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Des Menschen Sein und Werden

Unter Mitwirkung von P. Brandt – J. Cohn – R. Eucken – E. Fuchs – A. Heuß – H. Röhl – F. A. Schmidt – E. Teichmann – E. Wentscher – A. Witting – Th. Zielinski

Mit 4 Zeichnungen von A. Kolb

Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Wie edel durch Vernunft, wie unbegrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig, im Handeln wie ähnlich einem Engel, im Begreifen wie ähnlich einem Gott! Die Zierde der Welt, das Vorbild der Lebendigen.

Shakespeare

 

Vor jedem steht ein Bild, dess' das er werden soll,
Solang er das nicht ist, ist nicht sein Friede voll.

Angelus Silesius

 

Jeder individuelle Mensch trägt der Anlage und Bestimmung nach einen reinen idealischen Menschen in sich, mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen Abwechselungen übereinzustimmen die große Aufgabe seines Daseins ist.

Schiller

 

Mit der Veredelung der Seele muß der Mensch denselben Prozeß vornehmen, dem der Maler bei den Mosaikgemälden folgt, der Geist muß erst in schönem Umriß das Ganze vor sich haben, was er darstellen will: sein eigenes Ich in höchster Vollkommenheit. Dann müssen alle Fähigkeiten, alle Kräfte, alle Talente die bunten Steinchen zutragen, die das Gemälde bilden sollen. Es gehört die Geduld eines ganzen Lebens, die redliche Arbeit jeden Tages dazu, um das Werk zu fördern; jeder Gedanke, jede Kenntnis, jede Handlung mag ein Steinchen sein – glücklich, wer sich am Ende seiner Tage vor das vollendete Bild stellen und in Wahrheit sagen darf: es ist vollbracht.

Jenny von Pappenheim

 

Wenn es irgendeine Wissenschaft gibt, die der Mensch wirklich bedarf, so ist es die, welche ich lehre, die Stelle geziemend zu erfüllen, welche dem Menschen in der Schöpfung angewiesen ist, und aus der er lernen kann, was man sein muß, um ein Mensch zu sein.

Kant

 

Nur wer Schlechtes und Gemeines sucht, dem sei es ein Ruhm, alles gefunden zu haben! Von mir soll nie weichen der Geist, der den Menschen vorwärts treibt, und das Verlangen, das nie gesättigt von dem, was gewesen ist, immer neuem entgegengeht. Das ist des Menschen Ruhm, zu wissen, daß unendlich sein Ziel ist, und doch nie still zu stehn im Lauf; zu wissen, daß eine Stelle kommt auf seinem Wege, die ihn verschlingt, und doch an sich und um sich nichts zu ändern, wenn er sie sieht, und doch nicht zu verzögern den Schritt. Darum ziemt es dem Menschen, immer in der sorglosen Heiterkeit der Jugend zu wandeln. Nie werd' ich mich alt dünken, bis ich fertig bin; und nie werd' ich fertig sein, weil ich weiß und will, was ich soll.

Schleiermacher

 

Dem Manne ist die ganze Welt offen, und auf einmal tritt sie ihm entgegen, da beschaue er sie vom engsten Kreis aus in immer sich ausdehnendem Bogen, bis daß er an die fernsten Ufer mit seinen Gedanken reiche; er möge denselben Prozeß ausführen wie der Stein, den man ins Wasser wirft: von seinem Zentrum aus bilden sich Kreise, die vom engsten zum weitesten nach und nach das entgegengesetzte Ufer berühren. Er betrachte mithin zuerst seine nächste Umgebung, prüfe ihr Tun und Treiben, den Grund, den Erfolg desselben, den Geist, der sie beseelt, frage sich, was sie leisten und ausführen, was sie sind und werden, was sie sein sollten und könnten – und diesem Gedanken schließt sich unmittelbar der an: was kannst du zu ihrer Förderung tun? Und so ist das erste Glied geschmiedet, das unsere Veredelung mit der Veredelung des Nebenmenschen verkettet. Hier fängt schon der Einfluß eines stillen Beispiels an. Nun blicken wir weiter um uns und machen uns bekannt mit dem Staat, in dem wir leben, überlegen uns seine Tätigkeit und seine Mängel, ob und was wir dabei zu wirken fähig sind oder werden können; jetzt schon erklären wir innerlich den Krieg allem unredlichen Treiben, allen Irrungen, allen Übelständen – der Kreis dehnt sich aus. Sind wir Deutsche, so liegt uns nun Deutschland als Ganzes am nächsten, das Verhältnis unseres Staates zu den vaterländischen Nachbarstaaten, ihr Einfluß, ihr Zustand, ihr Fortschritt – nun muß notwendig die Geschichte uns zur Seite stehen, damit wir die jetzigen Zustände aus den früheren entwickeln und beurteilen und die Wurzel der Übelstände kennen lernen, um sie womöglich ausrotten zu helfen, und die Wurzel des Guten, um sie zu schonen. Von Interesse zu Interesse steigert sich schon in uns die Wißbegierde aufs Höchste, unsere Kreise erweitern sich, unsere Ansichten gewinnen neue Formen, unsere Erkenntnis bildet neue Regionen, und schon ist ein tieferes, gehaltvolleres Leben in uns eingegangen, ohne daß wir noch die philosophischen und politischen Höhen erstiegen haben.

Jenny von Pappenheim

 

Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.

Kant

 

Und am Ende sind wir doch beide Idealisten und würden uns schämen, uns nachsagen zu lassen, daß die Dinge uns formen und nicht wir die Dinge.

Schiller

 

Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt' gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.

Schiller

 

Der Wille ist der Geschlechtscharakter des Menschen.

Schiller

 

Es ist eine Sprache, die alle Menschen verstehen. Diese ist: gebrauche deine Kräfte. Wenn jeder mit seiner ganzen Kraft wirkt, so kann er dem andern nicht verborgen bleiben. Dies ist mein Plan.

Schiller

 

Weite Welt und breites Leben,
Langer Jahre redlich Streben,
Stets geforscht und stets gegründet,
Nie geschlossen, oft geründet,
Ältestes bewahrt mit Treue,
Freundlich aufgefaßt das Neue,
Heitren Sinn und reine Zwecke –
Nun, man kommt wohl eine Strecke!

