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Interdict.

Ein Aufschrei der Entrüstung und des Schreckens gellte durch das Stiftsland: – Bertolf hatte den Mönch Ermenold aufgehoben und in den Kerker geworfen.

Sofort traten die schweren Strafen, von der Kirche über einen solchen Frevel verhängt, in Wirksamkeit. Im ganzen Gebiete der Abtei wurde der Gottesdienst eingestellt; denn das Interdict ruhte auf dem Lande, auf allen Klöstern, Weilern, Dörfern und Flecken. Das Glockengeläute verstummte, die Kirchen blieben öde und geschlossen, sogar den Mönchen war Mettengesang verboten, nur leise durften sie das Officium beten. Die Ehen wurden außerhalb der Kirchen eingesegnet, ohne Feierlichkeit, ohne die gnadenvolle Weihe des heiligen Meßopfers. Die Todten wurden ohne Priester an ungeweihter Stätte begraben. Nur an Sonntagen durfte Gottes Wort verkündet, das Volk mit Weihwasser besprengt werden, jedoch ohne gottesdienstliche Feierlichkeit. Nur einmal in der Woche wurde eine heilige Messe gelesen, um für Kranke die Hostien zu consekriren, aber bei verschlossenen Kirchenthüren, ohne Glockengeläute, Gesang und Orgelspiel, und ohne Theilnahme des Volkes; denn es lastete Gottes und der Kirche Fluch auf dem Lande ob des Verbrechens Statuimus, ut in terminis Archidiaconatus, in quo captivatum quempiam clericum detineri constiterit, interdictum distinctissime observetur, ita videlicet, quod corpora mortuorum ad ecclesiasticam sepulturam nullatenus admittantur, – sacerdotes aliud facere non praesumant, nisi quod in diebus dominicis proposito suis plebibus Verbo Dei – eos aqua benedicta conspergant, nullum omnino dicant officium in aperto, semel in ebdomada absque signo campanarum clausis januis – pio conficiendo viatico sub silentio missam dicant. Concil. german. T. III, pag. 587 .

Nichts war mehr geeignet, das abgründige Wesen eines begangenen Verbrechens dem gläubigen Volke zum klaren Bewußtsein zu bringen, als die furchtbare Strafe des Interdictes. Wie eine geistige Pest vergiftete der Frevel das ganze Land, verschloß den Gnadenquell der Kirche, entrückte dem Empfange die Sakramente des Heiles, löschte alle Lichter aus und hüllte Alles in schauerliche Finsterniß. Für Menschen aber, deren höchstes Streben in lebendiger Verbindung mit Gott und seiner Kirche gipfelte, war das Interdict ein geradezu unerträglicher Zustand. Darum erscheint es natürlich, wenn alle Gemüther empört aufflammten wider Bertolf, den Urheber des allgemeinen Unglückes. Ohnehin verabscheut wegen seiner unchristlichen Gesinnung, und verhaßt wegen seiner Tyrannei, ballten sich alle Männerfäuste grimmig wider den Burggrafen, und die Zungen der Frauen schürten emsig die Gluth. Hiezu kam die allgemeine und verdiente Beliebtheit der opferwilligen und frommen Mönche von Lorsch. Namentlich war gerade Ermenold eine überaus volksthümliche Persönlichkeit. Er predigte häufig in den Dorfkirchen an der Bergstraße, war ein vielbewunderter Kanzelredner, verkehrte gutmüthig mit den Bauern, und wußte sein reiches Wissen meisterhaft in die Sprache und Formen des Volkes zu kleiden. Nebenbei hatte er Verständniß und Theilnahme für die geistigen und leiblichen Bedürfnisse der Landleute, und wußte dieselben durch Rath und That zu befriedigen. Dazu bot er Allen durch lauteren Wandel und liebenswürdige Bescheidenheit ein leuchtendes Vorbild ächt christlichen Sinnes. – Nun lag er gefangen auf Starkenburg, hinab gestoßen in ein grausiges Verließ, – hinab gestoßen durch den verhaßten Preußen, weil er ihm frank und frei die Wahrheit gesagt!

Eine namenlose Erbitterung erfaßte das Landvolk. Hätte es die Unbezwinglichkeit der Starkenburg nicht gekannt, in hellen Haufen würde es die Veste angelaufen, Ermenold befreit und den gar bösen Mann wahrscheinlich erschlagen haben.

Bertolf kannte die Stimmung gegen sich und verachtete sie. Hinter seinen Thürmen und Mauern, vertheidigt durch eine starke Schaar reisiger Knechte, konnte ihm Niemand beikommen, dies wußte er. Nach Wohlwollen und Achtung des deutschen Volkes strebte der Preuße nicht, er wollte nicht geliebt, sondern gefürchtet sein. Von dem Schrecken und dem Hasse, den sein Name und sein Erscheinen verbreiteten, hatte er viele Beweise. Dazu hielt er die Bauern für feige und nicht fähig, eine Gewaltthat gegen ihn zu wagen.

