Stellen. Mit besonderer Regelmäßigkeit besucht er, nach Scammons Erfahrungen namentlich der weibliche Buckelwal, gewisse Oertlichkeiten, um hier zu gebären: so beobachtete unser Gewährsmann in den Jahren 1852 und 1853 während der Monate Juli und August zahlreiche Scharen im Golfe von Guayaquil an der Küste von Peru, im Monat December aber viele Weibchen oder Kühe mit ihren wenige Tage alten Kälbern in der Bai von Banderas an der Küste von Mejiko unter dem 20. Grade nördlicher Breite, ebenso im Mai 1855 in der Magdalenenbucht an der Küste Unterkaliforniens, etwa unter dem 24. Grade der Breite, nicht minder zahlreiche Gesellschaften, welche ebenfalls hauptsächlich aus Weibchen und ihren größeren oder kleineren Jungen bestanden. Das Auftreten des Buckelwales ist übrigens fast immer ein unregelmäßiges, und dasselbe gilt für seine Bewegungen. Selten durchzieht er auf geradem Wege irgendwie erhebliche Strecken, gefällt sich vielmehr unterwegs, bald hier, bald dort mehr oder minder lange Zeit zu verweilen, ändert auch wohl seine Richtung. Ebenso bemerkt man ihn zu Zeiten in zahlreichen Gesellschaften, welche eine weitere Fläche des Meeres, als der Blick von der Höhe des Mastkorbes überschauen kann, einnehmen können, wogegen er zu anderen Zeiten einzeln dahin zieht, sich aber gleichwohl geberdet, als ob er von Hunderten seinesgleichen begleitet würde, indem er sich in allen Stellungen und Spielen seiner Familiengenossen gefällt. Bezeichnend für ihn sind die wellenförmigen Bewegungen, das starke Runden seines Leibes, das Hervorstrecken der einen oder anderen Brustflosse und die Unregelmäßigkeit der Straße, welche er zieht. Selbst wenn er unter dem Wasser dahinschwimmt, wirft er sich oft von einer Seite auf die andere und wiegt sich förmlich in seinem Elemente, ganz so wie ein Vogel in der Luft. Wenn er seine gewaltigen Lungen nach Behaglichkeit füllt und entleert, wirft er sechs-, acht-, zehn-, und selbst fünfzehn- bis zwanzigmal nach einander einen doppelten Strahl in die Luft, welcher bald schwach, bald stark sein, bald nur zu anderthalb bis zwei Meter, bald wiederum bis zu sechs Meter Höhe ansteigen kann. Seine Nahrung besteht vorzugsweise in kleinen Fischen und niederen Krebsthieren.

Die Spiellust des Buckelwales erhöht sich während der Paarungszeit. Beide Geschlechter liebkosen sich in ebenso ungewöhnlicher wie unterhaltender Weise, versetzen sich nämlich gegenseitig liebevolle Schläge mit ihren Brustflossen, welche zwar jedenfalls höchst zärtlich gemeint, immerhin aber so derb sind, daß man das Klatschen derselben bei stillem Wetter meilenweit hören kann. Nach solchen Kundgebungen ihrer Stimmung rollen sie sich von einer Seite auf die andere, reiben sich gegenseitig sanst mit den Finnen, erheben sich theilweise über das Wasser, wagen vielleicht auch einen Luftsprung und ergehen sich in anderen Bewegungen, welche sich leichter beobachten als beschreiben lassen. Die Trächtigkeitsdauer kennt man nicht, glaubt aber annehmen zu dürfen, daß dieselbe zwölf Monate nicht überschreite. Das neugeborene Junge, welches etwa den vierten Theil der Größe seiner Mutter hat, wird in derselben Weise gesäugt, geliebt, erzogen und vertheidigt wie der Sprößling anderer Wale.

Obwohl der Nutzen des gefangenen Buckelwales nicht unbeträchtlich ist, steht er doch weit hinter dem des Pott- oder des Grönlandwales zurück, weil sein Speck oder Fett unverhältnismäßig weniger Thran gibt, als man nach der Schätzung annehmen sollte. Vierzig Tonnen Thran gelten schon als gute Ausbeute. Der Walfänger Walker erbeutete, wie Brown mittheilt, in Ermangelung besserer Jagd fünfzehn Buckelwale in der Diskobai und erhielt von ihnen so viel Speck, daß er seiner Schätzung nach auf mindestens siebzig Tonnen Thran rechnen zu dürfen glaubte, gewann in Wahrheit aber nur achtzehn Tonnen. Aus diesem Grunde beunruhigt man, mindestens in den grönländischen Gewässern, den Buckelwal nur dann, wenn man nichts besseres zu thun weiß. Einzelne Jahre hindurch wurden regelmäßig einzelne Keporkaks in der Nähe von Friedrichshafen in Südgrönland gefangen, während man im Norden kaum auf sie achtete: als Brown im Hafen von Egedesmünde sich aufhielt, konnte er in Erfahrung bringen, daß ein großer Keporkak in die Bucht hineinkam und dieselbe ungefährdet wieder verließ, weil keiner von den vielen Fischern des Platzes irgend welche Lust zur Jagd zeigte. Längs der amerikanischen Küsten stellt man, laut Scammon, auch diesem Wale ziemlich regelmäßig nach und wendet dabei dieselben Mittel an wie bei der Jagd des gemeinen Walfisches. Da der Keporkak leicht zu Boden sinkt, sucht man ihn zunächst zu harpuniren und dann erst durch die jetzt sehr gebräuchliche Bombenlanze zu tödten; sinkt er dennoch zur Tiefe, so bezeichnet man die Stelle durch eine an das andere Ende der Leine gebundene Boje und versammelt später die nöthige Mannschaft, um den schweren Gegenstand bis zur Oberfläche des Wassers emporzuheben. So viel Kraftanstrengungen das Aufwinden anfangs erfordert, so leicht hebt sich der Wal, wenn er in die Nähe der Oberfläche gekommen ist; ja, es geschieht zuweilen, daß er, falls er nur einige Zeit in der Tiefe gelegen und die Fäulnis bereits begonnen hat, mit so großer Schnelligkeit emporkommt, als wäre er noch am Leben, selbst über das Wasser emporgeschlendert wird und die Boote dabei ernstlich gefährdet. Seit der Erwerbung von Alaska ziehen die Amerikaner vorzugsweise dorthin, um Buckelwale zu jagen; doch auch die Buchten von Magdalena, Balenas und Monterey, welche früher als die besten Jagdgründe galten, geben noch heutigen Tages guten Ertrag. Indianer und Eskimos verfolgen und erlegen trotz ihrer erbärmlichen Waffen auch den Buckelwal, und zwar mit Hülfe von Wurfspeeren, welche so sinnreich eingerichtet sind, daß sie bei jeder Bewegung des Wales tiefer eindringen und, wenn auch langsam, so doch ziemlich sicher dessen Tod herbeiführen.


