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Waffenbruderschaft.

Mutter Hildegard übte inzwischen die angenehme Pflicht der Gastfreundschaft. Sie hatte die Gäste nach dem Saale geleitet und daselbst bewirthet. Als nun Sighard eintrat, staunten die Fremden sichtlich über die Stattlichkeit des jugendlichen Helden. Vom Tische sich erhebend, beugten sie tief Haupt und Nacken, während Greifenstein mit ungezwungener Freundlichkeit die Gäste willkommen hieß.

Mutter Hildegard, deren weiblicher Scharfsinn Außerordentliches in dem Erscheinen der Fremden erkannte, stand erwartungsvoll und nicht ohne bange Unruhe bei Seite.

»Wir sind Abgesandte des Rathes und der Obrigkeit von Worms an Euch, Herr Ritter!« hob Einer der Unbekannten an. »Mein Begleiter, Paul Schick, Rathsmann und Vorstand der Waffenschmiedezunft, und ich, Herbert von Windeck, haben in einer höchst wichtigen Angelegenheit mit Eurer Gnaden zu unterhandeln.«

Ueber Sighards Angesicht schoß die Gluth freudiger Ueberraschung; denn augenblicklich errieth er den Zweck der Sendung.

»Nehmet Platz, meine werthen Gäste!« sprach er, sich selbst einen Stuhl an den Tisch rückend. »Bin sehr gespannt, den Grund zu erfahren, welcher das mächtige Worms bestimmte, mit einer Botschaft mich zu beehren.«

»Eurer Gnaden dürfte die Fehde nicht unbekannt sein, welche Burggraf und Stiftsvogt Bertolf von Starkenburg ohne gerechte Ursache wider Worms erhob,« sagte Herbert.

»Ich kenne diesen unritterlichen Span genau,« erwiederte Greifenstein.

»In diesem Falle kann ich ohne Umschweife eingehen auf den Inhalt unserer Botschaft,« fuhr Windeck fort. »Als vorigen Herbst der Burggraf Fehde angesagt, fahrende Leute aus Worms niederwarf und so den Landfrieden brach, ließ ihn des Kaisers Vogt vor sein Gericht laden. Bertolf jedoch erwiederte trotzig: ›Ich stelle mich vor dem Landvogte nicht. In der gerechten Sache, die ich vertrete, nehme ich nur Recht von meinem Schwert. Selbst der Vorladung des Kaisers würde ich nicht folgen, dieweilen der Adel in Ehrenhändeln über sich einen Herrn nicht kennt.‹ – Hiebei verharrt der böse Mann und läßt nicht ab, Worms zu schädigen, wie er kann. Da wir nach Schwaben und Franken einen lebhaften Handel treiben und die Landstraße an Starkenburg vorbeiführt, so muß der arge Bedränger höchst lästig fallen. Schon gedachten wir, eine tapfere Schaar gegen Bertolf zu rüsten und sein festes Haus zu stürmen. Davon rieth jedoch ein kriegskundiger Degen ab, weil Starkenburg nicht zu nehmen und der Graf mit Lebensmitteln für lange Zeit wohl versehen wäre. Sohin würde die Fehde ungeheuere Kosten verursachen und schließlich kaum zum erwünschten Ziele führen. Dagegen rieth besagter Mann, Worms möge mit dem edlen Ritter Sighard von Greifenstein Waffenbruderschaft schließen und seiner starken Hut das Geleite fahrender Leute und Kaufmannsgüter anvertrauen. Da Burg Greifenstein ganz nahe bei Starkenburg liege und nicht minder die Landstraße beherrsche, so könne Niemand besser unsere Bürger schützen wider alle Gefährde, als Herr Sighard. Dieser Rath des klugen Mannes gefiel, und wir haben Vollmacht, im Namen der Obrigkeit von Worms mit Euch, Herr Ritter, zu unterhandeln, falls Ihr gesonnen wäret, vorgeschlagene Waffenbruderschaft einzugehen.«

Greifenstein war mit Spannung der Rede gefolgt, wobei sein Angesicht glühte und seine Augen kampflustig flammten. Dennoch beeilte er sich jetzt nicht mit einer Erklärung, wahrscheinlich bestimmt durch das Verhalten seiner Mutter. Frau Hildegard fand in einer Fehde mit dem Grafen eine große Gefahr für ihren Sohn, dessen Verlust ihr geängstigtes Gemüth stets fürchtete. Merkmale des Schreckens traten in ihre bleichen Züge und sie berieth Sighard durch lebhafte und eindringliche Zeichen, den Antrag abzulehnen.

»Zunächst meinen Dank für das Vertrauen der freien Reichsstadt Worms in meine Bereitwilligkeit, der gerechten Sache zu dienen,« sprach er jetzt. »Allein der gute Wille genügt hier nicht. Graf Bertolf reitet mit mehr, als dreißig Helmen in den Streit, – mir folgt nur ein Knappe und ein reisiger Knecht. Obwohl ein guter Degen den Feind nicht zählen darf, so es gilt, das Recht zu schirmen, ich selbst auch, im Falle der Noth, nicht anstehen würde, mit dreißig und mehr Räubern den Kampf zu bestehen, so wäre es dennoch tollkühn, gegen solche Uebermacht sich zu verpflichten.«

»So ist es nicht gemeint, Herr Ritter!« sagte Paul Schick. »Meine Zunft stellt Euch waffenkundige, streitbare und wohl berittene Reisige, so viele Ihr wollt.«

»Den Unterhalt der Waffenknechte übernimmt natürlich die Stadt,« ergänzte Herbert.

»Außerdem wäre unsere Stadt gerne bereit, auf die Dauer der Waffenbruderschaft Euch hundert Pfund wormser Heller zu zahlen,« sagte Schick.

Die angebotene Summe mußte nach den damaligen Geldverhältnissen sehr bedeutend sein; denn sichtlich überraschte den Burgherrn das Angebot.

