Bettine von Arnim
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde
Bettine von Arnim

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An Goethe.

10. April.

Die Sonne geht mir launig auf, beleuchtet mir manches Verborgne, blendet mich wieder. Mit schweren Wolken abwechselnd zieht sie über mir hin, bald stürmisch Wetter, dann wieder Ruh'.

Es ebnet sich nach und nach, und auf dem glatten Spiegel, hell und glühend, steht immer wieder des liebsten Mannes Bildnis, wankt nicht, warum vor andern nur Du? – Warum nach allen immer wieder Du? Und doch bin ich Dir werter mit all der Liebe in der Brust? – – frag' ich Dich? – Nein, ich weiß recht gut, daß Du doch nichts antwortest, – und wenn ich auch sage: »Lieber, geliebter einziger Mann.«

Was hab' ich alles erlebt in diesen Tagen, was mir das Herz gebrochen, ich möchte meinen Kopf an Deinen Hals verstecken, ich möchte meine Arme um Dich schlingen und die böse Zeit verschlafen.

Was hat mich alles gekränkt, – nichts hab' ich gehabt in Kopf und Herzen, als nur immer das mächtige Schicksal, das dort in den Gebirgen rast.

Warum soll ich aber weinen um die, die ihr Leben mit so freudiger Begeisterung ausgehaucht haben? – Was erbarmt mich denn so? – Hier ist kein Mitleid zu haben als nur mit mir, daß ich mich so anstrengen muß, es auszuhalten.

Will ich Dir alles schreiben, so verträume ich die Zeit – die Zeit, die auf glühenden Sohlen durchs Tirol wandert; so bittere Betrübnis hat mich durchdrungen, daß ich's nicht wage, die Papiere, die in jenen Stunden geschrieben sind, an Dich abzuschicken.

*

19. April.

Ich bin hellsehend, Goethe, – ich seh' das vergoßne Blut der Tiroler triumphierend in den Busen der Gottheit zurückströmen. Die hohen gewaltigen Eichen, die Wohnungen der Menschen, die grünen Matten, die glücklichen Herden, der geliebte gepflegte Reichtum des Heldenvolks, die den Opfertod in den Flammen fanden, das alles seh' ich verklärt mit ihnen gen Himmel fahren, bis auf den treuen Hund, der, seinen Herrn beschützend, den Tod verachtet wie er.

Der Hund, der keinen Witz hat, nur Instinkt, und heiter in jedem Geschick das Rechte tut. – Ach, hätte der Mensch nur so viel Witz, den eignen Instinkt nicht zu verleugnen.

*

20. April.

In all diesen Tagen der Unruh', glaub's Goethe, vergeht keiner, den ich nicht mit dem Gedanken an Dich beschließe, ich bin so gewohnt, Deinen Namen zu nennen, nachts, eh' ich einschlafe, Dir alle Hoffnung ans Herz zu legen, und alle Bitten und Fragen in die Zukunft.

Da liegen sie um mich her, die Papiere mit der Geschichte des Tags und den Träumen der Nacht, lauter Verwirrung, Unmut, Sehnsucht und Seufzer der Ohnmacht; ich mag Dir in dieser Zeit, die sich so geltend macht, nichts von meinem bedürftigen Herzen mitteilen, nur ein paar kleine Zufälle, die mich beschäftigen, schrieb ich Dir auf, damit ich nicht verleugne vor Dir, daß ein höheres Geschick auch mir Winke gab, obschon ich zu unmündig mich fühle, ihm zu folgen.

