Bettine von Arnim
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde
Bettine von Arnim

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Die Ammenburg.

So nenne ich die kleine Wohnung, die grade so groß ist, den einfachsten Bedürfnissen eines einzelnen Menschen in schöner wohltuender Ordnung zu genügen, sie ist mit roten Steinen oben auf eine mit samtnen Rasen begleitete, kegelrunde Bergkuppe aufgemauert. Vor drei Jahren stand sie noch nicht hier, da war die Liebe der einzige Schutz gegen Wind und Wetter, da kamen sie häufig zusammen vom Frühling bis zum Herbst, von Sonnenuntergang bis zu Sonnenaufgang lagen sie, vom Mond belacht, auf Blumenrasen zwischen silbernen Bergquellen, im Winter rief ihn die Kriegstrompete, Armide blieb allein, aber nicht lange, da kam Amor das Kind, sie legte ihn in die Wiege, sie nährte es mit der Milch ihrer Brüste und noch ein anderes dazu. Für den Ammenlohn kaufte sie sich diesen Fleck und baute das kleine Haus und wohnt jetzt mit ihren goldlockigen Bübchen hier oben, wo sie weit durchs Tal in die Ferne sieht und bei Windstille auch hören kann, wenn die Trommel sich rührt oder die Trompete zwischen den Felswänden schmettert. Vielleicht kehrt er zurück und erkennt an dem lustigen, buntbemalten Schornstein, der auf das Häuschen aufgepflanzt ist, daß das freudige Liebesglück nicht in Reue zerschmolzen ist.

*

Heute zogen wir nach einer andern Burg. Sie liegt vier Meilen entfernt, ihre stolzen, wohlerhaltenen Türme streckt sie gen Himmel, als ob sie sie zum Schwur emporhebe; man sieht sie schon von mehreren Meilen, jede Viertelstunde macht sie eine andere Miene, bald treten Wälder hervor, die sie umkleiden, bald weiche Hügel, oft auch schwimmen Dörfer in den fruchtreichen Bahnen ihres langen und weiten Flurengewandes, die aber bald in seinen Falten wieder versinken. Wir waren alle beritten und zur Jagd gewappnet. Im Wald machten wir Mittag, ein Fuchs wurde verfolgt, das hielt unsere Reise auf. Da wir ankamen, stieg der Mond zwischen beiden Türmen herauf, wir aber ritten im finstern Tal durch die kleine Stadt mit holperigen Straßen; in einer großen Eisengießerei übernachteten wir. Am Morgen, vor Tag, eilte ich hinaus, ich wollte meine Schöne, die Natur, noch mit verschloßnen Augen überraschen, ich wollte sehen, wie sie auf dieser Seite, in dieser süßen Lage sich ausnähme. O Freund, alle Blumenkelche voll Tauspiegel, ein Gräschen malt sich im Perlenschmuck des andern, ein Blümchen trinkt sein Bild aus dem Kelche des Nachbarn, und Du! – und Dein Geist, der erquickende, was kann er mehr sein, was kann er anders sein als reiner Himmelstau, in dem sich alles in reinster Urschönheit spiegelt; Spiegel! – Tiefe weisheitsvolle Erkenntnis ist Dein Geist, in dem selbst Du nur Dich spiegelst, und alles Liebe, was der Menschheit durch Dich angetan, ist Spiegel ihrer (Idealität) reinsten, unverkümmerten Natur. Und nun kam ich von meinem Weg um die Burg, die ich zweimal in beflügeltem Lauf, wie Pindar sagt, umkreist habe, sie liegt auf runder kurzbegraster Kuppe, die Schafherde drängte sich wie ein Pelzkragen um ihre Zwinger: ein blökender Pelzkragen! Ich hatte Brot bei mir, das ich unter sie teilte, wie Deutschlands Kaiser unter die Tiroler, aber sie drängten mich auch wie jene den Kaiser und schrien: »Mehr Brot! Mehr Brot! – blä! blä!« – Ich hatte keins mehr wie der Kaiser auch; ich war in Gefahr, umgerissen zu werden wie er; ich riß mich durch und im vollen Galopp den Berg hinunter, die ganze Herde hinter mir drein, mitsamt dem bellenden Hund kam ich am Fuß des Berges vor dem Wirtshaus an, dort weckten sie die ganze Reisegesellschaft mit ihrem Geblök, und ich sage Dir, sie wollten mit Gewalt in die Wirtsstube, ich mußte sie zuriegeln, ich glaub', der Bock hätte sie sonst mit seinen Hörnern aufgeklemmt. Ei, hätten's die Tiroler auch so gemacht, der Kaiser hätte Brot schaffen müssen; die machten's aber wie der Schäfer, der blieb verdattert auf dem Berge stehen und sah seine Herde davoneilen. »Du kannst tausend Dummheiten in einen kleinen Raum einpferchen, wie der Schäfer die Herde«, sagte der Bruder Franz, da er mich mit der nachgeeilten Herde angekommen sah.