Goethe

 

Bestimmt und klar seh' ich den Inhalt meines Lebens vor mir. Ich weiß, worin mein Wesen schon fest in seiner Eigentümlichkeit gebildet und abgeschlossen ist; durch gleichförmiges Handeln nach allen Seiten mit der ganzen Einheit und Fülle meiner Kraft werd' ich mir dies erhalten. Wie sollt' ich nicht des Neuen und Mannigfachen mich erfreuen, wodurch sich neu und immer anders die Wahrheit meines Bewußtseins mir bestätigt? Bin ich meiner selbst so sicher, daß ich dessen nicht bedürfte? daß nicht Leid und Freude und was sonst die Welt als Wohl und Wehe bezeichnet, mir gleich willkommen müßten sein, weil jedes auf eigene Weise diesen Zweck erfüllt und meines Wesens Verhältnisse mir offenbart? Wenn ich nur dies erreiche, was kümmert mich glücklich sein! Kann mich das Schicksal fesseln, daß ich mich diesem Ziele nicht nähern darf? Kann's mir die Mittel der Bildung weigern, mich entfernen aus der leichten Gemeinschaft mit dem Tun des jetzigen Geschlechtes und mit der Vorwelt Monumenten? mich weit von der schönen Welt, in der ich lebe, hinaus in öde Wüsteneien schleudern, wo Kunde von der anderen Menschheit zu erlangen vergeblich ist, wo in ewigem Einerlei mich die gemeine Natur von allen Seiten eng umschließt, und in der dicken verdorbenen Luft, die sie bereitet, nichts Schönes, nichts Bestimmtes das Auge trifft? Wohl ist es vielen so geschehen; doch mir kann's nicht begegnen: ich trotze dem, was Tausende gebeugt. Nur durch Selbstverkauf gerät der Mensch in Knechtschaft, und nur den, der sich selbst den Preis setzt und sich ausbietet, wagt das Schicksal anzufeilschen. Was lockt den Menschen unstet von dem Orte weg, wo seinem Geiste wohl ist? Was treibt ihn wohl, mit feiger Torheit die schönsten Güter von sich zu werfen wie die Waffen der Krieger auf der Flucht? Es ist der schnöde äußere Gewinn, es ist der Reiz der sinnlichen Begierde, den schon verdampft das alte Getränk nicht mehr befriedigt. Wie könnte meiner Verachtung solcher Schatten dies geschehen!

Schleiermacher

 

Dasjenige zu leisten und zu sein, was ich nach dem mir gefallenen Maß von Kräften leisten und sein kann, ist mir die höchste und unerläßlichste aller Pflichten.

Schiller

 

Aber nun gibt's außer dem »Fastnachts«-Goethe [als den er sich vorher charakterisiert] noch einen, der in der streichenden Februarluft schon den Frühling ahndet, dem nun bald seine liebe weite Welt wieder geöffnet wird, der immer in sich lebend, strebend und arbeitend, bald die unschuldigen Gefühle der Jugend in kleinen Gedichten, das kräftige Gewürz des Lebens in mancherlei Dramas, die Gestalten seiner Freunde und seiner Gegenden und seines geliebten Hausrates mit Kreide auf grauem Papier nach seinem Maße auszudrücken sucht, weder rechts noch links fragt: was vom dem gehalten werde, was er machte? weil er arbeitend gleich immer eine Stufe höher steigt, weil er nach keinem Ideale springen, sondern seine Gefühle sich zu Fähigkeiten, kämpfend und spielend, entwickeln lassen will ... dessen größte Glückseligkeit ist, mit den besten Menschen seiner Zeit zu leben.

Goethe

 

Stiller Rückblick aufs Leben, auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit, Wißbegierde der Jugend, wie sie überall herumschweift, um etwas Befriedigendes zu finden. Wie ich besonders in Geheimnissen und dunklen imaginativen Verhältnissen eine Wollust gefunden habe. Wie ich alles Wissenschaftliche nur halb angegriffen und bald wieder habe fallen lassen. Wie eine Art von demütiger Selbstgefälligkeit durch alles geht, was ich damals schrieb. Wie kurzsichtig in menschlichen und göttlichen Dingen ich mich umgedreht habe. Wie des Tuns, auch des zweckmäßigen Denkens und Dichtens so wenig, wie in zeitverderbender Empfindung und Schattenleidenschaft gar viele Tage vertan. Wie wenig mir davon zu Nutzen kommen und, da die Hälfte des Lebens vorüber, nun kein Weg zurückgelegt ist, ich vielmehr nun dastehe wie einer, der sich aus dem Wasser rettet, und den die Sonne anfängt, wohltätig abzutrocknen.

Goethe

 

Wir können keinen der beiden Meister [Goethe und Bismarck] und Führer entbehren. Sie sind beide unser und beide deutsch; weder im Einen noch im Andern allein und ihren Epochen erschöpft sich, was wir als deutsch verkünden möchten ... Das Menschlich-Große, das sie, in Abweichung und Verwandtschaft, in sich tragen, spricht körperhaft zu uns und flutet zuletzt in eins: ein ewiges Ringen und Werden und Wachsen, unerschöpflich an Kräften, unerschöpflich in Selbstbehauptung und Selbstbetätigung der Persönlichkeit, die jeden ihrer Kreise ausfüllt und über jedem doch sich selber bewahrt; das Weiterschreiten lebenslang ihnen Qual und Glück, ein Drängen, das nie zur Ruhe kommt, schaffend und im Schaffen jeden Augenblick unbefriedigt, verschieden die Formen, die Schranken, die Tragödie, die Frucht, gleich diese Größe des Lebendigen, das uns unsterblich bleibt. Wirklichkeit, die sie waren, Unvergänglichkeit, die sie uns geworden sind: möchten sie es unserem Volke wahrhaft werden; ein jeder für sich und beide in höherer Einheit ein Born, der quillt und tränkt, ein Gebirge zugleich, das den Born zu Tale schickt und selber über unserem Tale aufragt, als ein Stolz und eine Schönheit, in den ewigen Himmel unserer Welt. Das darf der höchste Sinn sein, den der Doppelname unserer beiden Größten einem Deutschen unserer Tage bedeutet; setze der alte Zauberer von Weimar das Schlußwort seiner Briefe als ein Siegel darunter: »und so Fortan«!

E. Marcks

 

Der Franzose wird, wenn man ihn für solche Zwecke in Bewegung setzt, durch keine tiefere Zweifel gestört. Er vergißt Vergangenes und Zukünftiges; das Ziel, was ihm eben vorschwebt, ist ihm alles, und jedes Mittel, es zu erreichen, steht ihm zu Gebote. Der Deutsche kann die Lebensmomente so isoliert nicht ergreifen; mannigfaltige Zweifel quälen ihn, und der günstige Augenblick ist verschwunden, bevor er zu irgendeinem Entschluß gekommen ist. Nur eine tiefere Gesinnung, die das ganze Leben in seinem Innersten bewegt, bildet den scheinbar verhüllten Mittelpunkt der innigsten Vereinigung. Daher glänzt Deutschland selten durch prunkende Erfolge, deren Bedeutungen verfliegen, wie sie entstanden sind. Langsam, scheinbar schlummernd regt sich der innere Geist: aber der Augenblick seiner Tätigkeit ruft Ereignisse hervor, die für Jahrhunderte ihre Bedeutung erhalten.

