Sagen aus Thüringen
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Ein Hexenzug

Ein Siedeknecht lernte die Hexen durch den Salzunger Fallmeister kennen. Sie gingen beide in der Walpurgisnacht an den Kreuzweg beim Husenbrückchen. Dort beschrieb der Fallmeister einen Kreis und winkte dem Siedeknecht mit den Worten: »Da kann uns keine was anhaben!« Der aber war ein gottesfürchtiger Mann und glaubte, sein Seelenheil zu gefährden. Versteckte sich also lieber hinter einem Gartenzaun; denn von da aus konnte er die vorbeiziehenden Hexen ebenso gut beobachten. Gleich darauf erschien wirklich die erste. Die ritt auf einem Besen und fegte damit zugleich die Straße. Hinter ihr war ein ganzer Trupp, gleichfalls den Besen oder eine Ofengabel zwischen den Beinen. Dann kam eine auf einem Fuder Heu, dem eine Herde Gänse vorgespannt war. Hinter ihr ein Wagen, der mit Speck und Würsten beladen war und von Ziegenböcken gezogen wurde. Hierauf noch eine Menge derartiger Fuhrwerke, eins sogar mit einem Gespann Flöhe. Es waren bis da fast lauter schöne Frauen gewesen. Nun erschien auch eine aus der Freundschaft des Siedeknechts und er vergaß sich und rief: »So dau Schöngleich (Schindluder), bist au da drbei?« Da ging der Spektakel los. Der ganze Haufe drang auf den armen Teufel ein. Doch die Angst gab ihm ungewöhnliche Kraft. Er sprang über Zäune und Hecken; das Hexenzeug war aber noch flinker hinter ihm drein. Zuletzt erreichte er mit der größten Not und windelweich geschlagen sein Häuschen. Daran waren drei Kreuze geschrieben, und das Gesindel konnte ihm deshalb nicht folgen. Der Fallmeister war unterdessen ungefährdet in seinem Kreise geblieben, und als sich der Spektakel verzogen, ging er ruhig nach Hause. Mußte aber noch lange an dem bösen Beine kurieren, das der Siedeknecht von der Hexenschau davongetragen hatte.

 


 


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