»Ich will den Bauernlümmeln zeigen, wer im Lande Herr ist!« rief er, nach Anhörung eines Berichtes über die allgemeine Aufregung. »Dieses freche Gesindel rühmt sich verbriefter Rechte und Freiheiten, – wartet nur, will euch klar machen, daß kühne Manneskraft vergilbte Pergamente mit Füßen treten darf! Schon tragen und geberden sich diese fetten deutschen Bauern, wie Edelleute, – will ihnen zeigen, daß Bauerntölpel kein anderes Recht haben, als dem Edelherrn zu gehorchen, für ihn zu arbeiten. Ich will diesen übermüthigen Stieren des Feldes das Joch preußischer Sklaven auf den starren Nacken zwingen, – will sie bändigen und drillen!«

»Löbliche Entschlüsse, würdig eines Withings!« rühmte Odina, des Grafen unheimliche Mutter. »Die Götter unserer alten Heimath werden Dich ausrüsten mit Heldenstärke, Deine Plane durchzuführen, Bahn zu brechen preußischer Art und preußischem Geiste in diesem deutschen Pfaffenlande. So lange diese geschorene Mönchsrotte, – Picollos verfluche sie, – in Lorsch Tag und Nacht Metten heult, die Söhne des Adels erzieht und die Bauern am Gängelbande der Kirche führt, mag preußische Aussaat wenig gedeihen.«

»Ich weiß es!« versetzte Bertolf, mit einem finsteren Blicke auf das Kloster Lorsch. »Bevor die Pfaffen nicht stumm und lahm gelegt sind, kann sich der Geist unserer Heimath nicht entfalten. In Preußen gebieten und wollen die Götter nur, was dem Herrenstande gefällt, – in Deutschland aber ist ein starres Evangelium göttlich und die Kirche allmächtig. Warte, – zu stummen Hunden will ich die Pfaffen peitschen und dann sie austreiben, – der Anfang ist gemacht!«

Er verließ die Stube, bestieg das harrende Pferd und ritt gegen Auerberg, zur Rechtfertigung seiner Gewaltthat vor Baldemar von Billungen.

Als der Graf durch Heppenheim ritt, das am Fuße des Berges lag, auf dessen Gipfel Starkenburg sich erhob, – bemerkte er, wie die Bauern ihm scheu auswichen und bei seinem Nahen eilig in den Häusern verschwanden. Dieselbe Wahrnehmung machte er auf der Landstraße. Niemand begegnete ihm, weil von Ferne schon die Leute aus dem Wege gingen. Er sah Männer und Frauen, sobald sie seiner ansichtig wurden, die Straße verlassen und querfeldein laufen, als bringe ein Begegnen mit dem Burggrafen Tod und Verderben. Bertolf lachte. Sein hochfahrender Stolz fühlte sich geschmeichelt, den Leuten solchen Schrecken einzujagen. Bedenklich wurde jedoch die Sache, als der Reiter dem großen Dorfe Auerbach nahte, nur von freien und wohlhabenden Bauern bewohnt.

Von einer Anhöhe oberhalb des Dorfes, welche weithin die Landstraße gegen Starkenburg übersehen ließ, dröhnte in lang gezogenen Tönen, mit dreimaliger Unterbrechung, ein Horn. Das Hornblasen war offenbar ein verabredetes Zeichen; denn bei seinem Schalle liefen alle Männer zusammen und eilten nach dem Eingange des Dorfes. Da noch nicht die Feldarbeiten des Frühjahres begonnen hatten und alle Bewohner zu Hause weilten,, war die gesammte männliche Bevölkerung in kurzer Frist versammelt. Die Meisten trugen Waffen, Aexte, Lanzen, Schwerter und Spieße, als gelte der Zusammenlauf irgend einem gefährlichen Raubthiere, das sich in der Gemarkung sehen ließ. An der Spitze stand der ehrwürdige Schultheiß, um ihn her drängte sich eine aufgeregte Menge mit funkelnden Augen und Zornesgluth in den Gesichtern. Einen besonders drohenden Anblick gewährte die breitschulterige Gestalt des Dorfschmiedes. Das Horn hatte ihn unmittelbar von der Esse gerufen, deren Flammen in seinen Augen zu brennen schienen. Die Lederschürze umgeschnallt, die Hemdärmel über die muskulösen Arme gestreift, das Gesicht geschwärzt, in der Rechten eine wuchtige Eisenstange, Thatendrang und verhaltenen Grimm in den Zügen, stand er da, bereit zum Empfange des verhaßten Preußen.

Staunend gewahrte Bertolf die zusammengerotteten Bauern, ritt langsam heran und hielt einige Schritte vor dem Haufen. Kein Zeichen der Achtung begrüßte ihn, nicht einmal Merkmale der Furcht fand des Grafen forschender Blick, wohl aber solche des Zornes und drohender Haltung.

»Was soll das? Gebet die Straße frei!« herrschte er den Bauern zu.

»Nichts da, – Ihr dürft nicht durch's Dorf!« antwortete eine Stimme.

»Wie, – mir, dem Burggrafen wollt Ihr die Landstraße versperren? Seid Ihr alle zusammen verrückt, verdammte Schurken?«

»Ein verdammter Schurke seid Ihr!« rief ein Verwegener.

Bertolf saß einige Sekunden sprachlos im Sattel, während seine Augen grimmig aufleuchteten und eine dunkle Gluth sein Gesicht bedeckte.

»Tolle Sklaven!« knirschte er. »Macht Ihr nicht zur Stelle offene Bahn, dann will ich über eure Leichen mir eine Gasse hauen.«

»Freie Männer sind wir, keine Sklaven, – so frei, wie der Vogt auf Starkenburg!« rief ein Trotziger.