»Auch ist Worms erbötig, jede andere Bedingung einzugehen, die Ihr mit Fug stellen möget,« erklärte Windeck. »Offen sei's gestanden und ohne Schmeichelei, unsere Stadt wäre stolz darauf, ihre gerechte Sache durch einen Kämpen verfochten und geschirmt zu wissen, dessen kühner Heldenmuth und ritterliche Thaten reichsbekannt sind. Der Rath geht von der Ansicht aus, es möchte sein Vorschlag Euch gerade nicht unliebsam erscheinen, sintemal das Ritterthum verpflichtet zur Vertheidigung des Rechtes und kein Edelmann den Ritterpflichten bereitwilliger Genüge leistet, als Herr Sighard von Greifenstein.«

Die letzten Worte entschieden.

»Wenn Ihr bei Pflicht und Ehre mich packt, wie kann ich die Vertretung einer gerechten Sache von der Hand weisen?« versetzte Greifenstein. – »Für welche Frist soll die Waffenbruderschaft gelten?«

»Vorläufig bis November dieses Jahres,« antwortete Windeck. »Wird die Fehde inzwischen beigelegt, so löst Worms dennoch die übernommenen Verbindlichkeiten.«

»Habt Ihr Grund, eine Beilegung der Fehde zu hoffen, ohne des Preußen unersättliche Raubgier befriedigt zu haben?«

»Wir haben allerdings einen sehr starken Grund,« antwortete Paul Schick, nachdem er einen Blick des Einverständnisses mit Herbert gewechselt. »Im Vertrauen auf Eure Verschwiegenheit, Herr Ritter, sei es gesagt, daß wir bereits vor einigen Wochen einen Boten mit schriftlicher Beschwerde an den Kaiserhof sandten.«

»Dies war klug, – sehr klug!« rühmte Greifenstein.

»Zugleich setzten wir uns mit den Norbertinern von Lorsch, die namenlose Drangsale von dem Stiftsvogte erdulden müssen, in Verbindung,« fuhr der Zunftmeister fort. »Auch die genannten Mönche verfaßten eine Beschwerdeschrift, mit einer langen Reihe fast unglaublicher Gewaltthaten und Bosheiten von Seite des Preußen Bertolf. Unser Bote überreichte zugleich die Schrift der Norbertiner dem Kaiser. Gestern gelangte die frohe Kunde nach Worms, Rudolph von Habsburg werde noch in diesem Jahre an den Rhein kommen.«

»Natürlich, – zweifelt nicht!« rief Sighard hocherfreut. »Der fromme Held und höchste Schirmherr des Rechtes wird nicht säumen, diese preußische Pestbeule aus dem Leibe des deutschen Reiches heraus zu schneiden. – – Meine Freunde, ich nehme die Waffenbruderschaft an und habe keine weiteren Bedingungen zu stellen. Zwölf auserlesene und tapfere, in den Waffen geübte und gut berittene Reisigen finden Platz in meinem Hause, – sie genügen. Gehen wir nach meiner Kammer, den Vertrag fest zu machen und zu verbriefen.«

In großer Bestürzung begab sich Frau Hildegard nach ihrem Zimmer und berichtete Editha das Ereigniß.

»Mein Gott, welch ein Unglück!« schloß sie händeringend die traurige Mär. »Nun werde ich auch mein letztes Kind verlieren. Vier Kindern mußte ich in das frühe Grab sehen, – von fünf hoffnungsvollen Söhnen hat einzig meinen Sighard der grimme Tod verschont, – nun wird auch ihn diese schreckliche Fehde dahin raffen! O ich Unselige, – ich Jammervolle!«

Sie verhüllte das Angesicht und weinte bitterlich.

Editha vernahm kaum die Klage der schmerzlich bewegten Mutter. Sie stand hoch aufgerichtet, mit weit geöffneten Augen, den Ausdruck einer tiefen Gemüthsbewegung in den reizenden Zügen, und in ihrer Haltung das Gepräge freudigen Stolzes. Selbst ihr goldenes Haar, wie eine leuchtende Fluth über den Rücken hinab fließend, schien feurig zu glänzen, und eine kühne Hoheit schimmerte auf ihrer reinen Stirne. So stand sie eine Weile, den lebhaften Eindrücken des Ungewöhnlichen folgend, bis Hildegards lautes Schluchzen aus ihren Betrachtungen sie weckte. Mit kindlicher Theilnahme nahte sie der Weinenden.

»O meine herzenstraute Mutter Hildegard, klaget nicht! Weinet nicht Thränen des Schmerzes, sondern Thränen der Freude und des Mutterstolzes, einen solchen Sohn zu besitzen. Bedenket das unermeßliche Vertrauen in die Tüchtigkeit Eures Sohnes, den eine mächtige Reichsstadt um Hilfe und Waffenbruderschaft bittet! Erwäget die glänzende Auszeichnung Sighards, von dem volkreichen, blühenden Worms angerufen zu werden, als Schirmherr seines Rechtes! Muß nicht frohlockendes Hochgefühl Eure Brust schwellen, bei dem Gedanken, einen solchen Heldensohn zu besitzen?«

»Den ich verlieren werde im blutigen, ungleichen Streite mit dem entsetzlichen Burggrafen!« klagte Mutter Hildegard.

