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Gegensätze

Der längst erwartete Besuch war da.

Ottfrieds jüngerer Sohn, Dr. Heinrich Edel, war ein hochgewachsener junger Mann, mit breiten Schultern und starken Knochen, körperlich weniger zum Stubengelehrten, als zum Landwirth berufen. Er hatte die ausdrucksvollen Gesichtszüge des Vaters und den Charakter seiner Mutter. Auszeichnungen gefielen ihm sehr, und nach einer hervorragenden Lebensstellung ging sein Streben.

Der Universitätsprofessor Dr. Uebel stand bereits in vorgerückten Jahren und im höchsten Ansehen vor den Männern der Wissenschaft. Bei seinen physiologischen Studien gerieth er so tief in die Materie hinein, daß ihm die höhere Welt und der religiöse Glaube verloren gingen. Die organische Schöpfung construirte er aus der Entwickelung der Zelle, die Materie war von Ewigkeit und der Stoff sein Gott. Der strenge, geregelte und gesetzmäßige Kreislauf der Himmelskörper war ihm das Produkt sich ausgleichender Schwerkraft, – aber den Gesetzgeber und Ordner der Gesetze der Schwerkraft konnte er nirgends entdecken. Ebensowenig wußte er, woher die erste Zelle und der Urstoff kamen, wenn ihm entgegengehalten wurde, daß Theilbares, wie es der Stoff ist, unmöglich absolut oder ewig sein könne. Mit gleicher Erfolglosigkeit bemühte sich der gelehrte Physiologe, die Schwierigkeit zu heben, wie aus dem todten, geistlosen Stoff lebendige Wesen, sogar der denkende, vernünftige Mensch entstehen konnten. Allein das wissenschaftliche System Dr. Uebels entsprach dem neudeutschen Zeitgeiste, es bekämpfte den religiösen Glauben, befehdete mit schneidiger Schärfe die katholische Kirche, – und diese Tendenz ersetzte alle Mängel. Für die Abstammung des Menschen vom Affen hatte er jedoch viele Beweise zusammengetragen, die er seinen jugendlichen Zuhörern vom Lehrstuhle mit unfehlbarer Autorität vortrug. Wegen dieser Vorliebe für den Affen und wegen seiner ungewöhnlich langen Arme und des schlotternden Kniewerkes, nannten ihn die Studenten scherzweise Dr. Gorilla. Im Umgang zeigte jedoch der gelehrte Professor nichts Affenartiges. Er betrug sich menschlich und zartfühlend genug, den gläubigen Edelhof durch seine Wissenschaft nicht zu verletzen; denn es hatte ihn Dr. Heinrich von der strengen Gläubigkeit seiner Familie unterrichtet.

Fräulein Thusnelda, Uebel's Tochter, war ein selbstbewußtes, gescheidtes und verblüthes Frauenzimmer, das vor dem Verblühen ebenso wenig anziehend sein mochte, wie nach demselben. Sie wußte über jeden Gegenstand zu sprechen, gleich ihrem Vater, und ihrer Rede Strom floß unerschöpflich, sobald sie geduldige Zuhörer fand.

»Unser Aufenthalt,« sagte sie, gleich beim ersten Begegnen mit der Familie Edel, »kann leider nur ein kurzer sein, – gleichsam eine Ruhepause auf unserer Reise nach Italien, wohin Herr Dr. Edel uns zu begleiten die Güte hat, und auch die Sorge für seine Gesundheit. Die Studien zur Promotion waren sehr anstrengend, und da er mit Auszeichnung promovirte, so werden die geschätzten Aeltern dem Erholungsbedürftigen die Ferienreise wohl gestatten.«

»Die Bemerkung meiner Tochter entspricht vollkommen der Wirklichkeit,« bestätigte Dr. Uebel. »Ihr Herr Sohn hat in der That mit seltener Auszeichnung promovirt. Eine glänzende Laufbahn steht ihm bevor, die er, wenn mein Einfluß in dieser Richtung noch maßgebend ist beim Cultusministerium, schon im nächsten Semester als Privatdocent an der Universität beginnen wird.«

Dieses Lob ihres Sohnes, aus dem Munde einer wissenschaftlichen Größe, erfüllte die eitle Mutter mit Entzücken. Nicht minder schmeichelte ihr der nahe bevorstehende Anfang einer glänzenden Laufbahn.

»Wir sind Ihnen außerordentlich zum Dank verpflichtet, Herr Professor!« sprach sie. »Ohne Ihre einsichtsvolle Leitung und weise Führung dürfte Heinrich solche Erfolge nicht errungen haben.«

»Die Errungenschaft ist ganz auf meiner Seite, gnädige Frau!« versetzte artig der Professor. »Seltene Kräfte und reiche Begabung für die Wissenschaft zu gewinnen, ist das eifrige Streben aller Jünger der Wissenschaft, – und Herr Dr. Edel ist eine seltene Kraft.«

Die nervöse Dame weinte fast vor Rührung und mütterlichem Hochgefühl.

Herr Ottfried hingegen saß ernst, kein Merkmal der Freude in seinem strengen Gesicht.

»Gegen die Reise meines Sohnes nach Italien habe ich nichts einzuwenden,« sprach er, »zumal Gesundheitsrücksichten dieselbe gebieten. Dagegen wünschte ich den Aufenthalt im Süden nicht für die ganze Ferienzeit. Wir haben seit drei Jahren Heinrich nicht mehr gesehen und möchten ihm wenigstens für einige Wochen im Familienkreise begegnen.«

»Ich theile Deinen Wunsch, Vater, und werde ihn erfüllen,« sprach der junge Gelehrte.

Am folgenden Morgen lustwandelten beide Doktoren und Thusnelda im Garten.

»Aber, lieber Doktor, Sie haben ja niemals ein Wort von Beata gesprochen,« sagte der Professor. »Ich dächte, ein Mädchen von einer solchen überraschenden Schönheit sei einer Erwähnung doch werth.«

Thusnelda beobachtete mit fast eifersüchtigen Augen den stattlichen jungen Mann, der lächelnd vor sich hinsah.

»Ich gebe mich eines Uebersehens schuldig, das in dem Umstande liegen mag, niemals zu einer Erwähnung Beata's veranlaßt worden zu sein. Als ich vor drei Jahren hier weilte, kam sie gerade aus dem Pensionat der Klosterfrauen und war so klösterlich zurückhaltend, daß ich ihre Gegenwart kaum bemerkte. Nun hat sie dermaßen sich körperlich entwickelt und verändert, daß ich sie kaum wieder erkannte. In der tüchtigen Schule meiner Mutter scheint sie eine zweite, für Alles besorgte Martha geworden zu sein.«

»Sehr treffend, – die personifizirte Sorge und Häuslichkeit!« bestätigte Thusnelda. »Sofort bemerkte ich ihre Unruhe und Qual, wenn Anstandsregeln im Familienkreise sie festhielten, und der Zwang ihr nicht gestattet, ihren Sorgen um den Haushalt nachzukommen. Dieses Aufgehen im häuslichen Beruf ist jetzt eine höchst seltene, man könnte sagen, veraltete Eigenschaft. Wie Alles ächt, fest und altdeutsch ist in Ihrem stattlichen Vaterhause, so auch Fräulein Beata, – eine altdeutsche Jungfrau, die man sich ohne Spinnrocken, Webstuhl und Schlüsselbund gar nicht denken kann.«

Dem jungen Manne entging der feine Spott der Rede nicht, und er wunderte sich, wie sein Empfinden für Beata dagegen protestirte.