»Die Hand vom Schwertgriff!« drohte der Schmied mit einer Stimme, die hart und ehern aus der breiten Brust hervorbrach. »Wie Viele von uns werdet Ihr erschlagen? Kaum Einen. Dann aber seid Ihr ein todter Mann, – das schwöre ich Euch!«

Kaum gewahrte Bertolf die entschlossene und gefährliche Haltung der Bauern, sowie die Unmöglichkeit, mit Gewalt durchzudringen, als er sein Benehmen änderte und sich den Schein heiterer Laune gab.

»Ei, – das ist doch fürwahr recht ergötzlich!« sprach er mit erzwungenem Lachen. »Da stehen die freien, frommen Bauern von Auerbach und verlegen mir, wie Straßenräuber, den Paß!«

»Den Schimpf laßt bei Seite, – wir sind keine Straßenräuber!« entgegnete ein Schwertträger. »Dagegen weiß Jedermann im Lande, daß Ihr ein Straßenräuber seid.«

Der Vogt warf dem kühnen Sprecher einen wüthenden Blick zu, ohne jedoch den begründeten Vorwurf zu erwiedern.

»Seid ihr nicht Alle ganz von Sinnen, dann erklärt wenigstens, was für ein Wahnwitz euch getrieben, mir die Landstraße zu sperren.«

»Das will ich Euch sagen, Burggraf!« antwortete gelassen der Schultheiß. »Betrachtet diese Männer, – allen brennt der helle Zorn im Gesicht über Eure sehr böse That. Einen gar frommen Mönch, den wir alle verehren und lieben, habt Ihr gefangen und in den Thurm gesetzt, wie einen Missethäter, – und doch hat der ehrwürdige Vater Ermenold nichts gethan, als seine Pflicht. Gepredigt hat er wider Diebe und Räuber, wider Unterdrücker und Gewaltthätige; – dies muß er, dazu ist er da. Was im Evangelium steht, muß er getreu und ohne Scheu verkünden und mahnen gegen Alles, was Gottes heiligem Willen zuwiderläuft. Da Ihr nun an dem schuldlosen Priester einen schweren Frevel gethan, so ist die Kirchenstrafe, der große Bann, über das ganze Stiftsland gekommen. Die Glocken schweigen seit drei Tagen, – keine heilige Messe seit drei Tagen, keine feierliche Taufe, keine heiligen Sakramente, kein christliches Begräbniß, seit drei Tagen! Und so geht der Jammer fort, bis der unschuldige, gar gute Mönch seiner Haft ledig geworden – – Seht, Burggraf, solchen Jammer können wir nicht ertragen. Wir sind Christen, wollen leben, sterben und begraben werden, wie Christen. Den Bannfluch, den Ihr über uns gebracht, können wir nimmer aushalten. Wir können nicht leben ohne unsere heilige Mutter, die Kirche, – nicht leben ohne Frieden mit ihr, – nicht leben ohne ihre Gebete, ihre Sakramente und ihren Segen. Und Ihr seid der Urheber alles Unglückes. Darum klebt der Fluch an Eurer Ferse. Eure Gegenwart ist verderblicher, als Pest und Tod. Aus dieser Ursache sollt Ihr nimmer durch unser Dorf reiten, bis Ihr den Bannfluch gelöst, durch Freilassung des heiligen Mannes Gottes. Ich rathe Euch, Burggraf, dies bald zu thun; denn wir können einen so elenden Zustand nicht ausdauern. Ein Leben ohne Segen und Gnaden unserer heiligen Mutter, der Kirche, treibt uns in die helle Verzweiflung. Bedenket, daß Ihr nicht in Preußen seid, unter Heiden, sondern im deutschen Reiche, unter Christen. Das Christenvolk läßt seine guten Priester nicht straflos mißhandeln, – es wird furchtbare Rache nehmen; darum sehet Euch wohl vor, – meinet nicht, wider den Glauben eines ganzen Volkes freveln zu können, – dies wäre Euer sicherer Untergang!«

Diese Rede, von dem ehrwürdigen Greise mit Ruhe vorgetragen, machte auf den Burggrafen einen überraschenden und sehr tiefen Eindruck. Anfänglich saß er hoch zu Roß, die Rechte übermüthig in die Seite gestemmt, den Kopf nach dem Nacken geworfen und geringschätzend auf den Alten herabsehend. Je weiter jedoch der Schultheiß in seiner Rede kam, desto bemerkbarer wich Bertolfs starrer Trotz ernstem Nachdenken. Eine ganz neue Anschauung der Dinge schien plötzlich über ihn zu kommen, und zwar mit solcher Lebhaftigkeit und Stärke, daß er immer noch schweigend niedersah, als der Greis seine Rede geschlossen und der Entgegnung harrte.

»Was Ihr da vorbringt, Schultheiß, trifft mich keineswegs!« sprach er jetzt zerstreut, augenscheinlich weniger in der Absicht, seine Gedanken und Empfindungen zu verrathen, als durch irgend eine Erwiederung den Vorwürfen zu begegnen. »Ihr habt ja die Schimpfworte des Mönches gehört; denn er predigte hier in der Kirche.«

»Wir haben die Predigt Alle gehört, – aber keine Schimpfworte, – die Predigt war recht!« versetzten die Bauern.

