Roland Betsch
Die Verzauberten
Roland Betsch

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Eine nette Überraschung

Im Gutshof draußen entsteht ein kleiner Aufruhr. Es stellt sich heraus, daß auch drüben in der Küche eine Scheibe eingeworfen wurde. Jetzt sind sie hinter dem Täter her. Wer in aller Welt will denn hier Unruhe unter die friedlichen Landarbeiter bringen? Es ist doch nicht zu glauben, wie das gesetzlose Verbrechen sich überall breitmacht und in die stillsten Winkel vorstößt.

Ich helfe beim Suchen; wir laufen in Ställe und Scheunen und auf die Straße hinaus; das ganze Haus ist auf den Beinen.

Die Fränz ist natürlich mit der Nase vorn dran beim Stöbern, ja, sie ist eifrig dabei, die dunklen Ecken und Winkel auszuspähen.

»Auf dem Heuspeicher,« meint sie und quetscht sich an mich, »komm mal mit auf den Heuspeicher, dort mag er verborgen sein.«

»Geh du nur mal rauf!« ermuntere ich sie.

»Ich fürchte mich allein.«

Ihre Lippen sind wieder naß und die Augen verschwommen. Sie klettert die Leiter hoch; da steht sie schon oben und schaut zurück; man sieht ihre Beine; und sie zwitschert und lockt, die Kornwachtel.

Selbst wenn ich wollte, könnte ich jetzt nicht auf den Heuspeicher, denn ich sehe, daß der Herr Baron nach Hause geritten kommt; auf einem Fuchswallach reitet er, es ist ein herrlicher Anblick.

Ich kann jetzt wirklich nicht auf den Speicher, denn ich will dem Herrn Baron von meinen Beobachtungen berichten und ihm einen guten Rat geben; ich weiß nämlich einen guten Rat, und warum soll ich mit ihm hinterm Berge halten.

Fräulein Bettina ist beim Herrn Baron, und ich sehe, daß sie ihm von dem unerklärlichen Vorfall berichtet. Er nimmt die 152 Sache nicht recht ernst, das kann ich beobachten. Er lacht breit und satt; der Trarabumm latscht über den Hof und zeigt seine Zahnlücken.

»Trarabumm,« sagt der Baron und läßt den Gaul los, »bringe Max in den Stall!«

Max heißt der Wallach, der Fuchs; der Knecht nimmt Max am Halfter, klopft ihm den Hals und führt ihn ab. Der Wallach wendet noch einmal den Kopf und legt die Ohren zurück.

»Na, da bist du ja!« Das sagt der Baron zu mir, und ich sehe, daß ihn mein Anblick erfreut. »Mit der Brauerei das will mir nicht aus dem Kopf. Bei Gelegenheit wollen wir darüber reden.«

Du lieber Gott, jetzt fängt er schon wieder mit der Brauerei an; mir läuft ein Strom über den Rücken, ein kalter, unangenehmer Strom; ich weiß es, ich werde in meinem Leben kein Bier mehr trinken können. Bier ist ungesund, man darf mir glauben, es ist ein schädliches Getränk; vom Bier sollte man sich abwenden.

»Herr Baron, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, auf etwas hinzuweisen, was mir auffällt – –«

Fräulein Bettina läßt mich wieder einmal nicht ausreden.

»Der da, Vater, ist ein Besonderer. Man muß ihm auf die Finger sehen. Er macht den Leuten Hexereien vor, und ich glaube, manchmal flunkert er. Auf jeden Fall ist er von der Landstraße.«

»Aber du hast ihn doch selbst gebracht,« erwidert der Baron erstaunt.

»Einerlei, von mir aus kann er wieder abdampfen!«

Sie wendet sich um und geht ins Haus. So ist Fräulein Bettina; ich fühle es, sie will mich demütigen. Vielleicht das beste, wenn ich mich bald wieder auf die Wanderschaft mache. Ich bin keiner, der sich demütigen läßt; meine Lieben, ich habe das nicht nötig, gut und gern kann ich meinen Hund Lohengrin aus dem Zwinger nehmen und mich auf die Socken machen.