»Sie ist ein angenommenes Kind Ihrer Aeltern? Woher stammt sie?« frug der wißbegierige Professor.

»Aus einer alten, jedoch verunglückten Familie,« antwortete Heinrich. »Die Mutter starb bald nach Beata's Geburt, und ihr Vater, Rittmeister Veit von Bickenbach, war ein dem Hazardspiel ergebener Mann, der sich erschoß. Mein Vater nahm das verlassene Kind in sein Haus und ließ ihm eine gute Erziehung geben. – – Beata zählt nun fast zwanzig Jahre, besitzt aber, wie Sie bemerkt haben werden, den Ernst und die Reife eines weit späteren Lebensalters.«

»Diese Umstände machen Fräulein Beata noch interessanter,« sagte Thusnelda. »Bisher konnte ich nur einige flüchtige Worte mit ihr wechseln, und es ist wohl keine Hoffnung, mit der stets Thätigen eine längere Unterhaltung anknüpfen zu können.«

»Dafür lassen Sie mich sorgen,« erwiderte Dr. Edel. »Morgen ist Sonntag. Für den Nachmittag werde ich einen ausgedehnten Spaziergang vorschlagen, bei welcher Gelegenheit Sie das Interesse für Beata befriedigen können.«

Im Grunde war jedoch das Interesse Heinrichs weit größer für Beata, als jenes der Professorstochter.

Feierliche Sonntagsruhe lag über dem Edelhofe und seinen Fluren. Thusnelda stand auf einem Söller und genoß die hübsche Aussicht, auf die Landschaft. Da klangen die Tritte vieler Menschen von der Straße herauf. Die Spitze eines langen Zuges wurde sichtbar. Voraus gingen die drei jungen Edel, Dr. Heinrich, Walther und Friedrich. Dann folgten Männer und Weiber, Burschen, Mädchen und Kinder, alle im Sonntagsstaate. Sie alle trugen Gebetbücher in den Händen und ihr Verhalten war ruhig, wie es sich für Kirchengänger ziemt.

Thusnelda wandte sich nach dem Innern des Zimmers, wo Dr. Uebel vor einem alten, in hartes Schweinsleder gebundenen Folianten saß, den er sich aus der reichhaltigen Bibliothek des Edelhauses genommen.

»Papa, komme doch und siehe!«

»Was giebt's denn?« klang eine unwillige Stimme aus dem Zimmer.

»Komme doch, – etwas Merkwürdiges!«

Er trat auf den Söller. Thusnelda deutete nach dem Zuge.

»Eine Procession?«

»Der übliche Kirchengang des Edelhauses mit seinen Sassen, – auch das ist altdeutsch!« sagte Thusnelda. »Im neudeutschen Leben finden sich solche Erscheinungen einer überwundenen Zeit nur noch in zurückgebliebenen ultramontanen Gegenden, – klägliche Ueberreste des Aberglaubens. – – Und wen sehen wir an der Spitze der Wallfahrer? Unseren frommen Doktor.«

»Muß gestehen, er macht der religiösen Beschränktheit seiner Familie allzuweitgehende Zugeständnisse,« sprach unmuthsvoll der Professor. »Sogar das hier übliche Tischgebet kann er nicht überwinden und bekreuzt sich, wie ein Capuziner. Das ist unmännliche Schwäche. Ein Mann der exakten Wissenschaft muß sich über Gottesdienst, Gebet und dergleichen religiöse Albernheiten erheben, selbst auf die Gefahr, Anstoß zu erregen. Ich beklage diesen unvereinbaren Gegensatz des Gelehrten mit den Forderungen wissenschaftlicher Bildung.«

»Wer weiß, vielleicht ist dieser Gegensatz tiefer, als wir vermuthen,« erwiederte Thusnelda. »Vielleicht hat das Wissen unseres Doktors den Glauben noch nicht überwunden. Ohnehin Gefühlsmensch, beherrscht wohl sein inneres Wesen die Religion, während die Wissenschaft ihm nur etwas Aeußeres ist, wie dem Schuster das Leder, das er bearbeitet.«

Eine offene Kutsche rollte durch das Thor über die Straße. Herr Ottfried fuhr mit Frau Clara und Beata zum Gottesdienste.

»Eine prächtige Equipage!« rühmte Thusnelda. »Die spiegelblanken stolzen Rappen glänzen fast noch mehr, als das silberne Geschirr.«

Durch die Züge des Professors glitt eine feindselige Stimmung.

»Mich kostet es zuweilen die größte Ueberwindung, im Laufe der Unterhaltung nicht Widerspruch zu erheben, gegen die beschränkten Ansichten dieser Familie. Walther ist ein Mensch von unerträglicher Einseitigkeit und Ignoranz, – und noch einseitiger ist sein Vater.«

»Beherrsche Dich, – Du weißt ja, in unserem Interesse!« rieth Thusnelda. »Unser Aufenthalt hier ist doch nur ein flüchtiger. Haben wir Dr. Heinrich gewonnen für uns und die Wissenschaft, dann sind alle überstandenen Unannehmlichkeiten reichlich ersetzt.«

Die Glocken des Dorfes läuteten zusammen. Ihre Stimmen bildeten gleichsam die belebende Seele in dem friedlichen Landschaftsbilde der Sonntagsfeier.

Dr. Uebel warf einen ärgerlichen Blick nach dem Lärm des Glockenthurmes und kehrte zu seinem Folianten zurück. Thusnelda stieg in den Garten hinab.

Heinrichs Vorschlag zu einem ergiebigen Spaziergang des Nachmittages fand allgemeine Zustimmung. Nur Frau Clara schloß sich aus, da ihre Nerven der Ruhe bedurften. Sie saß vor dem Doktor-Diplom ihres Sohnes, der neben ihr Platz genommen und den lateinischen Text übersetzte. Dann blickte sie ihn zärtlich an und besorgt ruhte das Mutterauge auf dem Liebling.

»Das Studium hat Dich sehr angestrengt, lieber Heinrich! Fast überarbeitet siehst Du aus. Ein längerer Aufenthalt in unserer gesunden Luft wäre Dir heilsam.«

»Gewiß, mein liebes Mütterchen! Ich trenne mich sehr ungern von Dir. Aber ein Verzicht auf die italienische Reise wäre für Dr. Uebel eine schwere Kränkung. Seine Stellung an der Universität ist maßgebend und sein Einfluß beim Cultusministerium allvermögend. Im Vertrauen hat er mir gestanden, daß ihm Minister Dr. von Fuchs meine vorläufige Ernennung zum Privatdocenten an der Hochschule bereits zugesagt. Du siehst also, wir bedürfen dieses mächtigen Mannes und müssen uns hüten, ihn zu verletzen.«

Sie nickte beistimmend. Zur Förderung einer glänzenden Stellung ihres Sohnes brachte ihr Ehrgeiz jedes Opfer.

