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XIV.
Die Züchtigung.

Der General und seine zwei Gefährten blieben nicht lange in Ungewißheit. Nach einigem Zögern landete endlich der Floß und die Männer stürzten sich unter lautem Geschrei mit angeschlagenen Gewehren in die Höhle. Voll Freude traten ihnen die Flüchtlinge entgegen, welche an der Spitze der Ankömmlinge Treuherz, den Comanchenhäuptling und den schwarzen Elch erkannt hatten.

Der Hergang verhielt sich folgendermaßen. Nachdem der Doctor mit dem Räuber in die Höhle eingetreten war, hatte sich Adlerkopf, der jetzt den Zufluchtsort der Bande kannte, zu seinen Freunden zurückbegeben und ihnen den Erfolg seiner Kriegslist mitgetheilt. Belhumeur wurde sofort an Treuherz abgeschickt, welcher nicht säumte sich anzuschließen. Und nun wurde der einhellige Beschluß gefaßt, die Räuber in ihrer Höhle anzugreifen, während ein Theil der Jäger und Rothhautkrieger in der Prairie und unter den Felsen die Zugänge des Raubnestes bewachen und das Entrinnen ihrer Insaßen hindern sollten.

Wir haben gesehen, zu welchem Ende dieser Anschlag führte. Der erste Augenblick wurde der Freude gewidmet, daß man ohne Schuß oder Schwertstreich zum Ziele gekommen war. Dann theilte der General seinen Befreiern mit, daß ein Dutzend Räuber unter dem Einfluß des von dem Doctor gespendeten Opiums schlafend in der Höhle liege. Man säumte nicht, sie zu knebeln und hinauszuschaffen. Dann wurden die verschiedenen Abtheilungen zusammengerufen, und der ganze Trupp setzte sich nach dem Lager in Galopp.

Treuherzens Ausruf überraschte den Räuberhauptmann nicht wenig; aber sein Staunen verwandelte sich in Entsetzen, als er des Generals ansichtig wurde, den er unter der Obhut seiner Leute wähnte. Er begriff jetzt, daß alle seine List vereitelt, und daß er diesmal ohne Rettung verloren war.

Ein Blutstrom schoß ihm gegen das Gesicht und seine Augen blitzten, als er sich mit den Worten an Treuherz wandte:

»Gut gespielt! Aber noch ist nicht alles aus zwischen uns. Bei Gott; ich will Vergeltung üben.«

Er machte eine Geberde, sein Pferd anzutreiben; aber Treuherz fiel ihm in den Zügel.

»Wir sind noch nicht fertig,« rief er ihm zu.

Mit glühendem Auge betrachtete ihn der Räuber und spornte noch immer sein Pferd, um den Jäger zum Loslassen zu zwingen. Dabei sagte er mit von Zorn erstickter Stimme:

»Was wollt Ihr noch?«

Treuherz hielt mit eherner Faust das Roß fest, welches wüthend sich bäumte.

»Ihr seid gerichtet,« entgegnete er. »Man wird das Gesetz der Prairieen auf Euch anwenden.«

Der Räuber stieß ein schreckliches Hohngelächter aus und riß seine Pistolen aus dem Gürtel.

»Tod jedem, der mich antastet,« rief er wüthend. »Aus dem Weg!«

»Nein,« erwiederte der Jäger, ohne seine Fassung zu verlieren, »Ihr seid gefangen und werdet mir heute nicht entrinnen.«

»So stirb!« rief der Räuber, auf Treuherz anlegend.

Aber mit Gedankenschnelligkeit hatte Belhumeur, der den Bewegungen des Banditen ängstlich gefolgt war, sich zwischen seinen Freund und dessen Gegner geworfen. Der Schuß fiel und die Kugel traf den Canadier, der blutend zu Boden sank.

» Einer!« rief der Räuber mit wildem Lachen.

» Zwei!« brüllte Adlerkopf, der mit dem Sprung eines Panthers auf das Pferd des Räubers setzte. Eh' der Letztere eine Bewegung der Abwehr machen konnte, hatte ihn der Indianer mit seiner Linken bei den langen Haaren, die er in einen Büschel zusammenfaßte, ergriffen und den Kopf zurückgerissen.

»Tod und Hölle!« rief der Räuber, der sich vergebens seines Feindes zu erwehren suchte.