»Na na na!« meint der Baron, »nun mach' uns kein Gesicht wie ausgelaufene Buttermilch. Du wolltest doch etwas sagen.«

»Das wollte ich, jawohl! Ich meine, daß es feststeht, daß hier 153 geheimnisvolle Umtriebe sind. Man hat etwas vor, was gegen Recht und Gesetz geht; Dunkelmänner sind am Werk und bilden sich ein, sie könnten mit ihrer Maulwurfsarbeit den neuen, starken Staat unterwühlen. Ihrer Lächerlichkeit sind sie sich kaum bewußt. Trotzdem aber müßten sie kriminalistisch entlarvt werden.«

»Ihr seht ja Gespenster, sonst nichts.«

»Auch Gespenster sollte man der Umarmung des Gesetzes zuführen. Hier aber scheinen es mir mit nichten Gespenster zu sein, vielmehr Leute, die Unruhe säen wollen.«

»Na und? Was weiter?!«

»Was ich also sagen wollte: ich habe da einen guten Bekannten, einen Freund könnte man fast sagen, der die Aufdeckung von Verbrechen liebhabermäßig betreibt; er spielt gewissermaßen ohne Gage, er reitet das kriminalistische Steckenpferd und ist ein ausgekochter Bursche. Dieser, mein Freund, würde Ihnen sicher kostenlos die geheimnisvollen Maulwürfe hier in die Falle locken, des bin ich sicher. Es ist dies, um den Namen zu nennen, ein gewisser Herr Zickomander, seiner Religion nach – –«

»Wer ist es? Bitte, wie heißt der Herr?!«

»Ein gewisser Herr Zickomander!«

»Zickomander?! Mit dem Namen kann ich dir auch aufwarten.«

»Jawohl, Zickomander. Ein Herr, der Wasserscheue sammelt.«

»Wasserscheue sammelt er?«

»In der Tat, Wasserscheue! Vielleicht ist Ihnen der Fachausdruck nicht geläufig, da will ich – –«

»Ho ho hei ha ha!«

Warum lacht er denn schon wieder, daß die Fensterscheiben wackeln? Den Kopf beugt er ins Genick und lacht nur so in den Abendhimmel hinein. Und kriegt wieder die Falten in die Nase. Gewiß lacht er über die Wasserscheuen; habe ich damals im Gasthaus zur Lilie nicht auch lachen müssen? Doch, das habe ich. Wasserscheue; wer nur auf derartige Einfälle kommt!

»Es sind dies,« fahre ich fort und mache mich wichtig dabei, 154 »sind dies nicht etwa Menschen, die nicht gerne ins Wasser gehen oder solche, die sich mit Fett und Salbe waschen, wie dies in Frankreich vorkommen soll; nein, Wasserscheue sind – –«

»Ho ho hei ha ha! Komm mal mit! Komm mal, sage ich dir!«

Er packt mich am Rockärmel und zieht mich fort. Wir gehen ins Herrschaftshaus und steigen die Treppen hoch; die gleichen Treppen bin ich schon einmal hinaufgewankt, als ich nämlich, man wird sich noch daran erinnern, die Möbel rückte.

Ich bin jetzt plötzlich in einem feinen Zimmer, im Herrenzimmer des Herrn Baron.

»Meinst du,« fängt der Baron an, »ich weiß nicht was Wasserscheue sind? Setze dich mal hier in den Sessel; setze dich nur ruhig hinein. Wasserscheue sollte ich nicht kennen! Laß dir sagen, daß ich selbst eine berühmte Wasserscheue besitze!«

»Mein Gott!!«

»Jawohl, ich sammle nämlich selbst Briefmarken.«

Ein Glück, daß ich im Ledersessel sitze. Wunderbares kommt ans Tageslicht: auch der Herr Baron sammelt Briefmarken, er zählt also zu den Auserwählten.

Ich schaue ihn mir genauer an; da sitzt er mir gegenüber am Schreibtisch und klappert mit einem Schlüsselbund. Er ist ein prächtiger Herr mit einem imponierenden Kopf, und er sammelt außerdem Briefmarken. Wie stehe, nein, wie sitze ich jetzt wieder da!

