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Bischof und Kreisdirektor

Die erledigte Pfarrei Faulheim war ausgeschrieben worden, Herr Gut hatte sich gemeldet und fuhr jetzt nach der Kreishauptstadt, seine schriftliche Eingabe durch mündliche Vorstellungen zu unterstützen. Da er seit dreißig Jahren in Heilborn den Hirtenstab führte, und niemals an eine Veränderung seines Wirkungskreises dachte, so war ihm die neueste Form der Besetzung kirchlicher Stellen unbekannt geblieben. Er meinte, in der Hand des Bischofs läge die Sendung der Pfarrer, wie es früher gewesen und den Bestimmungen des göttlichen Kirchenstifters entspricht. Er ging also nach der Wohnung des Prälaten und stand jetzt seinem Oberhirten gegenüber, – der in der Seelsorge ergraute, vielerfahrene Pfarrer, gegenüber einem jungen Manne, der niemals Pfarrer gewesen, aus ministeriellen Kreisen hervorgegangen war, erst einige Jahre die Inful trug und dessen kühles, glattes Wesen lebhaft an Streber erinnerte. Der Prälat war ein Erwählter des Cultusministers Dr. von Fuchs, welcher den einzigen Bischofsstuhl des großentheils protestantischen Kleinstaates mit kluger Berechnung zu besetzen pflegte. Die staatsmännische Ueberzeugung des Ministers duldete keine freie Bewegung der Kirche, diese mußte vielmehr mit ihrem Einfluß und in ihren Organen dem herrschenden Staatswesen dienen. Bischof und Clerus sollten Staatsbeamte sein und ihre geistliche Stellung zum Volke nach dem politischen System des Ministers verwerthen. Auf der Höhe moderner Bildung stehend, welche jede geoffenbarte Religion zu den Wahngebilden vergangener Zeiten des Aberglaubens wirft, belächelte der Cultusminister Dr. von Fuchs die angeblich von Christus erhaltene Organisation der Kirche. Das Lehr- und Hirtenamt ließ er zwar bestehen, aber nur in enge gezogenen, vom Staatsgeiste inspirirten Schranken, – und das deutsche Popenthum war eine Lieblingsidee seiner rastlosen und gewandten Thätigkeit. Demzufolge konnte unter dem Ministerium Fuchs kaum ein Priester den Bischofsstuhl besteigen, den Begeisterung für das erhabene Amt erfüllte und der muthvoll eintrat für die Rechte und die nothwendige Freiheit der Kirche.

Der Prälat empfing den greisen Pfarrer mit herablassender Freundlichkeit. Hiebei bildete die natürliche Einfachheit und fromme Ehrwürdigkeit des Geistlichen einen lebhaften Gegensatz zur eleganten und gezierten Erscheinung des Prälaten. Seine Rede blieb stets kühl, und selbst die höchsten Dinge berührte er ohne innere Wärme. Das Haupthaar trug er sorgfältig gescheitelt und frisirt, und das goldene, von Edelsteinen blitzende Pektorale mit sichtlichem Selbstbewußtsein. Was jedoch den Laien ziert, das entstellt oft den Geistlichen, namentlich jeder Anflug zur Schau getragenen Putzes. Und so machte die Persönlichkeit des Prälaten wohl den Eindruck des glücklich gewählten geistlichen Staatsbeamten, nicht aber bischöflicher Ehrwürdigkeit, die nur im Gewande der Demuth erscheinen kann.

Der Pfarrer hatte sein Anliegen vorgetragen.

»Von meiner Seite steht Ihrer Bewerbung nichts entgegen,« sagte der Bischof. »Ich weiß sehr wohl, daß Sie Heilborn seit vielen Jahren löblich pastoriren, demnach für Ihr Alter eine bessere und ruhigere Stelle beanspruchen können.«

»Um Vergebung, hochwürdigster Herr, materielle Verbesserung wünsche ich nicht, und die Seelsorge in Faulheim wird nicht Ruhe, sondern Anstrengungen, Kränkungen, vielleicht schwere Kämpfe bringen. Aber ich möchte die letzten Lebenskräfte Gott weihen und mit seiner Gnade versuchen, das Verlorene zu retten.«

Der Auserwählte des Cultusministers Dr. von Fuchs sah den ehrwürdigen Greis, welcher also sprach, mit unveränderlicher Ruhe und Gleichgültigkeit an.

»Ich vergebe die erledigte Stelle nicht, sondern die Regierung,« sagte er dann. »Darum ist Ihre persönliche Vorstellung bei dem Herrn Kreisdirektor nothwendig. Sind Sie bei der Regierung persona grata, werde ich Sie mit Vergnügen als Pfarrer von Faulheim begrüßen.«

Herr Gut sah betroffen nieder.

»Der Gang zum Kreisdirektor scheint Ihnen etwas schwer zu fallen,« sagte der Bischof.

»Ja, hochwürdigster Herr! Das Ansuchen bei der weltlichen Regierung um eine Seelsorgsstelle empfinde ich beinahe, wie eine Profanation des geistlichen Amtes.«

»Jedenfalls ein unberechtigtes und krankhaftes Empfinden,« versetzte der Prälat. »Nach einem Uebereinkommen mit der römischen Curie, vergibt die Regierung weitaus die meisten Pfarreien.«

»Dies wohl, – und es wäre anmaßend von mir, hiegegen das Geringste einwenden zu wollen. Ich fürchte nur, die Regierung möchte die Würdigkeit oder Unwürdigkeit der Bewerber nach einem Maßstabe messen, welcher nicht der kirchliche ist.«

Ein Blick des Unwillens traf den alten Pfarrer von Heilborn.