»Dr. Uebel ist zwar ein berühmter und einflußreicher Mann,« hob sie wieder an. »Leider ist er ungläubig, und ich fürchte sehr, der Umgang mit ihm möchte Deine religiöse Ueberzeugung erschüttern.«

»Fürchte deßhalb nichts, liebe Mutter!« tröstete er. »Was Du in frühester Kindheit schon in meine Seele gegossen, wird keine Wissenschaft zerstören.«

Sie blickte ihn scharf an, und er senkte die Augen vor dem ängstlich forschenden Blicke der Mutter.

»Du weißt, Heinrich, welche Mühe es mich kostete, Deinen Vater zu bestimmen für Deine wissenschaftliche Laufbahn. Verlörest Du nun das Höchste und Heiligste durch die Wissenschaft, Deinen religiösen Glauben, – ich allein trüge die Schuld. Ich vermöchte es nicht, ein solches Unglück zu überstehen, – es wäre mein Tod.«

Sie zitterte heftig und Thränen stürzten aus ihren Augen.

»Um Gotteswillen, – beruhige Dich, – ängstige Dich nicht durch Wahngebilde!« sagte betroffen der junge Mann, welcher seine Mutter innig liebte. »Fordert es Dein Friede, Deine Beruhigung, dann entsage ich meinem Berufe, kehre hierher zurück und theile die Sorgen des Vaters in der Verwaltung unserer Güter.«

»Nein, Kind, – nein, – dieses Opfer kann Deine Mutter nicht verlangen!«

Beata trat ein, zum Spaziergange fertig. Sie trug ein lichtes, einfaches Kleid, auf dem Haupte einen weißen Strohhut und im Angesichte ein fast muthwilliges Lächeln.

»Aller Augen warten auf Sie, Herr Doktor! Ist es gefällig, – oder wollen Sie uns allein ziehen lassen?«

Der junge Mann sah unverwandt auf die bezaubernde Erscheinung und rührte sich nicht von der Stelle.

»Beata, – ich sehe und staune!«

»Weßhalb, – wenn ich bitten darf?«

»Ueber die plötzliche Verwandlung unserer stets ernsten, sorgenvollen Beata in ein heiteres, sorgloses Mädchen.«

»Diese Verwandlung danke ich Deiner Güte, die mich der täglichen Haussorgen für einige Stunden enthebt. – Nun komme, man wird ungeduldig.«

Er küßte seine Mutter und verließ mit Beata das Zimmer.

Die Spaziergänger setzten sich in Bewegung, voraus Heinrich mit Beata und Thusnelda. Herr Ottfried und Walther folgten mit dem Professor in ihrer Mitte.

»Ist es weit nach dem Klosterberge?« frug Dr. Uebel.

»Eine kleine Stunde.«

»Ist der Berg hoch?«

»Nur etwa vierhundert Fuß, das Aufsteigen bequem und die Aussicht sehr lohnend,« antwortete Walther. »Sehen Sie dort die Ruinen?«

»In der That malerisch! – – Welcher Orden hauste dort oben?«

»Benediktinermönche.«

»Wahrscheinlich wurde das Kloster im Bauernkriege zerstört?«

»Hundert Jahre später, im dreißigjährigen Kriege,« antwortete Ottfried. »Einem Grafen von Pickenhelm gebührt der traurige Ruhm, jene Stätte des Gebetes und der Arbeit vernichtet zu haben. Die meisterhaft geschriebenen und ornirten alten Bücher, welche Sie in unserer Familienbibliothek bewundert haben, gingen alle aus jenem Kloster hervor.«

»Die hohen Verdienste der Klöster, in Erhaltung und Verbreitung classischer Werke, welche ohne den Fleiß der Mönche ohne Zweifel für die Nachwelt verloren wären, sind unbestreitbar und von jedem Geschichtskundigen rühmend anerkannt,« sagte der Professor. – »Weßhalb zerstörte Graf Pickenhelm das Kloster?«

»Weil er die Durchführung der Reformation in dieser Gegend für eine Aufgabe seines Geschlechtes hielt,« antwortete Ottfried. »Darum vertrieb er Mönche und katholische Pfarrer, brannte Klöster und Kirchen nieder, – ohne seinen Zweck zu erreichen. Jenes Grafengeschlecht ist längst ausgestorben, – die katholische Kirche aber blieb unerschüttert.«

»Selbstverständlich!« sprach kopfnickend der Professor. »Diesen Wahn, die Reformation, oder die subjektive Protestation gegen jede Glaubensnorm, – oder wissenschaftlich gesprochen, die religiöse Negation in der Form des Kirchenkultus durchzuführen, mit Beseitigung des katholischen Dogmenkultus, – diesen Wahn theilten schon manche kleinen und großen Souveräne mit dem Grafen Pickenhelm. Die katholische Kirche ist eine internationale Institution, eine geistige Weltmacht, der mit Schwertern, Feuerbränden und Kanonen nicht beizukommen. Schon die sehr blutigen und grausamen dreihundertjährigen Verfolgungen der römischen Imperatoren haben dies schlagend bewiesen. Ideen können nur durch Ideen überwunden werden, – nicht durch Gewalt und Strafgesetze. Könnte etwas den religiösen Ideen gefährlich sein, so wäre es die moderne Wissenschaft.«

»Durch Verleitung Unkundiger auf Abwege, – ja!« versetzte Ottfried. »Dagegen erreicht den sicheren Standpunkt des Gläubigen keine Wissenschaft, weil für ihn Dogmen und Moral göttlicher Offenbarung entspringen. Nach Ansicht des gläubigen Christen hat sich die Wissenschaft nach den Dogmen zu richten, aber nicht umgekehrt.«

»Ich kenne dieses Axiom strenger Gläubigkeit, welches die freie Wissenschaft in Fesseln schlägt,« warf Dr. Uebel etwas spitzig hin.

»So nicht, Herr Professor! Auch die Kirche gestattet freie Bewegung der Wissenschaft, jedoch innerhalb jener Grenzen, welche die von Gott gegebenen dogmatischen und moralischen Wahrheiten ziehen. Sobald die Wissenschaft zur Lüge wird, indem sie Gottes Offenbarungen anfeindet, hat sie die Freiheit mißbraucht, wirkt verderblich und kann von der Kirche unmöglich gebilligt werden.«

»Nach Anschauung der Gläubigen,« ergänzte Dr. Uebel.

»Ja!« versetzte kurz Herr Ottfried.

Die Unterhaltung stockte. Ein spöttisches und feindseliges Lächeln spielte in den Zügen des Professors. Er gedachte indessen der Mahnung seiner klugen Tochter und verließ den Gegenstand.

Unter gleichgültigen Gesprächen gelangte man zu dem Fuße des Klosterberges und betrat den sanft emporsteigenden Weg. Zu beiden Seiten lagen weitgedehnte Ackerflächen, mit Zuckerrüben bestellt, deren breites Blätterwerk den Boden unsichtbar machte.

»Herrliche Tabakfelder!« rühmte Professor Dr. Uebel, auf die Zuckerrüben deutend. »Niemals habe ich Tabakblätter von solcher Größe und Ueppigkeit gesehen.«

Herr Ottfried lächelte und schwieg.

»Um Vergebung, – das sind Zuckerrüben, kein Tabak,« erklärte Walther. »Sehen Sie, da drüben, jene silbergrün schimmernden Felder sind Tabak.«

Der gelehrte Physiologe stand verlegen vor den Zuckerrüben, faßte sich jedoch rasch.

