Emile Zola
Das Gelübde einer Sterbenden
Emile Zola

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IX.

Seit jenem Abend, wo Daniel ihr Thränen entlockt hatte, existirte er für Jeanne. Sie ahnte, daß er ein Anderer war als Diejenigen, mit denen sie bisher verkehrt hatte. Allerdings fühlte sie sich von ihm mehr abgestoßen als angezogen. Der ernste, merkwürdig häßliche Mann flößte ihr eine Art Schrecken ein. Aber sie wußte, daß er da war, im Hause, und daß seine Blicke Ihr überall folgten.

Wenn sie jetzt in die Equipage stieg, hob sie den Kopf empor, trotzdem sie sich vorgenommen hatte, dies nie zu thun, und dann sah sie ihn jedes Mal an seinem Fenster. Das verdarb ihr die ganze Spazierfahrt. Sie fragte sich, was er wohl von ihr wollen möge, und dachte nach, ob sie nicht irgend etwas Schlechtes oder Törichtes gethan oder gesagt habe. Auch Daniel begriff, daß der Kampf eingeleitet war, und spielte seine Rolle als stummer Morallehrer, so gut es ging, denn oft fühlte er sich versucht, das junge Mädchen um Verzeihung wegen seiner Strenge zu bitten. Er ahnte, daß er ihr mißfiel, und fürchtete, zu weit zu gehen und sie vollständig gegen sich aufzubringen. Konnte er es auch wirklich verantworten, — so dachte er oft, — daß er ein so holdes Wesen belästigte und ihren Seelenfrieden störte?

Aber derartige Regungen wiederlegte alsbald sein unerbittliches Pflichtgefühl. Er hatte geschworen, über Jeannes Glück zu wachen, und das Fieber der Weltlust, so glaubte er, werde sie früher oder später loslassen und dann würde sie Reue und Entmutigung empfinden. Deshalb wollte er sie so bald als möglich aus ihrem öden Amüsementstaumel herausreißen und mußte sie wohl oder übel jeden Augenblick verletzen und verstimmen.

Auf diese Weise wurde er eine Art Schreckgespenst für Jeanne und für Frau Tellier. Er ging stets vollständig schwarz gekleidet und protestirte immer und überall durch seine Gegenwart gegen das frivole Leben, das die beiden Damen führten.

Man konnte sich keine sonderbarere Erscheinung vorstellen, als diesen merkwürdigen Menschen, der mit einem Mal überall in der vornehmen Pariser Gesellschaft auftauchte. Man nannte ihn den schwarzen Ritter und es wäre ihm, wenn er gewollt hätte, leicht geworden, Eroberungen unter den Frauen zu machen, deren Neugierde er stark reizte.

Eines Tages, als Jeanne eine Kollekte in einer Kirche abhielt, stellte sich ihr Daniel, der schon Geld gespart hatte, in den Weg.

Die junge Dame hielt ihr liebenswürdigstes Lächeln bereit und dachte natürlich mehr an die Eleganz ihrer Toilette als an das Elend der Armen. Obgleich in der Kirche, war sie eben so skeptisch und zu Spott aufgelegt wie in Gesellschaft.

Als sie vor Daniel angelangt war, sagte sie, ohne aufzublicken die übliche Formel her:

»Für die Armen, mein Herr.«

Erstaunt über die bedeutende Summe, die auf den Teller gelegt wurde, schlug sie die Augen empor und erkannte den jungen Mann. Sie errötete, ohne zu wissen warum, und in ihren Augen glänzten Thränen, während sie weiter ging.

Ein andres Mal wohnte sie in einem Theater der Aufführung eines nicht sehr sittlichen Lustspiels bei und lachte unbefangen über die Späße, die sie nicht immer verstand. Da wandte sie sich zufällig um und bemerkte hinter sich Daniel, der sie vorwurfsvoll ansah. Dieser Blick ging ihr zu Herzen; sie dachte, sie handle unrecht, da der schwarze Ritter Unzufriedenheit bezeigte. Sie lachte den ganzen Abend nicht wieder und zog sich während des Zwischenakts in den Hintergrund der Loge zurück.