»Gehen Sie also zum Herrn Kreisdirektor,« sagte der Bischof im Tone strenger Weisung. »Dann kommen Sie wieder und melden mir den Erfolg Ihrer Bemühung.«

Gehorsam erhob sich Herr Gut und ging nach dem Regierungsgebäude. Im Thorweg trat ihm der Portier entgegen, ein ausgedienter Soldat, im martialischen Gesicht einen weißen Schnurrbart. Freundlich grüßte Herr Gut den Alten.

»Könnte ich den Herrn Kreisdirektor sprechen?«

Bei der Frage glitt ein kaum bemerkbares Lächeln über das Gesicht des Portiers. Er maß mit Blicken der Verwunderung die ganze vor ihm stehende Figur, und das Lächeln verstärkte sich.

»Herr Pfarrer, wollen Sie die Gefälligkeit haben, und einen Augenblick da in meine Stube treten!« sprach der Veteran.

Dem Geistlichen war die eigenthümliche Gemütsbewegung des Alten nicht entgangen und er betrat erwartungsvoll das Gemach.

»Setzen Sie sich gefälligst,« sprach der Portier, einen Stuhl heranziehend. »Sehen Sie, – eben steigt auch ein Geistlicher hinauf,« fuhr er fort, durch ein kleines Fenster blickend, das in den Thorweg und auf eine Treppe ging.

Gut sah hinaus und erkannte Pfarrer Schaal von Pilsenbach, seinen Mitbewerber um Faulheim. Er war vollständig neu und elegant gekleidet. Er trug einen schwarzen sehr kurzen Rock, auf dem Kopfe einen blanken seidenen Cylinderhut, an den Händen Glacé und an den Füßen feine Stiefeletten. Als Schaal oben eine Wendung machte, bemerkte der verborgene Beobachter eine weit ausgeschnittene Weste und ein gesticktes Hemd, geziert mit goldenen Knöpfen.

Herr Gut gedachte seines bescheidenen, ächt clerikalen Anzuges und begriff nun das Lächeln des Portiers.

»Sehen Sie, Herr Pfarrer, so geht man, – nicht zu dem Herrn Kreisdirektor, sondern zu Seiner Excellenz dem Herrn Kreisdirektor und Staatsrathe von Bär.«

»Ich danke Ihnen, mein Freund!« sagte lächelnd der Geistliche. »Ich trage gegenwärtig meinen besten Anzug, und Seine Excellenz wird an den armen Pfarrer einer armen Gemeinde in diesem Punkte keine besonderen Ansprüche stellen, sondern Nachsicht üben.«

»Ich weiß doch nicht!« versetzte der Alte. »Sie haben nicht einmal Handschuhe an, dafür aber einen sehr langen Rock, – und Excellenz können die langen schwarzen Röcke nicht ausstehen. Das sind zwar Kleinigkeiten, – allein große Herren sind auch in Kleinigkeiten sehr empfindlich. Wenn Sie also, wie ich vermuthe, um eine Pfarrei anhalten wollen, dann wird Ihr Anzug dazu Ihnen nicht behilflich sein.«

Diese naive Bemerkung des Alten, warf ein so bezeichnendes Schlaglicht aus die kreisdirektorlichen Gepflogenheiten bei Besetzung von Seelsorgsstellen, daß Herr Gut ernst niedersah.

»Ich wußte nicht,« sprach er, »daß neue oder alte Kleider, kurze oder lange Röcke, auf Pfarreien empfehlen, oder nicht.«

»Sie, kennen doch das Sprüchwort: – Kleider machen Leute,« entgegnete der Alte. »Außerdem hält Seine Excellenz sehr viel auf die Postur. Wer eine Pfarrei will, muß sich persönlich vor Seiner Excellenz stellen, und da hält Seine Excellenz über den Mann eine genaue Musterung, ob er taugt für den Posten. Sie aber, verzeihen Sie, werden bei der Musterung nicht bestehen.«

»Warum nicht, mein Freund?«

»Weil Sie gar zu ultramontan aussehen.«

»Für einen katholischen Priester der einzig richtige Habitus,« erwiederte Herr Gut.

Der Portier zuckte die Achseln.

Schaal war inzwischen von dem Kreisdirektor empfangen worden, einem Manne im kräftigsten Lebensalter, dessen Erscheinung den Eindruck eines behäbigen Lebemannes hervorbrachte. Die Excellenz erfreute sich eines unbescholtenen Rufes und galt für einen menschenfreundlichen Charakter, wohl deßhalb, weil er sich in alle Dinge mischte, Alles ordnen und schlichten wollte. Die Theilnahme für Alle und Alles entsprang jedoch keineswegs christlicher Nächstenliebe und höheren Motiven, sondern lediglich seinem Glauben, an den allpräsenten Gott Staat, dessen Evangelium die Verordnungen, dessen Clerisei die Bureaukraten, und dessen Prophet der Kreisdirektor. Ohne Wissen und Genehmigung dieser Gottheit und ihrer Organe sollte und durfte nichts geschehen im Staate, – daher die Fürsorge des Herrn von Bär für Alles.