Im März war's, da leitete mir der Graf M..., bei dessen Familie ich hier wohne, eine wunderliche Geschichte ein, die artig ausging. Der Hofmeister seines Sohnes gibt ihn bei der Polizei an, er sei österreichisch gesinnt und man habe an seinem Tisch die Gesundheit des Kaisers getrunken, er schiebt alles auf mich, und nun bittet er mich, daß ich auf diese Lüge eingehe, da es ihm sehr nachteilig sein könne, mir aber höchstens einen kleinen Verweis zuziehen werde, sehr willkommen war mir's, ihm einen Dienst leisten zu können, ich willige mit Vergnügen ein; in einer Gesellschaft wird mir der Polizeipräsident vorgestellt, unter dem Vorwand meine Bekanntschaft machen zu wollen, ich komme ihm zuvor und schütte ihm mein ganzes Herz aus, meine Begeisterung für die Tiroler und daß ich aus Sehnsucht alle Tage auf den Schneckenturm steige mit dem Fernrohr, daß man heute aber eine Schildwache hingepflanzt habe, die mich nicht hinaufgelassen; gerührt über mein Zutrauen, küßt er mir die Hand und verspricht mir, die Schildwache wegzubeordern, – es war keine List von mir, denn ich hätte wirklich nicht gewußt, mich anders zu benehmen, indessen ist durch dieses Verfahren der Freund weiß gebrannt und ich nicht schwarz.

Ein paar Tage später, in der Karwoche, indem ich abends in der Dämmerung in meinem Zimmer allein war, treten zwei Tiroler bei mir ein, ich bin verwundert, aber nicht erschrocken. – Der eine nimmt mich bei der Hand und sagt: »Wir wissen, daß du den Tirolern gut bist und wollen dich um eine Gefälligkeit bitten«; es waren Papiere an Stadion und mündliche Aufträge, sie sagten mir noch, es würde gewiß ein Augenblick kommen, da ich ihnen Dienste leisten könne, es war mir so wunderlich, ich glaubte, es könne eine List sein, mich auszuforschen, doch war ich kurz gefaßt und sagte: »Ihr mögt mich nun betrügen oder nicht, so werd' ich tun, was ihr von mir verlangt«; der Tiroler sieht mich an und sagt: »Ich bin Leibhusar des Königs, kein Mensch hat Arges gegen mich, und doch hab' ich nichts im Sinn als nur, wie ich meinen Leuten helfen will, nun hast du mich in Händen und wirst nicht fürchten, daß ein Tiroler auch ein Verräter sein könne.«

Wie die Tiroler weg waren, war ich wie betäubt, mein Herz schlug hoch vor Entzücken, daß sie mir dies Zutrauen geschenkt haben; am andern Tag war Karfreitag, da holte mich der Stadion ab, um mir eine stille Messe zu lesen. Ich gab ihm meine Depeschen und erzählte ihm alles, äußerte ihm voll Beschämung die große Sehnsucht, daß ich fort möchte zu den Tirolern; Stadion sagt, ich soll mich auf ihn verlassen, er wolle einen Stutzen auf den Rücken nehmen und ins Tirol gehen, und alles, was ich möchte, das wolle er für mich ausrichten, es sei die letzte Messe, die er mir lesen werde, denn in wenig Tagen sei seine Abreise bestimmt. Ach Gott, es fiel mir schwer aufs Herz, daß ich so bald den lieben Freund verlieren sollte.

Nach der Messe ging ich aufs Chor, Winter ließ die Lamentation singen, ich warf ein Chorhemd über und sang mit, unterdessen kam der Kronprinz mit seinem Bruder, das Kruzifix lag an der Erde, das beide Brüder küßten, nachher umarmten sie sich; sie waren bis an den Tag entzweit gewesen über einen Hofmeister, den der Kronprinz, weil er ihn für untauglich hielt, von seinem Bruder entfernt hatte; sie versöhnten sich also hier in der Kirche miteinander, und mir machte es große Freude, zuzusehen. Bopp, ein alter Klaviermeister des Kronprinzen, der auch mir Unterricht gibt, begleitete mich nach Hause, er zeigte mir ein Sonett, was der Kronprinz an diesem Morgen gedichtet hatte; schon daß er diesen Herzensdrang empfindet, bei Ereignissen, die ihn näher angehen, zu dichten, spricht für eine tiefere Seele; in ihm waltet gewiß das Naturrecht vor, dann wird er auch die Tiroler nicht mißhandeln lassen; ja, ich hab' eine gute Zuversicht zu ihm; der alte Bopp erzählt mir alles, was meinen Enthusiasmus noch steigern kann. Am dritten Feiertag holte er mich ab in den englischen Garten, um die Anrede des Kronprinzen an seine versammelten Truppen, mit denen er seinen ersten Feldzug machen wird, anzuhören; ich konnte nichts Zusammenhängendes verstehen, aber was ich hörte, war mir nicht recht, er spricht von ihrer Tapferkeit, ihrer Ausdauer und Treue, von den abtrünnigen verräterischen Tirolern, daß er sie, vereint mit ihnen, zum Gehorsam zurückführen werde, und daß er seine eigne Ehre mit der ihrigen verflechte und verpfände usw. Wie ich nach Hause komme, wühlt das alles in mir, ich sehe schon im Geist, wie der Kronprinz, seinen Generalen überlassen, alles tut, wogegen sein Herz spricht, und dann ist's um ihn geschehen. So ein bayrischer General ist ein wahrer Rumpelbaß, aus ihm hervor brummt nichts als Bayerns Ehrgeiz; das ist die grobe, rauhe Stimme, mit der er alle besseren Gefühle übertönt.