Den tiefsten Eindruck aber mochte auf sie die Lektion, die ihr Daniel gelegentlich eines sehr unangenehmen Vorfalls gab. Frau Tellier hatte sich die öffentliche Beschimpfung, die ihr schon einmal wegen ihres excentrischen Aufzugs widerfahren war, nicht zur Lehre dienen lassen, und eines Tages, als sie mit Jeanne in ihrer Equipage ausgefahren war, wiederholte sich das unerquickliche Abenteuer. Zwei junge Leute, die gut dinirt hatten und stark angeheitert waren, dachten feile Dirnen vor sich zu haben und belästigten sie mit kecken Liebesanträgen. Der Eine behauptete sogar, er kenne sie.

»Heda, Liebchen, kommst Du mit?« sagte er zu Jeanne.

Das junge Mädchen sah ihn erschrocken an, ohne ihm zu antworten.

»Na, na, warum bist Du denn mit einem Mal so stolz geworden?«

Aber in demselben Augenblick fühlte er sich am Arm gepackt. Hinter ihm stand Daniel und hielt ihn fest.

»Sie irren sich,« mein Herr, sagte er. »Bitten Sie die Damen um Verzeihung.«

Er nannte ihm ihre Namen und zog ihn an den Kutschenschlag heran. Der junge Mann war betroffen und entschuldigte sich bei den Damen, aber nichts weniger als reuig und demütig:

»Verzeihen Sie,« sagte er bloß, »aber wenn die anständigen Frauen ebenso gekleidet gehen wie Diejenigen, die es nicht sind, wie soll man sie da von einander unterscheiden?«

Daniel ließ ihn los und stieg in die Equipage ein. Der Kutscher erhielt den Befehl, nach der Ruhe d'Amsterdam zurückzufahren. Der Mann grinste und knallte mit der Peitsche.

Als der Wagen die Place de La Concorde durchquerte, ging eine Königin der Halbwelt in auffälliger Toilette vorüber. Daniel zeigte nach ihr, indem er Jeanne einen bedeutungsvollen Blick zuwarf.

Das junge Mädchen sah sich die Kreatur an, mit der sie verglichen wurde, und errötete über die Aehnlichkeit der beiden Kostüme. Hier wie dort derselbe verwegene, leichtfertige Flitter! Zu Hause angelangt, eilte sie dann auch gleich in ihr Zimmer hinauf, um sich ungestört satt zu weinen und dem Groll, den sie gegen Daniel hegte, Luft zu machen.

Auch Frau Tellier war der Sekretär ihres Mannes ein Dorn im Auge. Für sein energisches Auftreten, gegen die beiden jungen Leute, die sie insultirt hatten, schuldete sie ihm freilich nur Dank; aber im Ganzen genommen, ärgerte sie sich fürchterlich über das Gebaren des zudringlichen Menschen, der in ihr Haus gar nicht hineinpaßte.

Sie hatte auch mehrere Male ihrem Manne hart zugesetzt, er möge ihm den Laufpaß geben. Aber der Abgeordnete hielt große Stücke auf Daniel, der sich ihm unentbehrlich gemacht hatte. Tellier fand es bequem, sich von einem klugen Manne mit wissenschaftlichen Thatsachen, gescheiten Gedanken, geistreichen Bemerkungen versehen zu lassen, die er sich dann in seinem dummen Dünkel richtig zu verwerten vermaß. Er hütete sich also, eine so ergiebige Weisheitsquelle mit eigner Hand zu verstopfen, und setzte allen Klagen seiner Frau nur die gelassene Nachsicht der geistigen Ueberlegenheit entgegen. Sie möge sich um ihren Putz bekümmern; davon verstünde sie mehr als von den Pflichten eines Politikers, und da er sich ihre verschwenderischen Toiletten gefallen lasse, müßte auch sie seinen Sekretär dulden. So lange er nur ein einfacher Gewerbetreibender gewesen war, hatte er seiner Frau parirt; als Abgeordneter aber führte er eine gebieterische Sprache und wollte sich keinen Widerstand gefallen lassen.