»Also eine Sinnestäuschung meinerseits, – nebenbei ein grober Verstoß gegen die Wirklichkeit des Seins.«

»Irren ist menschlich!« tröstete Herr Ottfried.

»Für den Gelehrten aber die schwerste Sünde,« bekannte in stolzer Demuth der Professor.

»Trotzdem ist Ihr Irrthum bei weitem nicht so groß, als der jener westphälischen Bauern, welche den berühmten Dichter Voltaire für einen Affen hielten,« sagte Walther. »Zuckerrüben für Tabak anzusehen, geht noch an, – aber den Menschen für einen Affen zu halten, ist unverzeihlich.«

Dies war ein sehr empfindlicher Stich für die Affentheorie Dr. Uebels. Er sah den jungen Mann scharf an. Walther ging jedoch mit der unbefangensten Miene neben ihm, und hatte nur ganz zufällig dem Affenprofessor wehe gethan.

Dis Spitze des Hügels war erstiegen.

»Siehe doch, Papa, welche entzückende Aussicht!« rief Thusnelda. »Wie prächtig, – wonnevoll, – allerliebst, – wunderhübsch, – – – gottvoll! Schon eine viertel Stunde stehe ich hier und sehe, ohne zu ermüden.«

»Das will sagen, Deine jungen Beine sind um eine viertel Stunde meinem Fußwerk voraus,« entgegnete Papa Uebel, indem er den Schweiß von der Stirne trocknete und sich auf eine Bank niederließ. »Die Aussicht ist wirklich hübsch!«

»Jetzt zu den Klosterruinen, wo es Manches zu sehen giebt,« sagte Dr. Heinrich, mit beiden Mädchen den alten Mauern nahend.

Die Männer auf der Ruhebank blickten schweigend in die Landschaft. Am Fuße des Hügels sangen Burschen und Mädchen sehr anzügliche Lieder. Die Sänger auf dem Rain konnte man nicht sehen, weil Baumkronen sie verdeckten.

Der Professor vernahm den Gesang und kannte den Text der Lieder. Er lächelte und es stachelte ihn, die Gläubigen zu necken.

»Als noch die Mönche ihre Metten hier sangen, mochten am Fuße des Klosterberges solche heitere Lieder nicht gehört worden sein,« begann er. »Damals klangen ernste Kirchenmelodien nicht blos in den Liedern, sondern durch alle Lebensverhältnisse. Mit Recht führte das Mittelalter den Wahlspruch: Christus vincit, Christus regnat, Christus gubernat; – denn Alle und Alles beherrschte der religiöse Geist. Die Zuchtruthe der heiligen Mutter Kirche war allenthalben sichtbar. Die Freuden der Erde lockten zur Sünde. Höchstes Ziel waren die ewigen Seligkeiten des geglaubten Jenseits, und auch Fürsten trugen Bußgürtel unter dem Purpur. So bildet altdeutsches Leben einen schreienden Gegensatz zum neudeutschen Reiche, darin nicht Christus siegt und waltet, der einzige Gott, sondern viele Götter, davon die Höchsten Geld, Macht und froher Lebensgenuß.«

Sichtlich that ihm der Streich wohl, nach den dummen Gläubigen geführt. Allein das Behagen des Professors währte nicht lange; denn es ergab sich, daß auch Herr Ottfried ein streitbarer Geist sei.

»Einverstanden, Herr Professor! Unseren frommen Vorfahren galt die Erde als Ringplatz, durch Bezwingung niederer Leidenschaften Tugenden zu erstreiten und den Himmel zu gewinnen. Der Ehrenhafte war damals ein ganzer Mann, der Schlechte verachtet. Altdeutsche Ehrlichkeit fand allgemeine Anerkennung, während Diebe und Betrüger gebrandmarkt erschienen und Raubritter gehängt wurden. Heute sind Diebe, Betrüger und Raubritter im Großen oft angesehene Leute. Neudeutsche Bildung hat den Himmel des Jenseits verloren und findet ihre Seligkeiten in zügellosen Genüssen. Im neudeutschen Leben darf freche Verneinung des Heiligsten, bis zur Läugnung Gottes, ungestraft sich brüsten, selbst hoher Auszeichnung gewärtig sein. Und während im Mittelalter Einfachheit, Genügsamkeit, Tugend und Arbeit den allgemeinen Wohlstand begründeten und erhielten, macht im neudeutschen Reiche die Verarmung immer größere Fortschritte.«

Jetzt nahm der Universitätsprofessor jene selbstbewußte Haltung und gelehrte Miene an, die ihm auf dem Catheder gewöhnlich waren.

»Was Ihnen tadelnswerth und verwerflich an neudeutschen Errungenschaften dünkt,« sprach er, »ist ohne Zweifel ein Fortschritt. Nicht mehr gebunden ist das wissenschaftliche Forschen, sondern frei und fähig, den Segen der Wissenschaft über alle Klassen der Gesellschaft auszugießen. Verliert das Ansehen des religiösen Glaubens im Lichte der Wissenschaft, so verschuldet letztere nichts, – im Gegentheil, vor jedem Denkenden erscheint sie als preiswürdige Trägerin der siegenden Wahrheit. Deßhalb kann ich nur dem Starrgläubigen den Vorwurf ›frecher Verneinung des Heiligsten‹ gestatten. Die weitere Entwickelung neudeutscher Bildung und Gesittung auf dem Boden exakter Forschungen wird schließlich auch den Gläubigen versöhnen.«

»Um Vergebung, Herr Professor! Sie scheinen das wirkliche Leben nur aus den wissenschaftlichen Construktionen Ihrer Studierstube zu kennen; denn allzu schreiend widersprechen die Thatsachen Ihrer Ansicht. Sie reden von dem Segen der Wissenschaft, ohne alle Rücksicht auf den Umstand, daß wir gerade der neudeutschen Schulbildung die gräulichste Verwilderung der Jugend, sowie das freche Verneinen Gottes und seiner Offenbarung, verbunden mit einer höchst bedenklichen Verrohung des Volksgeistes verdanken. Genußsucht und Sittenlosigkeit greifen immer weiter, sie fressen am Mark des Volkslebens, fördern Unzufriedenheit und zerstören zahllose Existenzen. Manche Verbrechen sind geradezu epidemisch geworden, wie der Selbstmord, – sogar Kinder morden sich. Auch dieses Verbrechen kann nur eine Errungenschaft moderner Bildung sein; denn Selbstmörder gedeihen nur auf dem Boden des Unglaubens. Ein religiöser Mensch trägt ergeben die Lasten des irdischen Daseins, steht tapfer in den schwersten Prüfungen, gefestigt durch die Hoffnung und im Vertrauen auf eine ewige Vergeltung im Jenseits. Hat die exakte Wissenschaft den Glauben an das Jenseits und die Hoffnung auf eine ewige Vergeltung zerstört, dann verliert der Mensch den nothwendigen Halt und muß der Verzweiflung und dem Verbrechen verfallen. Was in der Tiefe wühlt, dürfte auch den kältesten Beobachter unserer Zustände beunruhigen. Jeden Augenblick züngeln Flammen empor, welche den Vulkan verrathen, auf den tolle Baumeister das neudeutsche Haus gründen wollen. Anarchie, Nihilismus und Sozialdemokratie sind keine Töchter der Kirche und des religiösen Glaubens, sondern des Abfalls vom Glauben.«

»Ihre Andeutungen treffen zu,« gestand Dr. Uebel. »Indessen sind dies Krankheitserscheinungen, die sich mit der Zeit verflüchtigen werden.«

»Wenn man zur Grundfeste aller gesellschaftlichen Ordnung, zur Religion, zurückkehrt, – ja!« sagte Herr Ottfried. »Finden aber die maßgebenden Gewalten, und auch die Wissenschaft, ihre Aufgabe darin, die Kirche zu verfolgen, den Massen und gebildeten Ständen das Gift der Gottesläugnung und des Religionshasses einzuflößen, – dann folgen unabwendbar Umsturz und Gräuel der Verwüstung, wie die Weltgeschichte sie kaum noch gesehen.«

»Herr Edel, Sie ängstigen mich!« scherzte der Professor.