Das alles wogte in meinem Herzen, da ich von dieser öffentlichen Rede zurückkam, und daß kein Mensch in der Welt einem Herrscher die Wahrheit sagt, im Gegenteil nur Schmeichler ihnen immerdar recht geben, und je tiefer sich ein solcher irrt, je gewaltiger ist in jenen die Furcht, er möge an ihrer Übereinstimmung zweifeln; sie haben nie das Wohl der Menschheit, sie haben nur immer die Gunst des Herrn im Auge. Ich mußte also einen verzweifelten Schritt tun, um den Tumult der eignen Lebensgeister zu beschwichtigen, und ich bitte Dich im voraus um Verzeihung, wenn Du es nicht gutheißen solltest.

Erst nachdem ich dem Kronprinzen meine Liebe zu ihm, meine Begeisterung für seinen Genius, Gott weiß in welchen Schwingungen, ans Herz getrieben habe, vertraue ich ihm meine Anschauung von dem Tirolervolk, das sich die Heldenkrone erwirbt, meine Zuversicht, er werde Milde und Schonung da verbreiten, wo seine Leute jetzt nur rohe Wut und Rachgierde walten lassen, ich frage ihn, ob der Name »Herzog von Tirol« nicht herrlicher klinge, als die Namen der vier Könige, die ihre Macht vereint haben, um diese Helden zu würgen? Und es möge nun ausgehen wie es wolle, so hoffe ich, daß er sich von jenen den Beinamen der Menschliche erwerben werde; dies ungefähr ist der Inhalt eines vier Seiten langen Briefs, den ich, nachdem ich ihn in heftigster Wallung geschrieben (da ich denn auch nicht davor stehen kann, was alles noch mir untergelaufen), mit der größten Kaltblütigkeit siegelte und ganz getrost in des Klaviermeisters Hände gab, mit der Bedeutung: es seien wichtige Sachen über die Tiroler, die dem Kronprinz von großem Nutzen sein würden. –

Wie gern macht man sich wichtig, mein Bopp purzelte fast die Stiegen herab, vor übergroßer Eile dem Kronprinzen den interessanten Brief zu überbringen, und wie leichtsinnig bin ich, ich vergaß alles. Ich ging zu Winter, Psalmen singen, zu Tieck, zu Jacobi, nirgends stimmt man mit mir ein, ja alles fürchtet sich, und wenn sie wüßten, was ich angerichtet habe, sie würden mir aus Furcht das Haus verbieten, da seh' ich denn ganz ironisch drein und denke: seid ihr nur bayrisch und französisch, ich und der Kronprinz wir sind deutsch und tirolisch, oder er läßt mich ins Gefängnis setzen, dann bin ich mit einem Male frei und selbständig, dann wird mein Mut schon wachsen, und wenn man mich wieder losläßt, dann geh' ich über zu den Tirolern und begegne dem Kronprinzen im Feld, und trotze ihm ab, was er so mir nicht zugesteht.