Der Kreisdirektor hatte einen musternden Blick auf den eintretenden Schaal geworfen, der sich von einer sehr tiefen Verbeugung erhob und nun in ehrfurchtvollster Haltung das Ergebniß der stillen Musterung erwartete.

Die Excellenz nickte befriedigt mit dem Haupte und lud jetzt, durch eine Handbewegung, zum Sitzen ein.

»Sie haben um die Pfarrei Faulheim supplizirt?« begann Herr von Bär.

»Im Vertrauen auf das allergnädigste Wohlwollen Seiner Excellenz des Herrn Kreisdirektors und Staatsrathes von Bär, habe ich es gewagt, mein allerunterthänigstes Bittgesuch zu stellen,« erwiederte im devotesten Tone Pfarrer Schaal.

Das kriechende, den Priesterstand entwürdigende Benehmen gefiel dem Bureaukraten sehr wohl, und wieder nickte er befriedigt mit dem Haupte. Er zog aus einem der vielen Fächer seines Arbeitstisches ein Heft hervor.

»Wie ich aus Ihrem Fascikel ersehe,« sprach er, »sind Sie achtzehn Jahre im Dienste, und haben sich immer loyal gehalten. Die Zeugnisse der betreffenden Amtmänner über Sie lauten ebenso günstig, wie jene der Bürgermeister. Namentlich wird Ihre gesellige Liebenswürdigkeit betont, sowie Ihre fügsame Unterordnung in Betreff aller staatlichen Einrichtungen. Darum können Sie Hoffnung haben, wenn nicht ein verdienstvollerer und ebenso loyaler College von Ihnen supplizirt.«

»Eurer Excellenz wage ich allerunterthänigst meine Befürchtung dahin auszusprechen, daß ein viel älterer und darum verdienstvollerer Bewerber mir vorgezogen werden könnte, nämlich Pfarrer Gut von Heilborn. Excellenz möchten jedoch allergnädigst zu erwägen geruhen, daß Gut der extremen Richtung angehört und deshalb für die liberale Gemeinde Faulheim nicht passend erscheinen dürfte.«

Bär machte eine abwehrende Handbewegung.

»Die Regierung führt über alle Staatsdiener genaue Personalakten, weßhalb Sie in diesem Punkte beruhigt sein können,« versetzte kurz der Autokrat.

Eine abermalige Handbewegung entließ Schaal, der nach einer morgenländischen Verbeugung verschwand.

»Ein wirklich serviler Mensch!« sagte Bär im Tone lobender Anerkennung. »Wären alle Pfaffen von seinem Caliber, die russische Staatskirche wäre fertig. – – Aber dieser Gut, – dieser rigorose Frömmler, – dieser treue Seelenhirt der heiligen Kirche, – der uns schon manche Schwierigkeiten bereitete! Würde mir nur einmal Gelegenheit, diesem römischen Pfaffen den Standpunkt klar zu machen!«

Der Wunsch des Kreisdirektors ging augenblicklich in Erfüllung; denn Herr Gut wurde angemeldet und trat ein.

Bär empfing den Geistlichen mit jenem forschenden Blicke strenger Musterung, der ihm für alle Bewerber von Pfarreien zu Gebote stand. Und sogleich malte sich das höchste Erstaunen in seinem Gesichte, darin deutlich zu lesen war: »Wie mögen Sie es wagen, in einem solchen Anzuge vor mir zu erscheinen? In diesem alten, endlos langen Schwarzrock, – mit diesen handschuhlosen Händen?«

Die Erregung des Staunens war indessen nur flüchtig und wich jener des Aergers über den »römischen Pfaffen.« In seinem bequemen Polstersessel sich zurücklehnend, begann er das Gespräch, ohne den greisen Pfarrer zum Sitzen einzuladen.

»Was wünschen Sie?« frug er fast barsch.

»Ich bin der Pfarrer von Heilborn, habe mich um die Pfarrei Faulheim beworben und erlaube mir, Eurer Excellenz zur wohlwollenden Berücksichtigung meine schriftliche Eingabe zu empfehlen.«

»Wie lange stehen Sie im Staatsdienste?«

Mit Befremden vernahm Herr Gut die Frage. Als er jedoch den verhaltenen Zorn des Beamten in dem bewegten Mienenspiel und in den dräuend funkelnden Augen las, durchschaute er sofort die Absicht, und sein priesterliches Selbstbewußtsein erhob sich zur Abwehr und Rechtfertigung.

»Einen Staatsdienst bekleidete ich niemals, Herr Kreisdirektor! Nach dem katholischen Dogma empfängt der Priester die Sendung von der Kirche, nicht vom Staate.«

»Dann hat der Staatsbeamte mit Ihrer Angelegenheit nichts zu schaffen, – gehen Sie zu Ihrer Kirche, eine Seelsorgsstelle von ihr zu verlangen,« versetzte nicht ohne Spott die ungnädige Excellenz.

»Nach der von Christus bestimmten Norm, sollte allerdings die Bestellung der Seelsorge nur von der Kirche ausgehen,« sagte ruhig der Greis. »Allein die Freiheit der Kirche ist in dieser Richtung gebunden und die Staatsgewalt hat größtentheils die Besetzung der Seelsorgsstellen übernommen.«

»Für mich neu und höchst interessant!« rief Herr von Bär, kaum fähig, seine stürmische Gemüthsbewegung über eine so unerhörte pfäffische Frechheit zu beherrschen. »Demnach glauben Sie die Staatsregierung verschulde in dieser Beziehung eine gewaltthätige Anmaßung?«

»Meine katholische Ueberzeugung muß darin leider eine Mißachtung der von Christus bestimmten Ordnung erkennen,« antwortete ruhig und fest der Greis.