H. Steffens

 

Nur die Griechen und Deutschen sind »metaphysische« Völker gewesen, und sie haben alle die Wonne und all das Leid reichlich auszukosten gehabt, das in dieser Sonderstellung unter den anderen Evassöhnen liegt. Daher auch die tiefe Geistesverwandtschaft, welche diese beiden Völker miteinander bindet. Alle übrigen Nationen haben sich im wesentlichen in der Renaissance mit der Aneignung der Geistesschätze des härtesten Wirklichkeitsvolkes, der Römer begnügt. Wir allein haben eine zweite Renaissance gehabt, die uns zu geistigen Erben der Griechen machte, und die an die erlauchten Namen: Lessings, Winckelmanns, Herders, Schillers, Goethes und Hegels anknüpft. Damit erst wurde die große Sehnsucht, die von Anfang an den besten Teil der deutschen Seele bildete, und die in der deutschen Mystik einen so wunderbar ergreifenden Ausdruck fand, über sich selber klar.

Nur bei den Griechen und den Deutschen finden wir den Typus des »Fremdlings auf Erden«. Während die anderen als Weltbürger in dieser Wirklichkeit behaglich genug herumplätschern, wird ein solcher Mensch in der Stimmung sein, daß er das Leben für eine »mißliche Sache« hält, und er wird beschließen, es damit hinzubringen, »darüber nachzudenken«. Er wird fühlen, daß seine Heimat eigentlich ganz wo anders liegt, daß er ein Fremdling in dieser Wirklichkeit ist, und alles, was ihm in dieser Wirklichkeit als schön, glänzend und begehrenswert entgegentritt, das wird ihm doch nur erscheinen, wie der Abglanz eines unendlich Schöneren, das in seiner Seele lebt, und dieser Abstand wird ihn mit tiefer Wehmut erfüllen.

P. Hensel

 

(»Deutsche Größe.« Ein Fragment.) Dem, der den Geist bildet, beherrscht, muß zuletzt die Herrschaft werden, denn endlich an dem Ziel der Zeit, wenn anders die Welt einen Plan, wenn des Menschen Leben irgend nur Bedeutung hat, endlich muß die Sitte und die Vernunft siegen, die rohe Gewalt der Form erliegen – und das langsamste Volk wird alle die schnellen, flüchtigen einholen. Die andern Völker waren dann die Blume, die abfällt. Wenn die Blume abgefallen, ... schwillt die Frucht der Ernte zu. – – Das ist (nicht) des Deutschen Größe, / Obzusiegen mit dem Schwert; / In das Geisterreich zu dringen, / Vorurteile zu besiegen ... Männlich mit dem Wahn zu kriegen, / Das ist seines Eifers wert. / Höhern Sieg hat der errungen, / Der der Wahrheit Blitz geschwungen, / Der die Geister selbst befreit, / Freiheit der Vernunft erfechten, / Heißt für alle Völker rechten, / Gilt für alle ew'ge Zeit.

Nicht aus dem Schoß der Verderbnis, nicht am feilen Hof der Könige schöpfte sich der Deutsche eine trostlose Philosophie des Eigennutzes, einen traurigen Materialismus, nicht da, / Wo die Meinung Tugend präget, / Wo der Witz die Wahrheit wäget. / Nicht Redner sind seine Weisen. – Darum blieb ihm das Heilige heilig.

Ihm ist das Höchste bestimmt, die Menschheit, die allgemeine, in sich zu vollenden und das Schönste, was bei allen Völkern blüht, in einem Kranze zu vereinen. Und so, wie er in der Mitte von Europens Völkern sich befindet, so ist er der Kern der Menschheit – jene sind die Blüte und das Blatt.

Er ist erwählt von dem Weltgeist, während des Zeitkampfes an dem ew'gen Bau der Menschenbildung zu arbeiten, zu bewahren, was die Zeit bringt. Daher hat er bisher Fremdes sich angeeignet und es in sich bewahrt. Alles, was Schätzbares bei anderen Zeiten und Völkern aufkam, mit der Zeit entstand und schwand, hat er aufbewahrt, es ist ihm unverloren, die Schätze von Jahrhunderten. Nicht im Augenblick zu glänzen und seine Rolle zu spielen, sondern den großen Prozeß der Zeit zu gewinnen. Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.

Schiller

 

Es ist nicht zu berechnen, welchen Vorteil wir hätten, gewöhnten wir uns bestimmt, eine Stunde des Tages mit inniger Aufmerksamkeit auf unser Herz, unsere Kräfte, Schwächen und Neigungen zu richten. Haben wir nur erst die Kenntnis von unserem Innern, dann ist ein ernster, ja beinahe der schwerste Schritt zur Vollkommenheit geschehen.

Schiller

 

Sie wissen, wie sehr ich mich über jede Verbesserung freue, welche die Zukunft uns etwa in Aussicht stellt. Aber, wie gesagt, jedes Gewaltsame, Sprunghafte ist mir in der Seele zuwider, denn es ist nicht naturgemäß. Ich bin ein Freund der Pflanze, ich liebe die Rose als das Vollkommenste, was unsere deutsche Natur als Blume gewähren kann; aber ich bin nicht Tor genug, um zu verlangen, daß mein Garten sie mir schon jetzt Ende April, gewähren soll. Ich bin zufrieden, wenn ich jetzt die ersten grünen Blätter finde, zufrieden, wenn ich sehe, wie ein Blatt nach dem anderen den Stengel von Woche zu Woche weiter bildet; ich freue mich, wenn ich im Mai die Knospe sehe, und bin glücklich, wenn endlich der Juni mir die Rose selbst in aller Pracht und in allem Duft entgegenreicht. Kann aber jemand die Zeit nicht erwarten, der wende sich an die Treibhäuser.

Goethe

 

Umschaun nach allen Seiten, aufnehmen alles in den innersten Sinn, besiegen einzelner Gefühle Gewalt, daß nicht die Träne, sei's der Freude oder des Kummers, trübe das Auge des Geistes und verdunkle seine Bilder, rasch sich von einem zum andern bewegen und unersättlich im Handeln auch fremdes Tun noch innerlich nachahmend abbilden: das ist das muntere Leben der Jugend, und das ist das Werden der Weisheit und der Erfahrung.