»Das ist – ist – all – allerdings – –« so stottere ich und bin tief erschüttert, »– – eine neue Perspektive.«

»Jawohl, mein Braumeister, und deinen berühmten Herrn Zickomander, deinen Freund, den kenne ich; allerdings nur brieflich; denn er gibt sich schon wochenlang alle Mühe, meine Wasserscheue zu erwerben. Ich selbst bin gar nicht einmal Spezialist für Wasserscheue; nein, nein, ich sammle in der Hauptsache Eintagsfliegen.«

»Was, bitte, sammeln der Herr Baron?«

»Eintagsfliegen.«

155 Ach so, Eintagsfliegen. Ich muß sagen, daß auch ich am Insektensammeln mehr Spaß hätte. Zum Beispiel die Ameisen –«

»Eintagsfliegen, sage ich! Was willst du denn mit deinen Ameisen?«

»Ja so, Eintagsfliegen! Der Herr Baron sammeln nur Fliegen. Ich verstehe schon, Fliegen; sicher aber doch auch Mücken und Wespen?«

»Du verschrobener Narr! Eintagsfliegen sind Briefmarken, und zwar solche, die nur einen einzigen Tag im Kurs waren aus irgendwelchen Motiven heraus. Kapiert?«

»Ich verstehe, jawohl; Verzeihung, Herr Baron, wegen der Mücken.«

»Im übrigen bin ich auch noch Satzjäger.«

»Satzjäger; so, Satzjäger?«

Ich werde mich hüten, noch einmal zu fragen, was ein Satzjäger ist; da soll ein anderer sich den Mund verbrennen. Satzjäger ist er auch noch, der Herr Baron; nun, ich habe nichts dagegen. Nie, seitdem ich lebe, habe ich etwas gegen Satzjäger gehabt; das kann ich gut und gern beschwören.

»Die Satzjägerei soll ja, wie ich hörte, wieder ganz modern sein,« flunkere ich, nur um etwas zu sagen.

»Also,« fährt der Baron fort und klappert wieder mit dem Schlüsselbund, »dein Herr Zickomander ist rein versessen auf meine Wasserscheue, er hat mir schon sechs zahnlose Westindier dafür geboten; ich aber gebe sie nicht her; nein, ich behalte sie, es macht mir geradezu Spaß, ein Exemplar zu besitzen, um das ein anderer sich die Haare rauft. Paß auf, ich will sie dir zeigen.«

Er rückt mit dem Sessel und steckt einen Schlüssel in die Schreibtischschublade.

»Nanu!« sagt er, »ist hier nicht abgeschlossen? Doch, jetzt. Da habe ich nämlich mein Album; mein Lieber, daran sammle ich ein halbes Menschenleben lang.«

Er zieht ein dickes Markenalbum hervor und läßt es schwer und gewichtig auf den Tisch fallen.

156 »Siehst du, das sind alles Marken, meist nur ganze Sätze oder Eintagsfliegen.«

Er blättert in dem dicken Wälzer und ich muß staunend feststellen, daß er mit Tausenden von Marken gefüllt ist.

»Mein Lieber, da ist manche Kanone drinnen, das darfst du mir gut glauben!«

»Das glaube ich auch, Herr Baron, gerne glaube ich das.«

»Jetzt will ich dir auch die berühmte Wasserscheue zeigen. Siehst du, da kommt sie sch – – –!!«

Nein, da kommt sie nicht!

Was denn? Wo ist die Wasserscheue?!

Die Wasserscheue ist fort!! Nicht mehr da! Hier ist der leere Platz.

»Fort! Gestohlen!« Mehr bringt der Herr Baron nicht heraus.

»Was ist sie?«

»Gestohlen!!«

Soll man sich da nicht die Haare raufen? Endlich in meinem Leben hätte mich nun einmal das Glück erreicht, eine Wasserscheue sehen und bestaunen zu dürfen, da ist sie fort; gestohlen.

»Herr Baron, vielleicht nur eine Mystifikation!«

»Entwendet, in der Tat mitten aus dem Album herausgestohlen! Das kommt mir doch wirklich ein wenig sonderbar vor.«

Er schaut mich an und kneift das linke Auge zu; warum eigentlich? Warum kneift er das linke Auge zu und fixiert mich? Ich glaube, ich werde noch rot im Gesicht und komme in Verlegenheit.

»Was für ein komisches Gesicht machst du denn?«

»Wer, Herr Baron, bitte?«

»Na du!«

»Ich? Aber keineswegs bin ich mir bewußt, ein komisches Gesicht zu machen.«

»Du wirst ja ganz rot.«

»So?!«

Wenn ich nur wüßte, warum ich rot werde; es ist doch nicht der kleinste Grund vorhanden, rot zu werden. Das ist etwas 157 verteufelt Unangenehmes; man kann noch in einen falschen Verdacht kommen. Mich durchfährt es kalt und heiß; schrecklich, wenn der Herr Baron Verdacht auf mich hätte!