»Wirklich? Ei, – ei! Sie haben jedenfalls bei den Jesuiten studiert?«

»Nein, Herr Kreisdirektor! Die katholischen Dogmen sind auf jedem Lehrstuhl die gleichen. Indessen würde auch nicht der kirchenfeindlichste Professor der Theologie im Stande sein, aus der Bibel oder Tradition nachzuweisen, daß Jesus Christus, der göttliche Stifter der Kirche, den König Herodes, oder den römischen Kaiser, oder irgend eine andere Staatsgewalt bevollmächtigt habe, die Apostel und die Jünger, die Bischöfe und die Pfarrer für die Seelsorge zu bestimmen. Im Gegentheil, – aus allen bezüglichen Schriftstellen geht klar hervor, daß nur die kirchlichen Organe, der Papst und die Bischöfe, von Christus Vollmacht erhielten, das Lehramt, Priesteramt und Hirtenamt zu verwalten und fortzuführen.«

Als nun Herr Gut sich anschickte, aus der Bibel seine Behauptungen zu beweisen, unterbrach ihn der Beamte.

»Genug, – genug dieser höchst gleichgültigen Doktrinen! – – Dagegen beweist Ihr gegenwärtiges Verhalten die Richtigkeit der ausgestellten Zeugnisse. Hier sind Sie schwarz, – sehr schwarz angeschrieben.«

Mit sicherem Griff zog er aus einem Fach den Fascikel des Pfarrers in Heilborn hervor. Der Fascikel war dickleibig und hatte einen schwarzen Umschlag. Er öffnete das Heft und fuhr mit der flachen Hand über unheimliche Papiere.

»Angesichts dieser Documente,« sprach er mit einem grimmen Blick auf den alten Herrn, »muß ich Ihre Dreistigkeit bewundern, von der Staatsregierung eine Berücksichtigung, oder auch nur eine Gnade zu erwarten.«

Während die Excellenz dies sagte, sprühten die Augen Feuer, die Augenbrauen stiegen bogenförmig empor, das Gesicht glühte vor Zorn, selbst der Schnurrbart kam in Bewegung und stellte die Haare, wie spitzige Stacheln, gegen den »römischen Pfaffen.«

Der greise Pfarrer gewahrte das heranziehende Wetter und blieb vollkommen ruhig.

»Dürfte ich Excellenz um die gütige Angabe meiner Verschuldung bitten?«

»Sie waren und sind heute noch Correspondent des ultramontanen »Beobachters,« – einer Zeitung, die fortwährend die katholische Bevölkerung gegen die Regierung aufhetzt. Sohin gehören auch Sie zu den Hetzern.«

»Ich schreibe seit vielen Jahren in das genannte katholische Blatt,« erwiederte Herr Gut. »Der kirchenfeindlichen Presse zu begegnen, deren Lügen und Verläumdungen zu widerlegen, für Wahrheit und Recht einzustehen, – kann nur ein Verdienst, kein Vergehen sein. Niemals habe ich gegen die Regierung gehetzt, mir jedoch zuweilen erlaubt, das Verfahren derselben gegen die Kirche vom katholischen Standpunkte zu beleuchten.«

»Sie haben geschrieben: »Das gegenwärtige Verhältniß unserer Staatsregierung zur Kirche ist eine heillose, für das Volk folgenschwere Bevormundung, die schließlich zur völligen Verstaatlichung der Kirche führen und deren von Gott angeordnete Verfassung zerstören muß.« – So haben Sie in den »Beobachter« geschrieben, – hier steht's!« und der entrüstete Kreisdirektor wies auf den geöffneten Fascikel, darin, neben vielen schwarzen Zeugnissen, der leibhaftige »Beobachter« zu sehen war.

»Ich habe in dem betreffenden Artikel meine Ansicht begründet, und Excellenz werden selbst nicht die strengste Bevormundung der Kirche bestreiten.«

»Zur Bevormundung der Kirche hat der Staat ein Recht,« versetzte Herr von Bär. »Die Oberhoheit der Regierungsgewalt ist eine unbegrenzte und bleibt vor der Kirchenthüre nicht stehen. Die Zeiten der Privilegien für den Clerus sind vorbei. Der Clerus, muß Ordre pariren und den Staatsinteressen dienen.«

»Der Clerus verlangt keine Privilegien, sondern nur das Recht freier, selbstständiger Bewegung innerhalb seines Berufskreises, wie jede Corporation. Und abgesehen hievon, – welche Autorität könnte eine Religion beim Volke genießen, die nicht göttliche Offenbarung, sondern Ausfluß wechselnder Regierungsnormen ist?«

»Was schwätzen Sie da?« fuhr der Beamte auf; »Im Staate giebt es nur eine einzige Autorität, nämlich die staatliche, auch die Kirche hat sich derselben zu beugen. – Wegen Ihrer Thätigkeit in der Presse gebe ich Ihnen hiermit einen scharfen Verweis, und mahne Sie, dem Vorbilde Ihres würdigen Bischofes zu folgen. Früher bestand in meinem Regierungskreise eine ultramontane Zeitung, die von einem früheren gleichfalls ultramontanen Bischofe in's Leben gerufen wurde. Der gegenwärtige Bischof hingegen zeigte für dieselbe kein Interesse, stand ihr gleichgültig, sogar übelwollend gegenüber und das ultramontane Blatt ging ein. Wie können Sie es nun wagen, der loyalen Richtung Ihres Bischofes entgegen zu handeln, indem Sie Artikel in den ultramontanen ›Beobachter‹ schreiben? Wollen Sie katholischer sein, als Ihr Bischof?«

