Heinrich Zschokke
Addrich im Moos
Heinrich Zschokke

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22.
Der neue Hiob.

»Höre, Addrich,« sagte Fabian, indem er stehen blieb und den Alten zurückhielt, »Du guter und kluger Mann, sollte Dir der Schlüssel zu diesem Rätsel unsichtbar geblieben sein? Ja, Du bist gut und bist klug. Du willst aber oft klüger als gut sein; darum wird selbst Deine Tugend nur für Klugheit gehalten und darum verkennen Dich Gute und Schlechte.«

»Was willst Du mit Deinem Gerede? Wann wollte ich klüger sein als gut?«

»Wenn Dir der krumme Weg kürzer schien, als der gerade. Warum mußtest Du, zum Beispiel noch im Wirtshause von Gränichen, die albernen Bauern in der abergläubigen Erwartung von Deiner Hexenmeisterei bestärken? Warum wolltest Du selbst Epiphanias Hand mir zum Köder hinhalten, für den ich meinen Überzeugungen untreu werden sollte? Mußte sie auch das vielleicht nur dem Hauptmann Renold sein? Addrich, arbeite dem Volksaufstande entgegen, der sich jetzt wie wirbelnder Sturm um uns bewegt. Sei besser als klug!«

»O Du hochweises Kind von sechsundzwanzig Sommern mit dem Doktorhut auf dem unbärtigen Haupte, wenn Du einst, gleich mir, zwei Drittel eines Jahrhunderts am Gewebe Deines Lebens und vor tausend zerrissenen Fäden gesessen hast, dann setze Dich auf Addrichs Grab und überlege das Wort, das Du sagtest. Es wird Dir leichter sein, die Grenzen ineinanderfließender Schatten zu finden, welche von zwei Lichtern geworfen werden, als das zu unterscheiden, was in den Thaten der Menschen dem Rechte oder der Klugheit angehört. Nein, Fabian, der Mensch ist nicht des Schöpfers Meisterstück.«

»Addrich, lästere den Himmel nicht!«

»Ist der Gedanke Lästerung? Warum wuchs er in meinem Gehirne? Bin ich sein Schöpfer, oder ist's die Natur des Bodens, aus dem er von selbst hervorwuchs? Fabian, glaube es mir altem Manne, der Mensch hat eine Kleinigkeit zu viel, um jemals glücklich zu werden, nämlich seine Vernunft. Ohne Vernunft wäre er noch ein ganz behagliches, leidliche Tier; jetzt ist er ein widerliches Zwitterding, das mit verwachsenen und verstümmelten Gliedern nirgends hinreicht. Tier will er, kann er nicht sein; und wie er ist, sieht er mit der Vernunftlaterne nur die Finsternis, und erkennt weder von wannen er kommt, noch wohin er geht, oder wozu er ißt und trinkt. Nichts sieht er, als daß alles um ihn, er sich selbst Nacht ist, und daß eben im Widerspruch seines Daseins das ewige Elend desselben liegt. Gehe, Fabian, gehe! Ich habe diese Welt von allen Seiten betrachtet, und am Ende gefunden, sie sei nicht des ersten Blickes wert. Gehe, ich bin müde. Ich will ein wenig ruhen. Meine Nacht war ohne Schlaf. Laß mich hier allein.«

Addrich setzte sich während dieser Rede unter eine der ältesten Gönhardstannen in hochgewachsenes Moos und wandte das Gesicht zur Erde. Fabian aber ließ sich neben ihn nieder und sagte: »Deine alte Schwermut, in der Du, wie Hiob, an Gott und Menschen verzagest und Deinen Tag verfluchst, will Dich überfallen und quälen. Laß mich bleiben und Dir ein neuer Elihu, Baracheels Sohn, werden.«

Der Alte schwieg und richtete lange Zeit das Haupt nicht auf. Endlich that er einen schweren Seufzer und sprach: »Ich bin schlecht und recht wie Hiob gewesen, und habe Unglück, wie ein Ungerechter, und bin verstoßen, wie ein Übelthäter. Du kannst kein Elihu sein, denn ich bin kein Hiob. Dieser Mann vom Lande Uz hatte seine Wohltage genossen, und, wenn auch verloren, doch nach den Wehetagen wieder empfangen. Ich aber habe die meinigen nie gesehen, und werde sie nicht sehen. Zu ihm sprach ein Gott; mir aber bleibt der Gott stumm, den ich rief. Wem soll ich ein Leben danken, das ich verwünsche?«

»Schweige, Addrich, Gott könnte seinen Blitz zur Erde senden und Dein wahnsinniges Freveln strafen,« rief Fabian, den Alten beruhigend und ihm schmeichelnd die Achseln klopfend.

»Daß er's thäte! Wenigstens wüßte ich dann, daß er wäre.«

»Alter, willst Du an Gottes Sein verzweifeln?«

»Bin ich nicht meines Lebens Stimme? Mein Leben ists, das an ihm zweifelt, Es war kein Gott darin. Meine Mutter starb in den Wehen, damit ich nicht von ihr geliebt würde. Mein Vater stieß mich von seiner Brust, weil ich der Häßlichere war, und gab mir eine Stiefmutter. Ihr Sohn, mein Bruder, war schön. Er sollte der Abel, ich der Kain sein. Meine Knabenzeit ging dahin unter Thränen und Fluchen. Ich kannte keine Gespielen, wie andere Kinder haben, und schloß aus Herzensbedürfnis mit den Kettenhunden Freundschaft.«

»Laß gut sein, Addrich, ich weiß das. Wozu schärfest Du Deinen Schmerz immer an diesen Erinnerungen?«

»Höre mich an, ich will ausreden!« schrie Addrich mit Heftigkeit. »Siehe hinein in meine Wunden, und suche den Gott darin, und dann verurteile mich. Als ich ein Jüngling war, ging mir eine Sonne auf. Ich liebte und vergaß, daß ich häßlich geboren war. Doch Diethelm, mein Stiefbruder, war schöner, und die ich liebte, wurde meines Bruders Weib. Ich sah eine Sonne wieder. Mein Vater zwang mich zu einer anderen Ehe, des Geldes wegen. Vielleicht hätte ich mich noch mit meinem Lose versöhnen können, doch ich las täglich den Unmut in meines Weibes Blicken. Ihr Herz gehörte schon lange einem andern. Sie gebar Eleonoren und verstarb im verzehrenden Gram. Die Welt sprach, ich hätte sie vergiftet. Das Gerücht und der Abscheu der Menschen gegen mich war allgemein.«

»Manches Ehrenmannes guter Ruf, nicht der Deine allein, wurde vom stinkenden Nebel der Verleumdung dunkel. Aber die Sonne der Wahrheit, wenn sie auch untergeht, tritt schließlich immer an ihre himmlische Stelle zurück,«

