Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XXI.
Ein Kronrat.

– Meine Herren! redete der Kaiser den versammelten Kronrat an, welche Strafe setzten die Reichsjuristen für Leute fest, die den Sohn des Himmels beleidigen und Komplotte gegen ihn schmieden?

Der Justizminister legte sich auf den Boden, hob die Hände auf und rief: Das kommt auf den Rang an, den diese Leute bekleiden. Erfrecht sichs einer aus dem Volke, so wird er in achtundachtzig Stücke zerschnitten; verirrt sich ein Beamter der achten Rangklasse soweit, so wird er zwischen zwei Eichenbrettern zerquetscht; ist es einer aus der siebenten Rangklasse, so . . .

– Schon gut. Ich wünsche keine juristische Vorlesung. Kurz und gut: was geschieht mit einer Kaiserin, die diese Niederträchtigkeiten begeht?

Sämtliche Mitglieder des Kronrates hoben sämtliche Hände auf und riefen: Wie? Unmöglich!

– Ich bitte Seine Exzellenz den Hausminister We, diesen Brief hier zur Verlesung zu bringen.

Der Kaiser setzte sich nieder, legte sein Schwert über die Knie und nahm das Aussehen eines gleichmütigen Gerichtspräsidenten an, während Herr We las.

– Nun? fragte er, als die Vorlesung vorüber war, nun, was ist unmöglich?

Sämtliche Mitglieder des Kronrates warfen sich auf den Bauch und wimmerten: Gnade!

– Wie? rief der Kaiser und tat die Miene des gleichmütigen Gerichtspräsidenten ab, Gnade für diese Verbrecherin?!

– Nein, Gnade für uns, weil wir voreilige Knaben waren und für unmöglich hielten, was doch geschehen ist, Kaiser! Oh, was geschieht nicht alles in diesen prinzipienlosen Zeiten! Schauderhaft! Schauderhaft! Wo sind die Sitten der Alten hin?

– Das weiß der liebe Himmel, sprach der Kaiser, ich aber möchte wissen, was mit dieser Staatsverbrecherin geschehen soll, mit ihr und ihrem verworfenen Sprößling!

Der Justizminister machte ko-tao und sprach: Es ziemt uns nicht, über Personen zu richten, die zum Sohne des Himmels in einem Kopfkissenverhältnis gestanden haben, aber soviel ist gewiß, daß ein weiteres Fortführen dieses Verhältnisses ganz unmöglich ist nach dem Satze der alten Tafeln: Ein ungeberdiges Weib liegt nicht mehr im Bette, – das will sagen: jede Ehe hört auf, wenn die Frau gegen die Obergewalt des Mannes aufsteht.

– Demnach ist die Dame aus Schên meine Frau gewesen, und ich bitte die Herren, zu protokollieren: Da die bisherige Kaiserin Schên-hau durch ihr eigenes verbrecherisches Betragen die Ehe mit dem Sohne des Himmels gelöst hat, wird sie in ihren ursprünglichen Rang einer Vikomtesse von Schên zurückversetzt und in die Provinz ihres Vaters zu ihrem entarteten Sohne I-tschiu transportiert, der eo ipso seines Ranges als Thronerbe entkleidet ist. Nur aus besonderer Freude darüber, daß Seine Majestät durch diesen Zwischenfall in die Lage versetzt ist, die mit allen Tugenden der Erde und sämtlichen Gaben des Himmels ausgestattete Prinzessin und Mitregentin Pao zur Kaiserin zu erklären und seinen mit dieser unvergleichlichen Dame gezeugten Sohn als Thronerben zu proklamieren, sieht der Sohn des Himmels davon ab, die Vikomtesse Schên und ihren Sohn aufhängen zu lassen. – Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihren sachverständigen und ebenso von hoher Loyalität wie tiefer Gelehrsamkeit zeugenden Rat und bitte Sie, die Neuordnung der Dinge auf dem amtlich vorgeschriebenen Wege zur Kenntnis der Beamten und des Volkes zu bringen. Sie sind entlassen.

Da Seine Majestät sonst kein Redner war, so mußte es selbst den grünsten Unterstaatssekretären klar sein, daß er diese Rede vorher fleißig memoriert und auswendig gelernt hatte. Sie wirkte darum nicht weniger stark und majestätisch.


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