Nun aber folgte eine Scene, welche alle Umstehenden mit Entsetzen erfüllte. Treuherz hatte das Pferd losgelassen, das jetzt wüthend von den Stößen, die es erlitt, und von der doppelten Last, die es zu tragen hatte, ausschlagend und sich bäumend alle im Weg stehenden Hindernisse niederrannte. Die beiden Männer aber, welche auf Tod und Leben mit einander kämpften, hielten sich fest angeklammert und wanden sich auf dem Rücken des entsetzten Thieres wie ein paar Schlangen. Adlerkopf hatte, wie bereits gesagt, den Kopf des Räubers zurückgerissen; dabei stemmte er ihm sein Knie in die Seite, stieß sein wildes Kriegsgeschrei aus und schwenkte mit einer schrecklichen Geberde das Messer um die Stirne seines Feindes.

»So tödte mich, Elender!« rief der Räuber und erhob rasch die noch immer mit einer Pistole bewaffnete Linke; aber die Kugel ging in die Luft. Der Comanchenhäuptling heftete einen festen Blick auf den Räuber.

»Du bist eine Memme,« sagte er mit Verachtung, »und ein altes Weib, das den Tod fürchtet.«

Er stemmte dem Banditen das Knie fester in die Seite und bohrte ihm sein Messer in den Kopf. Der Räuber stieß einen durchdringenden Schrei aus, den der Indianer mit seinem Siegesgeheul begleitete. Das Pferd strauchelte gegen eine Baumwurzel und fiel. Beide Feinde rollten auf den Boden. Aber nur einer davon stand wieder auf, und dieser war der Comanchenhäuptling, der in der Hand die blutende Kopfhaut des Räubers schwang.

Waktehno war indeß nicht todt. Außer sich vor Wuth und geblendet von dem Blut, das ihm über die Augen niederschoß, stürzte er sich noch einmal auf seinen Gegner, der sich eines solchen Angriffs nicht versah. Mit einander ringend, suchte jeder dem Feind sein Messer in den Leib zu bohren. Mehrere Jäger eilten herzu, um sie zu trennen; aber es war bereits Alles vorbei. Der Räuber lag am Boden, und das Messer des Indianers stack ihm bis an's Heft im Herzen.

Die Räuber, welche durch den sie umgebenden Kreis von weißen Jägern und Rothhautkriegern in Respect gehalten wurden, versuchten keinen vergeblichen Widerstand. Als sie ihren Hauptmann fallen sahen, erklärte Frank im Namen seiner Kameraden, daß sie sich unterwürfen. Auf ein Zeichen von Treuherz legten sie ihre Waffen ab und wurden gebunden.

Belhumeur, dessen Aufopferung der Freund sein Leben verdankte, hatte eine ernstliche, zum Glück aber nicht tödtliche, Wunde erhalten. Man beeilte sich, ihn nach der Höhle zu bringen, wo die Mutter des Jägers sich seiner mit Eifer annahm.

Adlerkopf näherte sich Treuherz, der düster und gedankenvoll an einem Baum lehnte.

»Die Häuptlinge sind um das Berathungsfeuer versammelt,« redete er ihn an. »Sie erwarten meinen Bruder.«

»Ich folge meinem Bruder,« versetzte der Jäger.

Als die Beiden in die Hütte traten, waren bereits sämmtliche Häuptlinge versammelt. Unter ihnen befanden sich der General und der schwarze Elch mit einigen andern Trappern.

Der Pfeifenträger brachte das Calumet, verneigte sich achtungsvoll gegen die vier Weltgegenden und bot nach der Rangordnung jedem Häuptling das lange Rohr an. Nachdem die Pfeife die Runde gemacht hatte, schüttelte der Träger die Asche in das Feuer, murmelte einige geheimnißvolle Worte und entfernte sich.

Nun erhob sich die Sonne und begann nach einer Begrüßung an die Rathsmitglieder wie folgt:

»Häuptlinge und Krieger, hört die Worte, welche der Herr des Lebens in meine Brust gelegt hat. Was wollt ihr mit den zwanzig Gefangenen anfangen, die ihr in Händen habt? Kann man sie freilassen? Nein, Krieger, der Herr des Lebens, der diese wilden Menschen endlich in unsere Gewalt gegeben hat, will, daß sie sterben. Er hat ihren Verbrechen ein Ziel gesteckt. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mögen sie an den Marterpfahl gebunden werden. Ich werfe eine Schnur mit rothen Wampums in die Rathsversammlung.«

Nach diesen Worten nahm der alte Häuptling wieder Platz. Es folgte eine feierliche Stille. Man sah, daß die Anwesenden seine Meinung theilten.