»Für mich halten Wahrheit und Sonne ewigen Feierabend. Die Verleumdung lebt im Munde des Pöbels, ohne alle Nahrung, wie die Kröte im Stein. Ich konnte diese Scheu der Menschen vor mir nicht ertragen, übergab mein Kind, nebst Haus und Hof, dem alten Vater, fuhr den Rhein hinab und mit den Holländern über das Meer nach Ostindien. Ich irrte Jahre lang umher. Ich sah die Schätze vieler Länder, das Treiben, die Tracht und Sitten vieler Völker; aber unter allen Himmelsstrichen begegnete ich der selbstsüchtigen Bestialität wieder, die ich in den Bergen des Oberlandes verlassen hatte: nur hatte sie andere Hautfarbe, Sprache und Kleidung. Durch Mühe und Not manchen Jahres hatte ich ein Vermögen erworben, das für mich beträchtlich heißen konnte. Ich eilte nach Europa zu meinem Kinde und fiel auf dem Heimwege in die Hände afrikanischer Seeräuber. Zwei Jahre arbeitete ich als Sklave, bis mich ein italienischer Mönch loskaufte, um mich katholisch zu machen und für sich beim Himmelspförtner einen Stein im Brett zu haben. Als Bettler zog ich in meine Heimat ein, fand den Vater tot, mein Kind schwächlich geworden, mein geringes Erbteil treulos verwaltet und halb vergeudet.«

»Es ist wahr, Addrich, das Glück war Dir nicht hold, doch mich würde es stolz machen, wenn ich, wie Du, zurückschauen und sagen könnte: ich habe mit dem Schicksal gerungen und gesiegt.«

»Ja, wenn ich's sagen könnte! Aber von Sorgen verzehrt, von der scheuen Verachtung der Pöbels erdrückt, hielt ich mich nur allein noch an der Liebe meines Kindes, an den Krücken der Hoffnung aufrecht. Ich wollte die, welche mein Erbteil veruntreut hatten, anklagen; sie standen stolz und sicher im Schutze mächtiger Gönner zu Bern. Mir wies man die Thür. Ich reiste, guten Rat zu holen, zu meinem Stiefbruder Diethelm. Er lebte als Witwer mit seinem Kinde in Dürftigkeit, an der Lenk. Er hatte mehr durch die Schlechtigkeit des Landvogts, unter dem er gedient, als durch eigene Schuld Ehre, Amt und Vermögen eingebüßt. Statt mir zu raten, sprach er nur von sich, von seinen Hoffnungen, angestellt zu werden, wenn er den Rest einer Schuld tilgen könne, die ungefähr den Wert dessen betrug, was ich noch besaß. Er machte es mir wahrscheinlich, daß, wenn ich den Mut hätte, ihn zu retten, uns beiden geholfen werden könne. Ich schlug es ab, für ihn mit meinem Kinde zum Bettler zu werden. Er schwor, mich nicht zu täuschen; er schwor, mein Beistand bleibe die letzte seiner Hoffnungen. Er fiel, in Verzweiflung, mir zu Füßen. Ich dachte an mein armes Kind und verweigerte die Bürgschaft standhaft. Doch in der Nacht darauf, nach langem Kampfe mit mir selbst, entschloß ich mich dennoch, alles für den Bruder hinzugeben. Ich ging morgens zu ihm, um ihm meine Einwilligung zu verkünden. Ich fand ihn nicht mehr, sondern nur einen hinterlassenen Zettel mit den Worten: Suchet meinen Leichnam nicht; erbarmet Euch meines Kindes!«

»Ich kenne die gräßliche Begebenheit; ich war, glaube ich, damals ein fünfzehnjähriger Knabe. Der Pfarrer nahm sich der kleinen Epiphania an. Erzähle nicht weiter.«

»Man suchte ihn lange. Ich durchlief halb wahnsinnig die ganze Gegend und das ganze Gebirge. Ich klagte meine eigene Härte an. Erst sieben Wochen nachher erblickte ein Simmenthaler Gemsjäger Diethelms Hut in einem der Abgründe am Rawylgletscher, in dessen Nacht und Tiefe sich keiner hinunterwagen konnte. So war ich der Kain geworden, war es, ohne meine Schuld, und mein Schmerz war größer, als meine Schuld. Man legte mir aber mehr zur Last, als ich gesündigt hatte. Ich floh die feindselige Heimat zum zweitenmal, verkaufte all das meinige und siedelte mich im Moos an. Ich arbeitete Jahre lang, wie einst an der Sklavenkette des Afrikaners; aber es war für mein Kind. Ich rodete Wald auf, trocknete Sümpfe, machte Einöden urbar. Ich gewann durch Handel in Sempach, Willisau und Luzern. Ich kam zu Wohlstand, aber auch zum Ruf des Schatzgräbers, Straßenräubers und Bundesgenossen des Teufels. Für mein Kind, für die letzte und einzige meiner Freuden, hätte ich das mühseligste gethan, das härteste ertragen. Eleonore aber lebte nur Tage der Krankheit; jetzt lebt sie schon manche Woche nicht mehr, obgleich sie atmet. Meine Kräfte schwinden, Soll ich nicht das Ende meines Bruders Diethelm nehmen, so muß ich mich in großen Zerstreuungen berauschen und betäuben.«

»Der Rausch der Empörung, Addrich, war der unseligste von allen, die Dir zur Auswahl frei standen.«

»Meine Wege sind nicht Deine Wege, Bursche. Hättest Du, wie ich, in den Grund des Verderbens und Elends hinabgesehen, in welchem das Volk durch Regieren und Treiben derer niedergehalten wird, die von seiner Arbeit und Unkunde leben wollen: Du würdest keinen heiligen Rausch kennen, als den für Erlösung der Menschheit aus den Banden der Nacht und der Bestialität. Gehe, Du verstehst mich nicht; keiner versteht mich. Meine Sprache ist auf Erden nicht verstanden worden. Meine beste Tugend sieht aus, wie das Verbrechen. Als hinge ein verpestender Fluch an meinen Fingern, verdirbt und stirbt, was sie berühren, und der Atem meines Mundes zerfrißt selbst das sonst nie rostende Gold. Aber ich kann nun kein anderer sein, als der ich bin. Und wird die Welt durch nichts Göttliches von oben bewegt, will ich allein das Göttliche wider die Welt sein und das Licht über dem Wüsten und Leeren. Komme, Bursche, Du verstehst mich nicht; komme zu den Leuten; ich will wider Deine und ihre Sprache reden, damit Ihr alle nicht meinet, ich sei wahnsinnig, und auf daß Ihr mir keinen Vogt setzet, oder mich an die Kette schließet. Komm'!«

Addrich sprang von der Erde auf und verfolgte mit großen Schritten den Fußweg über den Bergrücken. Fabian ergriff ihn im Gehen bei der Hand und sprach mit Herzlichkeit: »Addrich, Du eilst Deinem und Deines Landes Verderben entgegen.«

Indem er dies sagte, schloß sich das Dickicht vor ihnen auf und eine weite, prächtige Landschaft entfaltete sich vor ihnen im Glanz der Sonne, mit Wiesen, Wäldern, Burgen, Dörfern und Flecken, umfangen vom Halbmonde des stolzen Juragebirges und durchwebt von den Wellen des vielgewundenen Aarflusses.

»Schaue hinab, Addrich!« rief Fabian von der Almen. »Ist es göttlich, Mordfackel und Verwüstung in dies ruhige Eden zu werfen?«

»Thor!« erwiderte der Alte. »Was nennst Du göttlich? Das Leben um uns her, oder den Staub daran und darum? Mögen doch Hütten und Kerker zu Asche werden, wenn nur die erlösten Sklaven zur Freiheit eingehen. Siehe die Wiesen, wie sie dem Frühlinge entgegengrünen; die Bergspitzen, wie sie den Schneemantel abstreifen, und die dürren Wälder, wie sie ihres Schmuckes gewärtig sind; soll nun das Menschengeschlecht allein den Winterschlaf, ohne einen Frühlingsmorgen, schlafen?«

»Addrich, laß mich zum letzten Male . . .«

»Ja, denn zum letzten Male. Ich will untergehen, oder das Edlere muß auferstehen!« Mit diesen Worten ging der Alte hastig in gerader Richtung bergab, einer mit Spießen und Morgensternen bewaffneten Schar Bauern entgegen, die sich am Suhrbache in langen Reihen gegen die Stadt fortbewegte.

