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Rom

Das Reh

Horaz

Mir weichst, Chloë, du aus, fliehst, wie zum Muttertier,
schreckhaft selber, auf Höhn, pfadlos, ein Rehlein flieht,
        stets voll nichtiger Unruh,
        wenn ein Lüftchen im Wald sich regt.

Denn wenn irgend ein Hauch, kündend den nahen Lenz,
säuselnd Blätter bewegt, grüne Lacerten nur
        Brombeerbüsche durchhuschen,
        gleich fliegt bebend ihm Herz und Knie.

Doch nicht folge ich dir, grimmig auf Mord bedacht,
        Laß drum, laß von der Mutter,
        Du, zur Liebe schon voll erblüht!

(Deutsch von Lewinsohn)

An den Sperling der Lesbia

Catullus

Sperling! süßes Vergnügen meines Mädchens,
Du, mit dem sie zu spielen pflegt, und den sie
An den Busen zu legen pflegt, und den sie
Mit dem Finger zu scharfen Bissen anreizt,
Wenn mein reizendes Liebchen, sich die Schmerzen
Zu vertändeln, ein Zeitvertreibchen suchet,
Bis der Brand in den Adern sich gelegt hat, –
Könnt' auch ich, so wie sie jetzt, mit dir spielen,
Und die Zuckungen meines Herzens lindern.

 

Nänie auf den Tod des Sperlings

Weint, ihr Grazien und Amoretten,
Und ihr artigen Menschen alle, weinet!
Der Sperling meines Mädchens ist gestorben,
Sperling, süßes Vergnügen meines Mädchens,
Den sie mehr als ihre Augen liebte:
Denn aus Honig war er, und er kannte
Seine Herrin wie ein Mädchen die Mutter;
Niemals rührte er sich von ihrem Schoße,
Sondern hierher springend, hierhin, dorthin,
Piepste er doch nur immer für die Herrin.
Ach! nun wandert er jene finstre Straße,
Die man, wie es heißt, nie mehr zurückkehrt.
Aber dir soll es schlecht gehn, böser Orkus,
Finstrer, der alles Schöne jäh hinabschluckt:
Einen so schönen Sperling mir zu nehmen,
Mir so lieb wie einst der Atalante
Das Goldäpfelchen war, das ihren Gürtel
Nach so langem Sträuben endlich löste.
O das Unglück! Armer kleiner Sperling!
Deinetwegen röten sich in Tränen
Nun die reizenden Augen meines Mädchens.

Romulus, Der Löwe und das Pferd

Ein Löwe sah ein Pferd auf einer Wiese weiden. Um es zu überwältigen, näherte er sich sanft wie ein Freund und gab sich für einen Arzt aus. Das Pferd merkte den Trug, doch verweigerte es den Gegengruß nicht. Es hob den Fuß auf und gab vor, in einen Dorn getreten zu haben. Bruder, sprach es, sei mir zur Hilfe; ich wünsche mir Glück, daß du gekommen bist, mich zu befreien, denn ich habe in einen Dorn getreten. Der Löwe trat hinzu, seine böse Absicht verleugnend, um den Dorn auszuziehen. Aber das Pferd traf ihn geschwind, mit den Hufen ausschlagend. Da fiel der Feind und lag längere Zeit auf der Erde. Aber wie er wieder zur Besinnung kam, sah er das Pferd nirgends; und als er bemerkte, daß sein Kopf, sein Angesicht und daß er am ganzen Körper verletzt sei, sprach er: Mit Recht habe ich dieses erduldet, da ich immer so sanft daherkam. Und jetzt näherte ich mich, gleich wie ein trügerischer Freund und Arzt, da ich als Feind hätte anrücken sollen.

Daher, magst du sein, wer du willst, der du dieses hörest: sei offen, was du bist.

Der alte und der junge Krebs

Flavius Avianus

Als rückschreitend ein Krebs bald rechts, bald links sich bewegte,
Stieß er des Rückens Schild wund an des Wassers Gestein.
Aber es wünschte die Mutter, daß nicht so tölpisch das Söhnlein
Wandelt, und hat ihn so, wie man erzählet, vermahnt:
Gehe doch nicht abschweifend, mein Sohn, unwegsame Pfade.
Wende nicht rechts, nicht links ferner die Füße beim Gehn.
Sondern des Wegs gradaus von nun an richte die Tritte,
Und nach vorwärts du halte den sicheren Schritt!
Drauf entgegnet der Sohn: Voran nur, Mutter! Ich folge.
Zeigst du den richtigen Weg, geh ich dann sicherer nach ...

 

Der Kranich und der Pfau

Mit hochmütigen Reden beleidigt den Thrazischen Kranich
Jener Vogel, der Pfau, bei dem gemeinsamen Mahl.
Als auf allerlei Art Zwietracht bei ihnen entstanden,
Und aus kleinem Gezanke mächtiger Hader entbrannt,
Sagte der Pfau: was? Glänzen mir nicht vielfarbig die Glieder,
Da dir ein graulicher Streif über den Rücken sich zieht?
Und gleich breitet er aus den Fächer des ragenden Schweifes,
Und zu den Sternen empor schlägt er das heilige Rad.
Jener, wenn auch nachstehend an Pracht und am Glänze der Federn,
Sagte, sich brüstend, jedoch folgende Worte darauf:
Glänzt dir auch Federschmuck in dem Kranz unendlicher Farben,
Trägst du den blühenden Leib stets doch zur Erde gebannt.
Aber ich schwing in die Lüfte mich auf mit häßlichem Fittich
Nah zu den Sternen und nah zu Unsterblichen selbst ...

An den Salm

Ausonius

Auch dich, o Salm, mit dem rötlich schimmernden Fleische
Darf ich nicht übergehen, der sich mit kräftigem Schwanzschlag
Aus der Mitte des Stroms zu höheren Fluten hinaufschnellt,
Wenn der verborgene Schwung sich verrät auf der friedlichen Fläche.
An umpanzerter Brust mit Schuppen versehen, an der Stirn
Schlüpfrig, wie leckres Gericht im verwirrenden Speisengewühl du;
Langer Verwahrung Zeiten durchdauerst du; immer genießbar.
Ausgezeichnet durch Flecken des Kopfes, der stattliche Bauch wogt
Hin und her und der Leib schwillt auf vom gefeisteten Wanste. –


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