»Aber ich übertreibe nicht, sondern spreche nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen. Die Sache ist ja so klar und zwingend, wie ein Rechenexempel. Ist der Mensch ohne unsterblichen Geist, nur ein Thier, dann hat er ein Recht, zu leben, wie ein Thier. Und weder Hyäne, noch Tiger werden das entfesselte Menschenthier an Grausamkeit und Zerstörungswuth übertreffen. Giebt es keine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits, warum sollten die Massen der Besitzlosen und Darbenden ergeben die Noth dieses Erdenlebens ertragen? Warum sollten sie nicht zur Revolution übergehen und theilen mit den Besitzenden?«

Vom Rain herauf klang eine schrille Stimme.

»Juchhe, – Heisa – he! Macht hier das Leben flott und schön, kein Jenseits giebt's, kein Wiederseh'n!«

»Hören Sie?« wandte sich Walther an den Professor. »Auch die Burschen in Faulheim ziehen bereits ihre Folgerungen aus den Ergebnissen des wissenschaftlichen Materialismus.«

»Sehr schmeichelhaft; denn es beweist dies nur die Volksthümlichkeit dieser Wissenschaft,« entgegnete der Hochschulmeister.

»Und ich wünsche, Sie möchten einmal mit diesen ländlichen Materialisten in nähere Berührung kommen,« sprach Walther. »Gemeinheit und Bosheit würden Sie tief verletzen.«

»Kaum, – ich weiß zu unterscheiden,« versetzte Dr. Uebel. »Das Volk ist gewöhnlich nur roh, nicht boshaft.«

Sogleich sollte der gefeierte Physiologe eines Besseren belehrt werden.

Einige Burschen waren heraufgestiegen, und blieben wenige Schritte hinter den Sitzbänken stehen. Alle waren fast elegant gekleidet. Sie trugen moderne Anzüge nach dem neuesten Schnitt, so daß ihre Tracht Gebildete höherer Stände bezeichnen konnte. Hier bewährte sich jedoch das Sprüchwort nicht, daß Kleider Leute machen; denn das Benehmen der Burschen zerstörte sofort alle angetünchte Noblesse. Es machte sogar einen widerlichen Eindruck, Menschen in feiner Kleidung sich roh und gemein betragen zu sehen. Sie führten eine lärmende Unterhaltung, lachten und rissen Zoten, so daß Dr. Uebels schwache Stimme überschrieen wurde und der Gelehrte ärgerlich nach den feingekleideten rohen Menschen zurücksah.

Herr Ottfried bemerkte nicht ohne heimliche Genugthuung den Unwillen des Professors, welchem Bescheidenheit, Anstand und Würde neudeutscher Gesittung eben demonstrirt wurden.

»Ihrer Anschauung widersprechen Thatsachen der Wirklichkeit,« sagte Walther, eine Zeitung aus der Tasche ziehend. »Jeden Tag liefern die Blätter neue Belege für die zunehmende Verrohung der Erwachsenen und die Entartung der Jugend, namentlich aus jenen preußischen Gegenden, deren Geistliche vertrieben oder gestorben sind. Heute z. B. schreibt die Aach. Ztg. Folgendes: In den letzten Tagen hat die Polizei nicht weniger als zwölf Knaben und Mädchen von 8-14 Jahren ermittelt, welche die seit längerer Zeit verübten Portemonnaie-Diebstähle begangen haben. Wahrhaft erschreckend sind die Ergebnisse der Untersuchung. Die Verschlagenheit und Verlogenheit bei solcher Jugend ist groß, ebenso die Verführung. – – Und hier wird aus Duisburg gemeldet: Als ein sehr deutlicher Beweis zunehmender Verwilderung ist jedenfalls zu bezeichnen, daß die hiesige Strafkammer sich genöthigt sah, drei Schulknaben nicht nur wegen Urkundenfälschung, sondern außerdem wegen Verbrechen gegen die Sittlichkeit zu verurtheilen. – – – Solche Dinge berichten die Zeitungen fast täglich. Der sittliche Niedergang unseres Volkes liegt ebenso offen, wie die fortschreitende Verarmung, der zu entrinnen, jährlich Tausende aus dem neudeutschen Reiche nach Amerika flüchten.«

»Alle diese Erscheinungen entspringen dem Umstande, weil wir uns in Mitte einer Uebergangsperiode befinden,« erklärte Dr. Uebel. »Früher saß die Jugend ausschließlich in der Schule der Kirche. Der Catechismus war das beste Erziehungsbuch. Die Furcht vor dem allwissenden, heiligen und gerechten Gott und die Angst vor dem ewigen Höllenfeuer bändigten junge Missethäter und schreckten alte Frevler. Auf christlichem Dogma und Moral stand der ganze Werth des Menschen. Heute nun erhebt das Wissen berechtigtere Ansprüche auf die Jugend- und Menschenbildung, als der Glaube. Die Menschheit ist großjährig geworden, der mütterlichen Zucht der Kirche entwachsen, trägt sie nicht mehr das Joch göttlicher Gebote und regelt das Leben nach dem Wissen.«

Ein wüstes Gelächter unterbrach den Professor, der entrüstet aufsprang und sich nach den Burschen wandte.

»Das ist in der That bengelhaft,« schrie er sie zornig an. »Gehen Sie endlich weiter, – man versteht ja sein eigenes Wort nicht bei solchem Lärm.«

Die Angerufenen wichen nicht von der Stelle. Sie betrachteten den langen, zornigen Mann und lachten ihm frech in's Gesicht.

»Was, – bengelhaft?« schrie Einer entgegen. »Sie haben uns hier gar nichts zu sagen. Wir können hier thun, was wir wollen, das geht Sie nichts an. Jawohl, – verstanden?«

Der Professor traute kaum seinen Sinnen. Für ein solches Benehmen schien das Verständniß ihm zu fehlen. Mit tiefem Forscherblick betrachtete er den Sprecher, als gelte es, irgend einen geheimnißvollen Stoff chemisch zu analysiren.

»Einen feingekleideten, scheinbar gebildeten Menschen sehe ich,« sprach er, nicht ohne Spott, »aber einen rohen, flegelhaften Jungen höre ich.«

Die Burschen lachten hell auf.