»Ihr werdet ihn nicht verlieren, – Gott und St. Georg sind mit ihm!« versicherte Editha. »Für das Recht greift er zum Schwerte, – der Himmel verläßt keinen guten Ritter im heiligen Kampfe. Glaubet mir, Gott selbst ruft Sighard in den Streit, einen Ruchlosen zu strafen, zu stürzen, der hauset in den Stiftslanden, wie ein arger Heide, – der seit langer Zeit ein grausamer Bedrücker der frommen Väter in Lorsch ist, – ein gewissenloser Zwingherr der Schwachen und Wehrlosen, deren bittere Klagen und Thränen täglich zum Himmel aufschreien gegen den Unhold Bertolf. Wie St. Michael gestritten wider den Teufel und St. Georg wider den Drachen, so erhebt sich Held Sighard, zu streiten gegen Satan Bertolf. – Darum seid ohne Bangen und ohne Zagen! Sünde wär's, an Gottes Beistand zu zweifeln für einen Recken, der einsteht mit seiner ganzen Kraft für Gottes Sache. Glaubet mir,« rief sie mit leuchtenden Augen und flammenden Wangen, »alle Heiligen werden ihn schirmen, sein theures Leben behüten, mir nicht minder kostbar, als Euch! Dennoch bin ich ohne Furcht; denn Sighard gehorcht der Pflicht und der Ehre, und wer sich von beiden führen läßt, mit dem ist Gott.«

Die Vorstellungen Edithas, getragen und beseelt von Begeisterung und froher Zuversicht, beruhigten endlich die bestürzte Mutter, flößten ihr sogar ähnliche Gefühle ein, so daß sie jetzt nicht ohne mütterliches Selbstbewußtsein das gefahrvolle Unternehmen ihres Sohnes betrachtete.

Inzwischen hatte Sighard das Abkommen verbrieft und die zum Aufbruch drängenden Rathsmannen in den Burghof geleitet, wo sie mit ihren Knechten aufsaßen und nach warmen Händedrücken davon ritten.

Greifenstein kehrte nach seiner Kammer zurück und schrieb einen Brief an den Burggrafen, den er mit seinem Wappensiegel in Wachs schloß. Dann rief er Heidolf und brachte ihm das Geschehene zum Verständnisse. Und wie Edithas hochsinnige Begeisterung gleichsam ansteckend auf die fassungslose Hildegard gewirkt, so zündete Sighards kriegerisch kühner Geist in dem Knappen. Heidolfs dicker Kopf hob sich immer höher, seine großen Augen blitzten und seine starken Glieder dehnten sich unternehmend.

»Heute sollst Du mir den ersten Knappendienst leisten,« fuhr Greifenstein fort. »Du wappnest Dich mit Sturmhaube und Harnisch, umgürtest Dein Schwert und reitest hinüber zum Grafen Bertolf. Diesen Brief übergiebst Du ihm mit den Worten: Von meinem Herrn, dem Ritter Sighard von Greifenstein! Hat er den Brief gelesen, so merke Dir genau seine Antwort und bewahre sie treu im Gedächtnisse. – Hast Du Alles wohl begriffen, mein Knappe?«

»Ja, Herr Sighard! Es war Alles viel leichter verständlich, als die Lektionen in der Klosterschule. Werde mir auch des Grafen Worte leichter merken können, als die Aufgaben des Magisters Diemo. Sohin gedenke ich, zu Eurer Zufriedenheit des erhaltenen Auftrages mich zu entledigen.«

»Wohl gesprochen, mein kluger Knappe! Nun spute Dich! Sei vor dem Grafen bescheiden in Deinem Benehmen, ohne Dir jedoch etwas zu vergeben.«

Während Sighard den Knappen unterwies, rüstete man sich auf Starkenburg zur Jagd. Im Schloßhofe standen Bertolfs drei jüngste Söhne, Jagdspeere in den Händen und Armbrüste mit Stahlbogen auf den Schultern. Um sie her kreisten ungeduldig vier Eberfänger, Hunde von ungewöhnlicher Größe und Stärke. Jagdlustig glühten ihre Augen und ihre Ungeduld gaben sie durch ein tiefes Bellen zu erkennen, das in den Bergen weithin wiederhallte. Sie gehörten zu jenen Hunden, welche Lorsch unterhalten mußte und waren durch einen Knecht heute von dort herauf gebracht worden.

»Warum hast Du nicht den Löwen mitgenommen?« frug der Jungherr Bruno einen Knecht.

»Der gestrenge Herr Vater verbot es. Der Löwe soll nur gebraucht werden, wenn wir im Tiefthal und in der Teufelsklaue jagen, wo die riesengroßen Eber hausen.«

»Die Hunde werden zu fett im Kloster, und der alte Jörg sagt immer, allzufette Hunde taugen nichts zu Jagd.«

»Es ist wahr, die Hunde stehen gut im Futter, – unsere Reisigen lassen ihnen nichts abgehen,« erwiederte der Knecht. »Auch unsere Waffengesellen, die im Kloster liegen, werden fett, die Mönche aber so mager und dürr, daß sie fast brennen, – was daher kommen mag, weil Hunden und Reisigen das Fleisch gehört, den frommen Vätern aber die Knochen.«

Die Jungherren lachten.

»Ritter Hans kommt heute wieder nicht vom Humpen,« sagte Bruno, nach den offenen Fensterbogen einer Halle empor blickend. »Auch unwirsch ist er wieder und grimmig, wie ein gereizter Eber. Hört doch, wie er poltert!«

Man vernahm die rauhe Stimme des Edelmannes, der am Tische saß, vor sich einen gewaltigen Humpen und einen Teller, mit den Resten eines Rehbratens. Neben ihm saßen Beowulf und Bruning, die beiden ältesten Söhne des Grafen. Er selber schritt in der Halle hin und wieder, wobei er sich des Jagdspeeres, wie eines Stockes bediente. Zuweilen blieb er stehen und folgte der Rede Steinbergs. – Sie alle trugen enganliegende Beinkleider und Wämse von Leder, auf den Köpfen schildlose Mützen, geschmückt mit den Federn jagdbarer Vögel, und die Lenden waren umgürtet mit kurzen, zweischneidigen Schwertern.