O Goethe, wenn ich sollte ins Tirol wandern und zur rechten Zeit kommen, daß ich den Heldentod sterbe! Es muß doch ein ander Wesen sein, es muß doch eine Belohnung sein für solche lorbeergekrönten Häupter; der glänzende Triumph im Augenblick des Übergangs ist ja Zeugnis genug, daß die Begeisterung, die der Heldentod uns einflößt, nur Widerschein himmlischer Glorie ist. Wenn ich sterbe, ich freue mich schon darauf, so gaukle ich als Schmetterling aus dem Sarg meines Leibes hervor, und dann treffe ich Dich in dieser herrlichen Sommerzeit unter Blumen, wenn ein Schmetterling Dich unter Blumen vorzieht und lieber auf Deiner Stirn sich niederläßt und auf Deinen Lippen als auf den blühenden Rosen umher, dann glaube sicher, es ist mein Geist, der auf dem Tiroler Schlachtfeld freigemacht ist von irdischen Banden, daß er hin kann, wo die Liebe ihn ruft.

Ja, wenn alles wahr würde, was ich schon in der Phantasie erlebt habe, wenn alle glanzvollen Ereignisse meines innern Lebens auch im äußern sich spiegelten, dann hättest Du schon große und gewaltige Dinge von Deinem Kind erfahren, ich kann Dir nicht sagen, was ich träumend schon getan habe, wie das Blut in mir tobt, daß ich wohl sagen kann, ich hab' eine Sehnsucht, es zu verspritzen.

Mein alter Klaviermeister kam zurück, zitternd und bleich; »Was hat in den Papieren gestanden, die Sie mir für den Kronprinzen anvertrauten«, sagte er, »wenn es mich nur nicht auf ewig unglücklich macht, der Kronprinz schien aufgeregt, ja erzürnt während dem Lesen, und wie er mich gewahr wurde, hieß er mich gehen, ohne wie sonst mir auch nur ein gnädiges Wort zu sagen.« – Ich mußte lachen, der Klaviermeister wurde immer ängstlicher, ich immer lustiger, ich freute mich schon auf meine Gefangenschaft, und wie ich da in der Einsamkeit meinen philosophischen Gedanken nachhängen würde, ich dachte: dann fängt mein Geschick doch einmal an, Leben zu gewinnen, es muß doch einmal was draus entstehen; aber so kam es wieder nicht, ein einzigmal sah ich den Kronprinz im Theater, er winkte mir freundlich; nun gut: acht Tage hatte ich meinen Stadion nicht gesehen, am 10. April, wo ich die gewisse Nachricht erhielt, er sei in der Nacht abgereist, da war ich doch sehr betrübt, daß ich ihn sollte zum letztenmal gesehen haben, es war mir eine wunderliche Bedeutung, daß er am Karfreitag seine letzte Messe gelesen hatte; – die vielen zurückgehaltenen und verleugneten Gefühle brachen endlich in Tränen aus. In der Einsamkeit, da lernt man kennen, was man will, und was einem versagt wird. Ich fand keine Lage für mein ringendes Herz, müde geworden vom Weinen, schlief ich ein, bist Du schon eingeschlafen, müde vom Weinen? – Männer weinen wohl so nicht? – Du hast wohl nie geweint, daß die Seufzer noch selbst im Schlaf die Brust beschweren. So schluchzend im Traum hör' ich meinen Namen rufen; es war dunkel, bei dem schwachen Dämmerschein der Laternen von der Straße erkenne ich einen Mann neben mir in fremder Soldatenkleidung, Säbel, Patrontasche, schwarzes Haar, sonst würde ich glauben, den schwarzen Fritz zu erkennen. – »Nein, du irrst nicht, es ist der schwarze Fritz, der Abschied von dir nimmt, mein Wagen steht an der Tür, ich gehe eben als Soldat zur österreichischen Armee, und was deine Freunde, die Tiroler, anbelangt, so sollst du mir keine Vorwürfe machen oder du siehst mich nie wieder, denn ich gebe dir mein Ehrenwort, ich werde nicht erleben, daß man sie verrate, es geht gewiß alles gut, eben war ich beim Kronprinzen, der hat mit mir die Gesundheit der Tiroler getrunken und dem Napoleon ein Pereat gebracht, er hat mich bei der Hand gefaßt und gesagt: ›Erinnern Sie sich dran, daß im Jahr Neune im April, während der Tiroler Revolution, der Kronprinz von Bayern dem Napoleon widersagt hat‹, und so hat er sein Glas mit mir angestoßen, daß der Fuß zerschellte«; ich sagte zu Stadion: »Nun bin ich allein und hab' keinen Freund mehr«, er lächelte und sagte: »Du schreibst an Goethe, schreib ihm auch von mir, daß der katholische Priester auf dem Tiroler Schlachtfeld sich Lorbeern holen will«, ich sagte: »Nun werde ich keine Messe so bald mehr hören«; – »und ich werde so bald auch keine mehr lesen«, sagte er. Da stieß er sein Gewehr auf und reichte mir die Hand zum Abschied. Den werd' ich gewiß nicht wiedersehen. Kaum war er fort, klopfte es schon wieder, der alte Bopp kommt herein, es war finster im Zimmer, an seiner Stimme erkenne ich, daß er freudig ist, er reicht mir feierlich ein zerbrochnes Glas und sagt: »Das schickt Ihnen der Kronprinz und läßt Ihnen sagen, daß er die Gesundheit derjenigen daraus getrunken hat, die Sie protegieren, und hier schickt er Ihnen seine Kokarde als Ehrenpfand, daß er Ihnen sein Wort lösen werde, jeder Ungerechtigkeit, jeder Grausamkeit zu steuern.« – Ich war froh, herzlich froh, daß ich nicht kleinlich und zaghaft gewesen war, dem Zutrauen zu folgen, was der Kronprinz und alles, ja auch selbst das Widersprechendste, was ich von ihm erfahren habe, mir einflößte; es war sehr freundlich von ihm, daß er mich so grüßen ließ, und daß er nicht meine Voreiligkeit von sich wies; ich werd' es ihm nicht vergessen, mag ich auch noch manches Verkehrte von ihm hören; denn unter allen, die ihn beurteilen, hat gewiß keiner ein so gutes Herz als er, der es sich ganz ruhig gefallen läßt. Ich weiß auch, daß er eine feierliche Hochachtung vor Dir hat und nicht wie andere Prinzen, die nur im Vorüberstreifen einen solchen Geist berühren wie Du, nein, es geht ihm von Herzen, wenn er Dich einmal sieht und Dir sagt, daß er sich's zum größten Glück schätze.