23.
Der Landsturm.

Fabian ließ den lärmenden Haufen vorübergehen. Er betrachtete nicht ohne Unruhe die bedrohte Stadt, welche ihre finstern Giebel und Türme mit furchtsamer Neugier über die Ringmauern hervorzustrecken schien, während die Ebene des Suhrfeldes, zwischen dem Gönhardhügel und dem Aarufer, von den aufrührerischen Banden wimmelte. Einige tausend Mann lagerten oder standen auf Äckern und Wiesen, in ungeordneten Rotten, oder liefen verworren durcheinander. Man hörte das Geräusch ihrer lauten Beratungen, welches dann und wann von Musketenschüssen und Trommelwirbel derer begleitet wurde, welche ihre kriegerischen Werkzeuge versuchen wollten. Als wenn sich die Bäume der dichten Tannenwälder in Menschen verwandeln könnten, so sah man aus deren Schatten sich immer neue Schlachthaufen ergießen, die mit ihren Fahnen die Zahl der Anwesenden vermehrten.

Behutsam stieg der Jüngling von der Höhe hernieder und ließ sich von dem Bache, welcher seit Alters die Straßen und den Gewerbebetrieb Aaraus belebt, zur obern Vorstadt führen. Auch hier begegneten ihm schon in allen Gassen die trotzigen, kecken Gesichter des Landsturms. Auf dem Platze vor dem großen Löwen stand die Fahne von Rynach aufgepflanzt. Dort sah er das Gewühl der Bauern am dichtesten um einige Menschen, in deren Mitte einzelne derbe Stimmen vernommen wurden, wie sie bei Beratungen oder im Streite in der Regel laut werden. Als er das Gedränge bis zum innern Kreise durchbrochen hatte, erblickte er, unter vielen unbekannten, wilden Gesichtern, den über seine Nachbarn riesenhaft hervorragenden Addrich, und ihm gegenüber, neben einigen Ratsherrn der Stadt, den Junker Mey von Rued.

»Somit haben wir Euch unsere Willensmeinung kund gethan,« sagte ein stattlich gekleideter Landmann, dessen Worten alle aufmerksam zuhörten. »Und für diese Meinung sind zehntausend Schwerter bereit, ihre Scheiden zu verlassen. Wir sind nicht wider Euch ausgezogen, Ihr Herren von Aarau, also sollet Ihr auch nicht wider uns stehen. Gestattet Ihr aber fremdem Volk den Zug durch Eure Stadt, so sollet Ihr ihn billig auch Euren Landsleuten nicht versagen. Feindliche Besatzung bei Euch dulden wir nicht. Wenn die Baseler und Mühlhausener nicht bis Mittag abziehen, werden wir dieselben angreifen und herausstäupen. Dann aber, Aarauer, kann niemand Bürgschaft leisten, daß die Wut des Volkes nicht über die Schnur haue. – Ihr wisset gar wohl, daß das Unglück breite Füße hat, und sich, wo es einmal steht, nicht leicht fortstoßen läßt. Also nehmet Eure Schanze wahr!«

»Ihr Männer,« rief der Oberherr von Rued, »leihet mir noch einmal Euer Gehör, denn mein Innerstes erzittert, Euch in dieser beispiellosen Verblendung dem Abgrunde des Verderbens entgegentaumeln zu sehen. Wenn Euer guter Engel Euch plötzlich aus dem Rausche, in welchem Ihr jetzt ohne Überlegung umhertobet, zur nüchternen Besonnenheit wecken wollte, Ihr müßtet erschrecken, Euch vor Aarau zu erblicken, statt in der gewohnten Hütte bei Weib und Kindern; mitten im Frieden mit den Waffen in der Hand, statt in ländlichen Arbeiten geschäftig. Würdet Ihr nicht einander mit erstaunten Mienen fragen: warum oder durch welches Zauberspiel Ihr hier ständet, wie von einem Sturm zusammengewehet? Kommt nicht jedem von Euch, was Ihr höret und sehet, unglaublich vor, wie ein Traum?«

»Ich glaub's,« rief einer aus dem Haufen, »es dünkt dem Junker ein Traum zu sein; uns aber nicht, denn wir sind eben wach geworden.«

»Wenn Ihr denn wach seid,« fuhr der Oberherr fort, »so überlegt, wie Wachende; klettert nicht gleich Nachtwandlern beim Vollmond mit geschlossenen Augen und von Einbildungen verführt über die Firste der Dächer, statt auf gebahnter Straße zu bleiben. Was wollt Ihr? Ihr seid unzufrieden darüber, durch die Münzverordnung einige Batzen einbüßen zu müssen. Aber daß Ihr statt dessen durch die angerichtete Verwirrung und den Einzug fremder Soldaten Eure Felder brach liegen lasset, Eure Vorräte dem Raube, Eure Dörfer den Flammen, Eure Weiber und Kinder dem Elend und der Schande und Eure Leiber den tödlichen Kugeln preisgebt, damit seid Ihr zufrieden? – Was wollt Ihr? frage ich. Gesetzt, unsere hohe Regierung hätte in einigen Dingen gefehlt, so wäre es ein Irrtum gewesen, dem der Weiseste nicht entgeht. Und diesen Irrtum denket Ihr mit dem Verbrechen des Aufruhrs und Hochverrats zu verbessern? Habt Ihr gerechte Beschwerde, warum tretet Ihr nicht mit geziemender Ehrfurcht vor die von Gott eingesetzte Obrigkeit, vor Eure Landesväter? Oder wollet Ihr Eure eigenen Kinder lehren, daß sie Euch sogleich das Brotmesser aufs Herz setzen müssen, wo sie bitten sollen? – Wohin wollt Ihr? Die starke Stadt und Veste Bern erobern, die Euren ungeordneten, schlechtbewaffneten Haufen ihre geübten, mit allen Schlachtbedürfnissen wohl versehenen Scharen und kriegskundigen Feldobersten entgegenschickt? Glaubt Ihr, daß vor Eurem Geschrei und Fluchen die Wälle und Mauern Berns erschrocken zusammenfallen werden, sie, die Euch aus hundert ehernen Feuerschlünden donnernde Antwort erteilen können?«

Obgleich er diese Worte mit Würde und Ruhe, mit jenem traulichen Ausdruck des Wohlwollens und anspruchlosen Wesens geredet hatte, den die Völkerschaften der Schweiz an ihren Obrigkeiten lieben, so schien doch die versammelte Menge diesmal wenig darauf zu achten. Das Geschwätz, das Lachen und laute Zwischenrufen wurde während der Rede des Junkers immer lauter, bis Addrich die heisere Stimme erhob und sprach: »Mit Erlaubnis, Junker Oberherr, wenn schon sich bei Euch zu Bern das Recht drehen und biegen läßt wie Wachs, ist es in der Hand des Gerechten doch Stein und Eisen. Bei Sempach standen die Schweizer nur in dünnen Hirtenhemden und die Ritter alle jeder in seine eiserne Mauer eingepanzert; und dennoch wurden die Harnische dort mürber als Leinwand, und die Hemden fester als Erz. Wenn Ihr an eine göttliche Gerechtigkeit glaubt, der wenig daran liegen mag, ob sie es mit bernischen Ratsherren verderbe, so glaubt, sie wird vor unsern Fahnen herziehen, gegen Eure Zwingherrnwälle und mit dem Schwerte der Vergeltung Eure stolzen Häupter zu treffen wissen.«

Während der Alte sprach, hatte alles, Kopf an Kopf, ringsumher geschwiegen und mit geöffneten Mäulern und unbewegten Augen zugehorcht, daß ihnen keine Silbe entgehe. Der Oberherr von Rued, fest und mit hoheitlichem Ernst den Blick auf ihn geheftet, hörte ihn mit scheinbarer Kälte an, doch bemerkte man an der wechselnden Farbe seines Gesichtes, daß ihm der Zorn in der Brust koche.