»Der Mönch hat mich einen Dieb und Räuber geheißen.«

»Das ist nicht wahr, – Niemand hat er genannt!« behaupteten die Umstehenden.

»Sehr begreiflich, wenn Ihr den Dieb und Räuber auf Euch bezieht!« sagte der Schmied. »Wenn man den Hund trifft, so bellt er.«

»Vater Ermenold hat nach dem Evangelium gepredigt, und das Evangelium lautet wider alle Diebe und Räuber.«

»Gefällt Euch das Evangelium nicht, so reitet heim in Euer Preußenland und hört Götzenpriester, welche das Rauben, Brennen und Morden gutheißen.«

»Wir sind Christen und dulden keine Heiden im Lande.«

»Wir sind Deutsche und mögen keine preußischen Schinder.«

Der Lärm wurde immer größer. Die Schwerter und Spieße kamen in bedenkliche Bewegung, und drohend funkelten die Augen der Bauern.

Der Vogt warf das Pferd herum und ritt gegen Starkenburg. Dort angelangt, vermied er die Halle, wo er Hans von Steinberg mit seinen Söhnen wußte und betrat ein abgelegenes Zimmer, das er in finsterem Sinnen rastlos durchschritt Es wühlte heftig in dem Grafen, dessen Verhalten jenem eines Menschen glich, der sich bei einem verhängnißvollen, sein ganzes Streben in Frage stellenden Fehler ertappte.

»Du bist schon zurück von Auerberg?« frug seine eintretende Mutter. »Nun, – wie nahm der fromme Billungen die verdiente Züchtigung des frechen Pfaffen? Aber,« – unterbrach sie sich, »was ist Dir? Du gleichest eben Perkunos, dem Donnergott, wenn er auf schwarzen Wetterwolken einherfährt. Was hat sich begeben? – Rede!«

Er berichtete, schilderte die drohende Haltung der Bauern und wiederholte fast wörtlich die Rede des Schultheißen.

»Was folgt hieraus?« schloß er. »Daß ich eine verkehrte Bahn eingeschlagen, die niemals zum Ziele führt. Der Schultheiß hat Recht: – im Kampfe mit einem ganzen Volke muß auch der Mächtigste unterliegen. Und ich befehde ein ganzes Volk, dessen Höchstes und Heiligstes der religiöse Glaube, indem ich auf den Ruinen einer Abtei meine Hausmacht zu gründen trachte. Verderblicher Wahn! Wenn schon die Bauern empört und grimmig aufstehen, bei gerechter Züchtigung eines kühnen Mönches, – was wird geschehen, wenn ich alle Mönche zu Lorsch austreibe und die Stiftsgüter wegnehme? Nein, – die Zeit ist noch nicht gekommen, vorlaute Pfaffen einzusperren, Mönche auszutreiben und Kirchenlande in Fürstenthümer zu verwandeln!«

Die Alte schüttelte mißvergnügt den häßlichen Kopf und in ihren unheimlichen Augen glitzerte ein dämonisches Feuer.

»Wer spricht so? Ist dies Bertolf, der muthige, stolze und tapfere Withing, der also spricht?« stachelte sie. »Wer kann Dir wehren, zu thun mit kluger Vorsicht und mit Gewalt, was Dir gefällt? Wie, – Bauern schrecken Bertolf? Schäme Dich! Die feigen Frömmler wagen nichts, – sie werden sich beugen vor Deiner Stärke, daran hast Du sie ja schon gewöhnt. Seit Jahren verdienst Du ihren Haß und Zorn, – hat es Dir geschadet? Die Einkünfte fast aller Stiftsgüter hast Du an Dich gerafft, bist mächtig und reich geworden, – jetzt schreckt Dich, bei der nahen Krönung Deines kühnen Werkes, ein schimpfender Bauernhaufe?«

»Nein, – das nicht! Dagegen wurde mir klar, daß man nicht schwimmen kann gegen einen reißenden Strom; – der Strom der Zeit aber ist der christliche Glaube, dessen Macht alles ihm Feindselige verschlingt.«

»Gut, – schwimme mit dem Strom und werde ein frommer Christ, – ein gläubiger Verehrer des Papstes!« höhnte sie.

»Könnte ich heucheln, – Euer Rath wäre klug und möchte zum erwünschten Ziele führen. Mancher christliche Edelmann wurde Fürst durch Unterdrückung fremder Rechte, durch Beraubung fremder Güter. – Aber, – nichts da, – keine Heuchelei! Mein Knie beugen vor Priestern, die vorgeben, an Gottes Statt Sünden nachzulassen? Ha, – lieber den Tod, als Erniedrigung!«

»So gefällst Du mir, Withing! Stark und stolz! Haß dem Christengott, – Perkunos wird Dir weiter helfen!«

Ein Kammerknecht meldete die Ankunft des Ritters Baldemar von Auerberg.

»Dem gehe ich aus dem Wege, – dem Frömmler!« sprach die Alte, sich nach einer Seitenthüre wendend. »Er kommt wegen des Mönches. Bertolf, laß Dich nicht bethören!« warnte sie, unter dem Eingang sich noch einmal umwendend. »Bleibe fest und beharre!«

Und ihre abschreckende Gestalt verschwand im Dunkel eines finsteren Ganges.