»Excellenz, – hier muß ein Mißverständniß, ein Irrthum obwalten! Ich kann nicht annehmen, daß ein Bischof das Eingehen einer tüchtigen katholischen Zeitung verschulde, – es wäre dies ja ein Preisgeben, ein Verrath an der Sache, zu deren Vertretung der Bischof berufen ist. Für keinen aufrichtigen Katholiken dürfte ein solches Vorbild maßgebend sein.«

»Und Sie stellen sich hiedurch selber das schlimmste Zeugniß aus; denn Sie beweisen, daß Sie geneigt sind, dem Beispiele der Hetzkapläne, aber nicht jenem eines Friedensbischofes zu folgen.«

Auf diese Derbheit hatte Herr Gut nichts zu erwiedern.

»Sodann sind Sie ein Unruhestifter und Friedensstörer in der Gemeinde Heilborn,« fuhr der Beamte fort, einen Blick in die Papiere werfend. »Sie haben den Schullehrer Schwefel verfolgt, die Bauern wider ihn aufgehetzt, so daß er gezwungen war, der allgemeinen Verachtung zu weichen und sich um eine andere Stelle zu bewerben.«

»Schwefel war ein ausgesprochener Gottesleugner und fanatischer Religionsspötter,« entgegnete Gut. »Oft machte ich ihm Vorstellungen und bat ihn dringend, die Jugend in der Schule nicht zu verderben. Er wies meine Vorstellungen zurück, mit dem Bemerken, daß ich ihm nichts zu sagen habe, – und trieb es noch ärger.«

»Der Lehrer hatte recht, – Sie haben ihm nichts zu sagen.«

»Mir hingegen gebot die Pflicht des Seelsorgers, die Kinder zu schützen gegen die Verführungen des Lehrers. Die Abwehr des Wolfes von den Schaafen gehört zum Berufskreise des guten Hirten. Keine Macht der Welt soll mich zwingen, ein gewissenloser Miethling zu sein. ›Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret ihnen nicht,‹ – hat der Heiland geboten. Der Seelsorger ist Stellvertreter des guten Hirten und darf die Kleinen durch einen Gottesläugner nicht verderben lassen.«

Der Kreisdirektor stieß ein kurzes, gezwungenes Lachen aus.

»Ueberspanntes, veraltetes Zeug!« rief er. »Die Schule ist Staatsanstalt, – kein Tummelplatz religiöser Schwärmerei. Duldet vorläufig noch der Staat die Geistlichen in der Schule, so haben sich dieselben eines loyalen Betragens zu befleißen und sich strenge jeder Einmischung in Dinge zu enthalten, welche sie nichts angehen. Das ist Ihr Standpunkt in der Schule! – – Was Ihren Standpunkt in allen übrigen Beziehungen Ihres Berufes betrifft, so haben Sie genau jene Schranken einzuhalten, welche die Staatsgesetze und Regierungsverordnungen vorschreiben.«

»Um Vergebung, Herr Kreisdirektor!« unterbrach ihn der Pfarrer. »Verhaltungsmaßregeln für die Seelsorge empfängt der katholische Priester nur von der zuständigen geistlichen Behörde, und diese ist der Bischof, – nicht der Regierungsbeamte.«

Mit weit geöffneten Augen starrte Bär den kühnen Sprecher an, während dunkle Zornesgluth sein Gesicht bedeckte.

»Unverschämt!« stieß er wüthend hervor. »Hinaus, – fort, – gehen Sie!«

Er sprang empor und stürmte nach dem offenen Fenster, dem Ersticken zu entrinnen. Dann wandte er sich um, die Schleußen seines Grimmes über den »römischen Pfaffen« zu öffnen. Allein der Pfarrer von Heilborn hatte pünktlich gehorcht und war verschwunden.

Der empfangenen Weisung gemäß, ging Herr Gut nach dem bischöflichen Hause, zur gewünschten Berichterstattung. Nicht ohne Spannung hatte ihn der Prälat erwartet.

»Nun, Herr Pfarrer, was ist das Ergebniß Ihrer Vorstellung?«

Gut erzählte ausführlich, ohne den geringsten Umstand zu verschweigen. Und während er sprach, entging ihm nicht der Wechsel von Staunen, Mißbilligung und Bestürzung im Angesichte des Bischofs. Jetzt saß der Prälat da, vollständig zugeknöpft, die gewöhnliche glatte Kälte in starres Eis verwandelt.