»Dieses faule Hinliegen will mir nicht länger behagen,« rief Hans von Steinberg. »Machen die Wormser nicht bald ernst und ziehen mannhaft heran zum Streite, dann reite ich von hinnen. Weiß Gott, hätte dies schon längst gethan, hielte mich das heiße Begehren nicht fest, mit Sighard eine scharfe Lanze zu brechen. Eine Rippe hatte mir der unholde Geselle eingerannt! – Dazu die Schmach, von dem jungen Laffen aus dem Sattel gehoben zu werden! Und dies Alles soll ich ungerächt verschlucken?«

»Wartet ab, – Ihr sollt befriedigt werden!« entgegnete Bertolf. »Die Fehde wird bald losgehen; denn ungeleitet werden die Wormser ihre Kaufleute nicht fahren lassen. In kurzer Frist mag es Gelegenheiten genug geben, Tapferkeit und kühnen Muth zu bewähren.«

»Tapferkeit und kühnen Muth!« – wiederholte verächtlich der Riese. »Stadtratten nieder zu hauen, die in Helm und Harnisch einherreiten, ist fürwahr keine Aufgabe für Tapferkeit und kühnen Muth. Aber mit dem viel besungenen, hoch gefeierten Helden Sighard zu rennen und Schwerthiebe zu wechseln, darnach verlange ich sehnlicher, als ein guter Christ nach dem Himmel.«

»Greifenstein wird dem Kampfe nicht aus dem Wege gehen,« versetzte Bertolf.

»Wie meint Ihr, soll ich ihm eine Herausforderung schicken?«

»Dies nicht, – aus nahe liegenden Gründen!« antwortete Bertolf. »Greifenstein ist nicht blos ein starker Recke und tapferer Degen, sondern auch ein gar frommer Ritter, der niemals gegen die Satzungen des Ritterthums verstößt.«

»Ah, – ich verstehe!« rief Hans mit wilden Blicken. »Ein guter Ritter darf ja die Herausforderung eines Ehrlosen und Ausgestoßenen nicht annehmen. Schon gut!«

Eine tiefe Kränkung glitt über Steinbergs rauhes Gesicht, während seine geballten Fäuste auf dem Tische lagen, die Lippen sich zusammen kniffen und die feuersprühenden Augen den Tisch in Brand zu setzen drohten.

»Nur kein Mißverständniß, mein getreuer Waffengeselle!« begütigte der Graf. »Ihr wißt doch, wie ich über Bräuche, Satzungen und Frömmigkeit des Ritterthums denke. Ueberspanntes Zeug! – Allein Sighard von Greifenstein gehört zu jenen Edlen und Frommen, die in heiliger Zucht bei Pfaffen aufwuchsen, – also muß er sich dem Fastengebote unterwerfen und Euere Herausforderung abweisen. Dagegen bürge ich Euch mit meinem Kopfe für die Gewißheit, daß Ihr bald mit dem Degen unter Umständen zusammentreffen werdet, die ihm erlauben, ihm sogar zur Pflicht machen, mit Euch zu kämpfen. Gleich beim ersten Span mit dem Bürgermeister traft Ihr mit ihm zusammen, – es müßte doch wunderlich hergehen, wenn Gleiches nicht wieder geschähe, zumal wir ihm gleichsam vor der Nase die wormser Truthähne wegfangen.«

Steinbergs finsteres Gesicht wurde helle.

»Ihr habt Recht, Graf! Ich glaube gerne und fest an Eure Prophezeiung; denn alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Genau betrachtet, ist Greifenstein sogar schuldig, die wormser Truthähne, wie Ihr sagt, aus den Fängen der starkenburger Falken zu befreien; denn das Ritterthum befiehlt Schutz und Geleite für Schwache.«

»Mir käme dies gerade nicht gelegen,« murmelte Bertolf in den Bart.

Die Thüre der Halle öffnete sich, und Machol Ben Baruch erschien unter dem Eingange, derselbe Jude aus Worms, welcher das gestohlene Pferd von Hatto erstanden und an Gerbermeister Werner verkauft hatte. Er trug heute nicht den hornartig gekrümmten Hut auf dem Kopfe, auch nicht das Rad von gelbem Tuch an der Brust, zum Beweise, daß er nicht als Jude erkannt sein wollte, was jedoch, bei näherer Betrachtung seines Gesichtes mit der orientalischen Nase und den verschmitzten Augen, ein vergebliches Bemühen war. Eine Reitpeitsche in der Linken und seine Mütze in der Rechten, erschöpfte sich Machol in tiefen Bücklingen, dem Anscheine nach kaum wagend, die Schwelle zu überschreiten, wobei er nicht unterließ, die Anwesenden in der Halle zu mustern, und die gegenwärtige Stimmung des Burgherrn nach dessen Gesichtszügen zu prüfen.

»Ah, – mein Roßkamm!« rief Bertolf, beim Anblicke des Juden. »Nur herein, – laß die Kratzfüße, sammt den Rückenkrümmungen bei Seite, – Du weißt, ich mag die Possen nicht leiden, weil sie auf der Goldwage nicht einmal ein Roßhaar aufwiegen.«

»Verzeiht, gnädigster Herr, verzeiht!« versetzte unterwürfig der Jude, in Anbetracht der stolzen Sinnesart Bertolfs, noch tiefer sich verbeugend. »Jedem die Ehre, die ihm gebührt! Auf Euern gestrengen Befehl wage ich es, einzutreten.«

»Nun, was bringst Du heute?«

»Mancherlei, gnädigster Herr Graf, – Mancherlei! Euer Knecht hat erworben ein prachtvolles Streitroß, stark wie ein Elephant, schnell wie ein Hirsch, über alle Maßen stattlich, braun von Farbe, mit vier weißen Füßen, ohne jeglichen Fehler, kaum vier Jahre alt. Daneben hat noch erworben Euer Knecht vier hübsche Füchse, junge, wackere, gut gerittene Thiere, für Euer Gestrengen reisige Knechte. Da ich mit Euer Gnaden hab' schon manchen Handel gemacht und Euer Gestrengen zufrieden ist mit meiner Waare, – und weil Euer Gnaden just gerade liegt in höchst gerechtem Streite mit Worms, wobei man braucht tapfere Männer und gute Rosse, – so möchte ich fragen, ob ich machen kann mit dem gnädigsten Herrn Grafen ein Geschäft mit dem Braunen und den Füchsen?«