Unmuth und Bestürzung im Gesichte, betrat Billungen das Zimmer, grüßte obenhin und erwiederte kaum Bertolfs Händedruck.

»Graf, was macht Ihr da für Sachen?« fing er sogleich an. »Das ganze Land geräth in Aufruhr. Die zwölf Plagen Aegyptens sind nichts gegen die Pein dieses schrecklichen Bannfluches, der auf uns lastet. Die Frauen weinen und jammern, die Männer fluchen und drohen. Solches Unheil habt Ihr fertig gebracht, durch die Haft des Mönches und Magisters Ermenold.«

»Hört mich einmal ruhig an, bester Nachbar!« versetzte Bertolf, indem er den erhitzten Baldemar beim Arm faßte und ihn nach einer Bank geleitete. »Erinnert Euch, – verflossenen Herbst warnte ich besagten Ermenold in Eurer Gegenwart, er möge das Predigen gegen mich einstellen, ansonst ihm Schlimmes begegne. Die Warnung war umsonst, der Mönch beharrt auf seinen Brandreden. Er hetzte die Bauern wider mich auf und beschimpfte meine Ehre. Dies that er abermals in der Kirche zu Auerbach am letzten Sonntage. Nun mag er im Thurm, bei Wasser und Brod, seine Frechheit bereuen.«

»Falsch, Graf! Der Mönch hetzte nicht wider Euch, beschimpfte Eure Ehre durchaus nicht. Mit meiner Familie und allem Gesinde bin ich in der Predigt gewesen. Gegen Ungerechte, Diebe, Unterdrücker der Schwachen und Räuber predigte Ermenold. Euer Name wurde nicht genannt.«

»Ganz recht, – meinen Namen hat er nicht genannt, allein die Bauern wissen gar wohl, wer unter dem Diebe und Räuber gemeint ist. Ich kenne die umlaufenden Reden der Leute und auch ihre Schadenfreude, wenn der Preuße tüchtig abgekanzelt wird. ›Heute ist der Preuße wieder verpfeffert und versalzen worden, sagen sie. Wie schade, daß er nicht zugehört!‹ – Dieses fortwährende Hetzen der Mönche bringt mich in bösen Ruf, – meine Ehre wird angefochten, mein Name besudelt, – – das muß aufhören!«

»Weit gefehlt! Die Sache wird nur ärger. Das Landvolk ist grimmig und wild, – wahret Euren Leib!«

»Ich fürchte mich nicht!« erwiederte Bertolf mit verächtlichem Lächeln. »Bin stark genug, mit Schwert und Streitaxt tolle Schelme Vernunft zu lehren. – – Und dann, weßhalb der Lärm über die Haft eines Mönches? Werden nicht zuweilen Bischöfe niedergeworfen und in Haft gelegt? Hat nicht vor einigen Jahren Graf Otto von Gülch den Erzbischof von Cöln gar in einen eisernen Käfig gesperrt und selben an einem Thurm aufgehängt? – Uebermüthige Pfaffen sollen gezüchtigt werden.«

»Was Ihr da sagt, betrifft einen ganz verschiedenen Fall,« erwiederte Billungen. »Wenn ein Bischof in Fehde liegt mit irgend Einem vom Adel, mag es ihm wohl begegnen, eingesperrt zu werden. Wäre Bischof Engelbert bei seinem Meßbuch geblieben und nicht in den Kampf gezogen, der Käfig wäre ihm erspart worden. Und trotzdem, – wie rächte das erbitterte Volk die Gewaltthat gegen seinen Erzbischof? Zu Aachen wurde Graf Johann von Gülch mit seinem Sohne und vierhundert fünf und sechzig Mannen von dem ergrimmten Volke erschlagen. – Dies merkt Euch, Graf Münster, Kosmogr. S. 728. Ausg. v. 1561.

»Sagte schon: – ich fürchte mich nicht! Meine Burg trotzt einer Welt in Waffen.«

»Ihr könnt nicht immer hier oben hinter den Mauern sitzen.«

»Reite ich, so geben meine tapferen Mannen sicheres Geleite. – Sonderbar, wenn Graf Otto den Bischof einsperrte, der ihn befehdete, so findet Ihr dies Recht, – sperrt aber Graf Bertolf einen Mönch ein, der ihn befehdete, so findet Ihr dies Unrecht!«

»Wie kann Euch der schwache, waffenlose Mönch befehden?«

»Mit seiner Zunge, – schneidiger und schärfer denn alle Waffen.«

»Er gebrauchte die Zunge im Dienste seiner Pflicht,« erwiederte Billungen. »Oder wollt Ihr den Mönchen vorschreiben, was sie predigen sollen, und was nicht?«

»Allerdings! Was mich kränkt und ärgert, was mir nicht paßt und nicht gefällt, das sollen die Pfaffen bleiben lassen. Im Stiftslande bin ich Herr, dem auch die Mönche gehorchen müssen.«

Billungen machte große Augen.