Alle übrigen Röhrenwale werden in der Unterfamilie der Finnwale im engeren Sinne ( Pterobalaena) vereinigt. Die Gruppe kennzeichnet sich durch die hohe, seitlich zusammengedrückte, mehr oder weniger sichelförmige Rückenflosse und die nur mäßig entwickelten Brustflossen.

Nach Gray's Auffassung vertritt der vielgenannte, mit anderen Finnwalen oft verwechselte und deshalb erst in neuerer Zeit ziemlich genau bestimmte Finnfisch oder Finnwal eine gleichnamige Sippe ( Physalus), deren Merkmale folgende sind: der Kopf nimmt etwa den vierten Theil der Gesammtlänge des Leibes ein; die Rückenfinne erhebt sich im letzten Viertel der Mittellinie; die Brustfinnengelenke dicht hinter dem Kopfe; die Schwanzfinne ist in der Mitte ausgeschnitten und in zwei mehr oder weniger deutlich geschiedene Lappen getheilt. Einundsechzig bis vierundsechzig Wirbel, und zwar sieben vollkommen freie Hals-, fünfzehn (ausnahmsweise vierzehn) rippentragende, ebensoviele Lenden - und vierundzwanzig bis achtundzwanzig Schwanzwirbel setzen die Wirbelsäule zusammen; der zweite Halswirbel trägt einen breiten, an der Wurzel durchbohrten Seitenfortsatz; das obere Ende der ersten Rippe ist einfach.

siehe Bildunterschrift

Finnwal ( Physalus antiquorum) 1/230 natürl. Grösse.

Der Finnwal oder Finnfisch, auch »Gibbar« und »Jupiterfisch«, von den Engländern »Big Finner«, »Finnfish« und »Razorback«, den Schweden »Sillhval«, den Norwegern »Sildrör«, den Isländern »Sildreki«, den Grönländern »Tunnolik« genannt ( Physalus antiquorum, Balaena antiquorum, physalus und musculus, Balaenoptera antiquorum, boops, physalus, musculus, acuto-rostrata und Gibbar, Physalus vulgaris, Pterobalaena communis etc.), verhältnismäßig der schlankeste aller Wale und das längste aller bekannten Thiere, kann eine Länge von mehr als 30 Meter erreichen: zwei Finnfische, welche an der Ostküste Amerikas, und zwar in der Nähe des Columbiaflusses und bezüglich in der Davisstraße strandeten, maßen sogar je 34 Meter. Die Länge der Brustfinnen beträgt den zehnten, die Breite derselben den fünfzigsten, die Breite der Rückenflosse den fünften Theil der Gesammtlänge. Der Leib erreicht seine größte Dicke unmittelbar hinter den Brustfinnen, nimmt nach dem Kopfe zu wenig, nach hinten bedeutend ab und ist am Schwanztheile seitlich so stark zusammengedrückt, daß seine Höhe hier die Breite fast um das Doppelte übertrifft, setzt sich auch als deutlich hervortretender Kiel über den größten Theil der Schwanzflosse fort. Die Brustflossen sind platt, vorn aus-, hinten eingebogen; die senkrecht stehende, höchstens 60 Centim. hohe Rückenfinne hat sichelförmige Gestalt. Die Augen liegen unmittelbar hinter und über dem Winkel der fast geraden Schnauze, die außerordentlich kleinen Ohröffnungen zwischen Auge und Brustflossen, die durch eine Scheidewand getheilten und schräg gerichteten Spritzlöcher in zwei gleich gekrümmten Oeffnungen, welche von einer erhabenen, rundlichen Leiste umgeben werden. Der Leib ist, mit alleiniger Ausnahme einiger wenigen Haare oder richtiger grober, büschelweise vertheilter, an der Spitze in sehr feine Theile zerschlissenen Hornfäden, welche am oberen Ende des Oberkiefers sich befinden und manchmal einen Meter lang werden, sich aber auch gänzlich abschleifen können, vollkommen nackt, die glänzende Haut oberseits tiefschwarz, unten porzellanartig reinweiß, in den tieferen Furchen bläulichschwarz. Diese Furchen beginnen am Rande des Unterkiefers und verlaufen von da aus längs der ganzen Unterseite bis gegen den Nabel hin, d. h. bis über den halben Leib weg. Die mittleren sind die längsten, die am weitesten seitlich gelegenen die kürzesten. Sie gleichen Einschnitten, welche mit einem Messer gemacht wurden und werden von scharfen Rändern begrenzt, sind 1 bis 2 Centim. tief und stehen etwa 4 Centim. von einander ab, verlaufen jedoch nicht streng in gleichen: Abstande von einander, sondern endigen nach einem gewissen Verlaufe und nehmen sodann andere zwischen sich auf, schneiden sich auch nirgends und werden immer durch glatte Handflächen von einander getrennt. Die zahnlosen Kiefern tragen jederseits etwa dreihundertundfünfzig bis dreihundertfünfundsiebzig Bartenreihen, welche vorn am engsten zusammenliegen und hinten am weitesten von einander entfernt stehen. Der Seitenrand des Oberkiefers ist unten sanft ausgeschweift und bogenförmig nach dem Auge hin gerichtet, der Unterkiefer wenig gebogen, weshalb die Kiefern etwas auseinander klappen. Die Unterlippe bewirkt den Schluß des Maules und nimmt die Barten gänzlich in sich auf.

Der nördlichste Theil des Atlantischen Weltmeeres und das Eismeer bilden den Aufenthalt des Finnwales. Besonders häufig zeigt er sich in der Nähe der Bäreninsel, Nowaja Semljas und Spitzbergens; aber auch in der Nähe des Nordkaps ist er nicht selten: auf einer drei Tage dauernden Reise von Vadsö nach Hammerfest sah ich fünf Wale, welche von unserem kundigen Schiffsführer als Finnfische bezeichnet wurden, darunter einen außerordentlich großen, welcher sich im Porsangerfjord herumtrieb. Nach Browns Beobachtungen geht er im Norden des Eismeeres nicht über die Breite von Südgrönland hinauf. Mit Beginn des Herbstes wandert er in südlichere Gewässer herab, und somit begegnet man ihm auch in den Meeren des gemäßigten und heißen Gürtels, soll ihn sogar im südlichen Eismeere angetroffen haben.