Alles Handeln in mir und auf mich, das der Welt nicht gehört und nur mein eigenes Werden ist, trage ewig der Jugend Farbe und gehe fort, nur dem inneren Triebe folgend, in schöner, sorgloser Freude. Laß dir keine Ordnung gebieten, wenn du anschaun sollst oder begreifen, wenn in dich hineingehen oder aus dir heraus! lustig das fremde Gesetz verschmäht und den Gedanken verscheucht, der in toten Buchstaben verzeichnen will des Lebens freien Wechsel. Laß dir nicht sagen, dies müsse erst vollendet sein, dann jenes! Gehe weiter, wenn's dir gefällt, mit leichtem Schritt: lebt doch alles in dir, und bleibt, was du gehandelt hast, und findest es wieder, wenn du zurückkommst. Laß dich nicht stören, was auch äußerlich geschehe, in des inneren Lebens Fülle und Freude! Wer wollte vermischen, was nicht zusammengehört, und grämlich sein in sich selbst? Härme dich nicht, wenn du dies nicht sein kannst, und jenes nicht tun! Wer wollte mit leerem Verlangen nach der Unmöglichkeit hinsehen und mit habsüchtigem Auge nach fremdem Gut?

Schleiermacher

 

Danken Sie dem Himmel für das beste Geschenk, das er Ihnen verleihen konnte, für dies glückliche Talent zur Begeisterung. Das Leben von tausend Menschen ist meistens nur Zirkulation der Säfte, Einsaugung durch die Wurzel, Destillation durch die Röhren und Ausdünstung durch die Blätter; das ist heute wie gestern, beginnt in einem wärmeren Apriltage und ist mit dem nämlichen Oktober zu Ende. Ich weine über diese organische Regelmäßigkeit des größesten Teils in der denkenden Schöpfung, und den preise ich selig, dem es gegeben ward, der Mechanik seiner Natur nach Gefallen mitzuspielen, und das Uhrwerk empfinden zu lassen, daß ein freier Geist seine Räder treibt ... Unsre Seele ist für etwas Höheres da als bloß den uniformen Takt der Maschine zu halten. Tausend Menschen gehen wie Taschenuhren, die die Materie aufzieht, oder, wenn Sie wollen, ihre Empfindungen und Ideen tröpfeln hydrostatisch wie das Blut durch seine Venen und Arterien, der Körper usurpiert sich eine traurige Diktatur über die Seele, aber sie kann ihre Rechte reklamieren, und das sind dann die Momente des Genius und der Begeisterung. Nemo unquam vir magnus fuit sine aliquo afflatu divino.

Schiller

 

Enthusiasmus und Ideale, mein Teuerster, sind unglaublich tief in meinen Augen gesunken. Gewöhnlich machen wir den Fehler, die Zukunft nach einem augenblicklichen höheren Kraftgefühl zu berechnen und den Dingen um uns her die Farbe unsrer Schäferstunde zu geben. Ich lobe die Begeisterung und liebe die schöne ätherische Kraft, sich in eine große Entschließung entzünden zu können. Sie gehört zu dem bessern Mann, aber sie vollendet ihn nicht. Enthusiasmus ist der kühne, kräftige Stoß, der die Kugel in die Luft wirft, aber derjenige hieße ja ein Tor, der von dieser Kugel erwarten wollte, daß sie ewig in dieser Richtung und ewig mit dieser Geschwindigkeit auslaufen sollte. Die Kugel macht einen Bogen, denn ihre Gewalt bricht sich in der Luft. Aber im süßen Moment der idealistischen Entbindung pflegen wir nur die treibende Macht, nicht die Fallkraft und nicht die widerstehende Materie in Rechnung zu bringen.

Schiller

 

Willst du dir ein gut Leben zimmern,
Mußt ums Vergangne dich nicht bekümmern,
Und wäre dir auch was verloren,
Erweise dich wie neugeboren!
Was jeder Tag will, sollst du fragen,
Was jeder Tag soll, wird er sagen.

Goethe

 

Nur kleine Seelen beklagen und schelten
Das Schicksal als schal, ihr Leben als zwecklos,
Weil ein Lieblingswunsch ihnen ungewährt blieb.
Wo die großen Herzen den Gram begraben?
In der untersten Tiefe. Denn erneuerte Tatkraft
Statt erbittertem Gram gebiert ihr Verzichten.

Jordan

 

Dieses ist das einzig mögliche Glaubensbekenntnis: fröhlich und unbefangen vollbringen, was jedesmal die Pflicht gebeut, ohne Zweifeln und Klügeln über die Folgen.

Fichte

 

Der wahre Atheismus, der eigentliche Unglaube und Gottlosigkeit besteht darin, daß man über die Folgen seiner Handlungen klügelt, der Stimme seines Gewissens nicht eher gehorchen will, bis man den guten Erfolg vorherzusehen glaubt, so seinen eigenen Rat über den Rat Gottes erhebt und sich selbst zum Gotte macht.

Fichte

 

Was das Leben uns versprochen – das wollen wir dem Leben halten.

Nietzsche

 

Hier allein kann der große Begriff der Pflicht uns aufrecht erhalten. Ich habe keine Sorge, als mich physisch im Gleichgewicht zu bewegen. Alles andere gibt sich von selbst. Der Körper muß, der Geist will, und wer seinem Willen die notwendigste Bahn vorgeschrieben sieht, der braucht sich nicht viel zu besinnen.

Goethe

 

Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.

Goethe

 

Wie kann man sich selber kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche, deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist. – Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.

Goethe

 

Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.

Goethe

 

Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht;
Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt immer Knecht.

Goethe

 

Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab,
Und er scheint sich ihnen hinzugeben –
Strebet leise sie zu überlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.

Aber aus der dumpfen grauen Ferne
Kündet leise wandelnd sich der Sturm an,
Drückt die Vögel nieder aufs Gewässer,
Drückt der Menschen schwellend Herz darnieder –
Und er kommt, vor seinem starren Wüten
Streckt der Schiffer klug die Segel nieder;
Mit dem angsterfüllten Balle spielen
Wind und Wellen.

Doch er steht männlich an dem Steuer.
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend,
Seinen Göttern.

Goethe

 

Alle Kraft des Menschen wird erworben durch Kampf mit sich selbst und Überwindung seiner selbst.