»Ein solches Benehmen, dem Kreisdirektor gegenüber, hätte ich von Ihrer Klugheit nicht erwartet. Sie haben sich unmöglich gemacht für alle Zukunft.«

»Die Angriffe des Regierungsbeamten auf meine geistlichen Berufspflichten und religiöse Ueberzeugung konnte ich stillschweigend nicht hinnehmen, ohne Feigheit, Menschenfurcht und Servilismus,« rechtfertigte sich der Pfarrer. »Die Ungnade der Regierung weiß ich zu ertragen im Geiste des heiligen Paulus, der geschrieben hat: ›Mir ist es ein Geringes, von den Menschen gerichtet zu werden; der mich richtet, ist der Herr.‹ Meine Tage sind ohnehin gezählt, – ich bin alt. Mit dem Bewußtsein möchte ich vor Gott hintreten, trotz meiner vielen Schwächen und Sünden, niemals die heilige Sache, der ich seit acht und dreißig Jahren diene, preisgegeben und an Menschengunst verrathen zu haben.«

»Nur keine Uebertreibungen!« sprach im Tone des Tadels der Prälat. »Wenn Ihr Bischof sich fügen muß, dann konnten auch Sie der derben Art des Kreisdirektors ein Zugeständniß machen.«

»Um Vergebung, bischöfliche Gnaden! Unhöflichkeiten, selbst Grobheiten des Beamten würde ich stillschweigend hingenommen haben. Allein Herr von Bär nahm sich heraus, dem Seelsorger in Bezug auf sein kirchliches Amt Verhaltungsmaßregeln zu geben.«

»Das ist Alles? Sie scheinen sehr empfindlich zu sein. Als ich vor zwei Jahren die Residenz verließ, um die Verwaltung der Diöcese zu übernehmen, sprach Seine Excellenz der Cultusminister Dr. von Fuchs zu mir: ›Herr Bischof, gehen Sie niemals über den Kopf Ihres Kreisdirektors hinweg; denn wir beide stehen sehr gut miteinander.‹ – An meiner Stelle würden Sie ohne Zweifel auch gegen diese wohlgemeinte Instruktion des Ministers Verwahrung eingelegt haben.«

»Ich wußte bisher nicht, hochwürdigster Herr, daß die Bischöfe von den Cultusministern Instruktionen empfangen.«

»Und dieses Ihr Nichtwissen, Ihre Unkenntniß des gegenwärtigen Verhältnisses zwischen Kirche und Staat, verschuldete Ihr taktloses Benehmen dem Herrn Kreisdirektor gegenüber.«

Der altersgraue Pfarrer sah den Prälaten schweigend an, gedachte der arglistigen Tücke des Freimaurers und Cultusministers Dr. von Fuchs, die höchsten geistlichen Stellen mit fügsamen Persönlichkeiten zu besetzen, und durch die Seele Guts schnitt ein tiefes Wehe.

»Hochwürdigster Herr Bischof!« fing er traurig an. »Mir ist nicht unbekannt, daß Herr von Bär keineswegs nach persönlichem Belieben, sondern nach einer von oben bestimmten Norm, nach einem ministeriellen System verfährt. Müßten die Instruktionen der Staatsregierung für die Seelsorge maßgebend sein, dann wäre es um den letzten Rest von religiöser Freiheit geschehen. Eine offene brutale Kirchenverfolgung wäre weit weniger gefährlich, als dieses stille arbeitende, heimtückische Erstickungssystem des Cultusministers Fuchs. Wenn das System Fuchs nicht blos die kirchlichen Stellen besetzt, sondern auch verpflichtende Instruktionen für die geistliche Verwaltung ertheilt, so wird hiedurch die von Christus angeordnete Kirchenverfassung zerstört.«

»Sie gehen zu weit, – dagegen ist nichts zu machen!«

»Um Vergebung, hochwürdigster Herr, – dagegen ist pflichtgemäß zu kämpfen! Für meine Person und für meinen beschränkten Wirkungskreis werde ich mich diesen Eingriffen in das innerste Leben der Kirche niemals beugen. Lieber Hunger, Kerker und Tod, als Abfall vom Glauben!«

»Abfall vom Glauben? Wohin verirren Sie sich?«

»Ich stehe genau auf dem Boden des Dogmas,« antwortete unerschrocken der Pfarrer. »Ueber diesen Gegenstand schreibt Bischof Ketteler von Mainz: ›Nach der Glaubenslehre geht die Kirchengewalt von Christus auf die Apostel, von den Aposteln auf deren Nachfolger, von diesen auf die von ihnen geweihten und eingesetzten Priester über. Darin ist die Quelle und die Uebertragung der ganzen Kirchengewalt und Kirchenverfassung ausgesprochen. Hiernach ist es Pflicht jedes Bischofes, der kein Verräther sein will, dieses Recht für sich und diese Pflicht für sein Gewissen in Anspruch zu nehmen, und jedes eigene, der Staatsgewalt entsprungene Recht bei Besetzung von Kirchenstellen der weltlichen Macht zu bestreiten, sowie jede Instruktion der Regierung für die Seelsorge zurückzuweisen. Hätte irgend ein Fürst das Recht, jene Gewalt, die von Christus kommt, aus seinem eigenen landesherrlichen Rechte zu ertheilen und die Pflichten des geistlichen Amtes zu bestimmen, dann wäre die ganze Ordnung der Kirche in Frage gestellt,‹ und ich erlaube mir beizusetzen: es wäre überhaupt nicht mehr die Kirche Christi, sondern die landesherrliche oder cultusministerielle Kirche.«

»Ich kann Ihre Ausführungen zwar nicht bestreiten«, sagte der Prälat, »muß jedoch gestehen, daß Sie nach solchen Grundsätzen als Bischof die größten Verwirrungen hervorrufen würden. Wir bekämen die jammervollen Zustände des preußischen Culturkampfes. Der Bischof würde eingesperrt oder des Landes verwiesen, ebenso die Pfarrer, – die Seelsorgsstellen blieben unbesetzt, das Volk müßte verrohen und verwildern.«