Wie man schon aus der schlanken Gestalt schließen kann, ist der Finnwal in allen seinen Bewegungen ein rasches und gewandtes Thier. Er gilt als einer der schnellsten aller Bartenwale; denn er läßt, wenn er mit voller Kraft durch die Wogen schießt, jedes Dampfschiff hinter sich. Bei ruhigem Schwimmen zieht er in gerader Richtung daher und kommt sehr oft, nach eigenen Beobachtungen durchschnittlich alle neunzig Sekunden, an die Oberfläche, um zu athmen. Das brausende Geräusch beim Ausathmen und bezüglich Auswerfen des Wassers vernahm ich schon in einer Entfernung von einer Seemeile; von dem widrigen Geruche dagegen, welcher dem ausgestoßenen Wasser anhaften soll, habe ich nichts verspürt. Das beim Blasen hörbare Geräusch ist kurz und scharf, der bis zu vier Meter Höhe ansteigende Strahl doppelt. Weniger scheu als andere Ordnungsverwandte, erscheint der Finnwal nicht selten in unmittelbarer Nähe segelnder Schiffe, umschwimmt dieselben oder folgt ihnen längere Zeit, manchmal stundenlang, getreulich nach. Bisweilen legt er sich auf der Oberfläche des Wassers auf die Seite und schlägt mit den Brustfinnen auf die Wellen, dreht und wendet sich, wirft sich auf den Rücken, taucht unter und scherzt überhaupt lustig im Wasser umher, schleudert auch den gewaltigen Leib durch einen mächtigen Schlag der Schwanzflosse über die Oberfläche empor und versinkt dann mit donnerähnlichem Gepolter in der Tiefe. Wie in seinen Bewegungen übertrifft er auch in seinem geistigen Wesen den Grönlandswal bei weitem, bekundet unter Umständen außerordentlichen Muth und soll, übereinstimmenden Berichten zufolge, wenn er gereizt wurde, an Wildheit und Kühnheit kaum hinter dem bösartigsten aller Wale zurückstehen. Nicht bloß Mutterliebe, sondern auch Anhänglichkeit an seine Genossen, welche er bei Gefahr nach Kräften zu vertheidigen sucht, zeichnen ihn aus; kurz, man darf ihn wohl als den edelsten aller Bartenwale ansehen.

Der Finnfisch liebt kräftigere Nahrung als der Wal. Seine Beute besteht größtentheils aus Fischen, welche er oft scharenweise vor sich hertreibt und in dem weiten Rachen schockweise auf einmal fängt. Hierbei leisten ihm wahrscheinlich die Furchen auf der Unterseite wesentliche Dienste, indem sie eine erhebliche Erweiterung seines natürlichen Hamens ermöglichen. Es ist dies zwar von einzelnen Forschern entschieden bezweifelt worden, dürfte sich jedoch im Gegentheile so verhalten, wie andere angenommen haben. »Ich meine«, sagt Zaddach, »die mögliche Erweiterung der Kehlhaut durch die Furchen sei eine außerordentlich große. Wenn im Umfange der Kehle sechzig Furchen liegen, von denen jede nur einen Centimeter tief ist (die meisten in der Mitte des Körpers liegenden sind aber 15 oder 18 Millim. tief), so wird, wenn diese Furchen vollständig sich ausdehnen, der Umfang der Kehle um 1,2 Meter, d. h. nahezu um die Hälfte seiner gewöhnlichen Weite größer werden. Daß dies in der That möglich ist, zeigt die Erweiterung der Furchen im schlaffen Zustande des Todes; daß die Haut während des Lebens des Thieres sich zusammenziehen kann, wird kaum bezweifelt werden können: sie scheint vielmehr überall sehr elastisch zu sein. Der schlanke Finnwal wird also beim Schwimmen nicht durch einen weit herabhängenden Kehlsack behindert und verunstaltet. Er wird aber, da er zur Ernährung seines großen Leibes reichlicher Nahrung bedarf, wenn er einem Schwarme von Fischen begegnet, die günstige Gelegenheit benutzen und möglichst viele derselben sich sichern müssen. Er erhebt dann den Kopf, senkt den Unterkiefer, dreht auch vielleicht die einzelnen Hälften desselben, welche nicht fest mit einander verwachsen sind, etwas nach außen, um den Rachen noch mehr zu erweitern. Der schon an und für sich weite Sack, welcher an dem Unterkiefer hängt, erweitert sich noch um fast die Hälfte seines Umfanges, und das gewaltsam von allen Seiten hereinstürzende Wasser reißt Hunderte von unglücklichen Häringen und Dorschen in die Tiefe. Nun klappt der Oberkopf als Deckel auf den Bügel des Sackes, und es beginnt die gewaltige Fleischmasse der Zunge ihre Arbeit, die gefangenen Fische allmählich zwischen die beiden Bartenreihen und gegen den vorspringenden Kamm des harten Gaumens zu drücken, um sie dem Schlunde zuzuführen. So denke ich mir die Art, wie der Finnwal seine Mahlzeit hält.« Ich glaube nicht, daß sich gegen Zaddachs Annahme etwas erhebliches einwenden läßt und schließe mich daher seiner Ansicht an.