Fichte

 

Hier schon, auf dem gleichgültigen Felde des physischen Lebens, muß der Mensch sein moralisches anfangen; noch in seinem Leiden muß er seine Selbsttätigkeit, noch innerhalb seiner sinnlichen Schranken seine Vernunftfreiheit beginnen. Schon seinen Neigungen muß er das Gesetz seines Willens auflegen; er muß den Krieg gegen die Materie in ihre eigene Grenze spielen, damit er es überhoben sei, auf dem heiligen Boden der Freiheit gegen diesen furchtbaren Feind zu fechten; er muß lernen, edler begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen.

Schiller

 

Groß ist, wer das Furchtbare überwindet, erhaben ist, wer es, auch selbst unterliegend, nicht fürchtet.

Schiller

 

Alle anderen Dinge müssen; der Mensch ist das Wesen, welches will.

Schiller

 

Durch Krieg und Kampf besteht diese Welt; es stirbt sogleich, was hier nur ruhen will. Gerüstet und gewaffnet sollen wir immer sein? immer schlagfertig, immer als die, die dem Feinde begegnen sollen: wir sollen Krieger sein.

Arndt

 

Ich gehe an die Darstellung meiner Grundsätze, inwiefern sie mir in dieser Angelegenheit Einfluß gehabt zu haben scheinen:

1) Es gibt etwas, das mir über alles gilt, und dem ich alles andere nachsetze, von dessen Behauptung ich mich durch keine mögliche Folge abhalten lasse, für das ich mein ganzes irdisches Wohl, meinen guten Ruf, mein Leben, das ganze Wohl des Weltalls, wenn es damit in Streit kommen könnte, ohne Bedenken aufopfern würde. Ich will es Ehre nennen.

2) Diese Ehre setze ich keineswegs in das Urteil anderer über meine Handlungen, und wenn es das einstimmige Urteil meines Zeitalters und der Nachwelt sein könnte, sondern in dasjenige, das ich selbst über sie fällen kann.

3) Das Urteil, welches ich selbst über meine Handlungen fälle, hängt davon ab, ob ich bei ihnen in Übereinstimmung mit mir selbst bleibe oder durch sie mich mit mir selbst in Widerspruch versetze. Im ersten Falle kann ich sie billigen; im zweiten Falle würde ich durch sie vor mir selbst entehrt, und es bliebe mir nichts übrig, um meine Ehre vor mir selbst wiederherzustellen, als freimütiger Widerruf und Gutmachen aus allen meinen Kräften.

Fichte

 

Wer gegen sich selbst und andere wahr ist und bleibt, besitzt die schönste Eigenschaft der größten Talente.

Goethe

 

Einer mag diese, der andere eine andere Probe haben, um die Redlichkeit seiner Gesinnungen vor sich selbst zu prüfen und in die geheimsten Falten des eigenen Herzens, das uns nur zu leicht täuscht, einzudringen. Die meinige ist folgende: Ich frage mich, ob ich wohl erbötig sei, öffentlich vor aller Welt anzuerkennen, was ich sage und tue, und alle Beweggründe meiner Handlungen so offen vor jedermanns Augen darzulegen, als ich sie selbst meinem besten Wissen nach in mir erblicke.

Fichte

 

Übers Niederträchtige
Niemand sich beklage,
Denn es ist das Mächtige,
Was man dir auch sage.

In dem Schlechten waltet es
Sich zu Hochgewinne,
Und mit Rechtem schaltet es
Ganz nach seinem Sinne.

Wandrer! – Gegen solche Not
Wolltest du dich sträuben?
Wirbelwind und trocknen Kot
Laß sie drehn und stäuben.

Goethe

 

Also hinweg mit der falsch verstandenen Schonung und dem schlaffen verzärtelten Geschmack, der über das ernste Angesicht der Notwendigkeit einen Schleier wirft und, um sich bei den Sinnen in Gunst zu setzen, eine Harmonie zwischen Wohlsein und Wohlverhalten lügt, wovon sich in der wirklichen Welt keine Spuren zeigen. Stirne gegen Stirne zeige sich uns das böse Verhängnis. Nicht in der Unwissenheit der uns umlagernden Gefahren, – denn diese muß doch endlich aufhören, – nur in der Bekanntschaft mit denselben ist Heil für uns. Zu dieser Bekanntschaft nun verhilft uns das furchtbar herrliche Schauspiel der alles zerstörenden und wieder erschaffenden und wieder zerstörenden Veränderung, des bald langsam untergrabenden, bald schnell überfallenden Verderbens, verhelfen uns die pathetischen Gemälde der mit dem Schicksal ringenden Menschheit, der unaufhaltsamen Flucht des Glücks, der betrogenen Sicherheit, der triumphierenden Ungerechtigkeit und der unterliegenden Unschuld, welche die Geschichte in reichem Maße aufgestellt und die tragische Kunst nachahmend vor unsere Augen bringt.

Schiller

 

Das ist überhaupt eine merkwürdige Erfahrung: nur bedeutende Männer haben den Mut der Inkonsequenz. Jeder, der innerlich an sich weiter arbeitet, wird in die Lage kommen, sich selbst zu widersprechen, etwas zurückzunehmen, was er früher geglaubt und behauptet hat. Bedeutende Naturen tun das ganz unbefangen, mittelmäßige fürchten sich davor.

Treitschke

 

Wem es nicht ein Genuß ist, einer Minderheit anzugehören, welche die Wahrheit verficht und für die Wahrheit leidet, der verdient nicht zu siegen.

Lagarde

 

Um Mut zu zeigen, bedarf es nicht, daß man die Waffen ergreife: den weit höheren Mut, mit Verachtung des Urteils der Menge treu zu bleiben seiner Überzeugung, mutet uns das Leben oft genug an.

Fichte

 

Man lasse die Geister aufeinander platzen und treffen. Werden etliche indes verführet, wohlan, so geht's nach rechtem Kriegeslauf. Wo ein Streit und Schlacht ist, da müssen etliche fallen und wund werden. Wer aber redlich ficht, wird gekrönet werden.

Luther

 

Einen Helden mit Lust preisen und nennen
Wird jeder, der selbst als Kühner stritt.
Des Menschen Wert kann niemand erkennen,
Der nicht selber Hitze und Kälte litt.

Goethe

 

Jeder, der sich für einen Herrn anderer hält, ist selbst ein Sklave. Ist er es auch nicht immer wirklich, so hat er doch sicher eine Sklavenseele, und vor dem ersten Stärkeren, der ihn unterjocht, wird er niederträchtig kriechen. – Nur derjenige ist frei, der alles um sich herum frei machen will.