»Das verstehe ich kaum! Was Ihr da redet, mag in Preußen Sitte und Brauch sein, im deutschen Reiche nicht, – in der ganzen Christenheit nicht. Bischöfe, Pfarrer und Mönche lehren Gottes Wort, und Niemand darf es ihnen wehren.«

»Ich will es ihnen wehren auf meinem Gebiete. Ich unterwerfe mich keiner Pfaffenherrschaft.«

»Ei, Graf, das klingt fast ketzerisch!«

»Erschrecket nicht, Nachbar!« versetzte lächelnd und einlenkend der Preuße. »In Ehre und Treue will ich es mit dem besten Christen aufnehmen. Ich kann eben nicht anders denken, als ein freier Edelmann denken muß, der jede Knechtschaft haßt.«

»Das verstehe ich und es gefällt mir!« erwiederte der ebenso gutmüthige, wie kurzsichtige Baldemar. »Meine Tochter hingegen versteht diese männliche Sprache und Denkweise nicht. Eure That gegen den frommen Norbertiner erfüllt sie mit Abscheu und Schrecken. Ich versprach Euch Editha zum Weibe und halte mein Wort; aber die Zuneigung Edithas kann ich nicht erzwingen, – dies werdet Ihr begreifen. Demnach dünkt mir, es sei klug gethan, wenn Ihr bestrebt seid, wohl Achtung und Liebe meiner Tochter zu gewinnen, nicht aber deren Abscheu.«

»Ah, – das ist etwas Anderes!« erwiederte der Burggraf, indem er sich erhob und mit sich kämpfend durch das Zimmer schritt. »Berührten Punkt übersah ich vollständig. Wohl gesprochen, Freund Baldemar, – ich danke Euch! Ein Weib nehmen, das mich verabscheut? Nein! – Bin zwar kein Ritter, weiß aber doch, was man Frauen schuldet.«

Er trat zur Thüre und rief durch die Vorzimmer. Ein Kammerknecht eilte herbei.

»Löse den Mönch im Thurm und bringe ihn hieher. – Ihr sollt des Mönches Richter sein,« wandte er sich an Billungen. »Findet Ihr ihn schuldlos, so sprecht ihn frei. Aber ich fürchte, hochmüthiger Trotz und Starrsinn des Pfaffen werden Euch zwingen, vor Editha meine Gerechtigkeit zu rühmen und ein Verfahren zu vertheidigen, wie es Mannesehre gebot.«

Magister Ermenold betrat das Zimmer mit einer tiefen Verbeugung. An dürftige Kost gewöhnt, hatte die Gefangenschaft bei Wasser und Brod ihn nicht magerer gemacht, wenn dies überhaupt möglich war; denn sein Leib bestand fast nur aus Knochen und Haut. Ebensowenig hatte die Gefangenschaft ihn niedergebeugt oder entmuthigt, – im Gegentheil, eine hohe Freude strahlte aus seinen Augen, und sein bleiches, mildes Angesicht leuchtete und glänzte, wie angehaucht von überirdischem Entzücken. Weit entfernt, seinem Tyrannen mit finsteren Blicken und feindseligem Wesen zu begegnen, begrüßte er ihn mit heiterer Miene, wie einen wohlwollenden Freund.

Baldemar hatte sich erhoben und dem Mönche die Hand gereicht.

»Ich bedauere sehr, Euch in einem Zustande zu treffen, ehrwürdiger Vater, der Euch nicht nur der Freiheit beraubt, sondern auch Unglück und Jammer verhängte über das ganze Stiftsland, – nämlich das Interdict!«

Die hellen Züge Ermenolds überschattete bei dem Worte ein tiefer Schmerz.

»Das Interdict, – entsetzlich!« sprach er. »Viele tausend Seelen des Gottesdienstes und aller Heilsgnaden beraubt, um meinetwillen, der ich ein so großer Sünder bin vor Gott, – wie schrecklich!«

»Nicht um Euretwillen wurde das Interdict verhängt, sondern wegen des Burggrafen Unterfangen, einen schuldlosen Priester in Haft gelegt zu haben.«

»Aber ich bin die Ursache, welche den Burggrafen zu einem übereilten, im Sturme des Zornes unternommenen Schritte getrieben. Bin ich auch dem Grafen Bertolf persönlich großen Dank schuldig, so verbittert mir doch der Gedanke an das Interdict jede berechtigte Freude.«

Der Burgherr glaubte zu träumen, so sehr überraschte ihn das unbegreifliche Benehmen des Mönches. Statt erwarteter Vorwürfe, übernahm Ermenold beinahe seine Rechtfertigung und erklärte sich ihm zum Danke verpflichtet. Nicht minder setzte ihn des Norbertiners Bescheidenheit und Freundlichkeit in Erstaunen. Würde der Gefangene mit schweren Vorwürfen ihm gegenüber getreten sein, in übermüthiger und trotziger Haltung scharfe Worte gebrauchend, – Bertolf hätte in gleichem Trotze hochfahrenden Sinnes erwiedert. Aber diese demüthige, heitere und liebevolle Art des würdigen Priesters entwaffnete den Burggrafen vollständig. Sogar der Gedanke beschlich ihn, durch Vergewaltigung eines solchen Mannes sich bloßgestellt zu haben.

»Mir dünkt, Mönch, Ihr haltet mich für Euren Wohlthäter?«

»Gewiß, edler Graf!« antwortete Ermenold mit freudig aufleuchtenden Blicken und Mienen. »Gott hat mich Armen gewürdigt, durch Eure Hand, um seines Namens willen, Kerker und Bande zu erdulden, – ein Verdienst und eine Glorie, mehr werth, als die Schätze der ganzen Welt.«

»Demnach bekennt Ihr das an mir begangene Unrecht?« frug Bertolf, der nicht genau den Sinn von Ermenolds Rede begriff.