Bis alles sich reisefertig gemacht hatte, ging ich in den Kuhställen umher. Das Gehöfte ist unendlich groß, man könnte ein Vorwerk drin anlegen, sie rufen von der entferntesten Scheune zur andern mit einem Sprachrohr. Der Kuhstall inmitten bildet ein Amphitheater, ein Halbkreis von spiegelglatten Kühen, an jedem Ende durch einen Bullen abgeschlossen. An dem Ende, wo ich eintrat, ist der Ochs so freundlich, zärtlich, daß er jeden, der ihm nahe kommt, mit der Zunge zu erreichen sucht, um ihn zu belecken; er muhte mich an in hohem Ton, ich wollte ihn nicht vergeblich bitten lassen, mußte mein Gesicht von seiner schaumigen Zunge belecken lassen; das schmeckte ihm so gut, er konnte nicht fertig werden, er verkleisterte mir alle Locken, die Deine Hand immer in so schöne Ordnung streichelt. –

Jetzt beschreib' ich Dir die Burg, aber flüchtig; denn wo ich nicht in Worten liebkosen kann, da verweile ich nicht lange. – Sie ist besser erhalten wie alle andern, auch selbst die Gelnhäuser ist lange nicht so ganz mehr, und ich begreife nicht, daß man keine Rücksicht darauf nimmt. Sie gehörte ehemals den Herren von Griesheim, jetzt ist sie an die Grafen Stolberg gefallen. – Die Burg ist in ihrem Hauptgemäuer noch erhalten, nur innen ist manches eingestürzt, der Söller ist noch ganz, auf diesem kann man rund um die Burg gehen. Nach allen Seiten sieht man ins Fruchtland, das in der Weite wieder an andern Burgruinen hinaufsteigt. So blüht und reift der ewige Segen zwischen Gräbern und verlaßnem Gemäuer, und der Mensch braucht nur sich einzufinden, so ist er auch da und umwandelt und umkleidet ihn. Die Sonne schmeichelt's dem lieben Herrgott ab, daß er seinen Menschenkindern hundertfältige Ähren reifen läßt; die Sonne und der Gott liebkosen einander und dabei haben die Menschen gutes Spiel, und wer liebt, der stimmt ein in die Liebe Gottes, und durch ihn und in ihm reift auch der göttliche Segen.

In der Kapelle stehen noch etliche Säulen mit ihren gotischen Kapitälen; etliche liegen an der Erde, aber noch ganz erhalten, eins, was ich nur unvollkommen Dir hier abzeichne. Die Mondessichel hebt das Wappen in der Luft und bildet so das Kapitäl, unter ihr zwei Drachen, die sich verschlingen. Die Leute sagen, sie haben goldne Schaumünzen im Rachen gehabt, so sind sie in einer alten Chronik verzeichnet. Ein anderes ist noch viel schöner; ich wollt' es auch abzeichnen, aber es war so kalt und feucht da unten; Rosen, wunderschön in Stein gehauen, bilden einen Kranz, Schlangen winden sich durch und strecken ihre gekrönten Köpfchen aus und bilden so einen zweiten Kranz; es ist gar zu schön, hätt' ich's mitnehmen können, ich hätte Dir's gebracht! Während ich's durchzeichnen wollte, kam eine kleine Schlange unter dem Gras hervor und richtete sich vor mir auf, als wollte sie zusehen, wie ich das Bild ihrer Ahnen nachzeichnete, und das erschreckte mich in der Einsamkeit, so daß ich mit einem Schauder davoneilte.

In dem äußeren Burgtor sind noch die Türangeln, über dem innersten Burgtor auf dem Söller ist ein Steinherd mit einer kleinen Brandmauer umgeben, die wie eine Nische gebildet ist. Da haben sie das Pech glühend gemacht und durch ein Loch über der Mitte des Tores durchgegossen; alles wurde betrachtet, beachtet, erklärt, zurechtgerückt, noch manches blieb unerklärt, die Verwundrung über vorige Zeiten, und daß sie mit ihren Resten noch so derb in unsre hineinreichte, machte uns zu einfältigen Leuten; ja, mir ward angst, diese alte grobknochige Zeit könne plötzlich über den Augenblick der Gegenwart kommen und ihn verschlingen. O Goethe, mir ist nur eins wichtig, mein Dasein in Dir! Und nach diesem komme das End' aller Dinge.

