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Der Kampf.

Der Burggraf schien einen Zusammenstoß mit Sighard ängstlich zu vermeiden; denn er schickte weder Hunde, noch Waffenknechte zurück nach Lorsch. Ebensowenig belästigte er fahrende Kaufleute aus Worms, die unter Greifensteins Geleite an Starkenburg vorbeizogen. Wohl aber rüstete er beständig und vermehrte seine Streitkraft. Da ihm der Haß der Bauern nicht unbekannt war, so unterließ er es, deren Söhne für den Waffendienst zu pressen, bemühte sich aber, fehdesüchtige Leute, die vom Stegreif lebten, zusammen zu raffen. Bei diesem Unternehmen leisteten Machol Ben Baruch und andere Juden vortreffliche Dienste, da sie, in Folge ihres Gewerbes, Land und Leute genau kannten. Im Geheimen förderten die Juden um so bereitwilliger die Absichten des Preußen, da ihnen gewinnbringende Geschäfte, durch billige Erwerbung geraubter Kaufmannsgüter, in Aussicht standen. Nach Verlauf einiger Wochen, brachte Bertolf mit Hilfe der Juden seine Raubschaar auf fünf und vierzig Lanzen, eine Macht, die ihn befähigte, gegen Sighard einen vernichtenden Schlag zu führen.

Dem jugendlichen Helden waren die Rüstungen des Burggrafen nicht entgangen. Er schickte seinen Knappen Heidolf mit einem Briefe nach Worms und bat um Verstärkung, die unverweilt eintraf. Der unternehmende Patrizier Herbert von Windeck erschien an der Spitze von zwölf jungen Männern aus den vornehmsten Familien, alle ausgezeichnet beritten und bewaffnet, tapfer und muthvoll, sowie von Begeisterung erfüllt, unter Führung des Helden Sighard ihrer Vaterstadt dienen zu können. Es gewährte einen kriegerischen Anblick, die berittene Schaar, in glänzendem Waffenschmuck, die flatternden Banner von Worms und Greifenstein an der Spitze, die Bergstraße hin und wieder ziehen zu sehen, Handelsgüter auf hochgethürmten Lastwagen und fahrende Bürger aus Worms geleitend. Wiederholt ritten sie an der trotzigen Starkenburg vorbei, deren gewaltige Thürme und Mauern dräuend von der Bergzinne niederschauten, ohne auch nur einen Feind wahrzunehmen. Dieser friedliche Verlauf begann den thatendurstigen Patriziern langweilig zu werden. Die adelige Jugend von Worms ersehnte Kampf und Gelegenheit, Kraft und Muth zu bewähren. Manche von ihnen schwangen herausfordernd die Waffen, wenn sie an der Veste vorbeiritten, allein die Starkenburger zeigten keine Lust, die Herausforderung anzunehmen.

»Ihr habt dem Herrn da droben solchen Schrecken eingejagt,« wandte sich Windeck scherzend an Greifenstein, »daß ihm aller Muth verging, Euren Schwertstreichen sich auszusetzen.«

»Ihr täuschet Euch, mein Freund!« erwiederte Sighard. »Bertolf ist ein ebenso tapferer, wie schlauer Mann, der meint, uns in fahrlässige Sicherheit wiegen zu können. In Wirklichkeit harrt er des günstigen Augenblickes, um über uns herzufallen.«

Greifensteins Ansicht bewährte sich bald.

An einem lieblichen Junimorgen geleitete er mit seinen Waffenbrüdern drei Lastwagen, mit Tüchern, Leder, Leinwand und Seide beladen und von je vier starken Pferden gezogen. Bereits lag die Starkenburg eine halbe Stunde hinter ihnen. Die Landstraße zog bergab, einen Forst durchschneidend, in dem zu beiden Seiten des Weges ein enges Wiesenthal seinen grünen, mit Blumen durchwirkten Teppich ausbreitete. Wie gewöhnlich ritten zwei Reisige als Vorhut dem Trosse eine gute Strecke voraus. Kaum waren diese einige hundert Schritte in den Forst hineingeritten und dem Wiesenthal nahe gekommen, als sie dasselbe auf beiden Seiten der Landstraße mit kampfbereiten Feinden besetzt fanden. Augenblicklich hielten sie die Pferde an und musterten die feindlichen Schaaren, die in zwei gleiche Theile geschieden waren. An der Spitze des Streithaufens zur rechten Seite hielt die herkulische Gestalt Steinbergs, der mit weithin schallender Stimme den Wormsern zurief: »Meldet dem edlen Ritter Sighard, Hans von Steinberg erwarte ihn zum Schwertkampfe.«

Die Reisigen wandten die Pferde und eilten zurück, die Kunde zu melden. Der ganze Zug hielt zur Stelle. Frohlockend vernahmen die kampflustigen Wormser die Mär.