»Du hast mir vorhin dahergeredet, als ob du ein Philatelist wärst.«

»Philatelist?! Was ist denn das?«

»Nun stelle dich nicht so dumm! Wer weiß, was eine Wasserscheue ist, muß doch auch wissen, was ein Philatelist ist.«

»Philatelist! Ich schwöre Ihnen, Herr Baron, ich weiß es nicht.«

»Ich fange an, mein Lieber, dir nicht mehr zu trauen.«

»Oh, Herr Baron!«

»Warst du heute schon hier im Haus?«

»Jawohl Herr Baron!«

»Was hast du denn da gemacht?«

»Ich habe dem gnädigen Fräulein beim Möbelrücken geholfen.«

»Beim Möbelrücken?! Sonderbar! Höchst sonderbar!! Möbelrücken?!«

»Mit Verlaub, jawohl.«

Da habe ich es nun: ich werde schon wieder rot; heiß steigt mir das Blut zu Kopf; nirgends eine Grube, in die ich versinken könnte. Nackt stehe ich da und habe allen Grund, anzunehmen, daß mein Kopf einer Tomate gleicht. Und der Herr Baron genießt meine Nacktheit; er weidet sich am hilflosen Anblick eines Menschen, dem zur vollen Schaustellung nur noch ein Käfig fehlt.

»Sammelst du Briefmarken?«

»Nein, Herr Baron, ich darf mich nicht zu den Glücklichen zählen«.

»Was sammelst du denn?«

»Eigentlich nichts, Herr Baron! Gott verzeih mir die Sünde. Ich besitze nur einen Bunzlauer Teller; echt Bunzlau und immerhin mit einem gewissen Sammelwert.«

Bettina kommt zur Tür herein und macht ein strenges Gesicht. Und fragt, was denn los sei.

»Bettina, war der Bursche heute hier im Haus?«

158 »Ja. Wir haben den Bücherschrank verstellt.«

»Wieder mal. War er allein oben?«

»Ich bin einmal unten gewesen und habe das Staubtuch geholt.«

»Habt ihr sonst noch etwas gemacht?«

»Nein, das war alles.«

Seht mir nur den Teufel an; glaubt ihr, daß sie nun auch rot wird? Fällt ihr im Traum nicht ein; sie wird ganz und gar nicht rot; bewahre, da steht sie und schaut ihren Vater an, und verschweigt geradezu virtuosenhaft das Erlebnis bei den Klassikern.

Der Herr Baron pflanzt sich jetzt vor mich hin, bohrt furchtbare Blicke in mich und fährt dann auf mich los.

»Du hast die Wasserscheue gestohlen!«

Vorerst kann ich keine Antwort geben, so schwer trifft mich dieser Schlag: ich sinke ganz in mich zusammen und bilde mir ein, mein letztes Stündlein sei gekommen; mir fällt buchstäblich der Kopf auf die Brust.

»Was denken Sie von mir, Herr Baron! Bei allen Heiligen und Wasserscheuen der Welt, ich bin unschuldig.«

Fräulein Bettina steht vor mir, faßt mit der Hand unter mein Kinn und drückt mir den Kopf hoch.

»Hast du geklaut, Hexenmeister?«

Dicht vor mir sehe ich ihre Augen, schöne, große Augen hat Fräulein Bettina, wie Waldseen, und ihr Mund hat geworfene, blühende Lippen; in meiner Erniedrigung fällt mir ein, daß ich diese Lippen geküßt habe; aber das ist lange her, o wie unfaßbar lange her ist das.

Man soll alles an mir untersuchen, sage ich, das Kleiderfutter und die Stiefelsohlen, meine Kammer drüben und all meine kleinen Habseligkeiten. Das tun wir auch und ich verlange es. Alle meine Taschen wende ich um und dann gehen wir hinüber in das andere Gebäude und untersuchen meine Kammer.

Fräulein Bettina ist auch dabei und mir ist, sie hat eine gewisse eisige Befriedigung, weil ich so gequält werde und in solchem Verdacht stehe. Ich sehe, wie sie zur Kommode geht und den Bunzlauer Teller in die Hand nimmt.

