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Südsee

Javanisch, Wie die Tiere zu einem Könige kamen

Tiere kamen einstmals zusammen und wollten einen König wählen und berieten über die einzelnen hin und her, welches Tier wohl am geeignetsten zum König sein würde. Das Kantjil einer der kleinsten lebenden Wiederkäuer (Moschustier-Verwandtschaft) von nur 45 cm Länge. hatte aber immer etwas an dem Betreffenden auszusetzen. Das Pferd sei nicht königlich, sondern sklavisch, denn es müsse den Menschen tragen. Der Hund sei auch nicht geeignet, da er für den Menschen auf die Jagd gehen müsse. Der Ochse erst recht nicht, denn er habe einen Ring durch die Nase und ließe sich daran herumführen. Schließlich wurde denn der Tiger gewählt. Das Kantjil wendete sich hierauf freundlich an den Tiger und sagte: »Wenn du König sein willst und unumschränkt herrschen willst, so mußt du erst deinen Feind töten, der dir sonst die Macht entreißen wird.« »Wo ist dieser?« fragte der Tiger, »daß ich ihn töte!« Da führte das Kantjil ihn an einen tiefen Brunnen und zeigte ihm sein Spiegelbild in der Tiefe und sagte: »Da ist dein Feind!« Mit zornigem Gebrüll sprang der Tiger auf sein Spiegelbild zu in den Brunnen hinein und ertrank. »Seht, wie töricht euer König war,« sagte das Kantjil zu den Tieren, »wählt euch einen neuen.« Nun wußten die Tiere gar nicht mehr, wen sie wählen sollten.

Schließlich machte das Kantjil ihnen den Vorschlag, daß derjenige König werden sollte, der einen kleinen Teich an der Küste aussaufen könne. Der Vorschlag wurde angenommen, und das Kantjil führte die Tiere an einen kleinen Teich, der mit dem Meere durch ein Bächlein verbunden war, das von Mangroven verdeckt wurde. Es war grade Flut, und die verschiedenen Bewerber um die Krone tranken sich halb tot, da immer wieder Wasser vom Meere nachströmte. Schließlich gaben es alle Tiere auf, fragten das Kantjil, ob es nicht selbst auch einmal probieren wolle, es weigerte sich aber anfänglich unter allerlei Reden, bis es Ebbezeit war, und sagte dann, es wolle mal versuchen. Es ging dann auch an den Teich, steckte seine Schnauze hinein, und tat so als ob es tränke. Infolge der Ebbe floß jetzt das Wasser von selbst ins Meer zurück, und als das Kantjil lange genug gewartet hatte, war der Teich leer, und die Tiere, welche glaubten, das Kantjil habe alles allein getrunken, jubelten ihm zu und machten es zum Könige.

(Deutsch von Tauern)

Südseefabel, Der Strandläufer, der Kasuar und die Schildkröte

Eine Schar von Strandläufern segelte einst lustig in ihrem Boote an der Küste entlang, als ein großer dicker Kasuar sie vom Lande her anrief, sie möchten ihn doch auch etwas mitnehmen.

»Das wollen wir gerne tun,« riefen die Strandläufer zurück, »aber wir haben nichts zu fressen für dich mit an Bord, und fahren dann sehr lange, ohne wieder an Land zu können.« »Das tut nichts,« sagte der Kasuar, »nehmt mich nur mit!« Darauf landeten die Strandläufer, und der Kasuar stieg ein. Dann segelten sie wieder weiter und rieten dem Kasuar dringend, ja ruhig zu sitzen, denn er war so groß, daß das Boot beinahe unter seiner Last versank. Schließlich wurde der Kasuar hungrig und verlangte heftig, an Land gesetzt zu werden. Die Strandläufer erinnerten ihn daran, daß sie ihm bereits vorher gesagt hätten, sie hätten nichts zu essen für ihn da und könnten unter keinen Umständen gleich landen.