Soll ich Dich denn noch weiter mitnehmen auf meinen Streifzügen, oder ist's genug der eingefallnen Mauern, der Wildnis, die alles überwuchert, des Efeus, der aus dem kalten Boden hevorsprießt, unermüdlich hinaufklettert an der öden Mauer, bis er die Sonne erblickt, und dann gleich wieder hinabsteigt, mit weit reichenden Ranken nach der feuchten, düsteren Tiefe verlangt? Gestern war der Himmel blau, heute rubinfarb und smaragden, und dort im Westen, wo er die Erde deckt, jagt er das Licht im Safrangewand vor sich her aus der Schlafstätte. Einen Augenblick kann sich die sehnende Liebe ergötzen daran, daß die ganze Natur schlummernd saugt; ja, ich fühl's: wenn die Nacht einbricht, daß jedes Würzelchen trinkt, in jedem liegt Begierde, Sehnsucht nach Nahrung, und diese Anziehungskraft zwingt die Erde, die ihre Nahrung nicht versagt jedem lebenden Keim; und so liegt in jedem Blumenhaupt schwärmende Begeistrung, die aus dem Licht der Sterne Träume herabzieht, die es umweben; geh über einen Wiesenteppich in stiller sternenflimmernder Nacht, da wirst Du, wenn Du Dich herabbeugst zur Flur, die Millionen Traumbilder gewahr werden, die da wimmeln, wo eins oft vom andern Eigenheiten, Farben und Stimmungen entlehnt; da wirst Du es fühlen, daß diese Traumwelt sich hinaufschwingt in den Busen des Beschauenden und in Deinem Geist sich als Offenbarung spiegelt; ja, die schöne Blume des Gedankens hat eine Wurzel, die saugt aus dem warmen, verborgnen Boden der Sinne ihre Nahrung und steigt aufwärts zum göttlichen Licht, dem sie ihr Auge öffnet und es trinkt und ihm ihren Duft zuströmt; ja die Geistesblume ersehnt sich die Natur und die Gottheit, wie jede Erdenblume.


Bruchstücke aus
Briefen, in Goethes Gartenhaus
geschrieben.

Anno 18.

Ich habe Dich heute nur wenig Augenblicke gesehen, und mir deucht, das ganze Leben gehöre dazu, um Dir alles zu sagen. Musik und Kunst und Sprache, alles möcht' ich beherrschen, um mich drin auszusprechen.

Ich sehne mich nach Offenbarung; Du bist's! – Nach Deinem Innern strebt die Liebe, sie will sich in seinen Tiefen empfinden.

Deine Gegenwart erschüttert mich, weil ich die Möglichkeit empfinde, Dir eine Ahnung meiner Sehnsucht zu geben.

Deine Nähe verändert alles äußerlich und innerlich, daß der Atem, den Du aushauchst, sich mit der Luft mische, die auch meine Brust trinkt, das macht sie zum Element einer höheren Welt; so die Wände, die Dich umfassen, sind magnetisch; der Spiegel, der Dein Bild aufnimmt, die Lichtstrahlen, die an Dir hinstreifen, Dein Sitz, alles hat eine Magie; Du bist weg, aber diese bleibt und vertritt Deine Stelle, ich lege mich an die Erde, wo Deine Füße standen, an diesem Fleck und an keinem andern ist mir wohl. – Ist das Einbildung? – Tränen fühl' ich in der Brust, Deiner so zu denken, wie ich jetzt denke, und diese Wehmut ist mir Wollust, ich fühle mich in ihr erhoben über's ganze Erdenleben, und das ist meine Religion. – Gewiß! Der Geliebte ist das Element meines zukünftigen Lebens, aus dem es sich erzeugt, und in dem es lebt und sich nährt. – O hätte ich Geist! – Hätt' ich den, was für Geheimnisse wollt' ich Dir mitteilen!

Offenbarung ist das einzige Bedürfnis des Geistes; denn das Höchste ist allemal das einzigste Bedürfnis.

Geist kann nur durch Offenbarung berührt werden oder vielmehr: alles wird zur Offenbarung an ihm.

So muß sich der Geist sein Paradies begründen. – Nichts außer dem Geist. – Himmel und Seligkeit in ihm. – Wie hoch steigt Begeistrung, bis sie zum Himmel sich steigert!