»Verzeiht, edler Graf, ich habe ein Unrecht wider Euch nicht zu bekennen und zu bereuen, weil ich es nicht beging. Meine Pflicht ist es, Gottes Wort zu predigen und zwar, wie der Apostel sagt, sei dies gelegen oder ungelegen. Ich habe gepredigt wider Diebstahl, Raub, Unterdrückung schuldloser Schwachen, – nicht in der Absicht, Irgendjemand zu beleidigen, sondern zu bessern und die genannten Frevel zu verhüten. Erlitt ich deßhalb Kerker und Bande, so erging es mir doch weit glimpflicher, als den heiligen Aposteln, die mit Ruthenstreichen gezüchtigt und schließlich qualvoll getödtet wurden, weil das Wort Gottes den Gewalthabern mißfiel.«

»Ah so, – nun begreife ich!« sagte Bertolf. »Die Prediger des Evangeliums wollen nur Gott gefallen, nicht aber den Gewalthabern. Bin jedoch meinerseits der Ansicht, die Prediger thäten klüger, auf der Kanzel Dinge nicht zu berühren, welche die Gewalthaber ärgern und reizen.«

»Wäre Eure Meinung richtig, edler Graf, dann wäre das Wort Gottes gebunden, stummen Hunden glichen die Prediger und Menschenfurcht hätte die Botschaft des Heiles unterdrückt. Dem einen Gewalthaber mißfiele die Predigt wider Diebstahl und Raub, – dem anderen wider Unmäßigkeit und Ehebruch, – dem anderen wider Meineid und Mord, – dem anderen wider Hoffahrt und Zorn, und so fort, – so daß schließlich die Herrschaft sündiger Leidenschaften Alles überwuchern und die christliche Ordnung umgestürzt würde. Sohin muß die Verkündigung des Wortes Gottes frei sein.«

»Bin gleichen Dafürhaltens!« bestätigte Herr Baldemar. »Lieber Graf, ich erachte diesen ehrwürdigen Mann so unschuldig, wie ein Kind und meine, Ihr sollet ihn der Haft entledigen.«

»Es mag gelten!« antwortete Bertolf. »Kehret nach Lorsch zurück, Mönch, – glaubet aber nicht, daß ich Euer Wohlthäter sein wollte.«

»Gefällt es Euch, zu reiten, ehrwürdiger Vater, so steht mein Roß zu Diensten,« sagte Billungen.

»Ich danke Eurer Güte! Von hier nach Lorsch ist ja nur eine kleine Stunde.«

»Grüßet alle ehrwürdigen Väter und bittet sie, möglichst geschwind das schreckliche Interdict bei Seite zu schaffen.«

»Bald werden die Glocken der Abtei das freudige Ereigniß verkünden,« erwiederte Magister Ermenold, indem er sich verabschiedete.

»Gott sei Dank!« sprach aufathmend Herr Baldemar, nachdem sich die Thüre hinter dem Mönche geschlossen. »Nachbar, – Nachbar, nur keine solche Streiche mehr!«

»Hab' selber wenig Gefallen daran! Unterlasset nicht, vor Editha mein Thun zu rechtfertigen. – – Nun von etwas Anderem! Doch zuerst Trunk und Imbiß.«

Er rief nach dem Diener und gab ihm einen Auftrag. Dann rückte er zwei Stühle an den Tisch, welchen der Kammerknecht mit Wein, Brod, Hirschbraten und geräuchertem Schinken bestellte. Der Graf füllte die Humpen bis zum Rande und stieß mit seinem Gaste an.

»Im Grunde habt Ihr Ursache, mir zu grollen; denn ich betrieb unseren Ehrenhandel gar zu langsam bisher,« hob der Preuße an. »Indessen, glaubt mir, keine Vernachlässigung der übernommenen Fehde trifft mich, – im Gegentheil, seit sechs Monaten habe ich jede Stunde zur Rüstung benützt. Wer mit Starken Fehde anhebt, muß selber stark sein; – ich bin es. Eine tapfere Schaar reisiger Knechte gehorcht meinen Befehlen, – lauter treue Gesellen. Sämmtliche Knechte aus dem Stiftslande habe ich ausgestoßen, weil sie mir nicht verlässig dünkten. Gewölbe und Kammern sind mit Lebensmitteln angefüllt, auf Jahre hinaus eine Umlagerung aushalten zu können; denn solche Streiche will ich auf Worms führen, daß sein Krämervolk laut aufschreit und wohl in blinder Wuth zusammenlauft, mein festes Haus zu berennen. Den neuen Thorthurm werdet Ihr gesehen haben, – ein würdiges Glied im Wehrring. Seine Mauern messen sieben Fuß und trotzen jedem Angriffe.«

»Der neue Thurm war überflüssig, – Starkenburg gilt mit Recht für unbezwingbar.«

»Es wird auch gegen Worms seinen alten Ruf bewähren,« sprach stolz der Burgherr. »Bald werdet Ihr Neuigkeiten hören. Mein Späher meldet, daß sich die wormser Krämer zur Ausfahrt rüsten. Ich will auf sie niederstoßen, wie ein Falke auf Rebhühner. Die Schufte sollen erfahren, daß man nicht ungestraft Einen vom Adel beschimpft.«

