Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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VII.
Der neue Kurs.

Nach diesem letzten bösen Erlebnis hatte der Kaiser Hsüan nur noch Zeit zu einer schönen Abschiedsrede an seine beiden greisen Paladine Yin-tschi-fu und Tschou-hu.

Er befahl dem Eunuchen vom Dienste, ihn im Bett aufzurichten, lehnte sich an das Kissen von gestickter Seide und sprach: An die fünfzig Jahre hab ich nun regiert, gestützt auf meine treuen Diener. Nach Süden und Norden trug ich siegreich meine Waffen und gab Frieden den vier Meeren. d. h. der Welt. Nun muß ich schnell dahin. Nicht unfroh bin ich dessen, denn ich bin müde der Welt und meiner Irrtümer. Nur, daß Kung-Nië, mein Sohn und Erbe, mündig zwar an Jahren, aber unreif im Geiste, jetzt schon mein schweres Amt aufnehmen soll, besorgt mich. Auf euch steht meine Hoffnung. Helft ihm, meine Treuen, daß nicht der Glanz des Hauses Tschou verschwinde!

Mit diesem Vermächtnis starb Kaiser Hsüan, über dessen letzten Jahren bereits ein Schatten dessen gelegen hatte, was sich unter seinem Sohne vollziehen sollte.

Der nannte sich als Kaiser Yu, und das bedeutet etwas sehr Schönes. Was helfen aber die schönsten Namen und Devisen eines Kaisers, wenn die Regierung nicht darnach ist?

Der alte Kaiser hatte seine Paladine nicht ohne Grund gebeten, auf der Wacht zu sein. Der junge Herr war ein böses Pflänzchen, obwohl er eigentlich so gar jung nicht mehr war. Schon lange hatte er ein reich ausgestattetes Serail und von der rechten Kaiserin, einer früheren Vicomtesse Schen, auch schon einen halbwegs erwachsenen Sohn. Dieser mit Namen I-tschiu, wurde, wie sichs gehört, zum Thronfolger proklamiert, und der Schwiegervater des Kaisers, Vicomte Schen, zum Grafen gemacht.

Fürs erste konnte Kaiser Yu, so gerne er es auch getan hätte, noch keine sonderlichen Sprünge machen, denn seine Mutter lebte ja noch, und die Kaiserinnen-Mütter in China sind für die recht jungen chinesischen Kaiser das, was bei uns die Schwiegermütter manchmal für die jungen Ehemänner sein möchten –: die eigentlichen Regentinnen. In ihren Händen liegt das Leitseil, an dem sich die neugebackenen Kaiser die majestätische Gangart angewöhnen sollen, die sich vom Tempo kronprinzlicher Sprünge wesentlich unterscheidet. Eine politische Pädagogik, die nicht ohne Weisheit ist.

Der Kaiser Yu hatte diese Pädagogik besonders nötig, aber das Unglück wollte, daß seine erhabene Mutter schon sehr bald starb, zu einer Zeit, da Seine Majestät längst noch nicht ins rechte Tempo gekommen war.

Schon zu Lebzeiten der alten Kaiserin erregte er fatales Aufsehen dadurch, daß er die Trauergebräuche keineswegs korrekt einhielt. Nicht allein, daß er Fleisch aß und Wein trank, was schon greulich genug mit anzusehen war, – nein, er schaarte auch eine Tafelrunde von allerlei bedenklichen Leuten um sich: Künstler, Dichter, Lebemänner; aber immerhin: es ging noch an. Er gab sich wenigstens Mühe, sich vor seiner Mutter zu verstellen.

Aber, als sie tot war, kehrte er sich an gar nichts mehr und überließ sich, wie es in der Überlieferung heißt, ganz den »Vergnügungen schlechter Musik«, worunter wohl vornehmlich Tanzmusik und Kuplets zu verstehen sind.

Yin-tschi-fu und Tschou-hu, die beiden greisen Paladine, hoben vergeblich sämtliche Hände beschwörend hoch und zitierten die Klassiker, – Majestät Yu pfiff den letzten Gassenhauer dazu und meinte, sie sollten nur nicht gar so feierlich tun. Sie seien fertig mit dem Leben, er wollte gerade anfangen. Also sei es besser, sie ließen ihn ungeschoren.

Das nahmen die greisen Paladine loyal ad notam, gingen hin und starben.

Niemand war darüber vergnügter, als Yu der junge. Er ließ sie wunderschön begraben, gab ihnen die erhabensten Totentitel und wählte sich schleunig Ratgeber, die besser zu ihm paßten. Der chinesische Autor steht nicht an, die als »intrigant, speichelleckerisch, habsüchtig, ämtergierig und völlig prinzipienlos« zu erklären.

Die hoben freilich keine Hände hoch und zitierten keine Klassiker. Die pfiffen mit, wenn der Kaiser pfiff, und amüsierten sich vortrefflich bei der schlechten Hofmusik.

Der Himmel konnte das kaum mit ansehen. Er warnte seinen Sohn mit Bergstürzen, Erdbeben, Überschwemmungen.

– So? sagte der Kaiser; na, wenn nur der Palast nicht einfällt und das Wasser nicht bis zu den Weinfässern steigt.

– Ausgezeichnet! applaudierten die drei Intriganten usw. pp.

Nun stürzten gleich ganze Gebirge ein, die Erde bebte eine Stunde lang, das Meer selber trat aus.

– Fabelhaft, was nicht alles passiert! sagte der Kaiser. Jetzt fehlt bloß, daß der Himmel einfällt. Dann muß ich Quartier für die verehrten Götter suchen.

– Köstlich! köstlich! applaudierten die drei Intriganten usw. pp. Nur der Kultusminister, der noch von früher her da war, schüttelte das Haupt über diese Blasphemie und bat in beweglichen Worten, Seine Majestät möge geruhen, ernsthafter zu sein.

– Ach, Sie! meinte der Kaiser. Sie halten es wohl für Ihre Pflicht, zu predigen, weil Sie das Kultus-Ressort haben? Gehen Sie lieber und komplettieren Sie mir mein Serail. Es muß doch noch ein paar schöne Mädchen in China geben. Machen Sie sich auf die Beine, Exzellenz! Für jedes Mädchen kriegen Sie eine Pfauenfeder.

Der Kultusminister schlug die Hände über dem Kopf zusammen und gab seine Demission.

– Gott sei Dank, daß wir den Konsistorialrat los sind! sagte Seine Majestät. Einen Kultusminister brauch ich überhaupt nicht; ein Serailminister ist viel nötiger. Ich werde den We-tê-king dazu machen, unsern fidelen Liebesdichter. Wird er wohl annehmen?

– Oh ja, Majestät, wenn er nicht gleichzeitig zum Eunuchengeneral ernannt wird . . .

– Das wäre ein Spaß! Wir wollen es erwägen! Aber im Ernste: ich brauche mehr Mädchen. Sucht, meine Lieben, sucht! Wer die Schönste bringt, kriegt die gelbe Jacke!


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