»Heute wollen wir dem argen Raubpreußen und seinen Gesellen das schändliche Handwerk legen!« riefen sie mit blitzenden Augen.

»Heute wollen wir deutsches Land vom Verderben befreien!«

Mit Ruhe und Bedacht, wie es dem kriegskundigen Führer geziemt, vernahm Herr Sighard die Botschaft.

»Hält der Ritter, welcher Euch zugerufen, zur rechten oder zur linken Seite der Straße?« frug er die Reisigen.

»Zur rechten Seite.«

»Dann führt Bertolf die Schaar zur Linken, und auf ihn habe ich es abgesehen. Die Aufstellung des Feindes zwingt uns, gleicherweise unsere kleine Macht zu theilen. Herr von Windeck, Ihr werdet mit den zwölf Edelleuten den Feind zur Rechten bekämpfen, und ich werde mit meinem Knappen und den zwölf Reisigen den Burggrafen und dessen Raubvögel angreifen. Die Streitkräfte sind zwar nicht gleich; denn Bertolf zählt mit seinen fünf streitbaren Söhnen und Steinberg zwei und fünfzig Helme, – wir sieben und zwanzig. Dennoch steht auf unserer Seite die stärkste Macht, – das Recht! Wohlan, – zum Streite mit Gott und St. Georg! »Hie Worms!« – sei der Schlachtruf.«

Während sich die Wormser zum Kampfe ordneten und rüsteten, nahten Sighard die Begleiter der Lastwagen, drei bejahrte Kaufleute. Ihre ängstlichen Mienen verkündeten nicht den Thatendrang und Siegesmuth ihrer jungen Mitbürger.

»Edler Herr,« sprach Einer von ihnen, »wäre es nicht wohlgethan, die Wagen umzuwenden und rückwärts zu fahren, dieweilen der Kampf einen schlimmen Ausgang nehmen könnte?«

»Nicht doch, meine Freunde!« erwiederte Greifenstein lächelnd. »An Niederlage wollen wir ebenso wenig denken, wie an feige Flucht, und das Zurückfahren würde nichts helfen; denn bald hätten die Sieger Euch eingeholt. Harret des Ausganges, und richtet ein frommes Gebet zu St. Georg und seiner himmlischen Heerschaar.«

Während Greifenstein an die Spitze seiner Abtheilung ritt, begaben sich die Kaufleute wieder zu den Lastwagen, und es machte einen trüben und schmerzlichen Eindruck, die drei hochbejahrten und geängstigten Männer des Friedens, mit Recht besorgt um die Ergebnisse des Gewerbfleißes, auf gefriedeter Landstraße halten und bedroht zu sehen durch die Raubgier eines gewissenlosen Mannes. Dennoch schrumpfen diese kleinen Fehden des Mittelalters in Nichts zusammen, gegenüber jenen ungeheueren Kriegsrüstungen späterer Zeiten, welche ganze Völker zu erdrücken und den Wohlstand von Nationen zu vernichten drohen.

Da jetzt Kampfgetöse vom Thale herauf schallte, so erfüllten die Kaufleute Sighards Wunsch, sie nahmen ihre Hüte ab, knieten nieder und hoben die Hände bittend zum Himmel.

Als Greifenstein an der Spitze seiner kleinen Schaar im Thale erschien und sich nach der linken Seite der Straße wandte, rief ihm Steinberg zu: »Hieher, edler Ritter! Hieher, – verschmäht nicht einen dritten Waffengang mit mir!«

Sighard beachtete indessen die Einladung nicht und stürmte mit gehobenem Schilde, das blanke Schlachtschwert in der eisernen Faust, auf die Feinde los. Zu gleicher Zeit wurde Steinberg von den Patriziern ungestüm angegriffen, so daß zu beiden Seiten der Straße ein mörderischer Kampf entbrannte. Das Feldgeschrei: »Hie Worms, – hie Starkenburg!« wiederhallte an den Bergen, mit Schwertschlägen und Axthieben vermischt, die auf Helme und Schilde prasselnd niederfuhren.