Daniel seinerseits bemerkte nicht einmal, welchen Anstoß er überall erregte, und verfolgte den beschrittenen Weg, ohne sich zu scheuen, als ein Mann, der sich der Hochherzigkeit seiner Gesinnung bewußt ist. In Wirklichkeit war sein Verhalten äußerst ungeschickt. Frau von Rionne hätte keinen Testamentsvollstrecker finden können, der größerer Selbstlosigkeit und treuerer Liebe fähig gewesen wäre. Vielleicht aber hatte sie mehr Geschmeidigkeit und Weltklugheit, mehr Verständniß für das wahre Wesen der schwierigen Aufgabe vorausgesetzt.

Der junge Mann erfüllte seine Mission mit leidenschaftlicher Hingebung. Seine Unkenntnis der Welt und der Menschen, seine täppische Derbheit hoben den Edelmut seiner Absichten noch mehr hervor, paßte er auch in die Welt, in der ihn die Verhältnisse zu leben zwangen, nicht hinein, so vertrat er doch in ihr die Treue und Selbstverleugnung. Seine Wohlthäterin hatte mit der Hellsehkraft des Todes Daniel richtig beurteilt. Während von Rionne sein Vermögen verpraßte, ohne an seine Tochter zu denken; während Frau Tellier aus Selbstsucht Jeanne verwahrloste und unglücklich machte, wachte er, den nur die Bande der Dankbarkeit an die Familie fesselten, über das junge Mädchen und empfand es bitter, daß ihm kein Recht auf ihre Erkenntlichkeit zustand. Er hatte endlich eingesehen, daß er Jeanne tagtäglich verletzte und kränkte. Es mußte ihr rätselhaft sein, mit welchem Rechte er sie überallhin mit strengen Blicken verfolgte. Er war ja in ihren Augen nur ein armer Teufel von Schreiber, den sie nur aus Mitleid schonte. Unter der Last dieser Geringschätzung, über die er sich keiner Selbsttäuschung hingab, erlahmte dann und wann seine Kraft und kamen die Stunden, die sein Herz mit grenzenloser Bitterkeit erfüllten.

Hätte er jedoch die zugleich scheuen und hochmütigen Blicke, die das junge Mädchen auf ihn zu richten pflegte, besser studirt, so würde er trostvolle Freude empfunden haben. Er bewirkte eine wichtige Umwälzung in ihrem Innern, indem er ihr schlafendes besseres Ich weckte; denn was sie für Zorn hielt, waren eben nur die neuen ungekannten Gefühle, die sich jetzt geltend machten. Daniel bewirkte, daß ihr das Gewissen schlug, was sie nicht wahr haben wollte. In seiner Gegenwart schämte sie sich, und das brachte sie gegen ihn auf.

In seiner Unzufriedenheit machte sich Daniel jeden Morgen immer neue Vorwürfe, daß er sie nicht geraubt hatte, als sie noch ganz klein war. Statt dieses Windbeutels, dieser leichtfertigen Spötterin, hätte er sich doch solch ein gutes, sanftes Mädchen gezogen! Sie hatten ihm das Herz seines Kindes verkrüppelt, und nun stand es nicht mehr in seiner Macht, sie zu ändern, nun musste er zu seinem tiefsten Leidwesen den Leichtsinn und die Bosheit eines irre geleiteten Gemüts mit ansehen, das er zartsinnig und edel zu erhalten vorgehabt hatte.

Eines Tages kam Jeanne, um ein Buch zu holen, in Telliers Studierzimmer und machte sich das malitiöse Vergnügen, um Daniel herum zu irrlichtelieren und ihn so in Verlegenheit zu setzen. Sie hatte nämlich die Beobachtung gemacht, daß der schwarze Ritter seine Strenge in Gegenwart Andrer hervorkehrte, aber sehr blöde wurde, sobald er sich mit ihr allein befand. Diese Bemerkung war richtig, und er selber wußte recht gut, daß er ihr gegenüber feige war. Aber er hatte nicht nach den Gründen des plötzlichen Errötens, des Zitterns geforscht, das ihn befiel, wenn er ihr allein gegenüberstand. Diese Furcht vor ihr rührte aber daher, daß er wegen seiner Weltfremdheit sehr knabenhaft geblieben war, was ihn gegen das junge Mädchen in Nachteil setzte.