Der vorige Sprecher trat dem Professor zwei Schritte näher, reckte sich empor, warf den Kopf nach dem Nacken und schaute den Gegner herausfordernd an.

»Was bin ich? Ein roher, flegelhafter Junge? So, – und was sind denn Sie?«

Jetzt kam das Emporrecken an den Professor. Nach seiner Meinung brauchte er nur seinen berühmten Namen zu nennen, um den frechen Buben niederzuschmettern und der ganzen Bande Achtung einzuflößen.

»Ich bin der Universitätsprofessor Dr. Uebel!« sprach er in feierlichem Tone und in der vollen Autokratie des Catheders.

»So, – der sind Sie?« rief verächtlich der Andere. Und ich bin der Cigarrenmacher Hans Lump, – und darum bin ich noch mehr, als Sie, – jawohl!«

Die Rangen stießen ein johlendes Gelächter aus.

Der Professor stand einen Augenblick sprachlos, dann sank er, wie entwaffnet, auf die Bank.

Herr Ottfried hatte bisher den stummen Beobachter gespielt und dem Stubengelehrten einen Blick in das wirkliche Leben herzlich gegönnt. Als jedoch die Burschen anfingen, den Professor zu insultiren, trat er dazwischen.

»Jetzt ist's genug, – geht fort!« gebot er in strengem Tone.

Der Schwarm gehorchte ohne Widerrede und verschwand in den Ruinen.

»Wir bedauern diese Kränkung, Herr Professor!« sagte der Gutsbesitzer. »Was Sie gehört und gesehen, waren Jungen aus jenem Dorfe, dessen Einwohner aus Bauern größtentheils Fabrikarbeiter geworden. Die Gemeinde Faulheim war früher gesittet und wohlhabend. Dann verfiel sie der liberalen Strömung, dem Luxus und der Genußsucht. Bürgermeister, Gemeinderath, Schullehrer, selbst der seichte Staatspfarrer, Alles war liberal. In neuester Zeit wurden aus den Liberalen theilungssüchtige Socialdemokraten. Und so liefert auch Faulheim den schlagenden Beweis, wohin Menschen ohne Gott, ohne religiöse Leitung und Zucht schließlich kommen.«

Diesmal widersprach Dr. Uebel nicht.

»Hm, – hm!« brummte er und betrachtete mit finsteren Blicken das Dorf.

»Wenn sich der Bursche auf gleiche Stufe mit dem Universitätsprofessor stellte, so war dies aufrichtig und ernst gemeint,« sagte Walther. »Ein gewisser Größenwahn spukt in den Köpfen. Nach neudeutschem Selbstbewußtsein giebt es keine Bescheidenheit und auch keine unterscheidende Standeswürde, sondern nur gleichberechtigte Herren und Damen. Der ordinärste Kerl, das verkommenste Subjekt, stellt sich auf gleiche Stufe mit dem unbescholtenen, verdienstvollen Manne. Die lächerlichste Ueberhebung ist bereits Mode geworden; denn schon berichten Zeitungen von dem ›Herrn‹ Polizeidiener, dem ›Herrn‹ Hausknecht und dem ›Fräulein‹ Küchenmagd. Im Zusammenhang mit dieser abgeschmackten Dünkelhaftigkeit steht die tollste Putzsucht. Die Stubenmagd will ebenso fein gekleidet sein, wie ihre Herrschaftsfrau, und den letzten Groschen des hohen Lohnes hängt sie an bunten Flitter, während vielleicht das Hemd auf dem Leibe fehlt. Und der Herr Cigarrenmacher will ebenso gut essen und trinken, wie der Fabrikherr, – vermag er dies nicht, so erfaßt ihn Klassenneid und grimmig ballt er die Fäuste.«

»College Reuleaux hat Recht: – neudeutsche Waare ist billig und schlecht,« sagte der Professor.

Dr. Edel kehrte mit seinen Begleiterinnen aus den Klosterruinen zurück. Ein hübscher Kranz aus Eichenlaub war um Heinrichs Hut geschlungen, und man sah ihm an, daß er sich nicht wenig auf diese Zierde einbildete.

»Sehen Sie doch, Herr Professor, eine neue Würde!« rief er, stolz seinen Hut hoch haltend. »Die Universität erhob mich zwar zum Doktor, – Baccalaureus aber bin ich geworden durch Beata's krönende Hand.«

»In diesem Falle mögen Sie doch etwas mehr sein, als der Cigarrenmacher Hans Lump,« entgegnete Dr. Uebel.

Heinrich sah den Professor, ob der seltsamen Rede, verwundert an.

»Ich wußte bisher nicht, daß unsere Beata zur Dichterzunft gehört,« scherzte Herr Ottfried.

»Beata ein Blaustrumpf, – auch mir neu und merkwürdig!« neckte Walther.

»Unser arger Doktor hat mich verläumdet, – dagegen muß ich protestiren,« versetzte lächelnd Beata. »Was ich um den Hut ihm gewunden, hat eine ganz andere Bedeutung.«

»Darf man sie kennen?« frug Walther, mit Staunen und Freude die zärtlichen Blicke seines Bruders für das schöne Mädchen bemerkend.

»Eichenlaub ist zugleich ein Bild altdeutscher Treue und Gottesfurcht,« antwortete sie. »Und nicht blos dem deutschen Manne, auch dem deutschen Weibe predigt die Eiche Frommheit und treues Festhalten an altdeutscher Sitte. Darum kann ich wohl stricken und sticken, kochen und nähen, spinnen und leidlich den Haushalt führen, – dichten aber nicht.«

Fräulein Thusnelda rümpfte vornehm die Nase. Auch sie war verstimmt, gleich dem Vater; denn Heinrichs Neigung für die bezaubernde Beata entging ihr nicht.

»Willst Du nicht die Ruinen sehen, Papa? Sie enthalten wirklich Beachtenswerthes in architektonischer Beziehung.«

»Für Architektur habe ich kein Interesse,« antwortete kurz der Physiologe.

Der Rückweg wurde angetreten. Der Professor blieb wortkarg und verschlossen.

Zu Hause erwartete Herrn Ottfried ein Fremder, der sich in Bücklingen vor dem Großgrundbesitzer erschöpfte. Nicht allein das kriechende Benehmen bezeichnete den Juden, sondern auch Gesichtsbildung und Redeweise.

»Herr Edel, verzeihen Sie, ich hätte in wichtiger Angelegenheit mit Ihnen zu verhandeln. Ich heiße Salomon Süßel, genannt Borg, – wenn Sie erlauben.«

Herr Ottfried ging mit dem Juden nach seinem Arbeitszimmer. Dem Rufe nach kannte er den Wucherer, dessen Habgier und Herzlosigkeit schon manche Existenz vernichtet hatten.

»Setzen Sie sich!« sagte kurz und fast abstoßend der Gutsbesitzer.

