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Vierte Reihe.
Die Hufthiere.

Zehnte Ordnung.
Die Einhufer ( Solidungula).


Einzige Familie: Pferde ( Equidae)

Alle jetzt lebenden Einhufer bilden eine streng abgegrenzte Gruppe unter den Hufthieren, ähneln sich auch unter einander so, daß man sie nur in einer einzigen Familie vereinigen kann. Einhufer und Pferd sind gleichbedeutend.

Die Pferde ( Equidae) kennzeichnen sich durch mittlere Größe, schöne Gestalt, verhältnismäßig kräftige Glieder und mageren, gestreckten Kopf mit großen, lebhaften Augen, mittelgroßen, zugespitzten, beweglichen Ohren und weitgeöffneten Nüstern. Der Hals ist stark, muskelkräftig, der Leib gerundet und fleischig, das Haarkleid weich und kurz, aber dicht anliegend, im Nacken und am Schwanze mähnig. Der eine ungespaltene und zierliche Huf an den Füßen genügt, um die Pferde von allen übrigen Hufthieren zu unterscheiden. Alle drei Zahnarten in gleicher und beständiger Anzahl, sechs Schneidezähne, sechs lange, vierseitige Backenzähne mit gewundenen Schmelzfalten auf der Kaufläche und kleine, hakige, stumpfkegelförmige Eckzähne bilden das Gebiß. Am Gerippe fällt die Länge des Schädels auf, bei welchem nur ein Drittel auf den Hirnkasten, zwei Drittel aber auf den Antlitztheil kommen. Die Brust wird von sechzehn Wirbeln umschlossen, der Lendentheil von acht, das Kreuzbein von fünf Wirbeln gebildet, während die Schwanzwirbel bis zu einundzwanzig ansteigen. Von den Verdauungswerkzeugen verdient die enge Speiseröhre, deren Mündung in den Magen mit einer Klappe versehen ist, besondere Beachtung. Der Magen selbst ist ein einfacher, ungetheilter, länglichrunder, ziemlich kleiner Sack.

Als ursprüngliches Verbreitungsgebiet der Pferde, deren Resten wir zuerst in den Schichten der Tertiärzeit begegnen, hat man den größten Theil von Mittel- und Nordeuropa, Mittelasien und Afrika anzusehen. In Europa scheinen die wilden Pferde vor noch nicht allzulanger Zeit ausgestorben zu sein; in Asien und Afrika schweifen sie noch heutigen Tages herdenweise durch hochgelegene Steppen und Gebirge. Gras, Kräuter und andere Pflanzenstoffe überhaupt dienen ihnen zur Nahrung; in der Gefangenschaft haben sie gelernt, selbst thierische Stoffe zu genießen.

Alle Pferde sind lebendige, muntere, bewegliche, kluge Thiere, ihre Bewegungen anmuthig und stolz. Der gewöhnliche Gang der freilebenden Arten ist ein ziemlich scharfer Trab, ihr Lauf ein verhältnismäßig leichter Galopp. Friedlich und gutmüthig gegen andere Thiere, welche ihnen nichts zu Leide thun, weichen sie den Menschen und den größeren Raubthieren mit ängstlicher Scheu aus, vertheidigen sich aber im Nothfalle durch Schlagen und Beißen muthig gegen ihre Feinde. Ihre Vermehrung ist gering. Die Stute wirft nach langer Tragezeit ein einziges Junge.

Mindestens zwei, wahrscheinlicher drei Arten der Familie sind von dem Menschen unterjocht worden. Keine Geschichte, keine Sage erzählt uns von der Zeit, in welcher sie zuerst zu Hausthieren gewonnen wurden; nicht einmal über den Erdtheil, in welchem man die ersten Pferde zähmte, ist man im reinen. Vor allen anderen glaubt man mittelasiatischen Völkern den Erwerb des Pferdes danken zu dürfen, es fehlt uns jedoch jeder sichere Anhalt über die Zeit und das Volk, auf welche wir unsere Blicke richten könnten.

