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Mathilde Wesendonk

Dies Leben, das so sehr der neuesten Zeit angehört – Mathilde Wesendonk ist erst 1902 gestorben – ist natürlich der planmäßigen Forschung noch nicht erschlossen. Viele der noch Lebenden kannten sie persönlich; aber außer in ihrer gastfreien Villa in Zürich hat sie eigentlich nie eine gesellschaftlich prominente Rolle gespielt. Anmutig und gedämpft, geschmackvoll und zurückhaltend, hat sie keine Gelegenheit zu den vielen »on dit's« gegeben, die einen Sagenkreis um die Musen großer Männer weben. Der Eintritt Richard Wagners in ihr Leben veränderte die äußeren Konturen ihrer Daseinsgebung nicht; sie war vorher und blieb nachher die vornehme und geachtete Frau des Kaufmanns Otto Wesendonk – auch ihr Vater, Kommerzienrat Luckemeyer, war Kaufmann gewesen –, der es nicht zuletzt durch die große Güte und die reichen Mittel ihres Gatten möglich gewesen war, einem unstäten, zerrissenen Genie auf kurze, inhaltschwere Zeit ein »Asyl« und damit sozusagen die Abschwungstelle zum weitausspannenden Höhenflug zu schaffen. Sie verstand es, ihm zuzuhören »wie Brünhilde dem Wotan«. Ihr feines Taktgefühl glich aus, wo Dissonanzen drohten; ihr enthusiastischer Glaube trug den Meister über sich selbst hinaus; ihre hohe innere Sittlichkeit gab der tiefen Leidenschaft, die Beide erfüllte, das Gegengewicht, das Katastrophen verhinderte.

Wagner scheint selbst die Briefe von Mathilde vernichtet zu haben. Nur 14 Blatt sind erhalten und der Publikation angefügt, die zugunsten des Stipendienfonds in Bayreuth erfolgte (»Richard Wagner an Mathilde Wesendonk«. Tagebuchblätter und Briefe. Berlin, Alexander Duncker, 1904). Ihr sind die hier wiedergegebenen Brieffragmente entnommen, ebenso ihrer vortrefflichen Einleitung von Professor Dr. Wolfgang Golther einzelne Daten. Wir sind heute der Frau Wesendonk dankbar, daß sie nicht dem Wunsche Wagners folgte, auch seine Briefe zu vernichten. Mir scheint, daß der »Tristan« uns erst nach Lektüre dieser Briefe voll seine letzten Geheimnisse, seine schmerzlichen Schönheiten des »Sehnens und Sterbens « enthüllt. Er entstand im wesentlichen, nachdem die Eifersuchtsszenen Minnas – der ersten Gattin Wagners – ihn aus seinem »Asyl am grünen Hügel«, das Wesendonks ihm liebreich eingerichtet, vertrieben hatten. Einzelne der Skizzen haben ja noch in seinen »Fünf Gedichten«, den einzigen Liedern seiner Feder, zu denen Mathilde überdies den Text lieferte, Verwendung gefunden. So das Liebesnachtmotiv in den »Träumen« und die Sehnsucht im »Treibhaus«. Die Trennung von der geliebten Frau griff schmerzzerreißend in sein Seelenleben ein. Mathilde aber hat in den Zeiten schwerer seelischer Prüfung einen Helfer gehabt, wie er in der Geschichte unglücklicher Liebe wohl einzig dasteht: ihren Gatten. Nie hat ein Wort des Vorwurfs den Meister gestreift, dessen Genie er früh erkannt und dem er bis zu dessen Tode ein fördernder, warmer Freund geblieben ist. Die Größe des Mannes bildete die beste Schutzwehr der Frau, deren Wesenheit sich in den Satz offenbart: »Freud und Leid miteinander tragen, so bleibt uns immer noch viel«. Sie war Wagners »guter Engel«, und die drei Buchstaben, die er dem kurzen, ebenfalls im »Asyl« entstandenen Vorspiel zur Walküre voranstellte, darf man ruhig als Motto über ihre Lebenssilhouette setzen: G. S. M.

»Gesegnet sei Mathilde!«

Portrait

Briefe von Mathilde Wesendonk.