Wenn das ganze Leben des Geistes Element wird, so hat er Gewalt über den Himmel.

Der Schlüssel zum höheren Leben ist die Liebe, sie bereitet vor zur Freiheit. – Freiheit ist Geisterleben.

Denken ist Inspiration der Freiheit. –

Der hat Geist oder ist geistig, der mit sich selbst zusammenkommt. Inspiration dringt darauf, daß der Mensch zu sich selbst komme. – Wenn Du mich begeisterst, so forderst Du Dich selber von mir, und meine Begeistrung geht darauf aus, Dich Dir selber zu geben. – Wahre Liebe gibt dem Geliebten sich selber. – Wie wahr ist dies, da ich Dich nur denken kann und doch Dir alles geben muß.

Was ist Lieben? – Der Wächter auf der Zinne ruft die nahe Morgenstunde. Der regsame Geist ahnet schlummernd den Tag, er bricht aus seiner Traumwelt hervor, und der junge Tag umfängt ihn mit seinem Licht, – und das ist die Gewalt der Liebe, daß alles Wirklichkeit ist, was vorher Traum war, und daß ein göttlicher Geist dem in der Liebe Erwachten das Leben erleuchten wie der junge Tag dem aus der Traumwelt Erwachten.

Liebe ist Erkenntnis, und die ist Besitz.

Liegt der Same in der Erde, so bedarf er der Erde. Nun er zum Leben angeregt ist, müßte er sterben, wenn er ihr entnommen würde. In der Erde erst wandelt sich der Same um ins Leben, und die Erde wird erst Geist im Samen. – Wenn Du liebst, dringst Du ans Licht wie der Same, der in der Erde verborgen war. – Warum verbirgt die Natur den Samen im Schoß der Erde, eh' sie sein Leben ans Licht entläßt? – Auch das Leben liegt im geheimen Schoß des Geistes verborgen, ehe es als Liebe ans Licht dringt. – Der Boden, aus dem die Liebe entsteigt, ist Geheimnis.

Geheimnis ist Instinkt der Phantasie; wessen Geist diesen Instinkt hat, der hat den befruchtenden Boden für den Samen der Liebe. – Phantasie ist die freie Kunst der Wahrheit.

Und hier wär' ein Gewaltiges mitzuteilen, wenn die Müdigkeit mich nicht überwältigte; es muß mir genügen, daß ich's empfinde, wie die Phantasie die Vermittlerin ist zwischen der himmlischen Weisheit und dem irdischen Geist.

Jeder Gedanke hat Flügel und fliegt zu dem, der ihn eingibt; jeder Atemzug ein Gedanke, der zum Geliebten fliegt, nur was liebt, ist Gedanke und fliegt. – Ja, Gedanken sind geistige Vögel.

Wenn ich nicht im Bett wär', so schrieb' ich noch mehr, aber so zieht mich das Kopfkissen nieder.

In Deinem Garten ist's so schön! Alle meine Gedanken sind Bienen, sie kommen aus Deinem duftenden Garten zum Fenster hereingeflogen, das ich mir geöffnet habe, und setzen da ihren Honig ab, den sie in Deinem blütenreichen Garten gesammelt haben. Und so spät es ist, nach Mitternacht schon, so kommen sie doch noch einzeln und umsummen mich und wecken mich aus dem Schlaf; und die Bienen Deines Gartens und die Bienen Deines Geistes summen untereinander.

Liebe ist Erkenntnis, Schönheit ist das Geheimnis ihrer Erkenntnis, und so tief ist dies Geheimnis, daß es sich keinem mitteilt als nur dem Liebenden. Glaub's nur! Keiner besitzt das Geheimnis von Dir, wie ich es besitze, das heißt: keiner liebt Dich, wie ich Dich liebe.

Wieder ein Bienchen! – Deine Schönheit ist Dein Leben – es wollte noch mehr summen, aber der Wind jagte es wieder zum Fenster hinaus. – Daß ich in Deinem Garten schlafe eine Nacht, das ist wohl ein groß Ereignis. – Du hast oft hier herrliche Stunden verlebt, allein und mit Freunden; und nun bin ich allein hier und denke dem allen nach und seh' im Geist dem allen zu. Ach, und wie ich heute, eh' ich ins stille verlassene Haus eintrat, noch den Berg hinaufging zum obersten Baum, der so mit mannigfachem Grün umwachsen ist, das all von Deiner Hand geleitet wurde, der seine Äste schützend über den Stein verbreitet, in den die Weihe der Erinnerung eingegraben ist! Dort oben stand ich ganz allein, ein wenig Mondlicht stahl sich durch den Baum, ich fühlte an der Rinde des Baumes nach den eingeschnittenen Buchstaben. Ach, gute Nacht.