Wacker hielten sich die Streitgenossen Sighards, deren kräftige Arme und ausgezeichnete Waffen jenen der Söldlinge Bertolfs überlegen waren. Auch Heidolf glänzte durch kühnen Muth, indem er, wie sein Knappenberuf es heischte, mit seinem Schilde manchen Streich auffing, der seinem Herrn zugedacht gewesen. Es bedurfte jedoch kaum des schirmenden Knappenschildes; so undurchdringlich war Greifensteins starke Rüstung, daß kein Hieb deren Stahl zu brechen vermochte. Und abermals wiederholte sich dieselbe Erscheinung, wie im lorscher Walde, – in rascher Folge schlug der streitbare Held die Knechte aus den Sätteln. Seinen furchtbaren Streichen widerstanden weder Helm, noch Schild, noch Ringpanzer, und sein schneidiges Schwert war von so edlem Stoffe, daß es die Eisenhauben der Reisigen spaltete, ohne schartig zu werden. Ein Theil dieses Raubgesindels lag bereits am Boden, während Greifenstein vergeblich den Burggrafen zu erreichen strebte, welcher ihm ängstlich auswich, nicht aus Furcht, sondern aus heidnischem Aberglauben; denn abermals hatte ein Götterspruch ihn gewarnt, vor einem Zweikampfe mit Sighard.

»Hieher, Burggraf!« rief ihm dieser zu. »Stehe, feiger Mann! Stelle Dich zum Streite!«

Der Graf that jedoch das Gegentheil, er wandte das Roß zur Seite und schlug mit sausendem Streiche einen Wormser aus dem Bügel. Zu gleicher Zeit fiel Heidolf, von einem Axthiebe getroffen. Sighard sah Edithas Bruder vom Pferde stürzen, und diese Wahrnehmung entflammte seinen Grimm. Die Jagd auf Bertolf einstellend, begann er, die Wegelagerer schonungslos niederzuschmettern. So gelangte er wieder in die Nähe des Grafen. Schon spornte er den schnaubenden Streithengst nach dem Feinde, als dessen beide ältesten Söhne, Beowulf und Bruning, ihm entgegen stürzten. Zwei jungen Löwen gleich hatten sie bisher gestritten. Bruning hatte den Knappen Heidolf vom Pferde gehauen und Beowulf drei Knechte kampfunfähig gemacht. Jetzt trieb sie ihr kühner Muth, den Recken im Streite zu bestehen. So ungestüm kamen sie angerannt, so meisterhaft war die Leitung ihrer Rosse und die gewandte Führung ihrer flinken Schwerter, daß blitzschnell ungezählte Streiche auf Sighard niederfuhren.

»Ah, – statt des alten, zwei junge Wölfe!« rief der grimme Degen, Beowulf anfallend, dessen eiserner Halskragen nicht schirmte gegen Sighards Schwert; denn sein Kopf flog von den Schultern, und hochauf stieg aus dem Rumpfe ein jäher Blutstrahl.

»Du bist ein mordwüthiger Teufel, – kein Mensch!« schrie Bruning den Ritter an, indem er seinen Schild wegwarf, mit beiden Händen das Schwert faßte und einen weithin dröhnenden Schlag auf des Feindes Schulter führte. Es war sein letzter Streich. Im nächsten Augenblicke sank er tödtlich getroffen zu Boden.

Bertolf gewahrte nicht den Fall seiner beiden Aeltesten. Dem Orakel gehorchend und die Unmöglichkeit erkennend, schließlich einen Waffengang mit Sighard zu vermeiden, war er mit seinen drei Söhnen nach der anderen Seite geeilt, wo sich das blutige Handgemenge für ihn zu entscheiden schien. Er wollte rasch den vollständigen Sieg erstreiten helfen, und dann hoffte er, durch Steinbergs Riesenkraft den Helden Sighard zu bezwingen.

Nach Brunings Sturz schaute Greifenstein ringsum; es war kein Feind mehr da. Leichen und zuckende Körper bedeckten das Wiesenthal. Von den zwölf Wormser Kriegern saßen nur vier noch kampffähig im Sattel. Er nahte der Stelle, wo Heidolf lag, schmerzlich bewegt durch den Tod eines Jünglings, den er liebte, und der Edithas Bruder war. Vorsichtig nahm er den Helm vom Haupte des Knappen. Ein Blutstreifen rann vom Wirbel über Heidolfs bleiches Gesicht, der nicht todt, nicht einmal schwer verwundet, sondern nur betäubt war, wie sich der kundige Ritter überzeugte. Hoch erfreut über diese Wahrnehmung, vertraute er einem Wormser die Wartung Heidolfs. Er selbst schwang sich in den Sattel, zur Fortsetzung des Kampfes; denn siegverheißend erscholl das Feldgeschrei der Starkenburger.