Wenn der Finnwal reiche Beute findet, verweilt er tage- und selbst wochenlang auf einer und derselben Stelle, so beispielsweise in Grönland, wo er, laut Brown, während der Laichzeit auf den Schellfischbänken bei Riskol, Holstenbork und anderen Oertlichkeiten Südgrönlands sich umhertreibt und unglaubliche Mengen von Dorschen und anderen Schellfischen verzehrt. Desmoulins berichtet, daß man sechshundert, Brown, daß man achthundert Stück dieser immerhin großen Fische in seinem Magen gefunden hat. Rechnet man das Gewicht jedes Dorsches nur zu einem Kilogramm, so ergibt sich, daß von solch einer Mahlzeit des riesigen Thieres zwölf- bis sechzehnhundert Menschen sich gesättigt haben könnten. Mit seinen nächsten beiden Verwandten, dem Riesen- und Schnabelwal, wandert der Finnfisch in Verfolgung der Dorsche und Häringe weit nach Süden herab, gelangt dabei an die europäischen Meere und sammelt sich hier zuweilen zu Scharen, welche geraume Zeit gemeinschaftlich jagen. Neben Fischen soll er auch schalenlose Weichthiere und andere kleine Meeresbewohner mit aufnehmen und außerdem so viel Tange verschlucken, daß man behauptet hat, er nähre sich zeitweilig vorzugsweise von solchen und weide sie förmlich ab. Wie man erfahren haben will, soll er auf seinen Zügen nur so lange in einer und derselben Gegend sich aufhalten, als hier noch Tange vorhanden sind, sodann aber andere, pflanzenreichere Orte aufsuchen. Ich bezweifle die Richtigkeit dieser Auffassung, weil ich glaube, daß der Finnwal Tange immer nur nebenbei verschlingt, als einen Ballast, dessen er sich nicht entledigen kann, weil die einzelnen Ranken und Blätter zwischen den Fasern des Fischbeines festgehalten werden. Eine Folge seiner Jagd auf scharenweise dem Lande zuschwimmende Fische ist, daß er öfter als jeder andere seiner großen Verwandten in unmittelbarer Nähe der gefährlichen Küsten jagt. Er ist es, welcher sich in den engen Fjorden Norwegens umhertreibt und die übrigen schmalen Buchten des Meeres besucht, er aber auch, welcher am häufigsten strandet. Man kennt allein vom Jahre 1819 an mehr als zwanzig Beispiele, daß Finnfische auf den Strand europäischer Küsten geworfen wurden und elendiglich umkamen. Ueber die Zeit der Paarung und die Dauer der Trächtigkeit weiß mau nichts gewisses, nimmt jedoch an, daß jene im Sommer stattftndet und diese etwa neun bis zehn Monate beansprucht. Hinsichtlich der Anzahl der Jungen lauten die Angaben nicht übereinstimmend: die meisten sagen, daß der Finnwal nur ein Junges werfe, während andere von zweien reden. Die Mutter liebt ihren Sprößling ungemein und sucht ihn bei Gefahr nach Kräften zu schützen. Wüthend fährt sie unter die Boote ihrer Verfolger, schlägt mit dem Schwanze und den Brustfinnen um sich und achtet keine Wunde, wenn es gilt, ihr Theuerstes zu vertheidigen.

Die Jagd des Finnfisches ist wegen der großen Schnelligkeit und Heftigkeit des Thieres schwieriger, und der Nutzen, welchen das erlegte Thier gewährt, weit geringer als bei dem Nord- oder Grönlandswale. Deshalb stellt man ihm auch nicht regelmäßig nach wie diesen. Man sucht zwar auch jedes Finnfisches, den man bemerkt, habhaft zu werden, aber doch nur dann, wenn keine Walfische in der Nähe sind. Letzteren gegenüber gilt er in den Augen der Speckjäger beinahe als werthlos. »Ein Leichnam dieses Wales«, erzählt Brown, »welcher in der Davisstraße auf den Wellen trieb, wurde von unseren Walfängern zwar untersucht, weil man ihn für den Grönlandswal hielt, jedoch ohne weiteres im Stiche gelassen, als man ihn erkannt hatte. Unsere Leute waren aber nicht die ersten, welche zur Untersuchung ausgezogen waren; denn in den Seiten des Thieres fand man die Namen von mehreren Schiffen eingeschnitten, deren Bemannung also genau wie die unsrige gehandelt hatte.« Anders verhält es sich überall da, wo man die Jagd von der Küste aus betreiben, und durch Verwerthung aller Theile des Leibes einen höheren Gewinn, als den Walfängern möglich, erzielen kann. So bestehen gegenwärtig an der nördlichen Küste von Norwegen, in Finnmarken, wie auf Island Walfischereien, welche fast ausschließlich oder doch vorzugsweise der Finnwale halber errichtet worden und guten Gewinn abwerfen. Jagd und Fang sind genau dieselben wie bei den übrigen Walen, aber mit größerer Gefahr verbunden als beim Wal. Wenn der Finnfisch von der Harpune getroffen wurde, fährt er mit rasender Heftigkeit zur Tiefe hinab und zieht nicht selten das Boot unter Wasser. Falls er längs der Oberfläche fortschwimmt, sind die Fänger schon zufrieden, obgleich er sie sieben bis acht Seemeilen hinter sich nachschleppt, ehe er ermüdet. Uebrigens ist die Gefahr, durch ihn das Boot zu verlieren, nicht die geringste; denn manchmal geschieht es, daß er sich plötzlich gegen seine Angreifer wendet und durch einen Schlag mit dem Schwanze Boot und Mannschaft vernichtet. Anderson berichtet, wie andere Finnwale, welche in der Nähe sich befinden, ihrem angegriffenen Gefährten zu Hülfe eilen, und ein alter Seemann erzählt, daß die Verwundeten ein fürchterliches Gebrüll ausstoßen, welches alle Wale im Umkreise herbeilockt. Wie andere Seesäugethiere, verendet der Finnfisch, wenn die Harpune so gut geschleudert wurde, daß sie durch den Speck in das Fleisch eindrang, binnen kurzer Zeit. Ein edler Theil des Leibes braucht nicht verletzt zu werden: Verblutung und die sehr bald beginnende Eiterung führen den Tod herbei.