»Und der Kaufpreis, bester Machol?«

»Der Kaufpreis, – nun, – Euer Gnaden, den Preis wird Euer Knecht gar billig stellen! Nehme fürwahr von meinem gestrengen Herrn nur ganz geringen Gewinn! Habt Ihr zuerst gesehen die Rosse, dann werden wir einig mit dem Preis.«

»Brauchen könnte ich die Pferde schon, – aber das Geld ist knapp, Jude!«

»Das Geld, – nun, das Geld bedeutet wenig. Bin überhaupt nicht gesonnen, Geld zu nehmen von Eurer Gnaden, sondern Geld zu geben.«

»Ein Jude, – und Geld geben?« rief Bertolf verwundert. »Bist Du verrückt, Machol?«

»Mit Eurer Gnaden Verlaub, – ganz bei hellen Sinnen! Gestattet, daß sich erklärt Eurer Gestrengen Knecht – – Ihr habt gewonnen mit der Schärfe des Schwertes drei Lastwagen der Wormser, beladen mit Leder, Tuch und Scharlach. Sollen die Sachen hier liegen in den Gewölben der Burg und verderben? Darum habe ich mir gesagt: – Machol, erhebe dich, reite nach Starkenburg und sei hilfreich dem gnädigsten Grafen, in Silber und Gold zu verwandeln die Kriegsbeute!«

»Ein kluger Gedanke!« rief lachend der Preuße.

»Mich freut, daß Eurer Gestrengen Billigung findet mein kluger Gedanke. Ich selber verstehe zwar nichts von Scharlach und Leder und Tuch, – bin nur Roßkamm. Aber ich kenne einen Mann meines Volkes, Jodok Ben Sadock geheißen, ansäßig in Heidelberg, der Handel treibt mit genannten Dingen, und der zahlen wird Eurer Gnaden gute Preise.«

»Das läßt sich hören! Du kannst den Jodok bringen.«

»Und nicht allein kaufen wird Jodok den Scharlach, das Leder, das Tuch, so erbeutet hat Euer Gestrengen, sondern Alles – Alles, was noch in dem Kriege erbeuten wird Euer Gnaden von der gar reichen Stadt Worms.«

»Ganz einverstanden, Machol! Reite nach Heidelberg und hole den Jodok.«

»Und von dem vielen Gelde, das erhalten wird mein gnädigster Herr von Jodok für Kriegsbeute, möget Ihr nehmen eine Kleinigkeit als Kaufpreis für den Braunen und die Füchse.«

»Wir werden Handels einig. Du sollst nicht umsonst mir den Weg gezeigt haben, Krämerwaaren in Gold zu verwandeln.«

»Wie hübsch der Jude und der Preuße zusammen passen!« brummte Hans von Steinberg.

»Großmüthig ist Euer Gnaden, ich weiß es!« versetzte mit einer tiefen Verbeugung der Hebräer. »Erlaubt jedoch Eurem Knechte, zu bitten, daß Niemand erfährt, was ausgesonnen Machol Ben Baruch zum Vortheil seines gnädigsten Herrn. Würde das ruchbar in Worms, – an den Galgen käme ich. Und was ich sonst gethan und noch thun will in Eurer Gnaden Dienst, – es darf nichts verrathen werden, – es wäre mein Tod.«

»Was fällt Dir ein, Jude?« sprach stirnrunzelnd der Burggraf. »Ich, oder meine Söhne, oder mein getreuer Waffengenosse Steinberg, sollten einen Mann verrathen, der uns dient? Weißt Du nicht, daß schon der bloße Argwohn des Verrathes die Ehre des Edelmannes kränkt?«

»Verzeiht, gnädigster Herr! Kein Argwohn, – nur eine Bitte war's!«

»Aber die Bitte entsprang dem Gedanken an die Möglichkeit, ein Edelmann könne ein Schuft werden, nämlich ein Verräther.«

»Der Gott meiner Väter sei mir gnädig!« rief Machol mit trefflich erkünstelter Bestürzung. »Wie könnte denken Euer Knecht gar so schreckliche Sachen? Ein geringer Jüd bin ich, der wohl versteht sein Geschäft, der aber nichts versteht von Bräuchen und Sitten hoher Herren.«

»Schon gut! Du hast manche treffliche Dienste geleistet, weßhalb Dir vergeben sei, von Edelleuten wie ein Jude gedacht zu haben.«

»Empfanget den Dank Eures Knechtes, der nicht glauben kann an Verrath, weil er sonst thöricht gewesen wäre, Euer Gestrengen zu dienen.«

»Doch, Jude, – Du konntest dennoch so thöricht sein! Du sollst mich weder für verrätherisch, noch für dumm halten. Wisse also, – in meinen Dienst bist Du getreten um des Goldes willen, selbst auf die Gefahr hin, an den Galgen zu kommen. Den Galgen fürchtest Du zwar, liebst aber blanken Gewinn noch weit mehr. Daher Deine Bereitwilligkeit, einem Manne dienstbar zu sein, der, nach Deiner erbärmlichen Ansicht, sogar des Verrathes fähig wäre.«

Bis zu den Knieen beugte Machol das Haupt.

»Es ziemt dem Knechte niemals,« sprach er kriechend, »seinem Herrn zu widersprechen.«

»Diese Sache ist abgethan!« unterbrach ihn mit abwehrender Handbewegung der Graf. »Du hast jedoch von ›Mancherlei‹ gesprochen; – was nun weiter?«

Machol blickte scheu durch die Halle, trat zur Thüre, öffnete dieselbe und spähte durch den Gang, ob nicht ein unberufener Horcher in der Nähe. Darauf schloß er vorsichtig die Thüre und trat dicht vor den Grafen.