Fichte

 

Es ist mit der Freiheit ein wunderlich Ding, und jeder hat leicht genug, wenn er sich nur zu begnügen und zu finden weiß. Und was hilft uns ein Überfluß von Freiheit, die wir nicht gebrauchen können! Sehen Sie dieses Zimmer und diese angrenzende Kammer, in der Sie durch die offene Tür mein Bette sehen, beide sind nicht groß, sie sind ohnedies durch vielerlei Bedarf, Bücher, Manuskripte und Kunstsachen eingeengt, aber sie sind mir genug, ich habe den ganzen Winter darin gewohnt und meine vorderen Zimmer fast nie betreten. Was habe ich nun von meinem geräumigen Hause gehabt und von der Freiheit, von einem Zimmer ins andere zu gehen, da ich nicht das Bedürfnis hatte, sie zu benutzen! Hat einer nur so viel Freiheit, um gesund zu leben und sein Gewerbe zu treiben, so hat er genug, und so viel hat leicht ein jeder. Und dann sind wir alle nur frei unter gewissen Bedingungen, die wir erfüllen müssen. Der Bürger ist so frei wie der Adelige, sobald er sich in den Grenzen hält, die ihm von Gott durch seinen Stand, worin er geboren, angewiesen. Der Adelige ist so frei wie der Fürst: denn wenn er bei Hofe nur das wenige Zeremoniell beobachtet, so darf er sich als seinesgleichen fühlen. Nicht das macht frei, daß wir nichts über uns anerkennen wollen, sondern eben, daß wir etwas verehren, das über uns ist. Denn indem wir es verehren, heben wir uns zu ihm hinauf und legen durch unsere Anerkennung an den Tag, daß wir selber das Höhere in uns tragen und wert sind, seinesgleichen zu sein. Ich bin bei meinen Reisen oft auf norddeutsche Kaufleute gestoßen, welche glaubten, meinesgleichen zu sein, wenn sie sich roh zu mir an den Tisch setzten. Dadurch waren sie es nicht, allein sie wären es gewesen, wenn sie mich hätten zu schätzen und zu behandeln gewußt.

Goethe

 

Es ist der größte Irrtum und der wahre Grund aller übrigen Irrtümer, welche mit diesem Zeitalter ihr Spiel treiben, wenn ein Individuum sich einbildet, daß es für sich selber dasein und leben und denken und wirken könne.

Fichte

 

Es ist eine große Torheit, zu verlangen, daß die Menschen zu uns harmonieren sollen. Ich habe es nie getan. Ich habe einen Menschen immer nur als ein für sich bestehendes Individuum angesehen, das ich zu erforschen und das ich in seiner Eigentümlichkeit kennen zu lernen trachtete, wovon ich aber durchaus keine weitere Sympathie verlangte. Dadurch habe ich es nun dahin gebracht, mit jedem Menschen umgehen zu können, und dadurch allein entsteht die Kenntnis mannigfaltiger Charaktere sowie die nötige Gewandtheit im Leben. Denn gerade bei widerstrebenden Naturen muß man sich zusammennehmen, um mit ihnen durchzukommen, und dadurch werden alle die verschiedenen Seiten in uns angeregt und zur Entwicklung und Ausbildung gebracht, so daß man sich denn bald jedem vis-à-vis gewachsen fühlt.

Goethe

 

Wenn ich das Schlechte schlecht nenne, was ist da viel gewonnen? Nenne ich aber gar das Gute schlecht, so ist viel geschadet. Wer recht wirken will, muß nie schelten, sich um das Verkehrte gar nicht kümmern, sondern nur immer das Gute tun. Denn es kommt nicht darauf an, daß eingerissen, sondern daß etwas ausgebaut werde, woran die Menschheit reine Freude empfinde.

Goethe

 

Hinstehen und klagen über das Verderben der Menschen, ohne eine Hand zu regen, um es zu verringern, ist weibisch. Strafen und bitter höhnen, ohne den Menschen zu sagen, wie sie besser werden sollen, ist unfreundlich. Handeln! Handeln! das ist es, wozu wir da sind.

Fichte

 

Blüte edelsten Gemütes
Ist die Rücksicht; doch zu Zeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.

Storm

 

Unter denjenigen Vorteilen, welche mir meine letzte Reise gebracht, stehet wohl die Duldsamkeit oben an, die ich, mehr als jemals, für den einzelnen Menschen empfinde. Wenn man mehrere Hunderte näher, Tausende ferne beobachtet, so muß man sich gestehen, daß am Ende jeder genug zu tun hat, sich einen Zustand einzuleiten, zu erhalten und zu fördern; man kann niemanden meistern, wie er dabei zu Werke gehen soll, denn am Ende bleibt es ihm doch allein überlassen, wie er sich im Unglück helfen und im Glücke finden kann. In diesen Betrachtungen bin ich dieses Mal sehr glücklich durch die Welt gekommen, indem ich von niemand etwas weiter verlangte, als was er geben konnte und wollte, ihm weiter nichts anbot, als was ihm gemäß war, und mit großer Heiterkeit nahm und gab, was Tag und Umstände brachten; und so hab ich niemanden in seiner Lebensweise irre gemacht. Überzeugung, Sitte Gewohnheit, Liebhaberei, Religion, alles erschien mir durchaus den Personen gemäß, die sich gegen mich äußerten, und so habe ich es auch in Ansehung des Geschmackes gefunden. Jeder sucht und wünscht, wozu ihm Schnabel oder Schnauze gewachsen ist. Der will's aus der enghalsigen Flasche, der vom flachen Teller, einer die rohe, ein anderer die gekochte Speise. Und so hab ich mir denn auch, bei dieser Gelegenheit, meine Töpfe und Näpfchen, Flaschen und Krüglein gar sorgsam gefüllt, ja mein Geschirr mit manchen Gerätschaften vermehrt. Ich habe an der Homerischen, wie an der Nibelungischen Tafel geschmaust, mir aber für meine Person nichts gemäßer gefunden, als die breite und tiefe immer lebendige Natur, die Werke der griechischen Dichter und Bildner.

Goethe

 

Man studiere nicht die Mitgeborenen und Mitstrebenden, sondern große Menschen der Vorzeit, deren Werke seit Jahrhunderten gleichen Wert und gleiches Ansehen behalten haben. Ein wirklich hochbegabter Mensch wird das Bedürfnis dazu ohnedies in sich fühlen, und gerade dieses Bedürfnis des Umgangs mit großen Vorgängern ist das Zeichen einer höheren Anlage. Man studiere Molière, man studiere Shakespeare, aber vor allen Dingen die alten Griechen und immer die Griechen.

