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V.
Die Comanchen.

Treuherz und Belhumeur beobachteten aus ihrem Versteck unter den dichten Zweigen der Korkeiche die Comanchen, die sich auf die Wachsamkeit ihrer Schildwache verließen und nicht entfernt daran dachten, daß der Feind ihnen nahe genug sei, um die geringste ihrer Bewegungen beobachten zu können. Um ihre Feuer her kauernd oder lagernd, ließen sie sich sorglos Essen und Rauchen schmecken.

Die Wilden bestanden mindestens aus fünfundzwanzig Mann, waren in ihre Büffelhäute gekleidet und hatten sich in der verschiedenartigsten Weise phantastisch bemalt. In der Entfernung von einigen Schritten lehnte Adlerkopf an einem Baum. Er hatte die Arme über der Brust gekreuzt und sein Körper war leicht vorwärts gebeugt, als lausche er auf die unbestimmten Geräusche in der Prairie, für die nur er ein Ohr zu haben schien.

Adlerkopf war ein Indianer aus dem Stamm der Osagen und von den Comanchen adoptirt worden, hatte aber die Sitten und Gebräuche der Osagen beibehalten. Er mochte achtundzwanzig Jahre zählen, maß nahezu sechs Fuß und besaß einen derben Gliederbau mit einer Muskulatur, die eine seltene Körperkraft bekundete. Im Gegensatz von seinen Gefährten trug er nur eine Decke um die Lenden, so daß Brust und Arme bloß blieben. Der Ausdruck seines Gesichtes war schön und edel, und seine lebhaften schwarzen Augen, welche sehr nah an der gebogenen Nase lagen, nebst dem etwas großen Mund verliehen ihm eine entfernte Aehnlichkeit mit einem Raubvogel.

Zum Glück für die Jäger befanden sich die Indianer auf dem Kriegspfad und hatten keine Hunde bei sich; sonst hätten sie sich dem Lager nicht nähern können, ohne entdeckt zu werden. Obschon der Häuptling wie eine Bildsäule dastand, blitzte doch sein Auge, seine Nasenlöcher erweiterten sich, und er hob mechanisch die Rechte, als wolle er seinen Leuten Stillschweigen auferlegen.

»Man wittert uns,« murmelte Treuherz so leise, daß sein Gefährte ihn kaum hörte.

»Was thun?« versetzte Belhumeur.

»Handeln,« erwiederte lakonisch der Trapper.

Die Beiden glitten nun schweigend von Zweig zu Zweig, von Baum zu Baum, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen, bis sie auf der entgegengesetzten Seite des Lagers über der Stelle angelangt waren, wo die gefesselten Pferde der Comanchen weideten.

Jetzt ließ sich Belhumeur leise nieder und zerschnitt die Fesselriemen der Thiere, welche sofort, durch die Peitschenhiebe der Jäger aufgeschreckt, unter Wiehern und Ausschlagen nach allen Richtungen auseinander stoben. Verwirrt erhoben sich die Indianer und rannten mit mächtigem Geschrei ihren Pferden nach. Nur Adlerkopf setzte sich, als hätte er die Stelle geahnt, wo die Jäger im Hinterhalt lagen, gegen sie in Bewegung, wobei er sich möglichst durch die an seinem Weg liegenden Bäume zu decken suchte. Die Jäger wichen Schritt um Schritt zurück und hatten dabei sorgfältig Acht, daß sie nicht umgangen wurden.

Das Geschrei der Indianer, welche den Pferden nachsetzten, verlor sich in der Ferne; der Häuptling stand daher allein seinen beiden Feinden gegenüber. Unter einem Baum angelangt, dessen dicker Stamm ihm Sicherheit verbürgte, verschmähte er es, des Gewehrs sich zu bedienen, und da ihm die Gelegenheit günstig schien, so legte er einen Pfeil an seinen Bogen. Doch ungeachtet seiner Klugheit und Gewandtheit konnte er diese Bewegung nicht ausführen, ohne sich eine kleine Blöße zu geben. Treuherz legte seine Büchse an und gab Feuer. Die Kugel pfiff; der Häuptling that einen Sprung und fiel, vor Wuth laut aufheulend, zu Boden. Der Arm war ihm zerschmettert. Im Nu befanden sich die beiden Jäger an seiner Seite.