An Richard Wagner in Paris.

Juni 24. 61.

Ich habe in dieser heißen Zeit Sie oft bedauert, denn in Paris ist es dann erstickend schwül. Sie flüchten wohl wieder ins bois de Boulogne, allein es ist doch immer mühsam erkauft. Auf dem grünen Hügel ist es jetzt sehr schön, und die Mondschein-Abende sind unvergleichlich. Lange hatten wir keinen solchen Sommer, es ist Einem dabei auch ganz seltsam zu Muthe, und man fürchtet sich zu Bette zu gehen, sorgend, es könne den nächsten Morgen anders sein ...

Ich freue mich, daß Sie nach Weimar gehen. Liszt ist bei alledem derjenige Mensch, der Ihnen am Nächsten steht. Lassen Sie ihn sich nicht verderben. Ich kenne ein schönes Wort von ihm: d. h. »ich schätze die Menschen nach dem, was sie für Wagner sind«. Was Wien betrifft, so wollen wir sehen, ob das Schicksal uns Gunst vergönnt. Wir denken gerne daran, von der Fürstin Wittgenstein. habe ich nun zum Erstenmale aus Rom gehört. Sie besucht dort nur die Nazzarener, die christlichen, kirchlichen Maler. Es dient ihren Zwecken, und sie führt es mit eiserner consequence durch, obschon sie sich schmählich dabei ennuyiren soll. Außer Cornelius und Overbecks Peter Cornelius und Joh. Friedrich Overbeck, die derzeit in Rom lebten. ist da nicht viel Genuß zu suchen; natürlich, ich meine unter den lebenden Künstlern. Und nun noch eine Bitte, die Sie mir gelegentlich einmal erfüllen sollen. Ich habe nämlich ein kleines Photographienbuch erhalten, und seitdem fand sich schon die eine oder andere Photographie von Bekannten hinzu, in Visitenkartenformat, wie das Meinige. In wenigen Sekunden macht man ein Dutzend. Nun besitze ich allerdings Ihre große Photographie, aber das kleine Buch möchte gar so gerne auch Eine haben, und der Platz dafür bleibt offen. Werden Sie dem kleinen Buche seinen Eigensinn verzeihen? Es will sich gedulden, und das Kind will auch geduldig sein, und den Meister nicht mit Schreiben quälen. Er muß es doch nur thun, wenn es Ihm Bedürfniß ist, denn früge Er nur das Kind, ich fürchte, Er hätte viel zu thun. Es sucht sich einstweilen zu stählen, durch stärkende Bäder, aber sie greifen an, und nehmen noch das bischen Kraft vollends hinweg. Doch der Erfolg soll gut sein. Nun ist es dunkel geworden, die Berge liegen bleich und leblos da, und alles ist so still. Ruhe, Ruhe, heilige Ruhe senke sich auch in Ihr Herz!

* * *

Decbr. 25. 61.

Ihre letzten Zeilen haben mich traurig gemacht. Ich konnte lange nicht darauf antworten. Der Gedanke an unser Zusammensein in Wien war mir so nahe getreten, war mir nun endlich Zuversicht geworden. Ich hatte ja doch lange nicht daran geglaubt, nun glaubte ich, um es wieder zu verlernen. Was in die Hand der Zukunft gelegt wird, ist uns für den Augenblick, vielleicht für immer genommen. Der Augenblick gehört uns, doch was die dunkle Mutter in ihrem Schooße für uns birgt, wer weiß es? Die Schwierigkeiten, die der Geburt eines Tristan entgegenstehen würden, wohl ahnend, lag mir zunächst unser Zusammensein im Sinne, und hätten wir gewußt, daß Sie nur noch kurze Zeit in Wien bleiben würden, wir wären sicherlich früher gekommen. Es sollte nicht sein! Aber schlafen kann ich jetzt nicht. Die Mutter wollen wir belauschen, wo sie noch wach ist, in Venedig. Montag reifen Otto Mathildens Gatte. und ich dahin ab. Lange werden wir nicht dort bleiben; in 14 Tagen, drei Wochen spätestens, sind wir zurück. Es soll uns vor dem Winterschlafe eine Erfrischung, Stärkung und Anregung sein, wie ich sie von Wien gehofft hatte. Scheint auch das Leben hier und da eine Idylle, der richtige Blick fände bald den Stoff zur Tragödie heraus. Gegenseitige Kurzsichtigkeit schützt die Menschen vor dem Erkennen. Dann ist das »Sehen« an und für sich leidlos, das »Sein« aber immer leidend. Sie, Verehrer von Schopenhauer, sollten das wissen! Somit wären die Menschen, die viel sehen und nichts sind, gewiß am glücklichsten! Und auf das »glücklich sein« kommt's ja am Ende an, nicht wahr? Groß sein, Gut sein, Schön sein, genügt dem Menschen nicht, er will auch glücklich sein. Wunderliche Marotte! Mich däucht, wer Eines von jenen Dreien wäre, brauche den ganzen mühseligen Scheinapparat des Andern nicht mehr! Doch, was weiß ich davon? ...