»Schweig, Mooser,« rief er, ohne seine angenommene Gelassenheit zu verlieren, »denn Du, von allen diesen irregeleiteten Biedermännern, hast am wenigsten das Recht, mit jenen Strafgerichten zu drohen, welche die Langmut des Himmels bisher von Dir zurückhielt. Gerade Menschen Deines Gelichters müssen es sein, Menschen ohne Ehre und Glauben, Menschen ohne Gottes- und Menschenfurcht, die, wenn sie Eheweib und Bruder kaltherzig in den Tod gejagt und mit verdammten Mitteln ungerechten Mammon zusammengescharrt haben, endlich noch das arme Volk in den Abgrund stürzen, um auf den Stühlen der rechtmäßigen Obrigkeit sitzen zu können. Gehe, Dich hat Gott gezeichnet und man sieht Dir in der Beelzebubsfigur von oben bis unten das Handwerk an, mit dem Du für Rechnung des Teufels arbeitest. Aber Deine häßliche Haut ist noch ehrlicher, als Dein Herz und hat Dir den grauen Schädel schon vergebens mit der Asche der Reue bestreut, von der Deine verkaufte Seele noch nichts weiß.«

»Junker Oberherr von Rued,« entgegnete Addrich mit Gleichgiltigkeit, »mag es Euch immerhin belieben, mich zu schelten: ich verzeihe Euch. – Aber von diesen Leuten hier urteilet ehrlicher. Eure Selbstsucht, Ihr Herren, Eure Herrschgier hat dies Volk in den Abgrund der Rechtslosigkeit gestürzt und aus Schweizern dumme Sklaven gemacht. Nicht ich, keiner kann es tiefer stürzen, als Ihr es selbst schon gethan habt. Diese Menschen hier, erlaubt es, Ihr Herren und Götter der Erde, alle möchten gern wieder Menschen sein, und zwar einen Gott im Himmel haben, aber nicht zweihundert auf dem Berner Rathause.«

Diese Worte schlugen bei der Volksmenge durch. Die Bauern jauchzten dem greisen Redner Beifall zu und riefen: »Recht so, das ist's! Der Mooser macht dem Junker den Knoten auf. So muß es kommen!«

Der Oberherr wurde im Gesichte glühend rot und sprach mit funkelndem Blicke zu Addrich: »Schweig, Du bist schlüpfrig, listig, ich weiß es, kalt und giftig, wie eine Schlange, aber Du kriechst doch nur dem Rabenstein entgegen . . . Ihr Leute, es ist wahr, Ihr begeht schwere Fehler, aber Ihr seid verführt. Ich verkündige Euch Verzeihung. Gehorchet der hohen Obrigkeit, der Ihr mit Euren Eiden Huldigung geleistet habt; ergreifet diesen grauen Schelm, diesen Addrich, bindet ihn und führet ihn gefangen in die Stadt. Gehorcht!«

Das Gebieterische in der Stimme des Oberherrn, die furchtlose Hoheit in seinem Äußern schienen den Volkshaufen einen Augenblick lang zu erschüttern. Mehrere unter den Bauern zogen die Kappen und Hüte ab. Addrich's Gesicht faltete sich zu einem bitteren Lächeln. Plötzlich schrie eine kräftige Stimme aus dem Gedränge: »Lasset mich hindurch, daß ich dem Falschwerber Mores lehre, der also gegen den Kriegsgebrauch verstößt!«

Ein schöner junger Mann mit flammenden Blicken trat in den Kreis. Es war Hauptmann Gideon, welcher sich dicht vor den Oberherrn hinstellte, den linken Arm in die Seite gestemmt, die rechte Hand mit drohendem Zeigefinger in die Höhe gehoben. »Ihr möget es Eurer Stellung danken. Junker,« sagte er, »und daß Ihr als Abgesandter der löblichen Stadt Aarau erschienen seid, sonst solltet Ihr wegen schlecht beobachteter Ehrfurcht gegen Hauptleute und Kriegsvolk ungesegnet von hinnen kommen. Versteht Ihr die Ausführung Eures Auftrags nicht besser, und wollt Ihr unsere Mannschaft verführen, so machet Euch auf und davon, widrigenfalls wir Eure unerhörten Begehren mit harter Münze bezahlen werden.«

»Wer bist Du?« versetzte der Oberherr und maß den neuen Redner vom Wirbel bis zur Sohle mit den Augen. »Wisse, Rebell, wen Du von Dir hast!«

»Mit Eurer Gunst, Herr, ich bin Hauptmann Gideon Renold, und, ohne Eitelkeit zu melden, habe ich andere Majestäten gesehen, als Eure Magnifizenzen von Bern. Der große General Torstenson, und selbst der berühmte Fürst Ragoczi haben mich nach der Schlacht bei Jankow . . .«

»Schweig, Bursch!« unterbrach ihn der Oberherr, der sich setzt seiner wieder erinnerte, mit Heftigkeit. »Hätten Dich meine Leute vor wenigen Tagen erwischt, so könntest Du heute die hungrigen Turmratten mit Deinen Prahlereien dick füttern. Gehe mir aus den Augen, Schwätzer; ich habe nur mit jenen ehrlichen Leuten zu reden.«

Höhnischen Grimmes versetzte Renold: »Wollte ich meiner Würde und Eurer Eigenschaft als Abgesandter vergessen, so läget Ihr schon zu meinen Füßen niedergestreckt. Aber ich getröste mich, Euch bald im Treffen mit Degen oder Pistol zu begegnen, und, auf Kavaliers-Parole! Wo ich Euch das erste Mal ertappe, müßt Ihr Kugel und Klinge im Leibe fühlen, der Dampf soll Euch aus dem Halse fahren!«

Der Hauptmann begleitete diese Worte mit einem so lebhaften und drohenden Geberdenspiel, daß seine geballte Faust ziemlich nahe vor dem Gesichte des Oberherrn umhertanzte. Dieser, voll Unwillens, stieß mit dem Ausruf: »Frecher Kerl!« Gideon's Arm zurück. Der Hauptmann griff nach seinem Degen, ließ denselben aber wieder fahren, und entriß einem der Umstehenden den Spieß.

»Ich will diesen Junker wie einen Hund, nicht wie einen Soldaten hinausjagen,« brüllte er, kehrte den Spieß, und schlug mit dem Schaft über des Junkers Kopf, daß der Speer entzwei brach.