Als Jeanne an jenem Tage eben die Hoffnung aufgab, ihn dahin zu bringen, daß er zu ihr aufblickte, und deshalb den Rückzug antreten wollte, blieb beim Umwenden ihr Kleid an einem Stuhl hängen und zerriß mit einem scharfen Geräusch. Da drehte sich Daniel unwillkürlich um und sah in Jeannes Gesicht, die ihm ruhig zulächelte, während sie ihr Kleid losmachte.

Er sah ein, daß er etwas sagen müßte, und brachte eine Dummheit hervor:

»Schade um das Kleid!« stammelte er.

Jeanne warf ihm einen erstaunten Blick zu, dessen Bedeutung ihm nicht zweifelhaft sein konnte. »Was geht Sie das an?« dachte sie. Und laut fügte sie mit unliebenswürdigem Lächeln hinzu:

»Sind Sie etwa ein Schneider, daß Sie nach solch einem Schaden fragen?«

»Ich bin arm,« entgegnete Daniel mit ziemlicher Festigkeit, »und sehe es deshalb nicht gern, wenn teure Sachen zu Grunde gerichtet werden. Verzeihen Sie mir.«

Der weiche Ton, in dem er dies sagte, rührte das junge Mädchen und sie trat näher an ihn heran.

»Nicht wahr, Herr Daniel, Sie verabscheuen den Luxus?« fragte sie.

»Verabscheuen? Nein, aber ich fürchte ihn.«

»Wollen Sie sich Dreistigkeit anerziehen, daß Sie sich in der höheren Gesellschaft bewegen? Ich habe Sie öfter in solchen Kreisen bemerkt.«

Daniel gab keine Antwort auf diese Frage, sondern wiederholte nur:

»Ich fürchte den Luxus, weil er für das Herz und Gemüt gefährlich ist.«

Diese Worte begleitete ein Blick, durch den Jeanne sich beleidigt fühlte.

»Sie sind nichts weniger als galant,« bemerkte sie trocken und ging ärgerlich hinaus, während der arme Sekretär sich seiner Plumpheit und Grobheit schämte.

Er sah ein, daß er sie nicht festzuhalten vermochte, und schalt sich, weil er es nicht verstand, ihr sanftere und ersprießlichere Lehren zu erteilen. Gelang es ihm auch hin und wieder, ihr Herz weich zu stimmen, das spöttische Lächeln von ihren Lippen zu verbannen, so widerfuhr es ihm, daß er sich zu deutliche, zu derbe Ausdrücke entschlüpfen ließ, die sie beleidigten und ärgerten.

Im Grunde genommen war es ihm überhaupt unmöglich, gegen die Einflüsse ihrer Umgebung mit entscheidendem Erfolge anzukämpfen. Sie gehörte der höheren Gesellschaft an und lebte in einem beständigen Fieber, das sie nicht dazu kommen ließ, die Stimme in ihrem Innern anzuhören. Die Empfindungen, die Daniels Mahnungen zuweilen anregten, wurden durch den Lärm der Außenwelt immer rasch übertäubt und zurückgedrängt.

Scenen, wie die mit dem zerissenen Kleide kamen zwischen den Beiden häufig vor, so daß Daniel Gelegenheiten genug hatte, Jeanne Moral zu predigen; aber jedes Mal fühlte er auch, daß er nur Rückschritte in Jeanne's Zuneigung machte. Sie zeigte sich dann immer kälter und hochmütiger denn je. Offenbar dachte sie dann, der arme Lump mische sich in Dinge, die ihn nichts angingen, und er konnte sich nicht mit seinem Geheimniß hervorwagen ihr nicht zurufen:

»Sie sind meine innigst geliebte Tochter, der ich mein Leben gewidmet habe. Sie sind das kostbare Vermächtniß Derjenigen, der ich alles verdanke. Wenn Sie gute Reden führen, wird mir wohl ums Herz; lächeln Sie aber boshaft und schadenfroh, so zerreißen Sie mir das Herz. Erbarmen Sie sich also meiner und seien Sie gut. Folgen Sie mir, denn was ich thue, bezweckt ja nur Ihr Glück, das mir unendlich teuer ist.«

Eine große Furcht jedoch war ihm genommen worden. Er hatte nämlich geglaubt, von Rionne würde sich seiner Tochter erinnern und sich um sie bekümmern. Aber seitdem er bei Telliers wohnte, hatte er den Mann, dessen lasterhafte Schlaffheit ihn anwiderte, noch nicht zu Gesicht bekommen.

Von Rionne dachte überhaupt nicht mehr daran, daß er eine Tochter hatte. Nur ein einziges Mal, nachdem sie aus dem Kloster zurückgekommen war, hatte er sich bei seiner Schwester blicken lassen, und zwar nur um ihr einzuschärfen, daß sie ihm nie das Mädchen in seine Wohnung bringen solle.

»Du weißt ja,« meinte er mit einem bedeutungsvollen Lächeln, »daß bei mir nur Männer verkehren, und da würde Jeanne sich nicht wohl fühlen.«

Nachdem er auf diese Weise jeder Störung seiner Bequemlichkeit wirksam vorgebeugt, ging er vergnügt davon und ließ sich nie wieder bei seiner Tochter sehen, nicht einmal zu einem kurzen Besuche, denn sie hätte ihm mit irgend einer, wenn auch noch so unbedeutenden Bitte lästig fallen können.

Andrerseits aber begegnete Daniel im Hause oft einem andern Gesicht, das er nicht gern sah. Zu den Vertrauten der Familie gehörte auch Lorin, der bei den Damen den Liebenswürdigen spielte und um ihre Gunst warb. Er schien auch bei Jeanne Erfolg zu haben, denn sie sah ihn gern und hörte ihm gern zu. Er verstand es, sie zu unterhalten; ja, wenn sie übel gelaunt war, gab er sich sogar gutwillig und gemütlich zur Zielscheibe ihrer Satire her. Kurz, er machte sich nahezu unentbehrlich.

Daniel verursachte die Frage, was der Mann im Hause wollte, viel Sorge, namentlich, wenn er an das Gespräch dachte, das er auf der Soiree mit ihm gehabt hatte. Seit jenem Tage verlor er ihn nicht mehr aus den Augen und machte sogar eines Tages einen Versuch, ihn auszuhorchen, erfuhr aber nichts, was seinen Verdacht bestätigt hätte.

Trotzdem zitterte er und hegte den glühenden Wunsch, Jeanne diesem, wie überhaupt allen Einflüssen zu entziehen, die ihren Charakter verschlechterten. Denn so viel war ihm klar, er würde nie etwas ausrichten können, so lange sie in dem Strudel des Gesellschaftslebens stecken blieb. Er hätte sie am liebsten aus dem Gewühl hinaus, in eine friedvolle Einöde getragen, wo er nachhaltiger auf sie hätte einwirken können.

Sein Wunsch ging in Erfüllung. Denn eines Morgens teilte ihm Tellier mit, er verlasse Paris in acht Tagen, um sich mit seiner Frau und Jeanne in die Sommerfrische zu begeben. Er wollte seinen Sekretär mitnehmen und mit ihm an seinem großen Werke, das nur langsam vorrückte, weiter arbeiten.

Daniel gab sich einer innigen Freude hin, als er in sein Zimmer hinaufgestiegen war. Hatte er doch einen schlimmen Winter zugebracht, ein Leben gelebt, das ihm förmlich den Tod brachte, und nun konnte er sich sagen, daß er endlich in der freien Natur, in der Nähe seiner innigst geliebten Jeanne aufatmen würde. Da draußen, wo der Friede des Lenzes waltete, konnte er den letzten Willen seiner Wohlthäterin erfüllen.

Acht Tage später war er in der Normandie, auf einem Landgut, das Tellier am Ufer der Seine besaß.


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