* * *

Jan. 16. 62.

Ich las in Schopenhauers Biographie W. Gwinner, Schopenhauer aus persönlichem Umgang dargestellt. Leipzig 1862. und fühlte mich unbeschreiblich angezogen von seinem Wesen, das mit dem Ihrigen so viel verwandtes hat. Eine alte Sehnsucht überfiel mich, einmal in dies begeistert schöne Auge zu blicken, in den tiefen Spiegel der Natur, der dem Genius gemeinsam ist. Unser persönlicher Verkehr trat mir ins Gedächtnis zurück, ich sah die große reiche Welt vor mir, die Sie dem Kindergeist erschlossen, mein Auge hing mit Entzücken an dem Wunderbau, höher und höher schlug das Herz vor innigem Dankgefühl, und ich fühlte, daß mir nichts verloren gehen könnte! Solange ich atme, werde ich nun streben, das ist Ihr Theil. Schopenhauer selbst sollte Sie nicht kennen und Ihre Tonschöpfungen blieben ihm unerschlossen. Was thut's, würde Er lächelnd heute sagen, wir Beide gehören dem Ganzen. Ein Einsamkeit blickendes Auge ist unser Loos! Das Buch enthält ein vortreffliches Bildnis des Verstorbenen, wo die krasse Nacktheit der Photographie durch die geistige Macht des Mannes verschönt und verklärt ist. Sind Sie einmal von Paris mir näher gerückt, so freue ich mich, Ihnen wenigstens dann und wann ein Buch mitteilen zu können, ohne Sie auf das Ministerium zu bemühen. Mein armes Kistchen ist zurückgekehrt, ich habe es traurig bei Seite gestellt. Mathilde hatte Weihnachtsgaben nach Wien adressiert, die Wagner dort nicht mehr erreichten. Sind Sie erst einmal wieder irgendwo niedergelassen so schleiche ich mich sicher abermals bei Ihnen ein, so sicher, wie die Wichtelmännchen den armen Bauer verfolgten! – Wie geht's mit der Gesundheit – und mit der Arbeit?

Ihre von Herzen!

* * *

Jan. 19. 62.

Der geflügelte Löwe Ein Briefbeschwerer mit dem Löwen von San Marco, ein Geschenk von Frau Wesendonk. auf Ihrem Schreibtisch ist erwacht! Kraft und Geist sind ein Symbol. Er rüttelt den schweren Traum von den Gliedern, und schüttelt die Mähne. Das macht mich froh, und weiter denke ich nichts. Dem Schicksal sei anheimgestellt, was von Außen kommt. Innen sitzt der Feind in der eigenen Brust. –

Fast niemals, so will's mir scheinen, sprudelte der Quell Ihrer Dichtung Die Meistersinger. reicher und ursprünglicher als diesesmal. Auch ist es eine Art Gerechtigkeit gegen sich selbst, dem tiefen, unverwüstlichen Humor, einer so bedeutenden Ingredienz Ihres Charakters, einmal seine überwiegend entsprechende Deutung zu geben. Der göttliche Knabe stieg mit seinem Bruder, dem Amor, von den Höhen des Olympos in die Menschenbrust herab, und nur wo der Eine gerne weilte, kehrte der Andere ein.

