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Zwölfte Ordnung.
Die Vielhufer (Multungula).


[Allgemeines]

Ein verfallendes Geschlecht, die letzten Stammhalter einer vormals zahlreichen Abtheilung der Säugethiere, treten vor uns in den Vielhufern. Sie erscheinen uns als lebende Zeugen früherer Schöpfungsabschnitte, als auf uns überkommene vergangener Erdentage. Die Riesen aus anderen Ordnungen, welche neben ihnen in der Vorzeit lebten, sind längst gestrichen aus dem Buche der Lebendigen, nur sie noch gleichen den gewaltigen Geschöpfen, welche einstmals unsere Erde bevölkerten. Jetzt stehen sie allein, fast jeder vereinzelt, weit getrennt von den übrigen, welche wir mit ihnen zu einer Ordnung rechnen, weil die Verbindungsglieder ausgestorben, die Lücken zwischen ihnen bedeutende geworden sind. Aus diesem Grunde stimmen die Forscher hinsichtlich der Begrenzung der Ordnung nicht mit einander überein; einzelne wenigstens wollen die Zusammengehörigkeit der Vielhufer nicht anerkennen und reihen sie nicht weniger als vier verschiedenen Ordnungen ein, indem sie diese mit den Einhufern, jene mit den Wiederkäuern vereinigen und zwei Familien zu besonderen Ordnungen erheben. Obwohl ich die Gewichtigkeit der hierzu bestimmenden Gründe nicht verkennen oder unterschätzen will, habe ich mich doch nicht entschließen können, dem gegebenen Beispiele zu folgen, es vielmehr für zweckmäßiger erachtet, die dem größeren Theile meiner Leser bekanntere und verständlichere Zusammenfassung der vielhufigen Säugethiere nicht zu zersplittern, zumal ich der neuerlichen, auf die Deutung Owens begründeten Auffassung im nachstehenden Rechnung tragen werde.

Die Vielhufer, gegenwärtig die einzigen Riesen unter den Landsäugethieren, kennzeichnen sich durch plumpen, massigen Leibesbau. Die Glieder sind kurz und dick, die Füße drei- bis fünfzehig; jede Zehe wird von einem besonderen Hufe umschlossen. Bei mehreren Arten verlängert sich der Antlitztheil, bei einigen streckt sich die Nase in auffallender Länge als Rüssel hervor. Der Hals ist kurz, vom Leibe kaum abgesetzt; der Schwanz erreicht selten das Fersengelenk; die Ohren schwanken in weiten Grenzen; die Augen sind durchschnittlich klein, gleichsam verkümmert. Eine dicke, oft nur mit wenigen, seltener mit dicht stehenden Borsten bedeckte, auf große Stellen hin fast gänzlich kahle Haut umhüllt den Leib; eine einzige Familie nur erinnert hinsichtlich ihrer Bekleidung noch an die pelzbekleideten Vielhufer der Vorwelt.

Der innere Leibesbau steht mit der Massenhaftigkeit der Thiere im Einklange. Alle Knochen sind schwer, kurz und massig. Am Schädel überwiegt der Antlitztheil gewöhnlich den hirntragenden beträchtlich; bei einigen findet aber auch das umgekehrte statt. Die Halswirbel sind kurz, ihre Dorn- und Querfortsätze sehr entwickelt, obgleich nicht so wie an den dreizehn bis einundzwanzig Rückenwirbeln, welche nebst den drei bis acht Lendenwirbeln, den vier bis acht, meist innig mit einander verwachsenen Kreuzwirbeln und den sieben bis siebenundzwanzig Schwanzwirbeln die Wirbelsäule zusammensetzen. Die Rippen, von denen der geringere Theil an das Brustbein sich anheftet, sind breit und nicht auffallend gekrümmt. Das Schlüsselbein fehlt, und das Bein kann deshalb nur als Stütze des Körpers gebraucht werden. Das Gebiß ist sehr verschieden. Gewöhnlich finden sich alle drei Zahnarten; ausnahmsweise aber fehlen wenigstens theilweise die Schneide- oder Eckzähne. Die Backenzähne zeichnen sich durch ihre Falten und Höcker aus. Der Magen ist ziemlich einfach, bei einigen jedoch in zwei Abtheilungen geschieden. Der Darmschlauch mißt gewöhnlich die zehnfache Länge des Leibes.

Die Vielhufer bevölkerten unsere Erde zuerst in der Tertiärzeit; der größte Theil aller damals lebenden verschwand aber bereits vor der Diluvialzeit und wurde durch andere Arten und Sippen der Ordnung ersetzt, von denen einige auf unsere Tage herübergekommen sind. Vormals bewohnten sie die ganze Oberfläche der Erde; gegenwärtig leben sie nur in warmen Ländern, zumeist in feuchten, schattigen Wäldern, hauptsächlich in den Urwaldungen unter den Wendekreisen. Sie ähneln sich vielfach, unterscheiden sich aber noch weit mehr, so daß wir jedenfalls wohl thun, das allgemeine so kurz als möglich zu behandeln und dafür alsbald zur ausführlichen Betrachtung der hauptsächlichsten Familien überzugehen.


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