Stehle ich dem Schlaf noch länger die Träume, so werden meine Gedanken Schäume.

 

Da oben sah ich Dein Haus erleuchtet. Ich dachte: wenn Du bei diesem Licht meiner harrtest, und ich käm' herab den frischen Mondscheinweg mit so wohl vorbereitetem Herzen, und ich träte ein bei Dir, wie freundlich Du mich aufnehmen würdest. Bis ich herabkam, hatte mir meine Einbildungskraft weisgemacht, es könne möglich sein, daß Du da seist, und obschon ich wußte, daß dies Licht allein in meiner Kammer brenne, denn ich hatte es ja selber angezündet, so öffnete ich doch mit Zagen die Tür; und wie ich diese stille Einsamkeit gewahrte, auf dem Tisch die getrockneten Pflanzen und an den Wänden die Steine und die Muscheln und die Schmetterlinge und das erhabene Dunkel, was mit den Strahlen der Lampe spielte; und wie ich da eintrat, da blieb ich am Türpfosten angelehnt stehen und holte erst Atem.

Und nun lieg' ich in diesem Bettchen zum Schlafen, es ist hart, das Bett, ein einziger Strohsack und eine wollne Decke drüber und zum Zudecken eine graue Decke mit bunten Blumen, und kein Mensch weiß, daß ich die Nacht hier zubringe, als nur Du.

Irdische Jugend ist bewußtlos, sie steigt aus ihrer Knospe, ihre Entfaltung ist ihr Ziel. Bewußtsein der Jugend ist schon übersinnliche Jugend.

In Dir bin ich meiner Jugend bewußt. Ich sehe sie alle, die goldnen Tage, die ich in Dir verlebte, gekrönt ein jeder mit wunderbaren Blüten. Stolz erhaben einherschreitend feurigen, raschen Geistes; unberührt, keusch, vor der Gemeinheit sich flüchtend in höhere Regionen; ein milder Schimmer durchglänzt sie, es ist der Abendschein Deines Lebens. Ach, und der heutige Tag ist auch ein solcher, er schließt sich an die Reihe der verflossenen an, majestätisch, triumphierend; obzwar ich allein bin hier im verlassenen Haus, ohne Einrichtung, mich zu empfangen, hier sind noch die Spuren des vergangenen Winters.

Der Geist taucht unter in der Jugend als in einem Meer.

Jugend wird sein Element, in ihm wird der Geist zur Liebe. Jugend bereitet den Geist vor zur Ewigkeit, die ewige Jugend ist.

Ich glaub' an Deine Gegenwart in diesem einsamen Gemach, ich glaub', daß Du mich hörst, mich empfindest; ich spreche mit Dir. Du fragst, ich antworte Dir.

Jeder strebt nach Jugend, weil das Bedürfnis des Geistes Entwicklung in der Liebe ist.

Nachdem ich schon ein Weilchen geschlafen habe.

Nichts ist dem Genius neu, alles ist ihm Element. In der Liebe ist einer dem andern Genius und wird einer dem andern Element.

Du bist mir Element, und ich kann die Flügel regen in Dir, und das ist das einzige Erkennen, das einzige Empfinden, das einzige Haben.

Und Du magst Dich tausendfach aus Dir heraussehnen, nie wirst Du Dich selbst finden, als indem Du Dich in einen andern ergießest; nie wirst Du im andern sein, als wenn er in Dir ist.

Denken sieht und berührt, es ist innigste Berührung mit dem Geist des Bedachten.

Wenn der Geist zur Musik wird, dann wird Philosophie zur Empfindung.

Schon hundertmal hab' ich mich in die graue Decke eingehüllt, und wollte ich schlafen, so muß ich die Hand ausstrecken, um eine Zeile zu schreiben.

Wenn es wahr ist, daß es eine Magie des Lebens gibt, die vermöge der Selbsterleuchtung sich erzeugt, wer wollte dann außer ihren Kreisen stehen?

Gute Nacht! – Zu Deinen Füßen verschlaf' ich sie.

Ja, ich will glauben, daß Du da bist, und will keine Hand nach Dir ausstrecken, damit ich Dich nicht verscheuche, und doch berührst Du mich, die Luft verändert sich, der Schimmer der Lampe, die Schatten, alles gewinnt Bedeutung.


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