Herbert von Windeck und dessen Waffengenossen hatten inzwischen rühmlich mit der Uebermacht gestritten. Obwohl tapfer und in Führung der Waffen geübt, wären sie dennoch einer doppelten Anzahl Feinde erlegen, ohne Steinbergs Gleichgiltigkeit für den Kampf. Dieser Edelmann beobachtete nämlich eine fast unbegreifliche, an Verrath streifende Haltung. Er focht nur, wenn er angegriffen wurde, und in diesem Falle begnügte er sich mit einer Abwehr des Feindes, ohne weitere Theilnahme an einem Handgemenge, für das er keine Zeit fand und kein Interesse zeigte. Fortwährend spähte er hinüber, wo Greifensteins gefräßiges Schwert die Feinde niedermähte. Das gewaltige Streiten des Helden zu beobachten, hatte für Steinberg unendlich mehr Reiz, als sich mit »Stadtratten,« wie er die Wormser nannte, herum zu schlagen.

»Ha, – nun hat er bald aufgeräumt!« rief Hans, vor Begierde brennend, mit dem bewunderten Degen zu kämpfen. »Ist kein Feind mehr da, – muß er wohl herüber kommen zum Waffengange mit mir.«

Bertolf stürmte heran mit seinen drei Söhnen.

»Was haltet Ihr müßig zur Seite, Freund Steinberg?« rief er im Tone des Vorwurfes. »Seht Ihr denn nicht, daß die Wormser meinen Knechten zu schaffen machen?«

»Pah, – Stadtratten abzuthun, gehört nicht zum Waffenwerk des Edelmannes,« erwiederte verächtlich Herr Hans. »Den Helden Sighard erwarte ich! Hätte ihn längst angerannt, wäre es nicht gar zu ergötzlich, ihn streiten zu sehen und erlaubt, die angewiesene Wahlstatt zu verlassen.«

»Seid nicht wunderlich!« rief Bertolf, ohne den Tadel zu beachten. »Auf, – treuer Streitgenosse, – helfet mir!«

Mit diesen Worten schwang er den Stahl und stürzte sich auf die Wormser. Jetzt wurde die Lage der Patrizier bedenklich. Von Steinberg, Bertolf und dessen Söhnen angegriffen, kamen sie in heißes Gedränge. Schon waren drei von ihnen unter Steinbergs und des Burggrafen Streichen gefallen, – da brauste Sighard heran. Mit dem Rufe: »Hie Worms!« fiel er den Feinden in den Rücken, und die Bergwände wiederhallten von seinen wuchtigen Schwerthieben. Die Starkenburger niederschmetternd, welche einen Ring um die Wormser gebildet, drang er vor, seine Bahn durch Blut und Leichen bezeichnend. Nicht sobald gewahrte ihn Steinberg, als er den Kampf einstellte.

»Hieher, edler Kämpe!« rief Herr Hans freudig. »Hieher, kühner Degen! Der höchste Siegespreis soll heute meinen Helm schmücken.«

Zwischen beiden Recken entbrannte ein gar gewaltiges Streiten. Was ein Zeitgenosse Sighards über den Kampf Siegfrieds mit Leudegast berichtet, wiederholte sich auch hier; – so furchtbare Schwertstreiche wurden gewechselt, daß Feuerfunken und lichte Flammen aus den Helmen sprangen.

Da schlug der Herre Siegfried, daß all das Feld erklang;
Da, wie von großen Bränden, aus dem Helme sprang
Manch feuerrother Funken von des Helden Hand. Nibelungenlied 191

Wie Kinderspiel erschien das Gefecht aller Uebrigen, neben dem Aufgebote riesenhafter Stärke beider Hünen. Und auch jetzt bewährte sich die grimmige Schneide und zermalmende Kraft von Sighards Schwert. Der Festigkeit seiner Rüstung vertrauend, war Hans weniger bedacht, mit dem Stahlschilde gegen die Hiebe seines Gegners sich zu decken, als Streiche zu führen. Da sauste Greifensteins Waffe auf Steinbergs Schulter nieder, durchbrach Ringkragen und Panzer und schlug eine tiefe Wunde. Der Getroffene beachtete die Verletzung nicht in der Hitze des Streites, der unvermuthet einen für Sighard nachtheiligen Ausgang nahm. Sein Roß stürzte plötzlich zusammen und riß den Streiter mit sich. Zur Hälfte unter dem Pferde liegend und in Folge des Sturzes seines Helmes beraubt, fand er keine Zeit, sich zu erheben; denn flink war Steinberg aus dem Sattel gesprungen und hielt jetzt die Schwertspitze vor Greifensteins Augen.