Ich habe noch viel auf dem Herzen, denn ich habe Dich allein, dem ich's mitteilen kann. Jeder Augenblick erregt mich aufs neue, es ist als ob das Schicksal dicht vor meiner Türe seinen Markt aufgeschlagen hätte; so wie ich den Kopf hinausstecke, bietet es Plunder, Verrat und Falschheit feil, außer die Tiroler, deren Siegesjubel durch alle Verleumdung und Erbitterung der Feinde durchklingt, aus deren frisch vergoßnem Blut schon neue Frühlingsblumen sprießen und die Jünglinge frisch jeden Morgen von den nebelverhüllten Felszacken dem gewissen Sieg entgegentanzen.

Adieu, Adieu, auf meine Liebe weise ich Dich an, die hier in diesen Blättern nur im Vorüberstreifen den Staub ihrer üppigen Blüte aus den vollen Kelchen schüttelt.

Bettine.

 

Friedrich Tieck macht jetzt Schellings Büste, sie wird nicht schöner als er, mithin ganz garstig, und doch ist es ein schönes Werk. –

Da ich in Tiecks Werkstätte kam und sah, wie der große, breite, prächtige, viereckige Schellingskopf unter seinen fixen Fingern zum Vorschein kam, dacht' ich, er habe unserm Herrgott abgelernt, wie er die Menschen machte, und er werde ihm gleich den Atem einblasen, und der Kopf werde lernen, A – B – sagen, womit ein Philosoph so vieles sagen kann.