Für hochbegabte Naturen, bemerkte ich [Eckermann], mag das Studium der Schriften des Altertums allerdings ganz unschätzbar sein; allein im allgemeinen scheint es auf den persönlichen Charakter wenig Einfluß auszuüben. Wenn das wäre, so müßten ja alle Philologen und Theologen die vortrefflichsten Menschen sein. Dies ist aber keineswegs der Fall, und es sind solche Kenner der griechischen und lateinischen Schriften des Altertums eben tüchtige Leute oder auch arme Wichte, je nach den guten oder schlechten Eigenschaften, die Gott in ihre Natur gelegt, oder die sie von Vater und Mutter mitbrachten.

Dagegen ist nichts zu erinnern, erwiderte Goethe; aber damit ist durchaus nicht gesagt, daß das Studium der Schriften des Altertums für die Bildung eines Charakters überall ohne Wirkung wäre. Ein Lump bleibt freilich ein Lump, und eine kleinliche Natur wird durch einen selbst täglichen Verkehr mit der Großheit antiker Gesinnung um keinen Zoll größer werden. Allein ein edler Mensch, in dessen Seele Gott die Fähigkeit künftiger Charaktergröße und Geisteshoheit gelegt, wird durch die Bekanntschaft und den vertraulichen Umgang mit den erhabenen Naturen griechischer und römischer Vorzeit sich auf das herrlichste entwickeln und mit jedem Tage zusehends zu ähnlicher Größe heranwachsen.

Goethe

 

Der für dichterische und bildnerische Schöpfungen empfängliche Geist fühlt sich dem Altertum gegenüber in den anmutigst-ideellen Naturzustand versetzt, und noch auf den heutigen Tag haben die Homerischen Gesänge die Kraft, uns wenigstens für Augenblicke von der furchtbaren Last zu befreien, welche die Überlieferung von mehrern tausend Jahren auf uns gewälzt hat.

Goethe

 

Mich dünkt, das Geheimnis des Dichters [Homer] ist seine Liebe und Freude an allen Dingen; die Menschen, die Tiere und die Bäume, die Sternbilder des nächtlichen Himmels, die heilige Salzflut und die nährende Erde, die schwarzen Schiffe und die wohlgebauten Häuser, die schönen Waffen und die zierlichen Geräte – alles wird zum erstenmal in der Welt von dem klaren Spiegel einer großen Seele aufgefangen, so herrlich und frisch wie am Schöpfungsmorgen. Späteren Dichtern hat diese Liebe ja nicht gefehlt: aber Homer war eben vor ihnen. Auch zu den Größten unter ihnen kamen Menschen und Dinge bereits hundertmal beschrieben, besungen, bedichtet, abgebildet, wissenschaftlich abgetastet, reflexionsbeschwert, moralisch angesäuert, von unzähligen Händen befleckt und abgenutzt. Zwischen den Künstler und die Natur schiebt sich das beschriebene Papier. Den reinen Blick Homers hat keiner wieder gehabt, und keiner wird ihn je mehr haben.

A. Bartning

 

Welchen unermeßlichen Einfluß auf die ganze menschliche Entwicklung eines Volks die Beschaffenheit seiner Sprache haben möge, der Sprache, welche den einzelnen bis in die geheimste Tiefe seines Gemüts bei Denken und Wollen begleitet und beschränkt oder beflügelt, welche die gesamte Menschenmenge, die dieselbe redet, auf ihrem Gebiete zu einem einzigen gemeinsamen Verstande verknüpft, welche der wahre gegenseitige Durchströmungspunkt der Sinnenwelt und der der Geister ist und die Enden dieser beiden also ineinander verschmilzt, daß gar nicht zu sagen ist, zu welcher von beiden sie selber gehöre, – läßt sich im allgemeinen erraten.

Fichte

 

Wenn ich mein Leben noch einmal zu leben hätte, würde ich es mir zur Regel machen, wenigstens alle Wochen einmal etwas Poetisches zu lesen und etwas Musik anzuhören. Denn dann würden vielleicht die jetzt atrophischen Teile meines Gehirns durch Gebrauch tätig erhalten worden sein. Der Verlust der Empfänglichkeit für derartige Dinge ist ein Verlust an Glück und dürfte möglicherweise nachteilig für den Intellekt sein, noch wahrscheinlicher für den moralischen Charakter, da es den gemütlich erregbaren Teil unserer Natur schwächt.

Darwin

 

Ein Mensch zeigt nicht eher seinen Charakter, als wenn er von einem großen Menschen oder irgend von etwas Außerordentlichem spricht. Es ist der rechte Probierstein aufs Kupfer.

Goethe

 

Der törichtste von allen Irrtümern ist, wenn junge gute Köpfe glauben, ihre Originalität zu verlieren, indem sie das Wahre anerkennen, was von anderen schon anerkannt worden.

Goethe

 

Denke nur niemand, daß man auf ihn als den Heiland gewartet habe!

Goethe

 

»Ich hielt mich stets von Meistern entfernt;
Nachtreten wäre mir Schmach!
Hab' alles von mir selbst gelernt.« –
Es ist auch darnach!

Goethe

 

Sprich, wie du dich immer und immer erneust?
Kannst's auch, wenn du immer am Großen dich freust.
Das Große bleibt frisch, erwärmend, belebend;
Im Kleinlichen fröstelt der Kleinliche bebend.

Goethe

 

Diese und alle anderen in der Weltgeschichte, die ihres Sinnes waren, haben gesiegt, weil das Ewige sie begeisterte, und so siegt immer und notwendig diese Begeisterung über den, der nicht begeistert ist.

Fichte

 

Man glaube nicht, daß Geistesfreiheit und Aufklärung nur für einige wenige des Volkes sei, daß für den größeren Teil desselben, dessen Geschäftigkeit freilich durch die Sorge für die physischen Bedürfnisse des Lebens erschöpft wird, sie unnütz bleibe oder gar nachteilig werde, daß man auf ihn nur durch Verbreitung bestimmter Sätze, durch Einschränkung der Denkfreiheit wirken könne. Es liegt schon an sich etwas die Menschheit Herabwürdigendes in dem Gedanken, irgendeinem Menschen das Recht abzusprechen, ein Mensch zu sein. Keiner steht auf einer so niedrigen Stufe der Kultur, daß er zur Erreichung einer höheren unfähig wäre, und sollten auch die aufgeklärteren religiösen und philosophischen Ideen auf einen großen Teil der Bürger nicht unmittelbar übergehen können, sollte man dieser Klasse von Menschen, um sich an ihre Ideen anzuschmiegen, die Wahrheit in einem anderen Kleide vortragen müssen, als man sonst wählen würde, sollte man genötigt sein, mehr zu ihrer Einbildungskraft und zu ihrem Herzen, als zu ihrer kalten Vernunft zu reden, so verbreitet sich doch die Erweiterung, welche alle wissenschaftliche Erkenntnis durch Freiheit und Aufklärung erhält, auch bis auf sie herunter, so dehnen sich doch die wohltätigen Folgen der freien, uneingeschränkten Untersuchung auf den Geist und den Charakter der ganzen Nation bis in ihre geringsten Individuen hin aus.