Schließlich wurde der Kasuar wütend und stampfte mit dem Fuße so auf, daß das Boot zerbrach und unterging. Die Strandläufer flogen fort, der Kasuar aber fiel ins Wasser und wäre beinahe ertrunken, da er nicht fliegen konnte. Im letzten Augenblicke rettete ihn aber noch eine Seeschildkröte, der er einen Gong dafür versprochen hatte. Der Kasuar sagte darauf zu der Schildkröte: »Warte, ich hole schnell den Gong.« Er lief in den Wald, und weit von der Schildkröte entfernt, schlug er dröhnend mit dem Bein an einen trockenen Baumstamm. Die Schildkröte glaubte, es sei der Ton von dem versprochenen Gong, lief in den Wald und suchte die Stelle, von wo der Ton kam, da hörte sie, wie der Kasuar in der Ferne wieder an einen Stamm schlug, und lief weiter in den Wald hinein, bis sie sich verlief und den Weg zur Küste nicht wiederfand und elend im Walde verhungern mußte.

(Deutsch von Tauern)

Weka, Die letzte Moa

Es regnete schon seit drei Tagen – regnete, wie es nur in den Bergen Neuseelands regnen kann. Eine Anzahl Prospektoren saß fröstelnd um das Lagerfeuer und rauchte schweigend. Die Unterhaltung war ausgegangen: niemand wußte mehr etwas Neues zu erzählen. Die neblig-nasse Farn- und Felsenlandschaft schien der Phantasie nicht zuträglich zu sein.

Da räusperte sich Dick vielversprechend, und alles blickte ihn fragend und ermunternd an. Es gab kein Ding auf Erden, von dem Dick aus persönlicher Erfahrung nicht etwas wissen wollte. Er war sechzig Jahre alt und alles mögliche in seinem Leben gewesen: Seemann, Miner, Soldat, Buschmann. Und er kannte Neuseeland durch und durch.

»Ich habe neulich in der Zeitung gelesen,« begann er, »daß man da unten im Süden irgendwo ein ganzes Skelett von der ausgestorbenen Moa gefunden haben will. Na – ich könnte was von dem ollen Vogel erzählen. Aber Ihr glaubt es mir ja doch nicht!«

Und er spuckte verächtlich ins Feuer. Wir fielen übereinander in unserem Eifer, ihn zu versichern, daß seine Glaubwürdigkeit so fest begründet stände wie der Pik Ruapehu, dessen von Wolkenschwaden umhülltes Haupt auf uns niederblickte. Dick schaute sich streng im Kreise um, nachdem die Inspektion zu seiner augenscheinlichen Befriedigung ausgefallen war, legte er ohne weitere Förmlichkeit los.

»Als ich in den alten Tagen zum ersten Male hier herauskam, setzte auf der Westküste gerade das Goldfieber ein. Ich und ein Freund von mir desertierten von einer Bark, die im Hafen von Lyttelton lag und marschierten über Land nach dem Golddistrikt. Es ging uns ziemlich schlecht zuerst, und schließlich saßen wir weit hinter den anderen Diggern im Gebirge. Unser Zelt stand auf der Sohle einer großen Schlucht. Hier verdienten wir gutes Geld; aber es war ein ziemlich einsames Leben.

In den ersten Nächten kriegten wir 'nen gehörigen Schrecken. Kurz nach Dunkel kam eine wilde, heulende Art Geräusch aus dem Walde, ähnlich wie 'ne Dampfsirene im Nebel. Doch da nichts weiter geschah, waren wir bald dran gewöhnt; wir brauchten es sogar als Signal zum Abendessen.

Jedoch, eines Tages arbeiteten wir gerade an einer kleinen Terrasse unten in der Schlucht, als ein Stein, so dick wie der Kopf eines Mannes, aus dem Busch über uns geflogen kam, wie von 'ner Kanone gefeuert; dann kamen noch zwei oder drei hinterher, und dann ein Sechsfuß-Baumstamm, und wir beschlossen, daß es nicht gesund wäre, wo kleine Dinger wie die da umhersegelten, und kletterten hinauf, um uns die Sache näher anzusehen. Auf einem Absatz etwa fünfzig Meter über uns war der Attentäter – ein mächtiger Vogel, ungefähr zweimal so groß wie ein Strauß. Er kratzte ums liebe Leben, genau wie ein Hahn, und ab und zu pickte er einen Wurm oder eine Raupe auf. »Armer Kerl!« sagte Jack; »wenn er sich mit solchem Zeug vollzuladen hat, wird's lange dauern, bis er den ganzen Cargo an Bord hat.«

Wir sahen ihn an, und er sah uns an und fuhr fort mit seinem Kratzen; so dachten wir, das beste ist, ihn allein zu lassen.