159 »Was ist denn das?«

»Ein Bunzlauer Teller; ich glaube, daß ich Ihnen schon einmal davon erzählt habe.«

»Da weiß ich nichts davon. Haben Sie den auch geklaut?«

Ich hätte zu ihr sagen können: Bettina, den hat mir ein Mädel geschenkt auf wilder Wanderfahrt; ein Mädel mit Namen Porzellanbrigitte; mit einem gelben Kleid und einem seidenen Halstuch. Und diese Brigitte, die sich vor Gewittern fürchtete, hat dir so ähnlich gesehen, daß ich schwören möchte, sie sei deine Schwester, wenn sie auch eine andere Mutter hatte.

Das sage ich natürlich nicht, nein, ich kann den Mund halten, und ein Geheimnis in meinem Busen verschließen.

»Ein Andenken ist dieser Teller, das mir teuer ist.«

Sie lacht und legt den Bunzlauer unsanft auf die Kommode zurück, ja, sie gibt ihm noch einen kleinen, gehässigen Stoß, daß er gegen die getünchte Wand rutscht.

Mir aber gibt Gott plötzlich einen Einfall; in hoher Not steht er mir bei und erleuchtet meine Gedanken.

»Herr Baron, wenn es erlaubt ist, mir fällt jetzt etwas ein.«

»Was denn?«

»Ich komme auf eine Spur. Sollten die beiden Steine vorhin nur in die Fensterscheiben geflogen sein, um eine kleine Panik zu verursachen? Um abzulenken? Um das Gelände für den Markendiebstahl frei zu kriegen?«

»Was redest du da?«

»Sollte der Betreffende, als man in Hof und Scheune nach ihm fahndete, die Gelegenheit benützt haben zur abscheulichen Tat?«

Und Gott hilft mir zum zweitenmal; der zweite Gedanke kommt wie ein Blitz, wie eine sekundenschnelle Erleuchtung.

»Ich habe eine Gewißheit!« rufe ich und drehe mich im Kreise. »Eine eiserne Gewißheit habe ich!«

»Was denn? Bist du verrückt?«

»Ich weiß, wer der Täter ist!«

»Du Narr!«

160 »Bitte, Herr Baron, führen Sie mich sofort zu Ihrem neuen Chauffeur; zu dem Mann mit der Lederjacke!«

Ich lasse mich nicht mehr halten; zum Zimmer stürme ich hinaus; die andern hinter mir drein.

»Sofort,« rufe ich weiterhin und mache lange Schritte. »Wo ist sein Zimmer?«

Es ist drüben im Hauptgebäude; wir eilen über den dunklen Hof; wir stehen vor der Zimmertür; es ist halb dunkel im Flur, aber drinnen brennt Licht.

Ich drücke auf die Klinke; verschlossen.

Ich klopfe.

»Wer ist da?«

»Bitte machen Sie mal auf!«

Der Schlüssel dreht sich im Schloß, die Tür wird geöffnet; wir stehen uns gegenüber, der Chauffeur und ich.

»Guten Abend, Herr Zickomander!« sage ich und lache. »Sie haben diesmal ein Detektivstückchen aus einem englischen Magazin geliefert, das sich in jedem Vorstadtkino sehen lassen kann: Sie haben sich selbst gefangen. Wir gratulieren Ihnen aufs Herzlichste und teilen Ihnen mit, daß wir Interesse an Wasserscheuen haben. Bitte nehmen Sie Ihr amerikanisches Bärtchen ab und machen Sie uns ein freibleibendes Angebot!«

Eine herrliche Hintertreppenszene. Der Herr Baron Maximilian von Bernau ist begeistert.

Und jetzt lacht er, daß die Wände zittern.

»Bierbrauer,« ruft er, »wenn du einen Wunsch hast, raus damit!«

Jetzt oder nie, denke ich und mache einen Angriff; jetzt ist der Augenblick gekommen, und du kannst mit deiner großen Bitte herausrücken. Also frisch zu. Dort steht Fräulein Bettina; angstvoll schaue ich sie an.

»Dann, Herr Baron, bitte ich höflichst, daß man den Schilfleinenen, den ich hier am Körper trage, ausbuchen möchte, wie man solches auch bei Hurrle infolge seiner musikalischen Kuhidee getan hat!« 161

 


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