»Herr Edel, – erlauben Sie, – ich hab' gemacht viele Geschäfte drüben in Faulheim, – aber schlechte Geschäfte. Den Bauern hab' ich geliehen Geld, – viel Geld. Dann hab' ich genommen für mein gutes Geld schlechte Hypotheken auf Wiesen und Aecker meiner Schuldner. Warum schlechte Hypotheken? Weil das Land keinen Werth hat und nichts einbringt. Die Bauern haben aufgehört zu sein Bauern, sie gehen in die Fabriken und lassen brach liegen die Aecker. So kann ich nicht kommen zu meinen Zinsen und hab' große Verluste, – weiß Gott, – große Verluste, – es ist ein Jammer! Was hilft's, wenn ich hab' alles Land der Bauern auf Hypothek, wenn aber nicht zahlen die Fabriker ihre Zinsen und nichts einträgt das Land? Weiß Gott, – ich müßte Bankrott machen bei solchem Geschäft! Darum will ich fortziehen aus der Gegend, – weit fort, nach Hamburg, wo ich will anfangen einen Handel mit Wildhäuten. Und darum, – verzeihen Sie, Herr Edel, – möcht' ich Ihnen verhandeln meine Hypotheken in Faulheim, – das heißt, verkaufen möcht' ich Ihnen alle meine Aecker und Wiesen in der Gemarkung Faulheim, – verkaufen um einen ganz niedrigen Preis.«

»Ihr Angebot interessirt mich nicht,« unterbrach ihn Edel. »Die Bewirthschaftung meiner Güter gestattet keine weitere Ausdehnung.«

»Ich weiß, verzeihen Sie, Herr Edel, – ich weiß, daß Sie haben einige Tausend Morgen Land, – aber ich denke, – verzeihen Sie, – wenn Sie noch haben die Gemarkung Faulheim, dann haben Sie Alles.«

»Die ganze Gemarkung ist Ihnen verfallen?« frug staunend Herr Ottfried.

»Nicht ganz, aber großentheils! Der Bürgermeister gehört nicht mir, sondern einem Anderen, – wohl aber gehört mir der ganze Gemeinderath und etliche Andere. Hier, – verzeihen Sie,« fuhr er fort, einen Papierbogen aus der Tasche ziehend, »hier ist die Liste meiner Schuldner und meines Guthabens, das beträgt netto 98,000 Gulden.«

»Zu welchem Zinsfuß haben Sie Geld ausgeliehen?«

»Zu welchem Zinsfuß? Nun, – verzeihen Sie, Herr Edel, – der Zinsfuß ist eine veraltete Schranke, die beseitigt hat unsere liberale Gesetzgebung. Heute ist der Zinsfuß ganz unbeschränkt, nach dem Gesetz. Nehmen kann ich hundert Procent und mehr, – nach dem Gesetz. Aber ich verlange nicht 98,000 Gulden für all das viele Land, ich nehme auch weniger, wenn ich nur komme zu meinem ausgeliehenen Geld.«

Edel sah in die Liste. Der ganze Gemeinderath stand wirklich dort verzeichnet, dazu noch einige Familienhäupter.

»Wie gesagt, ich habe keine Lust,« sprach er.

»Wenn Sie haben keine Lust, was soll ich anfangen?« klagte der Jude. »Wie soll ich kommen zu meinem Geld? Die Felder haben jetzt keinen Werth, – kann sie weder verkaufen, noch verpachten. Wer soll kaufen in Faulheim Aecker? Fabrikleute bauen nicht und säen nicht. Und was noch ist in Faulheim von Bauern, hat kein Geld. Nur Sie, Herr Edel, Sie können machen ein glänzendes Geschäft. Greifen Sie zu, – wahrhaftig, ein ganz ausgezeichnetes Geschäft! Verlieren will ich 20,000 Gulden, – Ihnen alle Hypotheken lassen für 78,000 Gulden. Herr Edel, nun, – greifen Sie zu!«

Der Großgrundbesitzer antwortete mit einer verneinenden Kopfbewegung.

»Nun, Herr Edel, verzeihen Sie, – überlegen Sie einmal die Sache, ich komme wieder! Da ich bin arg im Gedränge und möchte fort aus dieser Gegend, bin ich bereit, noch etwas zu streichen von den 78,000 Gulden. Verzeihen Sie, – überlegen Sie, – ich komme wieder!«

Unter Bücklingen verschwand rücklings der Jude aus dem Zimmer.

Edel saß nachdenkend. Hier wurde ihm Gelegenheit, zur Rettung einer ganzen Gemeinde entscheidend einzugreifen. Vor vielen Jahren hatten zwar die Faulheimer seine edlen Absichten mit Undank und Bosheit vergolten, – aber die »Zornbäume« waren gefällt, er hatte christlich verziehen und vor Gott gelobt, den Versinkenden die starke Hand zu reichen.

Ein hochherziges Lächeln spielte jetzt in den Zügen des sinnenden Mannes. Er faltete das Papier zusammen und verwahrte es sorgfältig in einer Lade seines Schreibtisches.

Während der Vater den Vortrag des Juden hörte, waren seine beiden Söhne in ernster Unterhaltung begriffen.

Gleich nach dem Spaziergang erschien Heinrich in Walthers Zimmer, den Grund von des Professors unheilbarer Verstimmung zu erforschen. Walther berichtete umständlich und nicht ohne scharfe Seitenhiebe auf den Materialisten.

»Einen Menschen von mehr Einseitigkeit giebt es wohl nicht,« schloß er. »Für die natürlichsten Dinge fehlt ihm das Auge, für die klarsten Erscheinungen hat er kein Verständniß, dabei aber einen ganz unleidlichen Hochschulmeisterdünkel. Den religiösen Glauben haßt er ingrimmig und begeht in seinem Hasse die Rücksichtslosigkeit, den Gläubigen in das Gesicht hinein zu sagen, daß sie Dummköpfe seien. Und solche Leute, die keinen wesenhaften Unterschied annehmen zwischen Mensch und Thier, – die Gott läugnen und alles geistige Sein, – solche Leute bilden die Jugend? Sie wollen uns zum Bewußtsein bringen, daß wir nicht Ebenbilder Gottes, sondern höher entwickelte Affen vorstellen? Was würde aus der Welt in der Schule dieses Affenprofessorenthums? – Mir graut vor solcher Versunkenheit.«

Heinrich blickte vor sich hin und hörte zu, und manchmal schien es, die Vorwürfe träfen ihn selber.

»Mir sind die Aeußerungen unvereinbarer Gegensätze zwischen dem Vater und dem berühmtem Physiologen peinlich,« sprach er. »Dr. Uebel scheint die gleiche Empfindung zu theilen; denn er hat mir vorhin erklärt, in zwei Tagen die Reise nach Italien fortsetzen zu wollen.«

»Und mir ist es peinlich,« entgegnete Walther, »meinen einzigen Bruder in so engen Beziehungen mit einem Manne zu sehen, dessen vernagelte Physik die Berechtigung der Metaphysik läugnet, und der nirgends in der ganzen Schöpfung auch nur einen einzigen Gedanken Gottes finden will. Welch' ein verrannter Standpunkt!«

»Beruf und Neigung haben ihn ausschließlich auf das Wissen und die Resultate exakter Forschung angewiesen,« entschuldigte Heinrich.