»Noch ein Handel, der mich Galgen und Rad überantwortete, würde kund meine Rede in Worms,« hob er mit gedämpfter Stimme an, während die Edelleute am Tische lauschend die Köpfe nach dem Juden reckten. »Ein angesehener und reicher Bürger aus Worms, – Goldschmied ist er, Veit heißt er, – reitet morgen hier vorbei nach Heidelberg. Viel Geld trägt er bei sich für Gold, das er kaufte von Ruben Ben Abraham, einem Kammerknechte des Pfalzgrafen. Und weil er täuschen will Euer Gestrengen, so reitet Veit im Kleide eines Mönches. Glauben soll Euer Gnaden, der da reitet sei ein Franziskaner, ein armer Bruder, der lebt von Almosen gutherziger Leute. Nun, wahrhaftig, – wie gewonnen haben meine Väter Beute von Medaba und Hesebon, so möge nehmen mein Herr Beute von Worms!«

»Zu welcher Stunde reitet der Goldschmied?«

»Morgen in der Frühe, – sobald sich geöffnet haben um fünf Uhr die Thore der Stadt.«

»Dank für Deine Kunde, Machol! Wir wollen überlegen, was zu thun ist.«

»Nun, – Euer Gestrengen wird nicht entwischen lassen einen goldenen Vogel, der fliegt in Euer Netz.«

»Um mit den Federn des goldenen Vogels Deinen Hut zu schmücken, – nicht wahr, Schelm?« rief lachend der Graf. »Schon gut! Der bedungene Lohn für Deine Späherdienste soll Dir nicht entgehen. – Vergiß den Braunen nicht, die Füchse und den Jodok. Bringe Alles zusammen in den nächsten Tagen hieher. – Bruning,« wandte er sich an seinen Sohn, »führe unseren Roßkamm in die Gesindestube und laß ihm vorsetzen, was er essen und trinken darf.«

Unter steten Verbeugungen, rücklings gehend, verschwand Machol Ben Baruch aus der Halle.

Steinberg folgte bisher den Verhandlungen zwischen Bertolf und Machol in der Haltung eines Mannes, der von seinem erhabenen Standpunkte geringschätzend auf niederes Treiben herab sieht. Jetzt schob er den Humpen zwischen beiden Händen auf dem Tische hin und her, indeß ein Lächeln der Verachtung und des Aergers sein rauhes Gesicht gerade nicht angenehm belebte.

»Eine hübsche Fehde!« höhnte er. »Statt Lanzen und Schwerter, schicken uns die verdammten Wormser – – Kutten und Rosenkränze.«

»Wie meint Ihr, Freund Hans?«

»Ich meine, Ihr sollt morgen Eppo schicken, den einarmigen Knecht, einen feigen Buben abzufangen, der in eine Mönchskutte sich verkriecht.«

»Natürlich können wir wegen einer solchen Kleinigkeit keinen Fuß in den Bügel setzen,« erwiederte Bertolf. »Ich werde zwei Knechte schicken, den goldenen Veit aufzuheben.«

»Eine verzweifelt langweilige Fehde!« zürnte Hans. »Will es gar nicht zum Schlagen kommen? Hätte Lust, nach Worms zu reiten und die feigen Memmen zu prügeln.«

Abermals öffnete sich die Thüre. Bruning betrat mit Heidolf die Halle. Der Knappe verbeugte sich stumm, nahte dem Grafen und übergab ihm den Brief.

»Von meinem Herrn, dem Ritter Sighard von Greifenstein.«

Bei den Worten saß Steinberg lauernd, mit glühenden Augen, wie ein Löwe, der nahen Kampf wittert. Beowulf und Bruning betrachteten neugierig den trefflich bewehrten Knappen, der in anständiger und erwartungsvoller Haltung vor dem Grafen stand. Dieser öffnete das Schreiben, betrachtete die zierlich geschriebenen Buchstaben, wandte das Pergament hin und her, und sah schließlich, wie Beistand suchend, nach seinem herkulischen Waffengenossen hinüber.

»Könnt Ihr das Ding enträthseln, Freund Steinberg?«

Hans nahm den Brief in seine plumpen Hände, belugte die Schrift mit der Grimasse eines vorwitzigen Affen, zuckte die Achseln und gab das Schreiben zurück.

»Verstehe nur die Zeichen meines Schwertes, die Striche meiner Lanze und die Punkte meines Streitkolbens,« sprach er. »Lesen und Schreiben ist Sache der Mönche.«

»Wißt Ihr, Knappe, was in dem Briefe geschrieben steht?« frug Bertolf.

»Nein, Herr Graf! Ich bin jedoch gerne bereit, mit Eurer Erlaubniß das Schreiben zu lesen.«

»Richtig, – seid ja Klosterschüler in Lorsch gewesen! Habt demnach die Gefälligkeit, uns mit Eurer Kunst aus der Verlegenheit zu helfen.«

Heidolf las:

»Ich Sighard von Greifenstein bekenne und thue kund mit diesem Briefe dem Klostervogte Bertolf von Lorsch und Burggrafen von Starkenburg, daß ich ein Waffenbruder und Freund des Rathes und der Bürger von Worms geworden bin und sein soll, bis auf nächste Allerheiligen, in allen rechtmäßigen Sachen, wider ihren Feind, den genannten Burggrafen Bertolf. Unter meinem Geleite werden die Bürger von Worms auf der Landstraße fahren, soweit sich erstreckt das Gebiet und die Gewalt des Burggrafen, und will ich mit besten Kräften und mit Beihilfe der Reisigen von Worms jegliche Gewaltthat und Gefährde abwenden von meinen Freunden, genannten Bürgern aus Worms, damit sie ungeschoren reisen mögen, ohne Beraubung ihres Eigenthums und ohne Vergewaltigung ihrer Person.«

Der Inhalt des Briefes brachte sehr lebhafte und ganz entgegengesetzte Eindrücke hervor. Im Gesicht des Grafen malte sich Erstaunen und ein Mißmuth, der an Bestürzung streifte. Einige Male strich er mit der flachen Hand über das kurz geschorene, gleich Borsten empor stehende Haupthaar, wie er bei großer Verlegenheit zu thun pflegte. Dann legte er beide Hände an den Rücken und sah in ernstem Schweigen vor sich hin.

