Sagen aus Thüringen
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Koppy

Mit dem Meilitzer Gutsherrn von Koppy hatte es eine besondere Bewandtnis. So oft er ausfuhr, konnte man sehen, wie eine Krähe vor seinem Wagen herflog, und während er als Hauptmann in ausländischen Diensten zu Felde lag, haben ihn die Leute gar oft zu gleicher Zeit aus den Fenstern seines Schlosses herausschauen sehen. Einst befahl er seinem Kutscher, ihn nach Münchenbernsdorf zu seiner Schwester zu fahren und sich nicht daran zu kehren, was sich etwa im Wagen ereigne. Der Knecht war ein verwegner Kerl und fuhr, daß die Rappen dampften. Doch dem wilden Junker wars noch immer nicht schnell genug; er erhitzte den Führer durch Zurufe, und als sie den Lohgrund hinauffuhren und in die Nähe des Kreuzweges kamen, befahl er, zu fahren, als ob Wagen und Gäule zugrunde gerichtet werden müßten. Sein Schicksal holte ihn aber gleichwohl ein; denn plötzlich kam es wie Sturmwind hinterdrein, viel geschwinder als die Rappen. Dann erhob sich im Wagen ein Ringen, Stampfen und Schnaufen, dem ein Stöhnen und Knacken und danach eine Totenstille folgte. Der Kutscher wußte nicht, sollte er abspringen oder ausharren. Schließlich kaleschte er aber doch nach Münchenbernsdorf hinein, öffnete den Kutschenschlag – da sah er den wilden Koppy mit vorgequollenen Augen und gebrochenem Genick. Die Schwester wollte von dein Toten nichts wissen, weshalb ihn der Kutscher sogleich zurück nach Meilitz fuhr. Dort bahrte man ihn auf; aber so oft man die Leiche auch auf dem Paradebett zurechtlegte, sie war entweder vorübergehend verschwunden oder lag in anderer Stellung und an anderem Orte. Und als man sie endlich am dritten Tage nach dem Veltsberger Friedhof überführen wollte, und vor dem Schlosse den Trauerzug in die gebräuchliche Ordnung brachte, da schaute Koppy zum Fenster heraus und betrachtete mit Aufmerksamkeit die Feierlichkeit bei seiner eignen Bestattung. Selbst nach der Beisetzung erhielt er die Umgegend noch lange in Unruhe. Sein Leichnam verfiel nämlich nicht, sondern war noch lange Zeit unversehrt in der Gruft zu sehen. Viele schauten durch die Mauerritze und sahen ihn liegen.

 


 


 << zurück weiter >>