Addrich zog den Wütenden, der zu schlagen fortfahren wollte, rücklings an sich. Die Ratsherrn von Aarau umringten erschrocken den Oberherrn und rissen ihn in eilfertiger Flucht mit sich zum Thore der Stadt; auch Fabian von der Almen gesellte sich zu ihnen. Wildes Gelächter, lautes Gebrüll, mit einigen Musketenschüssen vermischt, scholl den Fliehenden nach, durch die Vorstadt hin. Man öffnete der zurückkehrenden Gesandtschaft die kleinere Thorpforte, wo die Baseler Wache hielten, und ließ sie ein. Ein Haufen neugierigen Volkes folgte den Abgeordneten auf dem Zuge nach dem Rathause. Dieses erhob sich mit großer Geräumigkeit auf dem Platze der alten Burg und Veste Rore, an deren beinahe tausendjähriges Turmgemäuer sich Flügel und Dach des Gebäudes anlehnten, Ringmauer und Gräben waren längst verschüttet und zur offenen Straße geebnet. Die Außenseite des Hauses prangte in der Zierlichkeit, wie sie in damaliger Zeit in fast allen Städte angetroffen wurde, mit großen, bunten Mauergemälden, welche die Haupttugenden einer christlichen Obrigkeit sinnbildlich darstellten. Auf der steinernen Wendeltreppe eines der runden Vortürme gelangte der Zug zum Ratssaal, wo Schultheiß, Räte und Bürger beisammensaßen, mit ihnen die Obersten und Hauptleute des fremden Kriegsvolks. Groß- und Kleinweibel, in die Stadtfarben gekleidet, das Zeichen ihrer Würde, den langen, schwarzen Stab mit Silberknäufen, in der Hand, standen dem Schultheiß gegenüber, der, von seinem Thronsessel unter dem Wappen der Stadt, die Beratungen der Versammelten mit ernster Gewichtigkeit leitete. Fabian, des Ausgangs der Dinge begierig, blieb nebst den übrigen Zuschauern an der offenen Thür zurück.

24.
Die ersten Kriegsthaten.

Sobald die Abgeordneten, nach ausführlicher Betitelung und Begrüßung, über den Erfolg ihrer Verrichtungen Rechenschaft abgelegt hatten, fragte der Schultheiß die Hauptleute von Mühlhausen und Basel, ob sie dem Begehren der rebellischen Bauern willfahren und die Stadt räumen oder Widerstand leisten wollten.

»Fürwahr,« rief Oberst Zörnli von Basel, »es bedarf der Frage nicht. Ich stehe mit meinen tapfern Soldaten auf höchsten Befehl in dieser Stadt, und bekümmere mich wenig um die Frechheit jenes verfluchten Gesindels draußen. Wenn ihrer zehntausend wären, würden wir uns zu verteidigen wissen, so lange noch ein Haus steht. Lebendig soll mich niemand hinausbringen, nein, sondern stückweis muß ich von meinem Posten gerissen werden.«

»Wohlgesprochen, Herr Oberst, ganz schön,« sagte der Schultheiß von Aarau. »Auch könnet Ihr darauf zählen, die Bürgerschaft werde dabei die Hände nicht müßig in den Schoß legen, wenn es gilt, einen Feind, wer er sei, von ihren Mauern abzuweisen. Allein mich bedünkt dennoch, Ihr sollet die Schnur nicht zu weit ausdehnen und vorher schauen, ob Eure tapfern Soldaten das Herz haben, wo Ihr den Willen. Denn es ist kein Geheimnis, und von ihnen rund heraus gesagt worden: sie mögen gegen die Bauern nicht streiten, viel eher gegen die Bürger. Somit hätten wir Aarauer Feinde in der Stadt und außerhalb der Stadt.«

»Herr Oberst,« sprach der Junker Mey von Rued, »die Besorgnisse des Herrn Schultheißen scheinen gegründet; Mut und Treue Eurer Leute sind verdächtig. Ein großer Teil derselben ist der Sache der Rebellen zugethan. Wollet Ihr gutem Rate folgen, so schließet Euch an mich an, und führet Euer Volk auf das Schloß Lenzburg. Ich begleite Euch und übernehme alle Verantwortung. Aarau ist kein Platz, der sich halten kann. Ihr würdet Euch und die brave Stadt unnützerweise in Not stürzen. In das Lenzburger Schloß wagt sich das rebellische Geschmeiß nicht. Dort steht Ihr sicherer und mit den Schaffhausenern im benachbarten Brugg zu gegenseitiger Hilfe in Verbindung.«

Der Oberst schüttelte den Kopf und rief: »Hier ist mein Platz. Hier sitze ich fest wie ein eingerosteter Nagel. Meine tapfern Leute denken alle nicht minder entschlossen als ich. Gelt, Herr Hauptmann Paul Bekel?«

Mit einer Geberde, die genugsam andeutete, welcher Meinung er sei, indem er die Unterlippe, wie zum Hohn, aufwärts, die Augenbraunen tief und verdrießlich bis an die Nasenwurzel zog, antwortete der Hauptmann: »Ohne Zweifel, unsere Mannschaft ist so heldenmütig, wie irgend eine. Es ist nicht leicht ein Kerl darunter zu finden, der nicht seine Narbe trüge, die er als Chiltbube oder hinterm Wirtstisch durch ein Bankbein, oder durch ein Hagscheit, oder durch eine Weinflasche erhielt, die ihm am Schädel zersprang. Die Burschen aber sind von der Schule her schlechte Rechenmeister, halten 10 für 100, wollen nicht aus der Stadt, weil ihrer eine Million Bauern auf dem Felde wartet, und machen es wie einfältige Richter, welche die Gründe nicht nach dem Wert, sondern nach der Anzahl schätzen.«

»Was?« rief der Oberst ärgerlich. »Wollen nicht aus der Stadt? Herr Hauptmann Paul Bekel, Ihr habt wider Eure . . .«

Hier wurde er durch die plötzliche Ankunft eines Offiziers unterbrochen, der mit lauter Stimme meldete, daß die Soldaten samt und sonders zum Gewehre griffen; daß alles in größter Unordnung sei; daß die rebellischen Bauern draußen neue Verstärkung empfangen hätten und in großen Haufen gegen die Stadt andrängten.

»Die sollen mit blutigen Köpfen linksum machen,« sagte der Oberst, »Seht Ihr, Herr Hauptmann Paul Bekel, wie es unsere Mannschaft von Basel und Mühlhausen meint? Auf, Ihr Herren, laßt uns den ungezügelten Mut der Besatzung auf die rechten Punkte leiten. Vorwärts! Wo ist der Sammelplatz unserer Soldaten, Herr Leutnant?«

Der Offizier, der die Botschaft gebracht hatte, erwiderte: »Herr Oberst, nirgends und überall, wo sich jeder am sichersten glaubt; die einen unterm Stroh, die andern in Ställen und Kellern; viele laufen durcheinander, über die Aarbrücke hinaus. Keiner glaubt, daß er mit dem Leben davonkomme, und die meisten haben wirklich schon Hören und Sehen verloren. Ich bin in manchem Krieg und Streit gewesen, Herr Oberst, aber ich will zum Reitbesen der häßlichsten Hexe werden, wenn ich je solch Krethi und Plethi gesehen habe.«

Der Oberst stand bei dieser Nachricht lange verblüfft da, während Hauptmann Bekel neben ihm drollige Gesichter schnitt.