»Offen gestanden, Burggraf, der Handel behagt mir nicht ganz! Es mag eine gar blutige und grimmige Fehde werden. Um eines Rosses willen solchen Streit –«

»Nicht um eines Rosses willen,« unterbrach ihn Bertolf, »sondern um Eurer Ehre willen. Wiesen Euch die Schelme nicht ab mit Eurer Beschwerde, wie einen rechtslosen Buben? Das sollen sie büßen! Der Uebermuth dieser Lederkrämer und Pfefferhändler soll inne werden, daß sich der Adel nicht beschimpfen läßt, sondern Kraft und Muth besitzt, nach altem Herkommen, mit Lanze und Schwert, sein Recht und seine Ehre zu verfechten.«

»Im Grunde habt Ihr nicht Unrecht. Der Adel darf sich von den stolzen Städten nicht unter die Füße treten lassen. Worms mag seinen Uebermuth bereuen.«

»Die freie Reichsstadt!« höhnte Bertolf. »So lange will ich es bedrängen, bis es Euch Genugthuung leistet und die großen Kosten meiner Rüstungen bezahlt. Werde zwar noch manchen Strauß bestehen müssen, – gleichviel! Kampf und Waffenstreit sind des Edelmannes Lust. Will mich weidlich ergötzen und schließlich die schönste, minnereichste Maid heimführen, die jemals mit Lanze und Schwert gewonnen wurde. Burggräfin Editha soll durch Glanz, Schönheit, Reichthum und hohen Rang, ein Gegenstand des Neides für alle ihres Geschlechtes werden.«

Die Worte schmeichelten dem Vater. In langen Zügen trank er und stellte den geleerten Humpen kopfnickend auf den Tisch.

»Muß sagen, – was Biederkeit, Treue und Tapferkeit anbelangt, darf sich meine Tochter ihres künftigen Gatten schon rühmen!«

»Anderes nicht zu vergessen, lieber Freund!« versetzte Bertolf mit geheimnißvollem Augenzwinkern. »Im Vertrauen, – glaubt Ihr denn, ich wollte ewig als Klostervogt hier sitzen bleiben? Wie mancher einfache Edelmann brachte es bis zum Grafen, wie mancher Graf zum Fürsten, seit der letzte Hohenstaufe in die Gruft gestiegen, im Reiche die Stärke waltet und kluge Benützung der Umstände den Muthigen belohnt. Nehmet an, die Norbertiner ziehen fort aus Lorsch, – was sich leicht begeben mag, sintemal auch die Benediktiner fortgezogen. Wer hätte mehr Anrecht auf die Stiftslande, als ich, der erbberechtigte Burggraf? Und wenn ich stark genug bin, mein Recht zu vertheidigen gegen Jedermann, wer mag verhindern, daß sich der Grafenreif in einen Fürstenhut verwandelt?«

Herr Baldemar, in dessen Kopf der Weingeist zu herrschen begann, sah den Preußen überrascht an.

»Fürwahr, – ein kühner Gedanke!« rief er aus.

»Dessen Verwirklichung Euch nicht unerwünscht sein kann; denn er macht Eure Tochter zur Fürstin,« sagte Bertolf, indem er fortfuhr, seine hochstrebenden Plane in einer Weise zu besprechen, welche den Raub schlau verhüllte und beständig das Recht des Erbgrafen von Starkenburg betonte.

Endlich brach der Gast auf, stark angeheitert in Folge des genossenen Weines und nicht im Zustande jener ruhigen Ueberlegung, welche die Tücke eines listigen Räubers durchschaut.

Auf der Landstraße dahin trabend, hielt plötzlich Herr Baldemar sein Pferd an und lauschte. Von Lorsch herüber klang feierliches Glockengeläute, das Aufhören des schrecklichen Interdictes verkündend. Auch die Glocken von Heppenheim, Bensheim und Auerbach mischten sich in den Chor der singenden ehernen Zungen. Wie ein Festchoral rauschte das Lied der Glocken über das Land und erweckte allenthalben den freudigsten Jubel.

»Der Burggraf ist doch ein edler Mann!« sprach der weinselige Billungen. »Den Mönch hat er aufgehoben, weil er glaubte, einen schmähenden Bösewicht strafen zu müssen. Kaum erkannte er jedoch Ermenolds fromme Einfalt, so gab er ihn frei. – – Zwar ist er gar empfindlich im Ehrenpunkte, – will ihn deßhalb nicht schelten, – dieweilen die Ehre für jeden Edelmann das Höchste sein muß. Doch hart ist er und rücksichtslos, wenn es gilt, sein Recht zu wahren. Nun, – wer hat keine Fehler? – An mir handelte er, wie ein ächter Freund, – war über meine Kränkung durch Worms fast noch mehr empört, als ich selbst. Ohne des Grafen Beistand hätte ich den Schimpf einstecken, mich wie einen Rechtslosen müssen behandeln lassen. Nun mögen die Wormser immerhin die sauere Brühe austunken, von ihnen selber eingebrockt. – – Was jedoch der Burggraf vom möglichen Auszuge der Norbertiner sagte, gefällt mir nicht. Warum sollen sie ausziehen, – Lorsch öde lassen? Was mag wohl dahinter stecken?«

Und fürbaß reitend, verlor sich Herr Baldemar in Gedanken.


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