Nachdem trafen wir häufig den Riesen, wie er im Flußbett oder im Busch spazieren ging. Er fühlte sich wohl 'n bißchen einsam mit keinem von seinesgleichen umher. Wie er aussah? Nun, so etwa wie die Waldtrappen, die Ihr hier herumlaufen habt, nur hundertmal so groß. Er hatte kleine Stückchen Flügel und einen lächerlich kurzen Schwanz, den er in komischer Weise hochtippte bei jedem Schritt den er nahm. Laufen! – beim Himmel, er konnte laufen! Ich sah ihn 'ne Maoriratte jagen eines Tages, und die Ratte hatte nicht 'ne Hoffnung. Er hielt den Kopf nach unten und sauste durch das Gebüsch und die jungen Bäume wie ein geölter Blitz.

Schließlich besuchte uns der Kerl eines Nachts in unserem Lager, gerade als wir uns hinsetzten zum Abendbrot. Wahrscheinlich waren die Raupen und Würmer etwas rar gewesen an dem Tage, denn er schien scharfen Hunger zu haben. Jack warf ihm eine halbe gebratene Taube hin; er schluckte sie 'runter wie 'ne Erbse, und dann fing der Spaß an. Er stolzierte geradewegs auf die Zeltöffnung los und begann seinen Angriff auf das übrige Essen. Jack sprang auf und haute ihn mit 'ner Schnippe; aber der verflixte Vogel pflanzte einfach seinen Fuß auf Jacks Brustkasten, und Jack setzte sich mächtig schnell. Dann beteiligte ich mich mit 'nem Beil; aber er gab mir kurzerhand ein paar, daß ich dachte, ich könnte mich auch etwas ausruhen. Er war ein guter Boxer, und kein Irrtum! fraß unsere Tauben ganz, würgte das Aschbrot 'runter, verschluckte ein Messer, und dann steckte er seinen Schnabel in den heißen Tee. Zieht ihn ziemlich schnell zurück, könnt Ihr glauben! Aber als Jack anfängt zu grinsen und seinen Kopf 'n bißchen hebt, geht das alte Geflügel zu ihm 'ran und tanzt in drei Sekunden alles Lachen aus ihm 'raus. Zurück ging er dann und begann das ganze Zelt durchzukramen. Da es unbequem war für 'nen Vogel von seiner Figur, tritt er's über und fängt an zu scharren wie ein Dampfbagger. Auf mein Wort – das flog nur alles so! Er entdeckte meine Uhr und schluckte sie, und ließ die Kette zum Schnabel raushängen. Darauf machte er sich her über einige Konservenbüchsen, und 'runter gingen die Zweipfunddosen wie Pillen. Aber der Alkohol war sein Ruin – wie bei anderen!

Wir hatten 'nen Tropfen Rum in 'ner langhalsigen Zinnkanne, und als er seinen Kopf darein schob, schmeckte es ihm wohl ganz gut. Jedenfalls beeilte er sich nicht, den Schnabel wieder 'rauszuziehen. Als er's endlich versuchte, klammerte sich der Henkel von der Kanne um seinen Hals, und er war blind. Die Sachen flogen schlimmer als je umher; er tanzte um das Feuer und hinein, und er rannte gegen Bäume, bis er merkte, daß es so nicht abging; da wurde er ruhig, drückte die Kanne auf den Boden und begann sie langsam loszudrehen. Das war unsere Gelegenheit! Ich rannte hinzu mit dem Beil und erlöste ihn schleunigst von der Kanne; natürlich konnte ich nichts dafür, daß der Kopf dabei flöten ging. – Na – wir lebten fast einen Monat von dem Vogel. Schmeckte wie Puter, aber etwas wild. Ja – wir kriegten die Konservenbüchsen und die Uhr wieder 'raus; und noch dazu ungefähr fünfzehn Unzen Goldkörner, die im Magen liegen geblieben waren. – Weshalb wir ihn nicht in die Stadt nahmen und verkauften? Weil wir Neulinge waren damals und keine Ahnung hatten, daß Moas nicht so häufig sind wie Mosquitos!

(Deutsch von Stefan v. Kotze)


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