Auf Hans von Sternberg übte das Schreiben eine Wirkung, die an Berauschung grenzte. Er verzog das breite Gesicht zu einem rauhen Lachen, nickte beifällig mit dem Kopfe, und aus seinen Augen blitzte eine wilde Freude. Kaum vermochte er, seine stürmische Gemüthsbewegung zu bändigen, und die Erwiederung des Grafen abzuwarten. Dieser hob jetzt das gesenkte Haupt und ließ den unheimlich funkelnden Blick auf dem Knappen ruhen.

»Meldet Eurem Herrn, ich hätte mit Unmuth die Kunde vernommen, daß er, Ritter Sighard von Greifenstein, mit dem stolzen Worms, das hochmüthig auf den Adel herab sieht, Waffenbruderschaft geschlossen. Ich hätte vielmehr von einem so gepriesenen Degen erwartet, er werde sein gutes Schwert in die Wagschale des Rechtes und der Ehre legen, die ich zu vertheidigen unternommen habe.«

»Eure Worte, Herr Graf, werde ich meinem Ritter genau wiedergeben,« sagte Heidolf, indem er sich anschickte, mit einer Verbeugung die Halle zu verlassen.

»Halt, Knappe, – halt, Herzensjunge!« rief Hans emporspringend. »Auch ich habe eine Meldung an Euern Herrn! Höret an und merkt auf meine Rede! – – Ich, Hans von Steinberg, den Herr Sighard im lorscher Walde aus dem Sattel gehoben, freue mich gar sehr und brenne vor Ungeduld, die Scharte auszuwetzen. Meldet ihm ferner, morgen frühe, wenn die Mönche zur Prim in die Mette gehen, werde ich im lorscher Walde einen fahrenden Wormser aufheben. Der tapfere Ritter Sighard möge daher nicht säumen und einstehen mit seiner Lanze für seine Schützlinge. An der großen Carlseiche, wo der Seitenweg von der Landstraße nach Starkenburg führt, erwarte ich ihn. Sagt ihm, erscheine er nicht, so betrachte ich sein Ausbleiben als einen Geleitsbruch, wenn nicht gar als ein Zeichen von Feigheit. – Habt Ihr mich verstanden, Knappe?«

»Sehr wohl, Hans von Steinberg! Euer Auftrag soll meinem Herrn pünktlich ausgerichtet werden.«

Heidolf verbeugte sich und schritt aus der Halle.

»Was habt Ihr da gemacht?« wandte sich Bertolf im Tone des Vorwurfs an Steinberg.

»Habt's ja gehört, Graf! Ha, – ha! Nun wird's lustig! Ich selbst werde morgen den fahrenden Goldschmied aufheben, den Schelm Euch in das Verließ und seine Goldfüchse in Euren Kasten liefern.«

»Wenn Euch aber Degen Sighard zum zweiten Male aus dem Sattel hebt? Was dann?«

»Zum zweiten Male? Ha, – ha! Ihr redet fast thöricht, Graf! Meinen neuen Lanzenschaft habt Ihr doch gesehen, – einen jungen, fußdicken Eschenstamm! Aus dem Sattel muß der Heldenjunge, und wäre er mit seinem Streithengste zusammengewachsen.«

»Langsam, Freund, nur langsam!« versetzte Bertolf bedenklich. »Greifenstein galt bei der Heerfahrt nach Böhmen als eine der besten Lanzen, – seht Euch wohl vor!«

»Ich glaube gar, Ihr habt Angst, Graf?«

»Das Wort kenne ich wohl, nicht aber die Empfindung, Hans von Steinberg!« versetzte stolz der Burgherr. »Dagegen bin ich nicht gesonnen, um ritterlicher Bräuche willen einen bedeutenden Gewinn fahren zu lassen. – Ich werde meine Vorkehrungen treffen.«

»Falls ich abermals aus dem Sattel geworfen werden sollte,« ergänzte lachend der Riese. »Demzufolge rathe ich Euch, selber aufzusitzen und mit dem Recken Sighard zu streiten.«

»Dies werde ich bleiben lassen,« erwiederte Bertolf kurz.

»Doch nicht aus Furcht, lieber Graf?« neckte Hans.

Der Stiftsvogt schritt zwei Male durch die Halle und blieb jetzt vor Steinberg stehen.

»Zur Verhütung aller Mißverständnisse, will ich Euch etwas vertrauen,« sprach er. »In verflossener Nacht erhielt meine Mutter von den Ueberirdischen folgenden Spruch: ›Deinem Sohne und Deinen Enkeln droht Verderben im Streite mit Sighard von Greifenstein.‹ – Versteht Ihr nun mein Verhalten?«

»Nein, durchaus nicht! Was kümmern Euch die Sprüche eines alten Weibes? Meinethalben mag sie eine Seherin oder Hexe sein, – wenn's jedoch ritterliche Fehde gilt, so muß auch der Teufel sein Maul halten.«

»Ihr verlacht und scheltet Dinge, Freund Hans, die Ihr nicht kennt!« antwortete tief ernst der Graf. »Auch mir klang der Spruch etwas absonderlich, zumal ich ein feindliches Begegnen mit Greifenstein nicht für möglich hielt. Nun gibt die eben vernommene Botschaft Zeugniß, für die Wahrheit des Spruches.«

»Meinethalben, – thut, was Ihr nicht lassen könnt!« sagte Hans, indem er sich erhob und nach seinem Jagdspeere griff. »Heute ergötzt mich der Kampf mit Ebern, und morgen scharfes Rennen mit einem gefürchteten Recken.«

»Nur dieses noch, lieber Steinberg! Ich fasse wirklich die Möglichkeit Eurer Niederlage in's Auge. Was einmal geschehen, kann sich wiederholen. Demnach wird Euch morgen Rambald mit einigen tapferen Knechten begleiten. Habe keine Lust, die bedeutende Summe zu verlieren, welche der Goldschmied bei sich trägt. Ich muß eine starke Schaar Reisiger unterhalten, und dies kostet Geld; – sind doch meine Heppenheimer Bauern ohnehin schon ausgezogen bis aufs Hemd. Darum betrachte ich Euren Ehrenhandel mit Greifenstein als eine rein persönliche Sache, die mich nichts angeht. Unterlieget Ihr beim Rennen, dann werden meine reisigen Mannen gegen Sighard mein Recht auf den Goldschmied Veit geltend machen. – Seid Ihr einverstanden?«

»Jawohl, – ganz einverstanden! Denn Ihr setzet einen Fall voraus, der nicht eintreffen wird.«

Mit diesen Worten verließ Steinberg mit den beiden Söhnen des Grafen die Halle.

