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Japan

Aus dem Insektenbuch

Yadoya Meshimori

 

Biene

Wie doch so ängstlich
Gehst du heran zum Flugloch
Des Bienennestes
Und glaubst doch an die Reize
Des honigsüßen Mädchens!

 

Raupe

»Ein Raupenhaar
Verwundet trotz des Blasens«
Dräng ich mich an dich,
Trotz deines heftigen Sträubens,
So werd ichs büßen müssen.

 

Schmetterling

Im Reich der Träume
Zum Schmetterling verwandelt,
Wie möcht ich saugen
An eines holden Mädchens
So blumengleichen Lippen!

 

Spinne

Dem Lendenschurz gleich,
Der hinten schleppend nachschleicht,
Wenn du dich einschleichst
Ins Nest des Schlafgemaches:
So ist der Spinne Webwerk.

 

Zirpgrille

Es gleicht dem Weibe,
Das keifend schilt und eifert.
Die Zirpgrille,
Denn immer schrillt sie
Und geifert eifersüchtig.

 

Heuschrecke

Es gleicht der Heuschrecke
Das Herz des liebestrauer-
Bewegten Menschen.
Die Stimme nur vernimmst du.
Unsichtbar ist er selber.

 

Anonym, Der Kuckuck

Der Frühlingskuckuck
Muß wohl die Himmelswolke
Vor allem lieben!
Wie hörten sonst wir rufen
Ihn aus der fernen Wolke?

 

Bokke, Der Tiger

Vom Fleischfraß bis zum Taumel satt
Am Berge schlief die Mordgestalt.
Der Dunst des Blutes lagert sich,
Und färbt den Fuß des Waldgebirgs.

Und sieh! da reckt die Bestie sich
Und steht und leckt den Saft, der kaum
Geronnen seinen Duft bewahrt
Noch einmal von den Tatzen ab.

 

Yehon Momochidori
Die Eule

Weshalb, Geliebter, kommst du nur,
Wenn Nacht betritt die Dämmerspur?
Scheust du des Tages Sonnenglast
Weil du der Eule Augen hast?

 

Der Eisvogel

Wenn wir gestorben sind, Liebste,
Werden wir auf einem Lotusblatt ruhn
Ein Eisvogelpaar,
Die Flügel fest aneinander geschmiegt.

Von den verzauberten Füchsen

Ryan-Hahusai

Der Alte sprach: In Regennächten bleibt man gern zuhause; denn man weiß zuviel Geschichten von den Füchsen, die sich zu solcher Stunde in den Ebenen des Nordens in verzauberter Gestalt versammeln, um die Menschen zu verführen. Sie locken sie zu den Orten des Vergnügens und verwandeln sich in liebliche Geishas oder schöngewandete Tänzerinnen. In dieser Gegend nun gab es mal einen großen Gelehrten, der in solch einer Regennacht mit fünf oder sechs Schülern zusammensaß und ihnen sagte: »Geht doch jetzt hinaus auf die Felder, von denen man jetzt soviel spricht: ihr werdet sicherlich in Tänzerinnen verwandelten Füchsen begegnen!« Die Schüler erschraken und entgegneten: »Hast du nicht immer gesagt, daß der Weise nimmer eine Gefahr vorwitzig aufsucht? Und nun gibst du uns diesen Rat?« »O ihr Toren!« sprach der Meister lachend. »Wenn ihr dorthin geht, wißt Ihr, daß die Füchse Füchse sind, und ihr seid dann nur furchtsam, weil ihr nicht wißt, welche Schlinge euch gelegt ist. Aber die Füchse bleiben doch Tiere, auch wenn sie in Geishas verwandelt sind. Sie kennen der Menschen innerstes Wesen nicht und können ihnen also auch nicht sonderlich gefährlich werden. Weit schlimmer sind die wirklichen Geishas, die euer Herz kennen und tausenderlei verführerische Formen annehmen, um den Mann zu umgarnen. Ist es da nicht ein seltsam Ding, wenn Menschen wie ihr, arglos und lachenden Auges, diesen furchtbaren Zauberern gegenübertreten und – vor den Füchsen erschrecken, deren Zauber doch so harmlos ist?« Da erröteten die Schüler und schworen, von nun an nur noch ihren Studien zu leben.

Ein altes Wort sagt: »Das Übel kommt nicht vom Himmel, sondern vom Weibe!«

(Deutsch von Paul Enderling)

Der Geisha Osen nachgedichtet

Klabund

 

I.

Ihren Atem muß ich hassen
Und ihr Schweiß ist mir zuwider,
Drum will ich die Menschen lassen,
Steige zu den Tieren nieder –

Auf, denn Katzen sind wie Götter,
Wenn sie selbstverständlich schreiten,
Wage niemand sich als Spötter
Ihrer Schlankgelassenheiten.

O zerfleische! O zerrütte,
Tiger Toyohiro's, mich!
Silbergrünes Auge, schütte
Deine Blüten über mich!

siehe Bildunterschrift

Hellenistisch. Die Bergweide.

 

II.

Seligkeit der Welt,
Die er selbst erschaffen,
Wollte Gott erhellt
Sehnend sich erraffen.

Und in fleischlicher Gestalt,
Die ihn dunkel drückte,
Ging er in den Wald,
Wo die Geisha Beeren pflückte.

Und er sah, wie zahm zu Füßen
Ihr Lazerten schlängelten.
Froh verhielt er vor der süßen
Jungfrau seine Schritte. Denn

Wem die Tiere sich vertrauen,
Trägt den Heiligenschein,
Und er braucht nicht hoch im Blauen
Engel sein.

Aber sie stand wie erstarrt,
Glaubte sich erfüllt.
Ihre Anmut wurde hart,
Ihre Härte mild.

Und sie sank ins Moos,
Sich vor ihm zu bücken.
Wie ein Adler groß
Tanzte er auf ihrem Rücken.


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