Mir ist, als habe ich eine Höhe erstiegen, und blicke nun in ein wundervolles Abendroth, den Hymnus der Schöpfung!

Gruß und Lebewohl!

* * *

Schwalbach, August 9. 63.

Ihr inhaltsschwerer Brief U. A. den Entschluß als »Virtuos« d. h. an der Spitze eines Orchesters seine »Zeit« zu gewinnen. sank mir heute recht schwer auf's Herz, das werden Sie mir glauben, Freund! Aber ich zürne jenen Sorgen nicht, die Sie mir dadurch bereiten, denn ich leide gern mit Ihnen. Mein ganzes Sein fühlt sich geadelt mit Ihnen leiden zu dürfen. So traurig mich diese Buchstaben anstarren, wenn ich sie nach ihrem Sinn befrage, so lieb und freundlich blicken sie mich an, wenn ich mir sage, sie sind von ihm und zwar für Dich geschrieben. Freund, ich fürchte, Sie könnten mir viel Böses sagen, und ich müßte Ihnen doch gut bleiben!

Sie »freudehelfeloser Mann«, – ein Ausdruck, den ich einmal in Walther v. d. Vogelweide fand, und im innersten Herzen gleich auf Sie anwandte. Wer Ihnen zu helfen vermöchte, müßte sehr glücklich sein! Mir schwindelt der Kopf, wenn ich an all' die Trostlosigkeit denke, die Sie umgiebt. Einzelne schöne Momente ausgenommen, die dem gefahrvollen »Guten« gleichen, das Sie mir so reizend beschreiben, und die Ihnen mehr als jedem Andern zu Theil werben, bleibt das Schicksal Ihr Schuldner. Ich weiß das, und traure darum aus voller Seele, und habe kein leeres Wort des Trostes, weil ich auch keine Hoffnung habe, daß es einmal anders werden könnte. Wie entsetzlich es mir ist, Sie so in der Welt herumgehetzt zu sehen, um Conzerte zu geben, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Und wenn der Himmel vom Beifall der Menge widerhallte, es wäre ja doch kein Ersatz, Ihrem Opfer angemessen. Mit blutendem Herzen folge ich Ihren sogenannten » Triumphen« und kann fast bitter werden, wenn man mir diese als ein erfreuliches Ereignis darstellen will. Ich fühle dann nur, wie wenig man Sie kennt, das heißt, versteht, und – fühle dann auch – daß ich Sie kenne – und liebe! – Was der Einzelne vermag, ist so wenig, dem tausendköpfigen Ungeheuer gegenüber, das sich Welt nennt.

Man könnte sein Herzblut vergießen und gewänne ihr nicht ein Bischen Liebe ab. So ist es und so war es wohl vor uns.

Freud und Leid miteinander tragen, so bleibt uns immer noch viel!

* * *

Octob. 27. 63.

Lieber Freund!

Immer mehr beschäftigt mich der Gedanke, Sie nun bald in unserer Mitte zu sehen, und es soll mir ein rechter Sonntag des Herzens sein, es Ihnen so behaglich wie möglich zu machen. Ich glaube, unsere Häuslichkeit birgt die Elemente zu einem traulichen Zusammenleben in sich, ohne Gêne oder sonstige Opfer für den Einzelnen. La vie est une science, sagt ein geistreicher Franzose, sie muß erlernt werden. Wie auf dem Meere Windstille eintritt, wie der Himmel zuweilen wolkenlos erscheint, so auch giebt es im Menschen-Dasein Augenblicke, wo das Schicksal den Athem einhält. Möchte uns ein solcher Augenblick zu Theil werden!

Was ich so innig wünsche und erstrebe, ist zugleich so wenig, daß es Ihnen vielleicht nur ein Lächeln entlockt. Nämlich, Sie wenigstens Einmal im Jahre bei uns heimisch zu sehen, so sehr, daß Ihnen jede Ecke des Hauses bekannt sei, und daß die Kinder Ihnen nicht entfremdet werden.