»Ergebet Euch!« rief er ihm zu. »Was zögert Ihr, Herr Ritter?« drängte Hans, da Sighard schwieg. »Nach ritterlichen Kampfgesetzen müßt Ihr Euch ergeben.«

Die Mahnung war begründet und jeder kampfesunfähige Edelmann verpflichtet, die Waffen zu strecken.

»Ich unterwerfe mich den Kampfgesetzen und ergebe mich zur ritterlichen Haft!« antwortete Greifenstein mit großer Selbstüberwindung.

»Natürlich, – zur ritterlichen Haft, – versteht sich!« rief Steinberg, diensteifrig sich niederbeugend und Sighard behilflich, unter dem Rosse hervor zu kommen.

Greifenstein stieß sein blutiges Schwert, das er auch beim Sturze festgehalten, in die Scheide und war im Begriffe, den Gurt zu lösen.

»Nein, – durchaus nicht!« wehrte Hans. »Zwei Male hattet Ihr rechtlichen Anspruch auf meine Waffen und Rüstung, – habt jedoch edelsinnig hievon keinen Gebrauch gemacht. Erlaubt, daß ich Euch an Edelmuth nicht nachstehe. Traget Rüstung und Waffen auch während der Haft.«

Sighard drückte seinen Dank durch eine stumme Verbeugung aus. – Da schoß eine dunkle Zornesgluth über sein Gesicht.

»Da seht her!« sprach er, auf sein gefallenes Pferd deutend, welchem die Sehnen an beiden Hinterbeinen durchgehauen waren.

Nicht sobald gewahrte Steinberg den Grund von Sighards Zorn, als auch ihn die höchste Erbitterung ergriff. Nach den Kampfgesetzen galt es nämlich für schimpflich, selbst ohne Absicht ein Streitroß zu verwunden, – eine absichtliche Schädigung entehrte und wurde als feige That betrachtet.

»Wer hat dies gethan?« schrie Hans ergrimmt die Umstehenden an; denn nach Beendigung des Zweikampfes ruhte der Streit. Die meisten Reiter waren von den Pferden gestiegen, den Vorgang zwischen Greifenstein und Steinberg zu beobachten.

»Nochmals, – wer hat diese Bubenthat verübt?« wiederholte Hans. »Ein zehnfacher Bube, der aus Feigheit nicht Rede steht für sein Thun!«

»Ich habe es gethan!« sprach vortretend Bertolfs jüngster Sohn. »Was ich gethan, kann ich verantworten,« fuhr er trotzig fort. »Ritter Greifenstein hat alle unsere Knechte drüben todt gehauen, – sein Wüthen wollte er hier fortsetzen, – ich sah, wie sein Mordschwert die Panzerringe unseres edlen Gesellen Steinberg durchhieb, – ich fürchtete, er möchte auch ihn und darauf uns Alle niederhauen, – darum habe ich's gethan.«

»Ha, – falscher Bube!« zürnte Hans. »Burggraf, laßt den Jungen hängen, – er verdient's! Und mir begegnet dieser Schimpf, – mir, beim Waffengang mit dem kühnen Degen Sighard? Weiß Gott, – hätte Lust, meinen Gefangenen der Haft zu entledigen; denn kein ehrenhafter Kampf beraubte ihn der Freiheit!«

Bertolf erschrak bei dieser Drohung.