»Für den wirklichen Denker keine Rechtfertigung,« versetzte Walther. »Der religiöse Glaube hat eine höhere Berechtigung, als das menschliche Wissen, weil er gründet auf göttlicher Autorität, und ohne den Trost geoffenbarter Wahrheiten hätte alles Sichtbare nicht einmal einen vernünftigen Zweck. Darum ist das Sprechen Gottes zu den Menschen eine absolute Nothwendigkeit. Das ganze sichtbare Universum hat ja nirgends ein Loch, durch das man in die Ewigkeit hineinschauen könnte, und ohne den Schlüssel der Ewigkeit bleibt die ganze sichtbare Welt doch nur ein unlösbares Räthsel. Darum mußte Humboldt aufrichtig erklären: ›Das ganze Leben ist der größte Unsinn. Wüßten wir nur wenigstens, warum wir auf der Welt sind? Aber es ist und bleibt dem Denker räthselhaft, und das größte Glück ist noch das, als Flachkopf geboren zu sein.‹ – Auf solchen Standpunkt gelangt der exakte Forscher ohne das Licht der Offenbarung Gottes, und ohne dieses Licht sitzt gegenwärtig das radikale Professorenthum in der Finsterniß seines Unglaubens, wo es Waffen schmiedet in der Gluth seines Religionshasses gegen Gott und dessen Offenbarung. Daher auch die sehr bezeichnende Erscheinung, daß in Preußen gerade das Professorenthum die erbittertsten Kulturkämpfer stellte.«

»Wenn ihr mit solchen Waffen gestritten, dann wundert mich die Verstimmung des Physiologen nicht,« sagte lächelnd Dr. Edel. »Dagegen ist Dein Hinweis auf meine engen Beziehungen zu Dr. Uebel grundlos. Ich hoffe, durch seinen Einfluß vorwärts zu kommen, – das ist Alles.«

»Und deßhalb ziehst Du einen leeren Blaustrumpf dem holdesten und reichsten weiblichen Wesen vor?«

Heinrich sah den Bruder staunend an.

»Was sprichst Du da? Ich verstehe Dich nicht.«

»Dein Brief, welcher den Besuch anmeldete, enthielt doch klar Deine zärtlichen Beziehungen zu Thusnelda?«

Der Doktor lachte hell auf.

»Um Gotteswillen, – Walther, – welches Mißverständniß! Ich rühmte Thusnelda, – allerdings etwas übermäßig, – um sie den Aeltern für eine freundliche Aufnahme zu empfehlen. Ein zärtliches Verhältniß zu Thusnelda, – nein, – entsetzlich, – gräulich!« und der junge Mann lief mit abwehrenden Handbewegungen durch das Zimmer.

Walther war sehr angenehm überrascht.

»Ein überaus erfreuliches Mißverständniß!« sprach er.

»Und wer ist Dein holdestes und reichstes weibliches Wesen?«

»Du ahnst es nicht?«

»Doch nicht Beata?« antwortete Heinrich, mit aufleuchtenden Blicken.

»Errathen!« sagte Walther. »Sie liebt Dich herzinnig, mit der ganzen Tiefe ihres lauteren jungfräulichen Herzens. An tausend unbewachten Aeußerungen bemerkte ich ihre geheime Liebe für Dich. Und dann, als jener schreckliche Brief mit der ›liebenswürdigen Thusnelda‹ kam, – da hättest Du Beata's namenlosen Schmerz sehen sollen! Wie vernichtet war sie.«

Wieder ging Heinrich durch das Zimmer, diesmal in der erregten Stimmung eines glücklichen Menschen, der unerwartet einen großen Schatz gefunden. Walther beobachtete ihn und fand eine rasch entwickelte Neigung des Bruders für Beata.

»Nach meiner Ueberzeugung kann nur die Erfüllung des väterlichen Wunsches Dein Glück begründen,« hob Walther nach längerer Pause wieder an. »Religiös erzogen und im Genusse jenes himmlischen Friedens, den nur Gott und nicht die Welt geben kann, wirst Du niemals Befriedigung und Glück finden auf dem Lehrstuhle einer Universität, deren gleißender, inhaltsleerer Ruhm die religiöse Verneinung, – und deren Schmach die Gottesläugnung ist. Geistig verhungern wirst Du in jenen Kreisen, oder gar in die Tiefe des Abfalles vom Höchsten hinabstürzen. Darum, lieber Heinrich, entsage dem nichtigen Schattenbilde einer glänzenden Lebensstellung! Glaube mir, das Glück liegt niemals außerhalb des Menschen, sondern in ihm selber, – und das Glück eines Jeden begründet nur das richtige Verhältniß zu Gott. Alles übrige ist eitel und nur insofern beachtenswerth, als hiedurch die Freundschaft mit Gott gefördert oder bedroht wird. Wo man aber Gott läugnet und befehdet, wie auf unserer kläglichen Universität, dort kann der Born des Friedens und des Glückes nicht fließen. Deßhalb vertausche jene gefährliche Atmosphäre mit dem trauten Heim, wo ein gläubig frommer Familiengeist Dich schirmt. Erfülle den Herzenswunsch des Vaters, übernehme die Verwaltung unserer Güter und die Fortpflanzung unseres alten Geschlechtes auf dem Edelhofe. Denke hiezu Beata als Deine unzertrennliche Lebensgefährtin, als Dein innigliebendes Weib, dessen geistige und körperliche Vorzüge schon hinreichen, alle übrigen Weltvergnügen entbehrlich zu finden.«

»Ich muß gestehen, Deine Ueberredungsform wird meiner Lebensaufgabe gefährlich,« erwiederte der junge Gelehrte. »Dennoch ist der Wechsel unmöglich. Außerdem wäre es unehrenhaft, die gewählte Bahn feige zu verlassen, aus Furcht vor möglichen Friedensstörungen und aus Scheu vor geistigen Kämpfen.«

»Das erkannte Bessere zu wählen, ist niemals unehrenhaft,« versetzte Walther.

»Das erkannte Bessere, – wohl! Doch mir fehlt bis jetzt diese Erkenntniß. – – Du hingegen bist frei und darfst den väterlichen Herzenswunsch erfüllen.«

»Ich glaube, den allerbesten Theil erwählt zu haben.«

»Du hättest Dich für einen bestimmten Beruf entschieden?« frug Heinrich erstaunt.

»Ja, mein Bruder! Im Vertrauen: – ich werde in den Jesuitenorden treten.«

»In den Jesuitenorden?« wiederholte der Doktor mit grenzenlosem Erstaunen.

»Du wunderst Dich? Giebt es auf Erden eine glänzendere, ruhmreichere und verdienstvollere Gesellschaft, als die Gesellschaft Jesu? Fürchtet nicht die ganze gottverlassene Welt die geistige Macht der Jesuiten? Theilen nicht die Jesuiten durch ungerechte Verfolgungen, Verläumdungen und Leiden das dornenvolle Leben Jesu auf Erden? Die streitbarsten Ritter Christi sind die Jesuiten, und ich brenne vor Verlangen, in ihre Streitschaar aufgenommen zu werden. Dort wird meinem irdischen Dasein der richtige Inhalt. – Aber, mein Lieber, was ich Dir vertraut, bleibt vorläufig unser Geheimniß.«

Heinrich stand vor seinem Bruder und sah ihn schweigend an.

»Offen gesprochen, Walther,« sagte er bewegt, »neben Deiner Entsagung dünkt mein ehrgeiziges Streben mir klein.«

Er reichte ihm die Hand und verließ in ernstem Sinnen das Zimmer.



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