»Meine Herren, hier ist Verräterei im Spiele. Folgt mir!« sagte der Oberst und verließ den Saal. Mehrere Ratsherren folgten ihm.

In der That sah es in den Gassen aus, als wäre der Feind schon durch alle Thore hereingebrochen. Die Soldaten liefen mit Sack und Pack vorüber, ohne ihres Obersten und seines Fluchens zu achten; die bewaffneten Bürger schrieen einander zu, nach welchem Thore man zur Verteidigung der Stadt eilen müsse. Weiber, rannten erbleicht und schreiend umher, ihre Kinder zu suchen, die vor den Häusern spielten. Indessen erfuhr man eben so bald, daß alles blinder Lärm gewesen, und die Bauern draußen keinen Schritt zum Angriff gethan hätten. Als Oberst Zörnli, begleitet vom Junker Mey und einigen Ratsherren, ebenfalls zur Aar eilte, um die Soldaten zur Rückkehr zu bewegen, fanden sie diese schon geschäftig, die Brücke abzubrechen oder in Brand zu stecken. Einen andern Haufen sahen sie mit Spießen und Gewehren um einen jungen Menschen versammelt, der, mit dem Rücken gegen eine der Wände, den Degen in der Faust, sich gegen alle verteidigen zu wollen schien. Es war der junge Fabian von der Almen.

»Leistet mir Hilfe, Ihr Herren!« rief er den kommenden Offizieren zu. »Eure Leute wollen mich ermorden, weil ich mich ihnen widersetzte, die Brücke der Stadt unnützerweise zu zerstören.«

»Nichts, nichts!« schrieen die, welche ihn umzingelt hielten. »Er ist ein Erzschelm, ein Spion, ein Rebellenbefehlshaber. Er muß hangen.«

Der Oberst sprang dazwischen und rief: »Junger Mensch, wer Du auch bist, den Degen her, gieb Dich gefangen! Vier Mann und ein Feldwebel vor! Führt ihn fort zur Hauptwache! Wehe dem, der ihn antastet! Er steht unter meinem Schutze, bis ich ihn schuldig oder unschuldig weiß. Junger Mansch, auf mein Ehrenwort, gieb mir den Degen. Hast Du ein gutes Gewissen, behältst Du eine heile Haut. Ich bin der Oberst Zörnli von Basel.«

»Herr Oberst,« sagte Fabian, indem er ihm den Degen überreichte, »ich vertraue Eurem Ehrenwort. Jetzt rettet die Brücke!«

Einige Bewaffnete umringten den Jüngling, führten ihn aber, trotz aller Befehle und Drohungen des Obersten, statt zur Hauptwache der Stadt, über die Brücke hinaus in das Schützenhaus, indem sie schrieen: »Wir setzen keinen Fuß in die Stadt; da sind wir verraten, Die Bürger halten mit den Rebellen zusammen.« Der Oberst ließ geschehen, was nicht zu hindern war, und mußte froh sein, daß er, mit Beistand des Oberherrn von Rued und einiger Ratsherren, die Soldaten bewegen konnte, die Brücke unabgebrochen zu lassen.

»Ihr Herren von Basel und Mühlhausen,« sagte Junker Mey nach gestilltem Lärmen, »wie viele Offiziere habt Ihr im Ganzen?«

»Wir sind unserer siebenundzwanzig auf fünfhundert Gemeine,« antwortete einer der Hauptleute.

»In dem Falle lebt wohl, Ihr Herren! Ich begebe mich nach Königsfelden in Sicherheit. Ich begreife, Ihr seid zu schwach, weil nur siebenundzwanzig Mann gehorchen, wo fünfhundert Befehlshaber sind.« Mit diesen Worten wandte sich der Oberherr von Rued gegen die Stadt hin.

Der Oberst aber, indem er die bittere Pille verschluckte, murmelte einige Verwünschungen zwischen den Zähnen, suchte sein neues Hauptquartier zwischen den beiden Aarbrücken auf, ordnete vor dem Schützenhause die dort umhergelagerte Mannschaft, und erfreute sie mit der Nachricht, daß man Speise aus der Stadt herbeischaffen werde. Das Kriegsvolk, vom Schrecken genesen, überließ sich nun ungebunden seiner Fröhlichkeit. Man tanzte, würfelte, trank, spielte und pries die Bürger von Aarau, welche ihre Thore gegen die Rebellen selbst bewachten und dennoch den abgezogenen Beschützern Nahrungsmittel zuführten, Aber die Lust verstummte plötzlich, als gegen Abend, von Westen, aus der Ferne der Donner der Lärmkanone des Schlosses Gösgen erscholl, und das Gerücht ging, es wären bei zwölfhundert Rebellen des Solothurner Gebietes auf dieser Seite des Flusses im Anzuge. Hastig wurde aufgepackt, Kriegsrat gehalten und der Rückzug in die Dorfschaften der Ämter Schenkenberg und Biberstein angeordnet, Umsonst verlangte Fabian Untersuchung oder seine Freilassung; der Oberst nahm den Jüngling als Kriegsgefangenen mit sich und versprach ihm die Erfüllung seines Wunsches auf den folgenden Tag. Ehe aber der andere Morgen noch angebrochen war, heulten auch die Sturmglocken schon längs dem Gebirge des Amtes Schenkenberg auf dieser Seite des Flusses. Wenige Stunden später erblickte man auf den Höhen zahlreiche bewaffnete Scharen in Bewegung und zum Angriff bereit. Der Oberst von Basel versammelte alsbald seine Schlachthaufen und pflog Rats mit den Offizieren, als die Ankunft einer Gesandtschaft der feindlichen Rotten gemeldet wurde. Die Verlegenheit sämtlicher Hauptleute sprach aus ihren Worten und Geberden. Sie hatten in den Mut und die Treue ihrer Soldaten so wenig Vertrauen, als auf die Großmut des empörten Landvolkes. Der Zahl nach zu schwach gegen die Schwärme des allgemeinen Aufstandes und an Kriegszucht und Waffenübungen denselben nicht überlegen, sahen sie ihren unvermeidlichen Untergang voraus.

»Bei meiner armen Seele!« rief Hauptmann Bekel endlich, indem er die bestürzten Geberden seiner Waffengefährten betrachtete, und darüber in ein Gelächter ausbrach, das ihm Thränen erpreßte. »Solch verfluchter Krieg ist in der Welt nicht erhört, Ihr Herren. Machen wir zuletzt Spaß aus der Sache, wie Hanswurst in der Komödie, wenn der Teufel mit den sieben Todsünden gegen ihn ins Feld rückt. Stellen wir uns auf die Zehen; machen wir uns zu Riesen; füllen wir den Mund mit Armeen, Kartaunen und Granaten; verwandeln wir unsere armselige Mannschaft in eine Vorhut von 20 000 Mann, die uns auf dem Fuße nachkommt; schildern wir unsere Leute, als wären sie wütige Eisenfresser. Das kann uns retten, oder nichts. Wir müssen den Bauern Angst einjagen, und mit ihnen von oben herab, gebietend, wie Berner Landvögte reden. Ich wette, sie bücken sich unterthänigst und ziehen den Filz vom Kopf!«

Während er so, stets vom eigenen Lachen unterbrochen, sprach, ergriff die Lachlust auch alle Übrigen in solchem Maße, daß sie kaum ein Wort hervorbringen konnten. In großer Verlegenheit sind lustige Leichtfertigkeit und traurige Verzweiflung oft neben einander laufende Auswege, und nichts grenzt so nahe an das Ernsthafteste, als das Lächerliche. Inzwischen wirkte der Anblick der fröhlichen Hauptleute wohlthätig auf die Gemüter des Baseler und Mühlhausener Heerbannes, die in Schlachtordnung auf dem sogenannten Leuenfelde, an der Straße von Aarau nach den Bergdörfern hin, aufgestellt waren, und des Ausgangs der Dinge mit Bangigkeit harrten. Sie schlossen aus dem Gelächter, die Gefahr müsse wenigstens nicht groß sein. Ganz entgegengesetzten Eindruck schien dies närrische laute Lachen auf die herankommende Bauern-Gesandtschaft zu machen, welche, aus mehr als zwanzig Männern zusammengesetzt, dreimal still stand und, darüber beratend, sich in einen dichten Knäuel zusammenrollte.