Treuherz harrte einige Minuten, und als er sah, daß sich Niemand anschickte, die Rede der Sonne zu beantworten, so erhob er sich und begann:

»Häuptlinge, Comanchenkrieger und weiße Trapper, meine Brüder, die Worte, die der ehrwürdige Sachem gesprochen, sind gerecht; die Sicherheit der Prairieen fordert leider den Tod unserer Gefangenen. Wir müssen uns dieser schrecklichen Nothwendigkeit unterwerfen, wenn wir im Frieden die Frucht unserer sauern Anstrengungen genießen wollen. Aber wenn wir uns auch genöthigt sehen, das unerbittliche Gesetz der Wildniß in Anwendung zu bringen, so wollen wir uns doch nicht als Barbaren zeigen, die das Strafamt mit Lust üben, sondern die Züchtigung wie Menschen vollbringen, denen ein Herz in der Brust schlägt. Ueberlassen wir es ihnen, sich ihre Todesart selbst zu wählen. Das Foltern ist unnütz. Der Herr des Lebens wird uns zulächeln; er wird zufrieden sein mit seinen rothen Kindern und ihnen dafür reichliche Jagden geben. Ich habe gesprochen. War es recht so, mächtige Männer?«

Die Mitglieder des Raths hatten aufmerksam die Worte des Jägers angehört und die Häuptlinge wohlwollend den edlen Gesinnungen zugelächelt, die der Sprecher kund that; denn sowohl Indianer als Trapper liebten und achteten ihn.

Jetzt erhob sich Adlerkopf. »Mein Bruder Treuherz hat gut gesprochen,« sagte er. »Seine Jahre sind zwar klein an Zahl, aber seine Weisheit ist groß. Wir schätzen uns glücklich, eine Gelegenheit zu finden, um ihm unsere Freundschaft zu beweisen, und ergreifen sie mit Freuden. Wir wollen thun, was er verlangt.«

»Ich danke,« versetzte Treuherz mit Wärme. »Das Volk der Comanchen ist ein großes, ein edles Volk, das ich liebe, und ich rechne mir's zur Ehre, von ihm adoptirt worden zu sein.«

Die Rathsversammlung war zu Ende und die Häuptlinge verließen die Hütte. Die Gefangenen standen auf einem Haufen und wurden von einer Kriegerabtheilung scharf bewacht. Der öffentliche Ausrufer versammelte alle Angehörigen des Stammes und die im Dorf anwesenden Jäger.

Nachdem Alles beisammen war, nahm Adlerkopf das Wort und redete die Räuber folgendermaßen an:

»Hunde von Blaßgesichtern, der Rath der großen Häuptlinge des mächtigen Comanchenvolks, dessen endlose Jagdgebiete einen großen Theil der Erde bedecken, hat über euer Schicksal entschieden . Versucht es nun, nachdem ihr wie wilde Bestien gelebt habt, nicht wie furchtsame alte Weiber zu sterben.«

»Wir sind bereit,« versetzte Frank ruhig. »Bindet uns an den Pfahl und erfindet die ärgsten Qualen. Ihr werdet uns nicht erbleichen sehen.«

»Unser Bruder Treuherz hat Fürsprache für euch eingelegt,« fuhr Adlerkopf fort. »Ihr sollt nicht an den Pfahl gebunden werden. Die Häuptlinge überlassen euch die Wahl eures Todes.«

»Mit welchem Recht,« rief Frank, »wirft sich Treuherz zu unserem Fürsprecher auf? Meint er, wir seien keine Männer und man könne durch Foltern uns Schmerzenslaute und Klagen entringen, die unserer unwürdig wären? Nein, nein; man führe uns an den Pfahl. Was ihr uns zufügen könnt, wird nie so grausam sein, als das, was wir den Kriegern Eurer Nation anthun würden, wenn sie in unsere Hände fielen.«

Nach diesen stolzen Worten lief ein zorniges Murren durch die Reihen der Indianer, während die Räuber ihrerseits Rufe der Freude und des Triumphes ausstießen.