Die Erinnerung an Ihr Zusammen-Leben mit uns, den Kindern frisch zu erhalten, war ich stets bemüht, und noch heute kennen sie das Asyl nur unter dem Namen: Onkel Wagner's Garten. Schmerzlich berührte mich der Gedanke, es in fremde Hände übergehen zu sehen. Jetzt erst erhalte ich hierin einige Sicherheit und Ruhe, da nun das Häuschen zu dem Uebrigen hinzugezogen worden ist, und mit dem großen Gute als zusammengehörend betrachtet wird, vermittelst Gemüse-Anlagen und dergleichen, dann aber auch, weil in den untern Räumen Carl's Lernzimmer und das Zimmer seines Lehrers eingerichtet wurde. Auf diese Weise kommt das Häuschen unter meine spezielle Aufsicht, und mir ist es gegeben, es vor Verfall oder Vernachlässigung zu schützen. Daß auch das mir eine Art wehmüthiger Freude gewährt, brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Sie selbst wissen zu gut, welche Befriedigung das Herz in solchen Dingen sucht, die an und für sich nichts sind, und bei der Menge so gern mit dem Worte »nutzlos« bezeichnet werden. Dem Herzen ist hier Alles wichtig, es bleibt stets ideal, und die Welt kann ihm nichts anhaben. Es schließt mit goldenem Schlüssel auf, und ist entwischt, wenn sie glaubt, es recht gefesselt zu haben ...

Hoffentlich höre ich nun bald von Ihnen und Ihren Plänen! Die schönen zauberhaft verklärten Herbsttage sind nun vorüber, und der frostige Freund Winter steht vor der Thüre. Innen aber wird es warm und hell.

Jede Ihrer Nachrichten, geliebter Freund, ist ein Gedanke von Ihnen zu mir, und als solcher der liebste Gruß, den mein Herz ersehnt! Haben Sie Dank darum für jede, noch so kurze Mittheilung! Es bedarf unter uns ja nur noch der Notizen, gleichsam ein sichtbares Band uns durch das Leben zu leiten, der Unermeßlichkeit der Empfindungs-Welt gegenüber, der wir angehören. Die Wift der geheimnisvollen Weberin, die unsere Schicksalsfäden ineinanderschlang, ist unlösbar, sie kann nur zerrissen werden. »Wißt Ihr, wie das ward! –«

Ihre Trauer, Ihre Erschöpfung begreife ich, und weiß, was es Sie kostet, nach Rußland zu gehen. Rettung und Rath finde ich nirgends, ob ich mir das Hirn darum zerquäle, es will nicht tagen. Da schweige ich lieber, als mit leeren Hoffnungen trösten zu wollen, an die ich selbst nicht glaube. Es ist der Menschheit traurigstes Verhängniß, ein Uebel zu erkennen, ohne es ausrotten zu können. Es wird mit uns geboren, und wir schleppen es wider Willen weiter, wie eine ansteckende Krankheit. Wohl that es mir zu wissen, daß Sie in Löwenberg und Breslau Frau v. Bissing hatten. Selig sind, die Liebes thun auf Erden! Sie sind in Wahrheit die einzigen Seligen! –

Auch Christkindchen war da. Es sagte, es wolle nach Wien, dem Freunde die trauliche Wohnung zu schmücken. Ich fand das sehr hübsch und wäre am Liebsten gleich mitgegangen. Christkindchen aber hat in der Welt ein gewisses Vorrecht, und so bat ich denn nur, daß es ja den Rechten aufsuche, und gab ihm seinen Namenszug mit. Nun bittet es um freundliche Aufnahme!

* * *

Jan. 13. 65.

Mein Freund!

Frau v. Bülow Cosima, Wagners spätere Gattin. ersucht mich in einem Schreiben heute, um einige Ihrer literarische Manuscripte, die in meinem Besitz sind. Ich habe die Mappe durchblättert, allein es ist mir unmöglich etwas zu senden, es sei denn, auf Ihren persönlichen Wunsch hin. Da Sie wohl kaum noch sich erinnern werden, welche verlorenen Blätter und Blättchen sich in meiner Mappe zusammenfinden, so übersende ich Ihnen eine Kiste des gesammten Inhalts, und bitte Sie, mir zu sagen, ob und was ich schicken solle ...


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