»Der Junge handelte aus Unwissenheit, sowie unter dem Drange gerechtfertigten Schreckens,« entschuldigte er. »Hätte Bruno den Kampf nicht unterbrochen, wahrscheinlich läge jetzt mein tapferster Waffenbruder kalt und todt auf dem Rasen. Ohnehin scheint Ihr nicht unbedeutend verwundet zu sein; denn ich sehe frisches Blut durch die Panzerringe sickern.«

»Und ich sage Euch, Burggraf, meine Schulterwunde brennt tausendmal weniger, als die Schandthat Brunos!« erwiederte Steinberg. »Wir sind dem Degen Genugthuung schuldig, welche darin bestehen mag, daß die Wagen mit den Kaufmannsgütern, für die er so mannhaft gestritten, ungeschoren weiter fahren. Genügt Euch dieses Entgelt nicht, Herr Sighard, so bin ich bereit, nach Eurer Lösung aus der Haft, durch einen vierten Waffengang mit Euch den Schimpf auszuwetzen.«

»Ich kann wohl Euer schätzenswerthes Anerbieten unbedenklich annehmen,« erwiederte Greifenstein; »denn meine tückisch herbeigeführte Niederlage entschied den Kampf keineswegs zu Gunsten des Burggrafen. Sieben edle Herren und vier Reisige aus Worms stehen hier noch streitbar und gerüstet, während die Söldner des Burggrafen fast alle todt die Wahlstatt bedecken.«

»Und ich muß gegen die Freigabe der Lastwagen und ihrer Begleiter entschieden Verwahrung einlegen,« versetzte Bertolf. »Meine Verluste sind groß, – ich heische Ersatz. Suum cuique, – Jedem das Seinige!«

»Hört mich an, Freund Bertolf,« sprach ernst Herr Hans. »Die Haft des edlen Recken Sighard wiegt schwerer für Euch, denn alle Krämer und Krämerwaaren in Worms. Verwerft Ihr meinen Vorschlag und gewährt nicht den Lastwagen sammt deren Begleitern freien Paß, – dann löse ich zur Stelle den Degen aus der Haft, und Ihr möget dann sehen, wie Ihr mit heiler Haut davon kommt.«

Der Preuße ergab sich in das Unvermeidliche.

»So mögen sie fahren!« sprach er unmuthig.

»Abgemacht! Demzufolge übergebe ich Euch hiermit meinen Gefangenen, Sighard von Greifenstein, zur ritterlichen Haft, unter der Bedingung, daß er, bis zur Auslösung, Waffen und Rüstung tragen darf, von denen er ja doch keinen Gebrauch machen kann.«

»Angenommen!« erwiederte Bertolf. »Herr Ritter, gelobet mir auf Ehrenwort ritterliche Haft, bis zu Eurer Lösung!«

»Ich gelobe!« antwortete Sighard.

Auf den Arm eines Knechtes gestützt, das Haupt mit einem Tuche umwunden, trat Heidolf heran.

»Wie geht es Dir, mein liebwerther Knappe?« frug Sighard theilnehmend.

»Nicht geringe Schmerzen im Kopfe,« antwortete der Jüngling. »Vater Hildebert, der ein sehr geschickter Arzt ist, würde mich bald geheilt haben. Darum verlangt mein Herz nach Lorsch. Ich bitte, Herr Sighard, führet mich sogleich dahin!«

»Gerne, mein Lieber! Allein ich bin Gefangener und kann über meine Schritte nicht frei verfügen.«

»Ich gestatte Euch den Ritt nach Lorsch, jedoch unter der Bedingung, daß Ihr heute noch auf Starkenburg eintreffet,« sagte Bertolf, im Begriffe, nach dem jenseitigen Kampfplatze zu eilen, um nach seinen beiden vermißten Söhnen zu forschen.

Greifenstein winkte Herbert von Windeck zur Seite.

»Grüßet meine Mutter herzinnig und meldet ihr, was geschehen. In Folge schwerer Prüfungen sehr ängstlich, wird sie mein Geschick in großen Schrecken setzen. Darum tröstet sie, – meldet ihr, daß mein Leib unversehrt, ohne jede Wunde, und erklärt ihr, daß Befürchtungen für meine Sicherheit unbegründet seien. Verweilet mit unseren Waffenbrüdern zu Greifenstein bis zu meiner Lösung, die bald erfolgen dürfte, insofern ich die geforderte Summe erschwingen kann.«

»Selbstverständlich wird Worms Euer Lösegeld zahlen,« entgegnete Windeck. »Habet die Güte, mich den Lösepreis sofort wissen zu lassen, sobald der Graf seine Forderung gestellt.«

Mit Gruß und Handschlag verabschiedete sich Greifenstein von jedem einzelnen Waffengenossen, bestieg ein lediges Pferd und ritt mit Heidolf gegen Lorsch, geleitet von dumpfen Klagetönen Bertolfs und seiner Söhne, welche die Leichen der beiden gefallenen Grafen umstanden und nach heidnischer Sitte, durch Weherufe und Jammergeschrei, deren Tod betrauerten.


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