»Beowulf,« rief der Vater seinem Aeltesten nach, »schicke mir sogleich Rambald herauf!«

Bertolf durchmaß nachdenkend die Halle, und so lebhaft waren seine Betrachtungen, daß er laut zu sprechen anhob.

»Gefahr droht von diesem Greifenstein! Wie eine böse Vorbedeutung taucht er plötzlich auf, meine Plane zu durchkreuzen. Die Götter warnen mich, – thäten sie es ohne Grund? Dem Walten der Götter und den Fügungen des Himmels seien meine Schritte gehorsam unterworfen. – Vorsicht! Mit kluger Berechnung der Umstände vorwärts, – ohne Zagen! Seit Jahren steige ich bei jedem Schritte höher, meinem Ziele näher. Schon winkt die reife Frucht meines rastlosen Strebens, als glänzende Fürstenkrone mir das Haupt zu schmücken. Darum vorwärts mit Bedacht, bis der Schlußstein das Ganze krönt. Jetzt schon liegt der Abtsstab von Lorsch zerbrochen mir zu Füßen, – ohnmächtige Greiner sind die Mönche, sich machtlos krümmend unter meiner Faust. Bald müssen die verhaßten Kuttenmänner vertrocknen, wie Fische ohne Wasser; denn abgegraben sind alle Lebensbedingungen ihres Daseins. – – – Wahr, – stelle ich mein Ringen vor den Geist der Zeit, dann erscheint es fast, wie tolles Wagniß. Warum aber sollten Kraft und kluge Beharrlichkeit, gefördert durch günstige Umstände, nicht Außerordentliches wagen? Was hat nicht dieser feige Jude Machol gewagt und gewonnen? Obwohl dem Strange verfallen durch seine Diebstahlshehlerei, wagte er dennoch, mir vor das Angesicht zu treten und durch schlau gestellte Rede meine Gunst zu erobern. Solches wagte der furchtsame, feige Jude, weil seine Geldliebe, sein Hunger nach Gewinn, sogar seine Furcht vor dem Tode überwanden. Und er läßt nicht ab in seiner Jagd auf Geld. Beständig verdient er den Galgen durch Verrath an Worms, schlägt sein Leben kühn in die Schanze um des Gewinnes willen. – Sollte ich für unendlich Höheres weniger wagen, als dieser Jude? Mich an Todesverachtung und Muth übertreffen lassen von einem Juden? Zaudernd inne halten, weil plötzlich eine dunkle Wolke die Sonne meiner Hoffnung verhüllt? Muß ich auch diesen Greifenstein fürchten nach höherer Fügung, – Beharrlichkeit und Ausdauer sollen nicht erlahmen. Nein, – nicht zurück, – lieber den Tod! – – – Von manchem Fürstengeschlechte melden Chroniken bescheidenen Ursprung: – vielleicht erzählt nach Jahrhunderten die Geschichte, das mächtige Fürstenhaus des Preußen Bertolf habe seine Herrlichkeit gegründet auf geraubte Kirchengüter.«

Rambalds Eintritt unterbrach die hochfliegenden Betrachtungen des Preußen.

Der Knecht war ein robuster Geselle, von untersetzter Gestalt und starken Gliedmaßen. In zahlreichen Fällen hatte er Muth und große Tapferkeit bewiesen. Bertolf übertrug ihm wiederholt die Ausführung gewaltthätiger Handlungen, die er stets zu seines Herrn Zufriedenheit erledigte.

»Rambald, morgen giebt es wieder einen Span,« begann Bertolf, indem er ausführlich die Sache besprach und seine Absicht erklärte. – »Sollte Steinberg unterliegen,« fuhr er fort, »so fragt es sich, ob Du, unterstützt von einigen Knechten, den Kampf mit Greifenstein wagst?«

»Hm, – bin zwar nur ein gemeiner Waffenknecht, gehe aber doch keinem Ritter aus dem Wege. Euer Gnaden kennt das Gewicht meiner Hiebe, und mein Schwert schneidet ebenso scharf, wie das Schwert eines Ritters.«

»Ich weiß, – bist ein tapferer Kämpe! Aber Sighard von Greifenstein ist ein gar starker Degen, und Dich will ich ebenso ungern verlieren, wie die hohe Summe, welche der Goldschmied Veit bei sich führt. Deßhalb dürfen wir nicht knausern mit unserer Macht. Wir müssen sicher gehen und ohne Schaden davon kommen. Also, – wie viele Knechte wünschest Du zu Deinem Beistande?«

»Vier Wackere thun's.«

»Nimm acht, Rambald, – acht, sage ich! Wähle aus der Schaar die tapfersten. Prüfe genau die Streitäxte, die Schilde, die Panzerhemde und Sturmhauben; denn gar grimmig sind die Streiche des Recken Sighard.«

»Hm, – Neun gegen Einen! Nach meinem Dafürhalten wäre solche Uebermacht fast ungebührlich. Wie's jedoch Euer Gestrengen befiehlt.«

»Thue nach meinem Gebot! Je mehr Hiebe auf den Feind fallen, desto sicherer und schneller unterliegt er. Tödtest Du den Greifenstein, so fülle ich Deine Stahlhaube mit Hellerstücken.«


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