»Auf den altegyptischen Denkmälern«, so theilt mein gelehrter Freund Dümichen mir mit, »begegnen uns Abbildungen von Pferden nicht vor den Zeiten des neuen Reiches, also nicht vor dem achtzehnten oder siebenzehnten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Erst nach der Befreiung vom fremdländischen Joche der asiatischen Hyksos, welche nahezu ein halbes Jahrtausend über Egypten geherrscht hatten, mit Beginn des neuen Reiches also, berichten uns bildliche Darstellungen und Inschriften über den Gebrauch des Pferdes bei den alten Bewohnern des Nilthales. Ich glaube jedoch keineswegs, daß wir durch dieses Schweigen der älteren Denkmäler, oder vielleicht richtiger gesagt, daß wir deshalb, weil bis jetzt noch kein Denkmal der früheren Zeit aufgefunden worden, welches von dem Vorhandensein des Pferdes und dem Gebrauche desselben Meldung thut, nun schon zu dem Schlusse berechtigt wären, das Pferd sei im alten Egypten vor dem achtzehnten Jahrhundert unbekannt gewesen. Für die von Ebers aufgestellte Behauptung: ›Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses Thier von den Hyksos in Egypten eingeführt worden ist‹, fehlt jeder Beweis. In Bezug hierauf theile ich vollständig die von Chabas ausgesprochene Ansicht, daß alle auf uns gekommenen Zeugnisse schließen lassen, jene Barbaren hätten weder Wagen noch Pferde besessen, und daß demgemäß die alten Egypter das Pferd schon lange vor der Herrschaft besagter Barbaren gekannt haben müssen, da die Zähmung und Anschirrung des Rosses eine längere Anwesenheit desselben im Pharaonenlande voraussetzt. Hehns Einwand gegen letzterwähnte Annahme, daß es sich in diesem Falle ›um ein fertig von den Nachbarn überkommenes, längst an den Dienst des Menschen gewöhntes Thier‹ gehandelt habe, erachte ich nicht für stichhaltig. Denn wenn es auch begründet sein mag, daß die Egypter von ihren Nachbarn das Pferd als ein bereits an den Dienst des Menschen gewöhntes Hausthier übernahmen, so werden wir doch wohl kaum bezweifeln können, daß eine lange Uebung im Gebrauche des so eigenartigen Geschöpfes vorausgegangen sein muß, bevor die Egypter im Stande waren, sich seiner so geschickt zu bedienen, wie dies schon bei Beginn des neuen Reiches der Fall gewesen ist. Noch weniger kann ich mich mit Hehns Worten einverstanden erklären: ›Uebrigens wurde auch in Egypten, wie bei den Asiaten, das Pferd zu kriegerischen Zwecken gehalten; über seine Anwendung bei häuslichen und ländlichen Arbeiten sind die Bildwerke stumm; denn das wenige, welches dahin zu deuten wäre, dürfen wir als allzu zweifelhaft unbeachtet lassen.‹ Allerdings bediente man sich in Egypten vom siebenzehnten Jahrhundert an des Pferdes vorzugsweise zu Kriegszwecken. Die Heerzüge der Egypter des neuen Reiches gewinnen ein gänzlich verändertes Aussehen. Während wir auf den Denkmälern des alten Reiches nur schwer und leicht bewaffnete Fußtruppen dargestellt finden, nehmen nunmehr im egyptischen Heere die mit Rossen bespannten Streitwagen den hervorragendsten Platz ein in den kämpfenden Reihen, deren Eroberungszüge bis tief hinein in das benachbarte Asien, bis in die Länder des Euphrat und Tigris, sich erstrecken. Und diese für die damalige Zeit bezeichnende Verwendung von Roß und Wagen zu Kriegszwecken ist es, welche die Egypter in der That erst von den mit dem Pferde so vertrauten Reitervölkern Asiens, zu denen jedoch das Hirtenvolk der Hyksos nicht gehörte, erlernt zu haben scheinen. Einzig und allein zum Kriege aber benutzte man das Roß nicht; denn verschiedene Inschriften stellen es außer Zweifel, daß der alte Egypter auch bei häuslicher und ländlicher Beschäftigung des Pferdes sich bediente. In der altegyptischen Sprache kommen als Bezeichnung des Pferdes die Worte ›Hetar‹ (eigentlich ›Paar‹ oder ›Zweigespann‹, dann auch ›Wagen‹ bedeutend, im Koptischen erhalten in dem Worte ›Heto‹) und sehr häufig ›Sesem‹, ›Semsen‹, ›Sems‹ und ›Ses‹ vor; wenn also, wie dies wiederholt der Fall ist, die Texte von egyptischen ›Reitern‹ sprechen, welche bekanntlich weder im alten, noch im mittleren, noch im neuen Reiche im Heere gebräuchlich waren; wenn in den Inschriften geredet wird von › tes her sesem‹, d. i. ›Steigen zu Pferde‹, von › henxsi her sesem‹ oder ›Sitzen zu Pferde‹, von ›men her hetar‹ oder ›Festsein zu Pferde‹, von ›langem und angestrengtem Reiten‹, so kann sich dies niemals auf die Benutzung des Pferdes im Kriege beziehen. Zu Pferde macht der vornehme Egypter Ausflüge auf seinen Landsitz; des Pferdes bedient er sich auf Reisen, ein Pferdegespann wird herausgeführt zur Bestellung des Ackers; dem Landmanne ›fällt das Pferd im Ziehen des Pfluges‹ etc. Kurz, eine Menge von Stellen beweisen, daß man das edle Haus- und Nutzthier bereits im alten Egypten allseitig zu verwenden wußte.«