W. v. Humboldt

 

Das weiß ich und hoffe ich, daß wir eben durch unsere Wissenschaftlichkeit, durch das alles durchbohrende, alles zerschneidende und vergeistigende Wort mehr und mehr zu der ältesten Einfalt der Lehre und des Dienstes, mehr und mehr zu der stillen Verschweigung und Anbetung des zwischen Gott und Menschen ewig empfundenen, aber nimmer begriffenen Mysteriums gelangen werden, worauf alle Religion ruht und vor allen Religionen die christliche Religion ruht.

Arndt

 

Wer sind die, welche die Wissenschaften erfanden und erweiterten? Haben sie dieses ohne Mühe und Aufopferung vermocht? Was hat ihnen für diese Aufopferung gelohnt? Indes ihr Zeitalter um sie herum fröhlich seines Tages genoß, waren sie verloren in einsames Nachdenken, um zu entdecken ein Gesetz, einen Zusammenhang, der ihre Bewunderung erregt hatte, und mit welchem sie durchaus nichts weiter wollten, als ihn eben entdecken; aufopfernd Genüsse und Vermögen, vernachlässigend ihre äußeren Angelegenheiten, vergeudend die feinsten Geister ihrer Existenz, verlacht vom Volk als Toren und Träumer.

Fichte

 

Ohne meine Bemühungen in den Naturwissenschaften hätte ich jedoch die Menschen nie kennen gelernt, wie sie sind. In allen anderen Dingen kann man dem reinen Anschauen und Denken, den Irrtümern der Sinne wie des Verstandes, den Charakterschwächen und -stärken nicht so nachkommen; es ist alles mehr oder weniger biegsam und schwankend und läßt alles mehr oder weniger mit sich handeln; aber die Natur versteht gar keinen Spaß, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge; sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen. Den Unzulänglichen verschmäht sie, und nur dem Zulänglichen, wahren und Reinen ergibt sie sich und offenbart ihm ihre Geheimnisse.

Goethe

Man verehre ferner den, der dem Vieh sein Futter gibt und dem Menschen Speise und Trank, soviel er genießen mag. Ich aber bete den an, der eine solche Produktionskraft in die Welt gelegt hat, daß, wenn nur der millionste Teil davon ins Leben tritt, die Welt von Geschöpfen wimmelt, so daß Krieg, Pest, Wasser und Brand ihr nichts anzuhaben vermögen. Das ist mein Gott!

Goethe

 

»Närrischer Mensch!« antwortete er mir lächelnd bedeutungsvoll, »wenn Ihr an Gott glaubtet, so würdet Ihr Euch nicht verwundern.«

Ihm ziemt's die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.

Goethe

 

Frisch hinaus, da wo wir hingehören! Ins Feld, wo aus der Erde dampfend jede nächste Wohltat der Natur und, durch die Himmel webend, alle Segen der Gestirne uns umwittern, wo wir dem erdgeborenen Riesen gleich, von der Berührung unserer Mutter kräftiger, uns in die Höhe reißen!

Goethe

 

So schauet mit bescheidnem Blick
Der ewigen Weberin Meisterstück,
Wie ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein hinüber, herüber schießen,
Die Fäden sich begegnend fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Das hat sich nicht zusammengebettelt,
Sie hat's von Ewigkeit angezettelt,
Damit der ewige Meistermann
Getrost den Einschlag werfen kann.

Goethe

 

Was ist im Grunde aller Verkehr mit der Natur, wenn wir auf analytischem Wege bloß mit einzelnen materiellen Teilen uns zu schaffen machen und nicht das Atmen des Geistes empfinden, der jedem Teile seine Richtung vorschreibt und jede Ausschweifung durch ein innewohnendes Gesetz bändigt oder sanktioniert?

Goethe

 

Und wie wohltätig ist uns doch wieder diese Identität, dieses gleichförmige Beharren der Natur, wenn uns Leidenschaft, innerer und äußerer Tumult lange genug hin und her geworfen, wenn wir uns selbst verloren haben, so finden wir sie immer als die nämliche wieder, und uns in ihr. Auf unserer Flucht durch das Leben legen wir jede genossene Lust, jede Gestalt unsers wandelbaren Wesens in ihre treue Hand nieder, und wohlbehalten gibt sie uns die anvertrauten Güter zurück, wenn wir kommen und sie wieder fordern. Wie unglücklich wären wir, wir, die es so nötig haben, auch die Freuden der Vergangenheit haushälterisch zu unserm Eigentum zu schlagen, wenn wir diese fliehenden Schätze nicht bei dieser unveränderlichen Freundin in Sicherheit bringen könnten. Unsre ganze Persönlichkeit haben wir ihr zu danken, denn würde sie morgen umgeschaffen vor uns stehen, so würden wir umsonst unser gestriges Selbst wieder suchen.

Schiller

 

Sieh: so ist Natur ein Buch lebendig,
Unverstanden, doch nicht unverständlich!
Denn dein Herz hat viel und groß Begehr,
Was wohl in der Welt für Freude wär,
Allen Sonnenschein und alle Bäume,
Alles Meergestad und alle Träume
In dein Herz zu sammeln miteinander ...
Und wie muß dir's werden, wenn du fühlest
Daß du alles in dir selbst erzielest! ...
Nicht in Rom, in Magna Graecia –
Dir im Herzen ist die Wonne da!
Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
Findt im Stengelglas wohl eine Welt.

Goethe

 

Zwischen oben, zwischen unten
Schweb' ich hin zu muntrer Schau,
Ich ergötze mich am Bunten,
Ich erquicke mich am Blau.

Und wenn mich am Tag die Ferne
Blauer Berge sehnlich zieht,
Nachts das Übermaß der Sterne
Prächtig mir zu Häuptern glüht.

Alle Tag' und alle Nächte
Rühm' ich so des Menschen Los.
Denkt er ewig sich ins Rechte,
Ist er ewig schön und groß.

Goethe


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