Oberst Zörnli, von den Hauptleuten begleitet, nahm, als die Bauern herantraten, eine ernste Miene an, warf sich in die Brust und rief: »Nun Ihr Leute, wie stehts? Wollt Ihr Euch unterwerfen?«

Ein stattlicher Landmann, im Sonntagsrock, mit zwei Fuß hohem, schwarzem Federbusch auf dem runden Hute, trat aus dem Haufen hervor, bückte sich mit halbem Leibe und sagte: »Glückseligen, guten Morgen, Ihr Herren! Wenn Ihr da der Oberst Zörnli von Basel seid, thuts mich wohl erfreuen. Ihr sollt wissen und ich thue Euch hiermit anzeigen, daß Ihr nicht vermeinet, ich sei bloß der Schmied von Veltheim, sondern ich bin der General von unserer Armee.«

»Du bist ein guter Kerl, Schmied,« antwortete der Oberst, »und verstehst Dein Handwerk, wie ich von allen Seiten höre. Sage mir, wie viele Schmiedeknechte hältst Du? Denn wenn Du billige Preise machst, sollst Du Arbeit vollauf bekommen. Viertausend Reiter und vierzig Kanonen des Fußvolks sind heute über die Schafmatt und den Hauenstein im Anzuge; da geht auf den schändlichen Straßen mancher Radnagel, manches Hufeisen verloren.«

Der Oberst sprach dies mit solcher Zuversicht und vornehmer Miene, daß der Schmied von Veltheim fast die Fassung verlor, den Hut hinterwärts abzog und mit der Hand sich verlegen hinterm Ohr krauete. »Was das anbelangt,« sagte er, »so wäre es von Euch keine üble Meinung, Herr Oberst, und der Verdienst wäre wohl mitzunehmen, denn die Zeiten sind heutigen Tages schlecht. Jedennoch muß ich Euch hiermit berichten thun, daß ich eigentlich komme . . .«

»Wir bezahlen übrigens bar,« unterbrach ihn der Oberst, »das ist der Befehl unserer gnädigen Herren und Obern. Ich bin mit meiner Vorhut vorangeschickt, alles einzurichten. Bei Veltheim und Schinznach kommt das Gepäck und Fuhrwerk von zehntausend Mann zu stehen. Ich weiß zwar, Meister, Du hast Feinde. Man hat mir behauptet, Du wärest ungeschickt, könntest keinen Pflug herstellen und Dein Eisen hätte den roten und kalten Bruch . . .«

»Herr Oberst,« schrie der Schmied von Veltheim aufgebracht, »das ist erstunken und erlogen, und rührt von dem versoffen Schmied von Thalheim her, seit ich die Arbeit im Schlosse Kastelen habe. Aber besser Neider als Mitleider, pflege ich zu sagen, Herr Oberst.«

»Das sage ich eben auch, Meister,« unterbrach ihn der Oberst. »Aber wer sind die guten Leute da bei Dir? Giebts nicht Müller, Bäcker, Schuster und andere Handwerker darunter? Hat einer von ihnen Getreidevorrat, Mastvieh? Ich kaufe alles für die Armee auf.«

Hier drängte sich der größte von den Landleuten aus dem Haufen hervor und rief mit heiserer Kehle und grimmigem Blicke: »Wir sind insgesamt Schmiedeknechte, Herr, und im Begriff, Euren frechen Hochmut unter den Hammer zu nehmen.«

»Donner!« schrie der Schmied von Veltheim. »Lasse mich doch reden. Ich bin ja der General und Du gehörst nicht ins Amt Schenkenberg. Rede Du drüben, jenseits der Aar, für Deine Kulmer, hier hast Du kein Recht.«

»Nichts, Schmied, schweig! Der Mooser soll das Wort führen,« schrie lärmend der Haufen der Abgeordneten. »Er versteht's; Addrich, rede!«

»Nun, was giebt's?« rief der Oberst mit gerunzelter Stirn. »Wer bist Du, guter Alter?«

Addrich trat ihm entgegen und sagte mit festem, kräftigem Ton: »Ihr seid umzingelt von den Fahnen des Schenkenberger Amtes. Euer Rückweg zur Schafmatt ist von zweitausend Solothurnern, welche bis Erlisbach hin stehen, abgeschnitten. Aarau ist diese Nacht von unseren Leuten besetzt worden und die Schaffhausener haben von Brugg schon ihren Rückzug angetreten. Eure Armee mit viertausend Reitern und vierzig Kanonen ist noch beim Baseler Pastetenbäcker im Ofen. Streckt das Gewehr, Ihr seid gefangen! Wo nicht, so hauen wir alle in die Pfanne, bis auf einen, den wir ohne Ohren und Nase heimschicken, damit er melde, wo Ihr andern ins Gras gebissen habt.«

Der Oberst, überrascht durch diese Anrede, sammelte sich schnell wieder, fluchte, drohte vorzudringen, alle Dörfer in Brand zu stecken und des Kindes im Mutterleibe nicht zu schonen.

Addrich erwiderte kalt: »Komme, versuch's! Willst Du Deine tapfern Leute zuvor aber kennen lernen, Oberst, so laß mich nur drei Worte zu ihnen sagen. Wenn sie Dich und Deine Hauptleute dann nicht selbst gefangen nehmen oder niederschießen, so will ich Dein Gefangener sein und am Galgen zu Basel gehenkt werden.«

»Ist der wüste Kerl nicht der Satan selbst,« flüsterte Hauptmann Bekel dem Obersten ins Ohr, »so ist er sein Zwillingsbruder. Er kennt unsere Zeisige. Nehmt die Wette nicht an.«

Oberst Zörnli strich sich nachdenkend den Bart, trat mit den Offizieren auf die Seite und beredete sich mit ihnen. Einige Schüsse, die auf den Höhen, von den näher gekommenen Haufen des Landvolks, abgefeuert wurden, sowie das weit umher vernehmbare Schlagen ihrer Trommeln, kürzten die Beratung ab.