»Hunde! Hasen!« riefen sie. »Die Comanchen sind alte Weiber, denen man Schürzen geben sollte.«

Jetzt trat Treuherz vor. Nachdem es stille geworden, begann er:

»Ihr habt die Worte des Häuptlings nicht recht verstanden. Wenn man euch die Wahl der Todesart überläßt, so will man euch nicht beschimpfen; sondern einen Beweis von Achtung geben. Hier ist mein Dolch; wenn man euch losgebunden hat, kann er von Hand zu Hand gehen, daß ihn sich jeder in die Brust stoße. Der Mann, der aus freien Stücken, ohne zu zögern, sich mit einem einzigen Stoße tödtet, ist tapferer, als derjenige, welcher am Pfahl aus übergroßem Schmerz seinen Henker beleidigt, damit er ihm schneller den Garaus mache.«

Allgemeiner Beifall wurde den Worten des Jägers zu Theil. Die Räuber warfen sich fragende Blicke zu; dann bekreuzten sie sich und riefen einhellig: »Wir nehmen es an.«

Die vorher so ungestüme und lärmende Menge wurde jetzt still und aufmerksam; sie harrte des schrecklichen Trauerspiels, das vor ihren Augen sich entfalten sollte.

»Bindet die Gefangenen los,« rief Treuherz.

Der Befehl war im Nu vollzogen.

»Euren Dolch,« sagte Frank.

Der Jäger gab ihm die Waffe.

»Ich danke. Lebt wohl!« rief der Räuber mit fester Stimme, riß die Kleider auf und bohrte sich langsam, als sei ihm das Sterben eine Wollust, das Messer bis an's Heft in die Brust. Eine Leichenblässe überzog allmälig sein Gesicht; seine Augen rollten unstet umher; dann wankte er wie ein Trunkener und fiel zur Erde. Er war todt.

»Mir!« rief der zunächst stehende Bandit, indem er den Dolch noch rauchend aus der Wunde zog und sich in's Herz stieß. Er stürzte an die Leiche des erstem

Nach ihm kam ein Anderer, dann wieder ein Anderer an die Reihe. Keiner zögerte, keiner erwies sich verzagt. Sie tödteten sich lächelnd und wußten es Treuherz Dank, daß er ihnen zu einem solchen Tode verholfen.

Die Anwesenden waren entsetzt und zugleich hingerissen von dem schrecklichen Schauspiel. Gewissermaßen trunken von dem Blutgeruch standen sie mit verhaltenem Athem da, ohne die Blicke abwenden zu können.

Endlich war nur noch einer der Räuber übrig. Er betrachtete einen Moment den Leichenhaufen und zog dann den Dolch aus der Brust seines Vormannes.

»Man darf von Glück sagen,« sprach er lächelnd, »wenn man in so guter Gesellschaft stirbt; aber wo Teufel fährt man hin nach dem Tod? Pah, wie einfältig; ich werde es bald wissen.«

Und der Dolch fuhr in seine Brust; er sank todt zusammen.

Das Gemetzel hatte nicht länger als eine Viertelstunde gedauert. Bei keinem der Räuber war ein zweiter Stoß nöthig gewesen.

»Mir diesen Dolch,« sagte Adlerkopf, indem er die dampfende Waffe aus dem noch zuckenden Körper des letzten Räubers zog; »er ist eine gute Wehr für einen Krieger.«

Und er steckte die Waffe, nachdem er sie im Gras abgewischt hatte, in seinen Gürtel. Die Leichen der Räuber wurden scalpirt und aus dem Lager geschafft, um den Geiern und Urubusen zur Beute zu dienen.

So endete Waktehno's furchtbare Bande; leider war sie nicht die einzige in den Prairieen.

Nach dem Werke des Todes kehrten die Indianer sorglos in ihre Hütten zurück. In ihren Augen war es ein Schauspiel gewesen, das für sie nichts Neues hatte und also keinen erschütternden Eindruck auf ihre Nerven machte. Die Trapper dagegen entfernten sich, ungeachtet ihrer rohen Lebensweise, welche sie mit Blutvergießen vertraut machte, mit gepreßtem Herzen. Treuherz und der General begaben sich in die Höhle.

Die Frauen im Innern derselben hatten nichts von dem schrecklichen Auftritte und der blutigen Sühne, mit welchem er geendet, wahrgenommen.


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