Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XXXIII.
Der Epilog des Kommentators Tiïen-tzê.

Diese wahre Geschichte enthält für Kaiser, Beamte und Volk mancherlei Lehrreiches. Möge es immer wohl beachtet werden.

Erstens: Es ist kein Heil bei der Sittenlosigkeit. Eine Weile mag es ja gehen und süß scheinen, aber am Schlusse kommt es immer bitter.

Zweitens: Rühre niemand an die guten Traditionen! Sie sind erprobt und dürfen keinesfalls mißachtet werden. Die gelbe Unterschrift des Kaisers hat den Himmel nicht weniger erzürnt, als seine prinzipienlose Regierungsweise.

Drittens: Gehe keiner zu weit in der Liebe! Es lauert immer Drachenspeichel darunter.

Viertens: Beugt euch der Weisheit gelehrter Männer! Wie recht hatte doch der Hof- und Reichsastrologe Po-yang-fu!

Seine Prophezeiung:

Weinen und Lachen!
Lachen und Weinen!
Lamm, verschlungen vom Geiste!
Pferd, verfolgt vom Hunde!
Hüte dich! Hüte dich
Vor dem Bogen von Yen,
Vor dem Köcher von Tschi!

hat sich aufs Wort genau erfüllt. Denn die Worte »Lamm verschlungen vom Geiste« bezogen sich auf das Todesjahr des Kaisers Hsüan, das unter dem Zeichen des Lammes stand und in dem der Kaiser von Geistern geplagt wurde; das Wort »Pferd verfolgt vom Hunde«, bezog sich auf das Schlußjahr der Regierung Kaiser Yus, das unter dem Zeichen des Pferdes stand und in dem die Barbarenhunde siegten; und was Lachen und Weinen bedeutete und der Bogen von Yen und der Köcher von Tschi, – das hat der geneigte Leser ja wohl gesehen.

Fünftens: Ein Kaiser soll sich seine Ratgeber aus dem Kreise ernster Männer, aus dem Stande der geprüften Literaten wählen und nicht aus der lyrischen Bohême. Dieser Liebesgedichtemacher We-tê-king hat viel auf dem Gewissen! Gewiß war er ein tüchtiges Talent auf seinem Gebiete, aber – Minister? Aber – Reichskanzler? Es ist unglaublich! Nun: er ist nicht als Großwürdenträger gestorben! Dem Blutbade entrann er zwar, aber die Barbaren fingen ihn später ein, und er fristete das Ende seiner Tage als Bänkelsänger im Lande der Tis.

Sechstens: Wie bei der Auswahl der Minister, so ist auch bei der Auswahl der Palastdamen höchste kaiserliche Vorsicht geboten. Es sollten nur Mädchen von ganz guter und vor allem sicherer Abstammung gewählt werden. Sonst könnte es geschehen, daß wieder so ein mysteriöses Ding des Kaiserlichen Kopfkissens gewürdigt würde. Denn, wer weiß! – das schöne Mädchen von Pao ist vielleicht gar nicht tot. Die Blutlache bedeutet gar nichts! Man vergesse nicht, daß die zwei roten Vögel erschienen! Wer weiß! Wer weiß! Ich fürchte: Der Drachenspeichel ist immer noch da. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß das schöne Mädchen von Pao wiederkommt . . .

Der Himmel schütze seinen Sohn!


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