»Guter Freund,« sagte der Oberst zu Addrich, »es ist allem Kriegsgebrauch entgegen, daß Eure Leute vorrücken, während wir hier unterhandeln. Wollet Ihr den Frieden, so beginnt keine Feindseligkeiten.«

»Wir wollen keinen Frieden,« entgegnete Addrich, »sondern Krieg. Wir gestatten Euch eine Galgenfrist, die so lange währt, bis die Spieße unsere Leute Eure Rippen erreichen können. Wählt also. Das Landvolk von Basel steht in diesem Augenblick unter Waffen, wie wir, und hält jetzt schon Abrechnung mit Eurem Bürgermeister und Rat.«

»Ist's wahr, daß die Schaffhausener sich von Brugg zurückgezogen haben?« fragte der Oberst nach einigem Besinnen.

»So gewiß als Euer nahes Ende. Sie haben auf Ankunft des Züricher Volkes gewartet, wie die Kuh um Weihnachten auf grünes Futter,«

»Verdammt!« rief der Oberst, zu seinen Hauptleuten gewendet. »Man hat uns auch verheißen, es sollten in Aarau fünfzehnhundert Züricher zu unsern Fahnen stoßen. Jetzt ist's am besten, wir ziehen in das Gebiet von Basel zurück, Ihr Leute, sparen wir Blutvergießen. Gestattet Ihr uns ruhigen Abzug, so scheiden wir als Freunde von Euch.«

Dieser Vorschlag veranlaßte einen langen Wortwechsel unter den Abgeordneten des Landvolks. Endlich stimmten, ausgenommen Addrich, alle dazu. Sie gaben dem Obersten das Wort und zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen, ihren Mannschaften dies Abkommen bekannt zu machen. Gleichzeitig traten die Fahnen von Basel und Mühlhausen den Rückweg an, Aarau vorüber, längs den Weinbergen von Erlisbach. In langem Zuge folgten die bewaffneten Scharen der Landleute. Seitwärts, droben am Waldsaum des Hungerberges, wimmelte es von solchen, die schnellfüßig voraneilten. Vor dem Dorfe, welches im Hintergrunde lag, blitzten die Waffen des Sotothurner Landsturms. Schweigend wanderte Zörnlis Heerhaufen den Grenzen zu. Derselbe mußte so lange im Dorfe warten, bis sich die Aargauer und Solothurner jenseits desselben in langen Reihen, mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel, kriegerisch aufgestellt hatten. Inzwischen belustigten sich die Kinder und Weiber des Dorfs an der Furcht oder Niedergeschlagenheit der heimwandernden Krieger, denen sie höhnend mancherlei Grüße mit auf den Weg gaben.

»Hätten wir uns doch,« sagte der Oberst zu den Hauptleuten, »vom Ersten bis zum Letzten in Stücke zerhacken lassen, es wäre besser gewesen als diese Schmach zu erleben. Wir wären mit Ehren gestorben.«

»Dazu kannst Du auf der Stelle gelangen,« sagte ihm die wohlbekannte heisere Stimme Addrichs, welcher dicht neben ihm stand, »Du schleppst einen Gefangenen mit Dir, das steht dem Besiegten nicht zu. Keinen Strohwisch sollt Ihr als Siegeszeichen aus dem Aargau tragen. Augenblicklich lasse den gefangenen Jüngling frei!«

»Fein glimpflich, Herr Bauernkommandant!« fuhr ihn der Oberst an. »Und wenn Du wie ein Dachmarder schriest, würde ich Dich und Deine blutroten Augen nicht fürchten. Ich ziehe freiwillig zurück, nicht geschlagen, daß Du's weißt, und ich bin meiner Haut noch sicher.«

»Wie das Insekt zwischen zwei Fingern,« versetzte Addrich mit hämischen Grinsen, ging dann die Rotten des Kriegsvolks mit gezogenem Degen entlang, bis wo er den jungen Fabian von der Almen zwischen doppelten Reihen der Soldaten erblickte. Er stieß diese zurück, riß den Jüngling hervor und sagte zu ihm: »Du bist frei, Fabian! Siehe, Bursche, das sind Deine Freunde, die Städter und ihre erbärmlichen Lohnknechte, für die Du, Narr, Partei ergreifst. Das ist ihr Dank! Gehe, Du bist frei; gehe mit mir, oder laufe zu den Bernern, es gilt mir gleich. Die gerechte Sache wird ohne Dich obsiegen. Hier hast Du einstweilen ein Stück zur Probe gehabt.«

»Ich danke Dir, Addrich,« entgegnete Fabian. »Vielleicht erweise ich Dir über kurz oder lang den gleichen Liebesdienst. Mich aber bewegt nichts, weder Euch, noch den Städten anzugehören. Du kennst meine Gesinnung, verlieren wir kein Wort darüber.«

Indem sie noch sprachen, setzte sich der Zug der Soldaten in Bewegung. Oberst Zörnli hatte wohl bemerkt, daß Addrich den Gefangenen ohne Widerstand befreite, doch die Klugheit riet ihm, zu schweigen, und das neue Schauspiel, welches sich zu gleicher Zeit eröffnete, worin ihm und den Seinigen die übelste Rolle zugeteilt war, nahm sein ganzes Gemüt bald zu sehr in Anspruch. Links von ihm stand in endloser Reihe der Solothurner Landsturm, rechts der des Aargau's; buntscheckig, mit mancherlei Waffen und wehenden Fahnen, alles wohlgeordnet. Die Trommeln wurden gerührt. Das Kriegsvolk von Mühlhausen und Basel mußte zwischen beiden Reihen, wie durch eine Gasse, den Höhen der Schafmatt entgegen ziehen, gleich Gefangenen auf dem ganzen Wege bis zur Grenze begleitet. Eine Menge Volkes, Kinder und Greise, folgte lachend dem seltsamen Schauspiele. Auch Fabian, vom allgemeinen Sturme oder von seiner Neugierde mitgerissen, oder um durch allzufrühe Entfernung keinen Argwohn auf sich zu ziehen, wanderte bis zu den einzelnen Häusern des Weilers Roor, in einem kleinen Thalgrunde am Fuße des steiler werdenden Berges, gemächlich nebenher. Hier wandte er sich, von keinem bemerkt, zwischen den Hütten auf dem Wege zum Bergdorf Stüßlingen, plötzlich ab, in der Hoffnung, Aarau vor Nacht wieder zu erreichen.

Je weiter er kam, um so mehr verengte sich das schmale Thal vor ihm. Es wurde zuletzt einer höhlenartigen Kluft ähnlich, über welche von beiden Seiten die Tannen ihre dunklen Zweige wie ein Dach zusammenbogen. In dieser Schlucht sah er Gestalten sich bewegen. Als er sie deutlich erkannte, waren es drei Männer, die bewaffnet, in ungewöhnlicher, doch reicher Tracht, im Gespräch neben ihren Pferden standen. Einer derselben war ein Mohr, in feines Pelzwerk gekleidet; der andere trug einen kleinen Hut mit drei aufgeschlagenen, niedrigen Krämpen, eine lange Feder darüber; ein grünes Jägerwamms mit bis auf die Kniee reichenden Schößen, an welchem, vom Halse bis zum Knie, vergoldete Knöpfe und goldumfaßte Knopflöcher glänzten; an den Beinen über die Kniee aufgestülpte Reiterstiefeln. Der Dritte, welcher der Angesehenere von ihnen zu sein schien, trug eine Mütze von schwarzem Sammet, desgleichen ein langes, schwarzes, mantelartiges Oberkleid, so daß man ihn für einen römischen Priester gehalten haben würde, wenn nicht in seinem Gürtel der mit Silber und Perlmutter ausgelegte Griff eines Dolches geblitzt hätte.


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