»Rühr' Dich nicht, Rothhaut,« sagte Treuherz, »oder Du bist des Todes.«

Der Indianer blieb unbeweglich und dem Anscheine nach unempfindlich, obschon Wuth in seinem Innern kochte.

»Ich könnte Dich tödten,« fuhr der Jäger fort, »will es aber nicht. Zum zweitenmal schenk ich Dir jetzt das Leben, Häuptling; es wird das Letztemal sein. Laß Dich nie wieder auf meinem Weg finden oder Dir beikommen, mir meine Fallen zu stehlen, sonst schwöre ich Dir, ich werde es erbarmungslos an Dir rächen.«

»Adlerkopf ist unter den Kriegern seines Stammes ein berühmter Häuptling,« entgegnete der Indianer mit Stolz, »und fürchtet den Tod nicht. Der weiße Jäger mag ihn tödten und wird sehen, daß er nicht murrt.«

»Nein, Du sollst nicht sterben, Häuptling Verhüte Gott, daß ich das Blut eines Menschen ohne Noth vergieße.«

»Pah!« entgegnete der Indianer mit einem höhnischen Lächeln, »mein Bruder ist Missionär.«

»Nein, ich bin ein ehrlicher Trapper und will Dich nicht morden.«

»Mein weißer Bruder denkt wie die alten Weiber,« erwiedert der Indianer. »Nehü nütha verzeiht nicht; er nimmt Rache.«

»Das kannst Du halten, wie Du willst, Häuptling,« versetzte der Jäger mit verächtlichem Achselzucken. »Ich maße mir nicht an, Deine Natur ändern zu wollen. Doch Du weißt jetzt, wie Du daran bist. Gott befohlen.«

»Und möge der Teufel Dir das Fell streicheln,« fügte Belhumeur bei, indem er ihm verächtlich einen Fußstoß versetzte.

Der Häuptling schien sich gegen diesen neuen Schimpf unempfindlich zu verhalten; nur seine Augbrauen runzelten sich. Er rührte sich nicht von der Stelle, ließ aber einen Blick voll unversöhnlichen Hasses den Beiden nachschießen, die, ohne weiter auf ihn zu achten, sich in den Wald vertieften.

»'s ist jetzt gleichgültig,« sagte Belhumeur gedankenvoll, »aber es war nicht recht von Dir, Treuherz; Du hättest ihn tödten sollen.«

»Pah, warum dies?« entgegnete der Jäger unbekümmert.

» Cascaras! warum? Es hätte eine Natter weniger in der Prairie gegeben.«

»Es gibt ihrer so viele, daß eine mehr oder weniger nichts ausmacht.«

»Nun, meinetwegen. Aber wohin jetzt?«

»Wir suchen unsere Fallen. Caramba, glaubst Du, ich gebe sie verloren?«

»Ein guter Gedanke das.«

Die Jäger näherten sich dem Lager, aber nach Indianerart auf zahlreichen Umwegen, welche die Comanchen von der Spur abführen sollten; nach zwanzig Minuten hatten sie dasselbe erreicht. Die Indianer waren noch nicht zurückgekehrt, konnten aber unmöglich mehr lange ausbleiben. Ihr Gepäck lag zerstreut umher. Zwei oder drei Pferde, die nicht hatten ausreißen wollen, grasten ruhig fort.

Ohne Zeit zu verlieren, bemächtigten sich die beiden Jäger ihrer Fallen, von denen jeder sich fünf Stück auflud, und traten dann den Weg nach der Höhle an, in welcher ihre Pferde verborgen waren. Trotz ihrer Last trabten sie hocherfreut über den glücklichen Ausgang ihres Unternehmens und über den Streich, den sie den Indianern gespielt hatten, leichten Fußes dahin. Schon hörten sie in einiger Entfernung das gedämpfte Rauschen des Flusses, als ihnen plötzlich das Gewieher eines Pferdes an'sOhr schlug.

»Man verfolgt uns,« sagte Treuherz, Halt machend.

»Hm, vielleicht ist's ein wildes Pferd,« meinte Belhumeur.


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