Otto Julius Bierbaum
Das Schöne Mädchen von Pao
Otto Julius Bierbaum

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XXIV.
Die roten Drachen.

Aber, aber – das Unheil unterm Drachenspeichel!

Eines Tages, plötzlich, ging mit Pao-huan eine sonderbare Veränderung vor sich: wie mit einem ätzenden Schwamme war das glückliche Lächeln von ihrem Antlitz weggewischt, das den Kaiser immer so entzückte.

– Um Gotteswillen, was ist dir denn geschehn, meine Liebe? sprach er, – du lächelst ja gar nicht mehr? Ist dir eine Maus durch die Leber gelaufen in der Nacht?

Kaiserin Pao starrte stumm vor sich hin, dann sprach sie: Die roten Drachen!

– Was du nicht hast! Drachen! Und gar rote! Wieso denn?

– Mir sitzt ein kalter Schauer im Leibe, mir ist, als hätt ich eine Kröte verschluckt.

– Ach, das kommt von den Austern, Maus. Ich hab dirs gestern abend gleich gesagt, daß zwei Dutzend zum Nachtessen zu viel sind.

– Nicht von den Austern. Austern machen mir nichts, zumal, wenn Seetang dabei ist, das verdauen hilft.

– Da hast du freilich recht. Nichts ist empfehlenswerter zu Austern, als Seetangsalat. Und ich habe ja schließlich drei Dutzend gegessen und sah keine Drachen. Wie wars denn?

– Ach, gräßlich! Zwei rote Fledermäuse hingen am Himmelbett und sahen mich mit Zinnoberaugen an. Geht weg! rief ich. Das ist kein Platz für euch! Nun kommen wir gerade erst recht, wisperten sie, flogen klatschend im Zimmer herum, kamen auf mich zu und setzten sich mir in die Haare. Das bedeutet eine Fehlgeburt, dachte ich mir und wollte sie entfernen. Da aber biß mich eine in die rechte, eine in die linke Hand, zwei Blutstropfen rannen mir die Arme hinab in den Busen . . .

– Hör auf, mir wird schlecht! sagte der Kaiser.

– Und plötzlich saß auf jeder Brust eine kleine rote Kröte und quakte: Brüt mich aus! Brüt mich aus!

– Mein Gott, mein Gott. welche Unverschämtheit! Und übrigens: Sie waren ja schon fertig! Das ist doch unlogisch!

– Und sprangen mir in die Achselhöhlen . . .

– Was? Unerhört! Rote Kröten! Pfui Teufel!

– Und da wurde mir so enge und heiß, und ein lauer Saft rann mir den Leib herab, und ich mußte die Arme auftun, und zwei rote Drachen flogen purr! aus meinen Achselhöhlen und saßen auf der Bettdecke wie zwei Hunde.

– Hättest du mich doch geweckt! Mit meinem Schwerte Pang-lung hätte ich das Ungeziefer getötet!

Der Kaiser rollte heroisch die Augen.

– Ach du! sagte die Kaiserin, du hättest dich noch viel mehr gefürchtet als ich. Denn nun sperrten beide Drachen das Maul auf, und der eine verschluckte mich, der andere dich.

– Das ist denn doch . . . Das geht denn doch zu weit! Da muß der Hofastrologe her!

– Aber sonderbar: Dabei war mir, als hätte ich einen Drachen verschluckt. Und seitdem ist mir so kalt inwendig, und ich kann nicht mehr lachen.

– Nun, nun, meinte der Kaiser, ich gebe ja zu, daß das ein etwas widerlicher Traum war, aber schließlich doch nur ein Traum. Du wirst ihn vergessen und aufs Neue lächeln. Ich freue mich darauf, wie auf Sonnenschein, wenns regnet.


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