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Anekdoten unbekannter Autoren
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Der Weißgerbergesell

Eines Morgens hielt der Alte Fritz Ausschau von seinem Schlosse in Potsdam und bemerkte auf der Langen Brücke einen Handwerksburschen. Der hatte sein Reisebündel abgelegt und sah zum Himmel empor, blieb auch eine ganze Weile in dieser Stellung bewegungslos stehen.

Dies interessierte den König sehr, und er ließ den Handwerksburschen durch einen Diener zu sich rufen. Als der eingetreten war, fragte ihn der König. »Wer ist Er?« – »Ein Weißgerbergeselle«, war die Antwort.

»Wo will Er hin?« – »Nach Berlin.« – »Und wo kommt Er her?« – »Aus Leipzig.« – »Gibt's denn da keine Arbeit und keinen Verdienst?« – »O ja, zu leben gibt's wohl; aber?« – »Nun?« – »Man will sich doch, wenn man auf der Wanderschaft ist, auch einmal die großen Städte weit und breit ansehen – und Berlin soll ja eine schöne Stadt sein. Und man soll auch da zu leben haben.«

»Das ist richtig, wenn man arbeitet.« – »Ich bin meiner Lebtage kein Faulenzer gewesen.« – »Nun, das freut mich«, sagte drauf der König, »geh Er in Gottes Namen nach Berlin und tue Er seine Schuldigkeit! Hier hat Er zwei Friedrichsdor.«

Der Handwerksbursche sagte darauf: »Tausend Dank, Ihre Majestät! O, wenn ich doch dankbar sein könnte! – Nun, ich komme ja wieder nach Sachsen und dann weil ich allen Leuten erzählen, was der König von Preußen für ein gnädiger und freigebiger Herr ist.«

»Nein, nein, das tue Er nicht«, erwiderte der König. »Es möchten sich sonst viele Weißgerbergesellen bei mir melden und sich erkundigen, ob Er die Wahrheit gesagt hat.«

 


 


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