Ein Finnwal, dessen Geripp ich bei dem norwegischen Kaufmanne und Naturforscher Nordvi in Vadsö liegen sah, hatte sich beim Besuchen des Varanger Fjords zwischen Scheren festgearbeitet und zuletzt so zwischen die Felsen gezwängt, daß er weder vorwärts, noch rückwärts konnte. Einige lappländische Fischer eilten herbei und suchten sich nun des Ungeheuers zu bemächtigen. Sie besaßen keine andere Waffe als ihre großen Messer, säumten aber keinen Augenblick, mit diesen dem Thiere im buchstäblichen Sinne des Wortes auf den Leib zu rücken, erkletterten mühselig seinen glatten Rücken und schnitten und stachen so lange, bis der Wal seinen Geist aufgegeben hatte. Nicht besser erging es einem jungen Finnwale, welcher sich im Frühlinge des Jahres 1874, vermuthlich Häringsschwärmen nachziehend, in die Ostsee verirrt und längere Zeit an den Küsten umhergetrieben, auch hier und da die Fischer erschreckt hatte, endlich aber, am 23. August, zu seinem Unheile auf der Danziger Rhede angelangt war. Hier lagen gerade drei deutsche Kriegsschiffe vor Anker, und es war Sonntag. »Welchen angenehmeren Zeitvertreib«, schildert Zaddach, »konnte es für die Officiere geben, als eine Waljagd? Man griff zu den Gewehren und begrüßte den unerfahrenen Fremdling mit Spitzkugeln; und als dieser unwillig den ungastlichen Ort verlassen wollte, sprang man in die Boote und ergötzte sich daran, wie jedesmal, wenn er auftauchte, die Kugeln von allen Seiten in seine dicke Haut einschlugen.« Fünfundsiebzig dieser Kugeln hatten, wie sich später ergab, getroffen und die Weichtheile des Kopfes bis auf den Schädel durchbohrt, ohne jedoch in diesen einzudringen. Deshalb auch würde es dem Riesen gelungen sein, zu entfliehen, hätte er nicht von einem der Officiere beim Untertauchen einen Degenstich in den Hinterleib erhalten, welcher eine große Schlagader durchschnitt und Verblutung herbeiführte. Sterbend fanden ihn am anderen Morgen Fischer des Dorfes Heubude, zogen ihn mit vereinigten Kräften aller Pferde und Männer der Ortschaft an den Strand, zu nicht geringer Freude aller Bewohner der guten Stadt Danzig, welche zu tausenden herbeieilten, um ihn zu sehen, und freudig das geforderte Schaugeld in die harten Hände der betriebsamen, fluggs zu Thierschaustellern gewordenen Fischer spendeten.

Gewöhnlich gibt der Finnwal wenig Thran, ein Thier von 27 Meter Länge nicht mehr als acht bis zehn Tonnen. Der Speck ist dünn, wässerig, bei jungen Thieren gallertartig und fast völlig thranlos. Die Barten sind kurz und brüchig. Fleisch und Knochen werden in der Regel nicht ausgenutzt, sondern den Thieren des Meeres überlassen. In den erwähnten Walfischereien in Finnmarken und auf Island verfährt man wirtschaftlicher, indem man nicht allein Speck und Barten, sondern auch Knochen und Fleisch verwerthet, nämlich zu Dünger, sogenannten Fischguano, verarbeitet. Für den oben erwähnten Finnwal zahlte Kaufmann Nordvi dreißig Speciesthaler oder 135 Mark unseres Geldes, gewann jedoch schon aus dem Thrane allein das vierfache seiner Auslagen und hatte außerdem das Geripp sorgfältig aufbewahrt, in der Absicht, es an ein Museum zu verkaufen. Wie viel die Knochen nebst dem Fleische einzubringen vermögen, weiß ich nicht, glaube jedoch annehmen zu dürfen, daß der zu erzielende Gewinn immerhin erheblich genug ist, um die Mühe des Fanges und die Verarbeitung des Leichnams eines Finnwales zu lohnen.

Abgesehen von dem Menschen soll der Schwertfisch der gefährlichste Feind auch dieses Wales sein und nicht eher von ihm ablassen, als bis er ihn getödtet oder auf den Strand gejagt habe.


Mit dem Finnfische hat man bis in die neueste Zeit einen anderen riesigen Wal der hochnordischen Meere verwechselt, und erst dem scharfsinnigen Gray gebührt das Verdienst, denselben nicht allein unterschieden, sondern selbst als Vertreter einer wohlbegründeten Sippe erkannt zu haben. Die Merkmale der Riesenwale, wie wir sie nennen wollen ( Sibbaldius), begründen sich vornehmlich auf Eigenthümlichkeiten des Gerippes. Sechsundfünfzig bis achtundfünfzig Wirbel, und zwar sieben bewegliche, denen der Finnwale im wesentlichen gleichgestaltete Hals-, vierzehn rippentragende, sechzehn Lenden- und zwanzig bis zweiundzwanzig Schwanzwirbel setzen die Wirbelsäule zusammen; der Schädel und die Oberkieferbeine sind sehr breit, die Nasenbeine klein, der Unterkiefer leicht gebogen, seitlich zusammengedrückt und in der Nähe des Gelenkes mit deutlichem Kronfortsatz versehen; das Schulterbein ist breit, der Rabenfortsatz wohl entwickelt, die Hand in vier sehr kurze Finger getheilt, unter denen der zweite und dritte unter sich gleich und die längsten sind, während der innere oder vierte bedeutend kürzer als der erste ist; die erste und zweite Rippe trägt zwei Knöpfe. Der Leib ist sehr gestreckt, im zweiten Fünftel seiner Länge am stärksten, von der breiten Schnauze an gleichmäßig anschwellend, nach der Schwanzflosse zu ebenso verschmächtigt, der Mittelrücken zu beiden Seiten flach eingebuchtet, die ein wenig hinter dem ersten Viertel der Leibeslänge ziemlich tief unten seitlich eingelenkte Brustflosse lang, schmal, vorn sanft gerundet, hinten im ganzen ausgeschnitten, diese Linie aber, entsprechend den Fingergliedern, durch vier auswölbende Bogen bewegt, die sehr kleine und niedrige Rückenflosse etwa im letzten Fünftel der Länge aufgesetzt, die Schwanzflosse sehr breit, am hinteren Ende klammerartig ausgeschweift, das kleine Auge in einer ziemlich tiefen Mulde unmittelbar über und hinter der Einlenkung des verhältnismäßig kurzen Unterkiefers, das kaum bemerkbare, schlitzförmige Ohr etwa acht Centimeter weiter nach rückwärts, das doppelte Spritzloch etwas vor dem Auge auf der Vorderstirne gelegen, die Haut oben glatt, auf Kehle, Brust und Oberbauch mit mindestens sechzig rechtwinkelig eingetieften Falten versehen.

 

Der Riesenwal ( Sibbaldius borealis, Balaena borealis, Balaenoptera laticeps, gigas, boops, tenuirostris, Sibbaldii und Carolinae, Sibbaldius latirostris, Pterobalaena gigas), steht hinter dem Finnwale kaum oder nicht an Größe zurück, da man einzelne gefunden hat, welche 31,5 Meter lang waren und fast 4 Meter lange Brustflossen hatten. Kopf, Rücken, Schwanz, Oberseite der Bauchflossen haben schwarze, die Unterseite der letzteren, Gurgel, Brust und Bauch glänzend weiße Färbung. Mehrere von Finsch untersuchte, frisch gefangene Riesenwale waren bis auf die am hinteren Rande weiß gesäumten Brustflossen schiefergran, unterseits nur wenig lichter gefärbt, das obere und untere Farbenfeld jedoch durch eine ziemlich scharfe Linie getrennt; es scheint also, daß auch dieser Wal hinsichtlich seiner Färbung erheblich abändert.