Ungleich spärlicher als die egyptischen fließen alle übrigen Quellen über die früheste Benutzung des Pferdes. Wir nehmen an, daß man dieses in China und Indien ungefähr zu derselben Zeit wie in Egypten als Hausthier verwendete, sind jedoch außer Stande, solches zu beweisen; wir haben seine Reste in den aus der späteren Steinzeit stammenden Pfahlbauten der Schweiz gefunden, vermögen aber nicht, diese Zeit näher zu bestimmen.

 

Noch gegenwärtig schwärmen in den Steppen Südosteuropas Pferdeherden umher, welche von einzelnen als die wilden Stammeltern unseres Hausthieres, von anderen als von diesem herstammende und wieder verwilderte Nachkömmlinge desselben betrachtet werden. Diese Pferde, welche man Tarpane nennt, haben alle Eigenschaften echt wilder Thiere an sich und werden von Tataren und Kosaken als solche angesehen. Der Tarpan ist ein kleines Pferd mit dünnen, aber kräftigen, langfesseligen Beinen, ziemlich langem und dünnem Halse, verhältnismäßig dickem, rammsnasigem Kopfe, spitzigen, nach vorwärts geneigten Ohren und kleinen, lebhaften, feurigen, boshaften Augen, seine Behaarung im Sommer dicht, kurz, gewellt, namentlich am Hintertheile, wo sie fast gekräuselt genannt werden kann, im Winter dagegen dicht, stark und lang, zumal am Kinne, wo sie fast einen Bart bildet, die Mähne kurz, dicht, buschig und gekräuselt, der Schwanz mittellang. Ein gleichmäßiges Fahlbraun, Gelblichbraun oder Isabellgelb bildet die vorherrschende Färbung des Sommerkleides; im Winter werden die Haare heller, bisweilen sogar weiß; Mähne und die Schwanzhaare sehen gleichmäßig dunkel aus. Schecken kommen niemals vor, Rappen sind selten.


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