»Eurer bischöflichen Gnaden ist die geschichtliche Thatsache nicht unbekannt, daß offene Kämpfe und schwere Verfolgungen der Kirche niemals geschadet, wohl aber dieselbe geläutert und das religiöse Bewußtsein der Gläubigen gestärkt und gefestigt haben. Nicht Sturm und Krieg sind der Kirche gefährlich, sondern der faule Friede. Scheinbar lebt in unserem Staate die Kirche in Frieden und ohne Unterdrückung, in Wirklichkeit aber corrumpirt das System Fuchs den Clerus vollständig und mit ihm die Seelsorge. Will ein Pfarrer bei der Regierung genehm sein und sich zur Beförderung empfehlen, so darf er nicht pastoriren nach dem Geiste und den Vorschriften der Kirche, er muß vielmehr pastoriren im Geiste und nach den Instruktionen des Cultusministers. So hat das System Fuchs die Seelsorge gebunden, untergraben und derselben eine Richtung gegeben, welche den wirklichen Hirtenpflichten oft widerspricht. So muß der Clerus verderben und mit ihm das Volk. Die Pfarrer, dem System Fuchs gehorsam, um bessere Stellen zu erhalten, sinken herab zu feigen Miethlingen, über welche Christus schon das Urtheil gesprochen. Der Herr Bischof Ketteler von Mainz schreibt in seinem Buche: ›Freiheit, Autorität und Kirche‹, in derselben Frage: ›Ein solcher Einfluß der Staatsbehörden auf die Besetzung der Kirchenstellen ist eine wahre Pest im Innern der Kirche; es wird dann nicht mehr die persönliche Würdigkeit der Maßstab sein, sondern allerlei Nebenrücksichten, Geschmeidigkeit, gesellige Liebenswürdigkeit, politische Ansichten, oder geradezu unkirchliche Gesinnung. Was soll aus der Kirche werden, wenn Freimaurer und andere Kirchenfeinde an die wichtigsten Stellen solche Geistlichen bringen, die ihnen in der Gesinnung am nächsten stehen? Und wenn diese zugleich durch ihre Stellung einen corrumpirenden Einfluß auf den ganzen Priesterstand des Landes üben können Ketteler, Freiheit etc. S. 167 f?« – So schreibt Bischof Emmanuel von Mainz, und er hat Recht.«

»Nach ihrer Meinung,« erwiederte mit verhaltenem Aerger der Auserwählte des Cultusministers Dr. von Fuchs. »Die kirchenpolitischen Ansichten des Bischofes von Mainz sind nicht die meinigen. – Ihnen aber muß ich zum Schlusse empfehlen, sich nur mit Ihren Berufsangelegenheiten zu befassen und zwar in einer Weise, welche den Frieden mit der Regierung nicht stört. Begegnen Ihnen Schwierigkeiten, so denken Sie mit Ihrem Bischofe: »Es ist nichts zu machen!« Dieser Wahlspruch wird Sie mancher Verdrießlichkeiten überheben.«

Herr Gut war entlassen. Bekümmerten Herzens verließ er die bischöfliche Wohnung. An das Scheitern seiner persönlichen Angelegenheit dachte er kaum, – allein der Standpunkt seines geistlichen Vorgesetzten und die Ueberzeugung, den Bischofsstuhl mit einer Creatur des Systems Fuchs besetzt zu sehen, zerriß ihm das für seine Kirche begeisterte Herz.

Des Trostes bedürftig, ging er nach der Kirche, kniete vor dem Allerheiligsten nieder und begann, seinen Kummer und seine Klagen vor dem Herrn auszuschütten. Da erhob sich in seinem gedrückten Geiste eine gewaltige Gegenströmung, und tröstend sprach zu ihm der Herr: »Kleinmüthiger, weßhalb zagest Du? Habe nicht ich meine Kirche gegründet und ihr Meinen Beistand verheißen, bis zum Ende der Zeiten? Bin nicht ich der allmächtige und getreue Gott, der sein Wort einlöst? Meine Braut wird zwar mein eigenes Leben theilen auf Erden, ein Leben der Leiden und Verfolgungen, und wie dem Pontius Pilatus von oben Gewalt gegeben war über mich, so wird dem Pontius Pilatus aller Zeiten von oben Gewalt gegeben über meine Kirche, – und dennoch wird sie über alle Feinde triumphiren. Du grämst Dich über Judas, den Verräther, aber ich dulde ihn, obwohl es dem Judas und seinem Geschlecht besser wäre, niemals geboren zu sein. Sei guten Muthes, auch Judas und sein arges Geschlecht, die mich immer verkauften und verriethen, vermögen nichts wider meine Kirche. Erhebe Dich über den sehr beschränkten Standpunkt der Zeitlichkeit und bedenke, daß vor mir und meinem Weltplane tausend Jahre sind gleich der flüchtigen Minute, und daß ich die Lebenswege meiner streitenden Kirche bestimme nach einem Maßstabe, der nicht durch Zeitumstände und Räumlichkeiten der Staaten und Reiche begrenzt wird. – Du aber genüge Deinen Pflichten auch dort, wohin ich Dich senden werde. Bleibe mir treu bis in den. Tod und die Krone des Lebens will ich Dir geben.«

Vollkommen beruhigt, von Trost und Frieden erfüllt, erhob sich der treue Knecht seines Herrn und verließ das Gotteshaus. Nach wenigen Schritten begegnete ihm Ottfried Edel, der ihm freudig beide Hände entgegenstreckte.