Ueber die Lebensweise des Riesenwales fehlen bis jetzt zuverlässige Angaben, und zwar aus dem Grunde, weil man ihn beständig mit dem Finnfische verwechselt hat. Es erscheint deshalb nothwendig, noch einen uns besser bekannten Vertreter derselben Sippe und sehr nahen Verwandten des Riesenwales, den Schwefelbauch oder Sulphurbottom der Nordamerikaner ( Sibbaldius sulfureus), welcher möglicherweise sogar mit dem atlantischen Riesenwale als gleichartig sich herausstellen dürfte, in Betracht zu ziehen. Der Schwefelbauch kommt jenem an Größe gleich und gilt unter den Walfängern des Stillen Weltmeeres als der größte aller Wale überhaupt. Ein von dem erfahrenen Kapitän Roys gemessenes Stück war 29 Meter, sein Unterkiefer 6,4 Meter lang, sein Umfang betrug 11,6 Meter, das Gewicht der Schätzung nach 147 Tonnen oder 147,000 Kilogr. Selbst unter den Finnwalen zählt der Schwefelbauch zu den schlankesten; sein Leib ist sehr gestreckt, die Rückenseite, mit Ausnahme einer buckelförmigen Erhöhung auf dem Kopfe, woselbst die Spritzlöcher münden, sehr wenig, die Unterseite merklich stärker gebogen, die Rückenflosse im letzten Viertel des Leibes angesetzt, klein, auf der Vorderseite gewölbt, auf der Rückenseite ausgebogen, die im ersten Drittel des Leibes eingelenkte Brustflosse nicht besonders lang, aber ziemlich breit, die Schwanzflosse breit, hinten klammerförmig eingeschnitten, die Haut auf der Oberseite glatt, unterseits, wie üblich, tief gefaltet, ihre Färbung oben düster schwarz bis lichtbraun, ja selbst weißlichbraun, unterseits lebhaft schwefelgelb.

Das Verbreitungsgebiet dieses Wales, welches sich über den größten Theil des Stillen Weltmeeres zu erstrecken scheint, konnte bis jetzt mit Sicherheit noch nicht begrenzt werden. An den Küsten Kaliforniens findet man ihn, laut Scammon, zu allen Zeiten des Jahres, während der Monate Mai bis September oft in zahlreichen Scharen, welche sich meist in nächster Nähe der Küste umhertreiben, furchtlos den auf der Rhede liegenden Schiffen nähern und sie sogar zuweilen auf ihren Reisen begleiten. So geschah es im Jahre 1850 dem Schiffe Plymouth. Als dasselbe anfangs November einem größeren Schwarme gedachter Wale begegnet war, verließ einer von ihnen die Gefährten, gesellte sich zum Schiffe und folgte diesem fortan vierundzwanzig Tage lang als getreuer Begleiter, keineswegs zur Freude der besorgten Besatzung. Namentlich im Anfange fand man es im höchsten Grade ungemüthlich, ein Wesen in nächster Nähe zu wissen, dessen Gebaren die Sicherheit des Schiffes zu gefährden schien, bemühte sich daher auch nach Kräften, den lästigen Gesellen los zu werden. Umsonst aber wandte man die verschiedensten Mittel an, um ihn zu vertreiben. Da man in Erfahrung gebracht haben wollte, daß Kielwasser jeden Wal verscheuche, griff man zunächst zu solchem, vergeblich aber wurden die Pumpen in Bewegung gesetzt: unser Wal blieb in unmittelbarer Nähe des Schiffes; vergeblich auch versuchte man ernstere Abwehr, warf ihm Flaschen, Holzscheite auf den Kopf, und zwar mit solcher Kraft, daß jeder Wurf die Haut schrammte, griff endlich zu Büchsen und jagte ihm eine Kugel nach der anderen in den Leib: der Unhold beachtete alles nicht, verfolgte nach wie vor seinen Weg neben und unter dem Schiffe, gleichviel, ob dasselbe vor einer frischen Brise dahinsegelte oder vom Sturme umhergeworfen wurde oder bei ruhigem Wetter fast bewegungslos auf den Wellen schwamm, tauchte zuweilen auf und blies seinen stinkenden Athem in die Fenster der Kajüte. In dem klaren Wasser konnte man das etwa vierundzwanzig Meter lange Geschöpf, jeden Schlag seiner mindestens fünf Meter breiten Schwanzflosse sehen. Nur der Arzt des Schiffes schien die Gelegenheit, den riesigen Wal in so unmittelbarer Nähe beobachten zu können, mit Freuden zu begrüßen; alle übrigen Insassen des Schiffes wünschten ihn auf Meilen entfernt. Ende November begegnete die Plymouth der Barke Kirkwood, welche mit jener zu sprechen wünschte; als beide Schiffe sich näherten, verließ der Wal die Plymouth und wandte sich zur Kirkwood, kehrte aber kurz darauf zu seinem alten Schiffe zurück. Nur als man sich mehr und mehr der Küste näherte, wurde er unruhiger, und als das Schiff endlich in seichtes Wasser gelangte, verließ er es gänzlich. Nach und nach hatte man sich an seine Begleitung gewöhnt, weil man zu der Ueberzeugung gekommen war, daß man über keine Mittel gebiete, ihn zu entfernen. Deshalb fügte man ihm auch keinerlei Unbill mehr zu, gab ihm den Namen »Blowhard« oder Lautbläser und bildete sich ein, daß er auf diesen Ruf höre und infolge dessen näher an das Schiff herankomme. Abgesehen davon, daß er den weißen Anstrich des letzteren beim Ausathmen beschmutzt hatte, war von ihm nicht der geringste Schaden verursacht, und er zuletzt von jedermann als guter Kamerad angesehen worden.