An Bettine.

Man möchte mit Worten so gerne wie mit Gedanken Dir entgegenkommen, liebste Bettine; aber die Kriegszeiten, die so großen Einfluß auf das Lesen haben, erstrecken ihn nicht minder streng auf das Schreiben, und so muß ich's versagen, Deinen romantisch-charakteristischen Erzählungen gleichlautende Gesinnungen deutlich auszusprechen. Ich muß daher erwarten, was Du durch eine Reihe von Briefen mich hoffen läßt, nämlich Dich selbst, um Dir alles mit Dank für Deine nie versiegende Liebe zu beantworten.

Erst in voriger Woche erhielt ich Dein Paket, was der Kurier in meiner Abwesenheit dem Herzog übergab, der es mir selbst brachte. Seine Neugierde war nicht wenig gespannt, ich mußte, um nur durchzukommen, Deine wohlgelungenen politischen Verhandlungen ihm mitteilen, die denn auch so allerliebst sind, daß es einem schwer wird, sie für sich allein zu bewahren. Der Herzog bedauert sehr, daß Du im Interesse anderer Mächte bist. –

Ich habe mich nun hier in Jena in einen Roman eingesponnen, um weniger von allem Übel der Zeit ergriffen zu werden, ich hoffe, der Schmetterling, der da herausfliegt, wird Dich noch als Bewohner dieses Erdenrunds begrüßen und Dir beweisen, wie die Psychen auch auf scheinbar verschiednen Bahnen einander begegnen.

Auch Deine lyrischen Aufforderungen an eine frühere Epoche des Autors haben mir in manchem Sinne zugesagt, und wüchse der Mensch nicht aus der Zeit mehr noch wie aus Seelenepochen heraus, so würd' ich nicht noch einmal erleben, wie schmerzlich es ist, solchen Bitten kein Gehör zu geben.

Deine interessanten Ereignisse mit dem hohen Protektor eigner feindlicher Widersacher macht mich begierig, noch mehr und auch von andrer Seite von ihm zu wissen, zum Beispiel könntest Du mir die Versuche und Bruchstücke seiner Gedichte, in deren Besitz Du bist, mitteilen, mit Vergnügen würde ich ihn in dem unbefangnen Spiel mit seiner jungen Muse beobachten.

Die Gelegenheiten, mir sicher Deine Briefe zu schicken, versäume ja nicht, sie sind mir in dieser armen Zeit äußerst willkommen. Auch was der Tag sonst noch mit sich bringt, berichte, von Freunden und merkwürdigen Leuten, Künsten und philosophischen Erscheinungen; da Du in einem Kreis vielfach aufgeregter Geister bist, so kann Dir der Stoff hier nicht ausgehen.

Möchten doch auch die versprochnen Mitteilungen über die letzten Tage meiner Mutter in diesen verschlingenden Ereignissen nicht untergehen, mir ist zwar mancherlei von Freunden über sie berichtet, wie sie mit großer Besonnenheit alle irdischen Anordnungen getroffen; von Dir aber erwarte ich noch etwas anders, daß Dein liebender Sinn ihr ein Denkmal setze, in der Erinnerung ihrer letzten Augenblicke.

Ich bin sehr in Deiner Schuld, liebes Kind, mit diesen wenigen Zeilen, ich kann Dir nur mit Dank bezahlen für alles, was Du mir gibst, geben möchte ich Dir das Beste wenn Du es nicht schon unwiderstehlich an Dich gerissen hättest.

Der schwarze Fritz ist mir auch unter diesem Namen ein guter Bekannter, und die schönen Züge, die Du von ihm berichtest, bilden ein vollkommnes Ganze mit dem, was eine befreundete Erinnerung hinzubringt. Du hast wohl recht zu sagen, daß, wo der Boden mit Heldenblut getränkt wird, es in jeder Blume neu hervorsprieße, Deinem Helden gönne ich, daß Mars und Minerva ihm alles Glück zuwenden mögen, da er so schönem an Deiner Seite entrissen zu sein scheint

17. März 1809. G.

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