»Mein hochwürdiger, lieber Freund, welches angenehme Zusammentreffen! Ich weiß, Sie sind auf der Brautfahrt, – Sie haben doch keinen Korb erhalten?«

Herr Gut berichtete kurz, wobei in Edel's Angesicht ein verhaltenes Zürnen trat.

»Ich kenne die hochherzigen Beweggründe, welche Sie nach Faulheim führen,« sprach jetzt der Großgrundbesitzer. »Darum erlauben Sie mir gütigst, lieber Freund, eine Angelegenheit, bei der auch ich mit meiner Familie und meinen zahlreichen Arbeitern interessirt bin, in das richtige Geleise zu bringen. Ohnehin ruft mich eine landwirthschaftliche Frage zum Kreisdirektor, dem ich meinen Herzenswunsch, Sie als Pfarrer zu besitzen, aussprechen werde.«

»Vertrauensvoll lege ich die Sache in Ihre Hand,« erwiederte Gut.

Beide Männer schieden mit warmem Händedruck. Herr Ottfried eilte mit großen, unternehmenden Schritten nach dem Regierungsgebäude, wo die Excellenz den bekannten »lieben Nachbarn« des Landesherrn mit ausgesuchter Freundlichkeit empfing.

»Ihre Güte übersteigt meine kühnsten Erwartungen, Herr Edel! Wie konnte ich hoffen, daß mein Brief Sie veranlassen werde, persönlich hieher zu kommen?«

»Die Sache ist etwas verwickelt und schwierig, weßhalb ein mündlicher Austausch nothwendig schien,« entgegnete Herr Ottfried.

Zwischen Beiden begannen weitläufige Erörterungen. Es handelte sich um einen ausgedehnten Sumpf, welcher an das Gebiet Edels grenzte und für den Wiesenbau gewonnen werden sollte.

»Ich theile Ihre Ansichten vollkommen,« sprach am Schlusse der Kreisdirektor. »Ich werde Ihre Urtheile und Vorschläge für die Vorlage an den Kreisrath maßgebend sein lassen. Da Sie unbestrittene Autorität in diesem Fache sind, so wird der Kreisrath keine Schwierigkeiten erheben. – Gestatten Sie mir den Ausdruck des Dankes für Ihre Bemühungen! Ihre Verdienste für die Landwirthschaft meines Regierungskreises sind wirklich sehr groß, und ich bedauere die Unmöglichkeit, Ihnen niemals einen Wunsch erfüllen, oder einen Gegendienst leisten zu dürfen.«

»Wäre es nicht unbescheiden, Excellenz beim Wort zu nehmen?« frug lächelnd Herr Ottfried.

»Sie machen mich glücklich. Ihnen dienen zu können,« erwiederte mit aufrichtiger Freude der Beamte.

»Wie Ihnen bekannt, wurde Streber zum Stadtpfarrer in L – befördert und hat Faulheim bereits verlassen.«

»Streber ist ein vortrefflicher Mann, er wird noch eine glänzende Carriere im Staatsdienste machen,« rühmte Bär. »Nun wünschen Sie wahrscheinlich von mir eine angenehme Persönlichkeit zum Pfarrer in Faulheim?«

»So ist es, Excellenz!«

»Wer ist Ihnen genehm?«

»Herr Pfarrer Gut in Heilborn.«

Der Kreisdirektor saß im höchsten Grade überrascht, bemühte sich jedoch, seinen Unmuth zu verbergend

»Ich begreife nicht Ihr Interesse für diesen bigotten und extremen Mann. Sein Fascikel enthält nicht ein einziges günstiges Zeugniß. Pechschwarz ist er angeschrieben.«

»Deßhalb freut es mich, diese falsche Beurtheilung richtig stellen zu können,« versetzte Edel. »Ich kenne Gut schon seit mehr als dreißig Jahren und bewunderte oft den klugen Eifer, die Aufopferung, die Beharrlichkeit und auch die Frömmigkeit dieses würdigen Geistlichen. Seiner Amtsthätigkeit hat Heilborn die sittliche Ordnung, sowie das musterhafte Verhalten seiner Bewohner zu danken. In Heilborn giebt es niemals Verbrechen und auch keine Socialdemokraten. Faulheim hingegen ist verdorben, sittlich und ökonomisch tief gesunken. Fast das ganze Dorf ist socialdemokratisch und in landwirthschaftlicher Beziehung in völliger Auflösung begriffen. Darum wünsche ich Gut nach Faulheim, damit er das Dorf reformire. Ich erlaube mir, diesen Wunsch um so nachdrucksvoller auszusprechen, weil er mit dem Staatsinteresse zusammenfällt.«

Die Excellenz saß ernst und schweigend, redlich bemüht, die bittere Pille zu verschlucken.

»Im Vertrauen auf Ihre Lokalkenntnisse,« sprach er jetzt, »und in dem Bestreben, Ihnen gefällig zu sein, will ich meine Entscheidung modifiziren. Gut wird Pfarrer in Faulheim.«

Drei Wochen später brachte das Amtsblatt die Ernennung des Priesters Joseph Gut zum Pfarrer in Faulheim.



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