Selten sieht man den Schwefelbauch wie so viele andere Wale im Wasser sich tummeln oder über die Oberfläche emporspringen; wenn er aber in dieser Weise spielend sich bewegt, gewährt er einen unvergleichlich großartigen Anblick. Alle erfahrenen Walfänger erachten ihn als das schnellste Mitglied seiner Familie und jagen ihn aus diesem Grunde nur ausnahmsweise. Bei ruhigem Schwimmen pflegt er dicht unter der Oberfläche des Wassers dahinzugleiten, beim Aus- und Einathmen stößt er einen gewaltigen Strahl unter so lautem Getöse in die Luft, daß man ihn von weitem erkennt; beim Eintauchen rundet er in zierlicher Weise und zeigt dabei in der Regel die ganze Größe seiner gewaltigen Schwanzflosse, welche er hoch über die Oberfläche erhebt oder mit Donnergepolter auf die Wellen schlägt.

Nach Finsch gewordenen Mittheilungen des Schweden Foyn fällt die Paarungszeit des Riesenwales in den Januar, die Geburtszeit des Jungen, welches bis dahin bereits mindestens den sechsten und höchstens den vierten Theil der Größe seiner Mutter erlangt hat, in den December, so daß sich also eine Trächtigkeitsdauer von elf Monaten ergeben würde.

Zum Fange des Riesenwales wie des Schwefelbauches wendet man gewöhnlich die Bombenlanze an, weil es auch dem bestbemannten Boote in den meisten Fällen erst dann gelingt, an einen von beiden heranzukommen und ihn festzumachen, wenn er schwer verwundet wurde. Die ergiebigste Jagd auf den Riesenwal und die großartigste Walfischerei in Europa überhaupt betreibt, laut Finsch, der ebengenannte Svend Foyn aus Tönsberg, und zwar von einer kleinen, im Varangerfjord, gegenüber der Stadt Vadsö, gelegenen Insel aus. Hier errichtete hölzerne Gebäude, etwa zehn oder zwölf an der Zahl, dienen theils als Speicher, theils als Wohnungen der Walfänger. Durchdringender Thrangeruch und kaum zu ertragender Gestank dörrenden und verwesenden Fleisches und Eingeweides machen die Fischereianlage auf weithin kenntlich.

»Bei meiner Ankunft in Vadsö«, sagt unser Gewährsmann, »bestrebte ich mich erklärlicherweise, die Anlage kennen zu lernen; ihr Eigenthümer schien dies jedoch in keiner Weise begünstigen zu wollen, wies auch meine Bitte, an dem Fange eines Wales theilnehmen zu dürfen, mißtrauisch zurück und gestattete mir, Zeichnungen von den gefangenen Walen zu entnehmen, nur unter der Bedingung, daß dadurch die Arbeiten nicht gestört würden.

Der erste Riesenwal, welcher während des Aufenthaltes meines Freundes in Vadsö eingebracht wurde, war am 7. Juli nachmittags in geringer Entfernung von der Küste mittels der Bombenlanze erlegt worden. Unschätzbare Schwärme der Stummelmöve, welche, einer weißen Wolke vergleichbar, das heimkehrende Dampfschiff umgaben und verhüllten, bekundeten schon von weitem, daß letzteres, obschon es erst vor wenigen Stunden ausgelaufen war, glücklich gewesen sein mußte. In der Regel folgen außerdem Schwertfische und Haie dem mit Ketten befestigten, vom Schiffe geschleppten Wale nach. Dieser wird bei Hochflut bis zu einer passenden Stelle geschleift, den Kopf voran, soweit wie möglich an das Land gezogen, wahrend der Ebbe aber verarbeitet. Sechs bis zehn Männer beginnen das Werk, indem sie zunächst die Kinnladen ausbrechen, die Flossen abschneiden, das Fischbein abstoßen und den Speck abschälen, hierauf aber auch den riesigen Körper zerstückeln, um aus den Knochen, Muskeln und Eingeweiden Fischdünger zu bereiten. Ein Theil des Fleisches dient als Brennstoff beim Ausschmelzen des Thranes, von welchem ein dreißig Meter langer Riesenwal etwa achtzig Tonnen oder Fässer liefert; alles übrige wird klein gehackt und so gut wie möglich an der Luft getrocknet. Svend Foyn erbeutet jährlich dreißig bis vierzig Finn- und Riesenwale, und zwar meist alte Weibchen, dürfte daher den Bestand auch dieser beiden Arten, mindestens in den europäischen Gewässern, nach und nach merklich vermindern.«


In der letzten Sippe der Unterfamilie vereinigen wir die Schnabelwale ( Balaenoptera), so viel bis jetzt bekannt, die kleinsten und am zierlichsten gebauten aller Bartenwale überhaupt, mit mäßig langen Brustfinnen und einer im letzten Drittel der Gesammtlänge aufgesetzten, sichelförmigen Rückenfinne, deren wichtigste Merkmale jedoch ebenfalls hauptsächlich im Gerippe zu suchen sind. Die Wirbelsäule besteht nämlich bloß aus achtundvierzig bis fünfzig Wirbeln, und zwar sieben meist verschmolzenen Halswirbeln, elf rippentragenden, zwölf Lenden- und achtzehn bis zwanzig Schwanzwirbeln; der Unterkiefer zeigt einen besonderen Kronfortsatz, die erste und zweite Rippe nur einen Gelenkknopf.

 

Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe, welche verhältnismäßig reich an Arten zu sein scheint, ist der Zwerg-, Sommer- oder Schnabelwal, »Pikewhale« (Hechtwal) der Engländer, »Waagevhal« der Norweger, »Tikagulik« der Grönländer, »Tschikagleuch« der Kamtschadalen etc. ( Balaenoptera rostrata, Balaena rostrata und boops, Rorqualus minor, Balaenoptera Davidsoni), das kleinste bekannte Mitglied seiner Familie, dessen Länge wohl kaum 10 Meter übersteigt. Bei einem von Scammon gemessenen Weibchen betrug die Gesammtlänge 8,2 Meter, die Länge der Brustflosse 1,25 Meter, deren Breite 35 Centim., die Breite der Schwanzflosse 2,3 Meter. Der Leib ist verhältnismäßig sehr zierlich gebaut, und der Name »Hechtwal« deshalb gerechtfertigt; die Rückenlinie wölbt sich, mit Ausnahme der Erhöhung um die Spritzlöcher und der Fettflosse, in sanften, die Bauchlinie in etwas stärkeren Bogen; der Kopf spitzt sich scharf gegen die weit und in schiefer Richtung von oben nach unten gespaltene Schnauze zu; das kleine Auge liegt etwas hinter und über dem Kieferwinkel, das ungemein kleine Ohr schief hinter dem Auge; die Spritzlöcher, welche nach vorn sich erweitern, stehen auf der Mitte des Kopfes zwischen und vor den Augen; die im ersten Drittel des Leibes etwa in mittlerer Seitenhöhe eingelenkte Brustflosse ist langgestreckt und spitzig, an ihrer Vorderseite fast gerade, an der Hinterseite von der sehr verschmälerten Einlenkungsstelle flach gewölbt, die Rückenflosse, deren Höhe etwa 25 Centim. beträgt, schief nach hinten gerichtet und stumpf sichelförmig, die Schwanzflosse ziemlich lang, am hinteren Rande wenig ausgeschweift, der Kiel des Schwanzes verhältnismäßig flach; die oberseits vollkommen glatte Haut zeigt auf der Unterseite eine große Anzahl, etwa sechzig bis siebzig, gleichlaufende, dicht aneinander stehende, schmale und seichte Falten, welche wie gewöhnlich am Rande des Unterkiefers beginnen, in der Mitte aber fast über den ganzen Unterleib sich erstrecken. Ein düsteres Schieferschwarz ist die Färbung der ganzen Oberseite, von der Spitze des Oberkiefers an bis zur Einlenkungsstelle der Brustflossen herab, sowie der Schwanzspitze, einschließlich der Schwanzflosse, ein mehr oder minder röthliches Weiß die der Unterseite; die Brustflossen haben oben die Farbe der Oberseite, in ihrer Mitte jedoch ein weißes Querband und sehen unterseits ebenso weiß aus wie der Bauch. Bei einzelnen Stücken bemerkt man einige Haare an der Spitze des Ober- und Unterkiefers; dieselben können jedoch auch vollständig fehlen.

siehe Bildunterschrift

Zwergwal ( Balaenoptera rostrata). 1/75 natürl. Größe.

Wir dürfen annehmen, daß der neuerdings von Scammon unterschiedene Spitzkopfwal mit dem Zwergwale gleichartig ist. Das Verbreitungsgebiet desselben erstreckt sich demnach über alle rings um den Nordpol gelegenen Meere. Von hier aus wandert er mit Beginn des Winters nach Süden hinab und kommt dann auch an den europäischen, beziehentlich an den oft- und westamerikanischen und ostasiatischen Küsten vor. In der Davisstraße und Baffinsbai sieht man ihn, laut Brown, nur in den Sommermonaten, nicht aber im Winter, während dessen er selbst im Süden Grönlands zu den seltensten Erscheinungen zählt. Daß er weite Wanderungen unternimmt, geht am besten aus den vielen Strandungen gerade dieses Wales an den verschiedensten Küsten Nord- und Westeuropas hervor. Unterwegs verweilt er, je nach Laune und Belieben, längere und kürzere Zeit an nahrungversprechenden Orten, unter Umständen auch während des ganzen Sommers schon an der norwegischen Küste, dringt in Busen und selbst in größere Flüsse ein und reist mit Beginn des Frühjahres in nördlicher Richtung zurück. In ähnlicher Weise durchstreift er einen nicht unbeträchtlichen Theil des Großen Weltmeeres, von der Behringsstraße bis zur Küste von Mejiko hinab, kehrt im Laufe des Sommers wieder nach Norden zurück, jagt und fischt im Behringsmeere und durchschwimmt auch wohl von hier aus die Behringsstraße, um sich im nördlichen Eismeere eine Zeitlang aufzuhalten. In seinen Sitten und Gewohnheiten ähnelt er in vieler Hinsicht dem Finnwale, als dessen Junges er von den Walfängern angesehen zu werden pflegt. Gewöhnlich sieht man ihn einzeln, seltener paarweise und nur dann und wann einmal in größeren Gesellschaften, bald dicht unter der Oberfläche, bald in einer beträchtlichen Tiefe schwimmend, bald mit den bekannten Spielen sich vergnügend. Wenn er an die Oberfläche emporkommt, um zu athmen, wirft er rasch und unter wenig Geräusch einen schwachen und niedrigen Strahl aus, vergleichbar dem, welchen junge Finnwale emporschleudern, wiederholt den Luftwechsel mehrere Male nach einander und versinkt dann für geranme Zeit in der Tiefe. Auf seinen Wanderzügen besucht er nicht allein Buchten aller Art, sondern gesellt sich auch furchtlos zu den Schiffen und taucht in deren Nähe auf und nieder; im hohen Norden dagegen hält er sich mehr an die Eisfelder, schwimmt oft auf weite Strecken unter denselben weg und erscheint dann hier und da in einer Spalte, um Luft zu schöpfen, erhebt sich dabei auch so hoch, daß man den größten Theil seines Kopfes wahrnehmen kann. Wie seine Verwandten nährt er sich vorzugsweise, wenn nicht ausschließlich von kleinen und mittelgroßen Fischen, vielleicht auch Kopffüßlern, und verfolgt seine Beute mit solcher Gier, daß er gerade bei seiner Jagd sehr häufig auf den Strand läuft und in vielen Fällen dadurch sein Leben verliert. Ueber die Zeit der Paarung, der Trächtigkeit und der Geburt fehlen bis jetzt noch genauere Berichte; doch glaubt man, daß das Weibchen elf bis zwölf Monate trächtig gehe und dann ein Junges von etwa 2,5 Meter Länge zur Welt bringt. Scammon fand in der Gebärmutter des von ihm untersuchten Weibchens im Oktober einen fast ausgetragenen Keimling, welcher jedoch kaum 2 Meter lang war.

An den amerikanischen Küsten, und zwar an den westlichen und nördlichen ebensowohl wie an den östlichen, jagt man den Zwergwal nicht, wenigstens nicht regelmäßig, an den nord- und mitteleuropäischen höchstens, wenn er sich in der Nähe des Landes sehen läßt. Unter solchen Umständen sollen sich die Fischer Norwegens, Islands und der Färöerinseln vereinigen, einen Halbkreis um ihn bilden und ihn nun durch Rufen und Schreien so zu erschrecken suchen, daß er auf den Strand oder in seichtes Wasser läuft, wo man über ihn herfallen und ihn tödten kann. Speck und Fleisch gelten als wohlschmeckend und sollen sich eingesalzen lange aufbewahren lassen; auch der Thran wird gerühmt.


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