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Emma Herwegh

Seiner Herausgabe des Briefwechsels von Georg Herwegh mit seiner Braut Emma Siegmund (München 1895 und 1896) stellt Marcel Herwegh zwei Motti voran; eines des Mannes: »Lieben = Nichts sein und eine Welt besitzen!« und eines der Frau: »Lieben = Musik der Seele«.

»Nun hast du selbst geklungen«! sagt der Glockengießer Heinrich zu seiner Frau, als sie begeistert von seinem Werk spricht. Auch Emma Siegmund hat in diesem Sinne geklungen: leidenschaftlich, tief und voll. Kein zager Backfisch und keine blaßblütige Gouvernantenseele. In ihr verschmolz sich die körperliche Sehnsucht nach dem Geliebten mit der Verehrung für sein Streben. Emma fühlte sich dem Dichter des Völkerfrühlings zugehörig, als sie zum erstenmal seine »Lieder eines Lebendigen« in Händen hielt, zwei Jahre, ehe sie ihn persönlich kennen lernte. Ein einziger rauschender Akkord, bis zur Vereinigung, sind diese Briefe. Sie hat ihm später gewiß noch oft zu schreiben Gelegenheit gehabt. Diese Briefe sind aber meines Wissens nicht gesammelt worden; sie wären es wahrscheinlich auch nicht wert gewesen. Die Erotik im besten, menschlich höchsten Sinne, wie sie die Brautbriefe zu lesenswerten Dokumenten macht, mußte mit der Vereinigung erlöschen. Emma hat 32 Jahre an der Seite ihres Gatten verlebt, dann wurde er ihr genommen. Sie hat sich nicht getötet – wie sie das als Braut wahrscheinlich getan hätte – nach ihren Briefen zu urteilen: – »ohne dich in der Welt, mich durchschauderts, wenn ich es ausdenken will; lebe ich doch jetzt eigentlich nur in dir und durch dich« ... ihre Ehe soll, trotz der vielen Stürme von außen, eine durchweg glückliche gewesen sein.

Emma Siegmund war die Tochter eines wohlhabenden Großkaufmanns. Schöne lebhafte Augen im sonst unregelmäßigen, aber sympathischen Gesicht, mittelgroß und schlank gewachsen, in jeder Beziehung reich begabt, war sie dennoch 28 Jahre geworden, ohne sich zu verheiraten. Ihre umfassenden literarischen und geschichtlichen Kenntnisse, ihre hübschen musikalischen und malerischen, gut ausgebildeten Talente machten sie zu einem reifen Vollmenschen, dem zur Erfüllung nur noch die Krone des Lebens fehlte.

Vom ersten Augenblick der persönlichen Bekanntschaft an sprang der sympathische Funken, den Herweghs Verse in Emma entzündet, auf ihn über. Acht Tage später waren sie ein Brautpaar. Herweghs ganze Entwicklung war eine sprunghafte, im Zickzack aufwärts gehende gewesen. Als Kind krankhaften Anfällen unterworfen, als Jüngling vom dichtenden Theologen mit mächtigem Sprung zum freien Poeten aufsteigend, dessen Verse einen beispiellosen, heute nicht mehr ganz verständlichen Erfolg hatten, befand er sich gegen die dreißig hin auf der Höhe seines Dichterruhms. Seine Freiheitslieder waren auf aller Lippen, wie einstens die von Körner; er war Sänger des deutschen Volkes, nicht Vertreter einer einzelnen Partei. Der zweite Teil der »Lieder eines Lebendigen« verrät schon viel mehr den »Zweck« und verliert dadurch an rein poetischem Wert. Als Redakteur des »Deutschen Boten in der Schweiz«, der, zunächst ein schweizerisches Blatt, unter Herwegh der Tummelplatz aller großdeutschen Freiheitsgedanken werden sollte, kam er nach Berlin und in das Haus der Siegmunds. Man begreift das allgemeine Interesse, als es in Berlin verlautete, Herwegh sei zum König befohlen worden. Die liberale Partei erwartete Großes von Friedrich Wilhelm IV., aber die uralte Prinz Heinz-Wandlung hatte sich auch hier vollzogen. Die Audienz endete unbefriedigend, Herwegh fand keinen Philipp zu seinem Posa. Die seinerseits allerdings ungewollte Veröffentlichung eines Briefes von ihm an den König vollendete den Bruch. Herwegh begab sich in die Schweiz, den »wahren Herd der Freiheit«, zurück, aber auch hier waren Schillers Ansichten nicht mehr zutreffend: auf das engherzigste wurde der Freiheitssänger bedroht und vertrieben und mußte schließlich vom Kanton Zürich nach dem Kanton Baselland flüchten. In der kleinen Stadt Baden im Aargau konnte er sich endlich ein Jahr nach der Verlobung mit seiner Braut trauen lassen. Aus diesem Jahr datiert der Briefwechsel, dessen bräutliche Hälfte ich auszugsweise folgen lasse. Es sind nicht nur Liebesbriefe, obwohl reichlich viel von Liebe in ihnen vorkommt. Sie sind auch ein getreues Abbild der noch etwas vagen freiheitlichen Bestrebungen vor Achtundvierzig, der Zeit, in der die »Freiheitsliebe« noch nicht antinational zu sein brauchte, um ein begeistertes Echo im Volk zu erwecken, der Zeit, in der sie noch nicht Pachtung politischer Parteien war. Wie stets in solchen Fällen, ist die Frau »plus royaliste que le roi«; es tut der so feingebildeten Bourgeoise wohl, von »Menschenpack« und »Pfaffentum« reden zu können; es erleichtert ihr das von gezwungener weiblicher Zurückhaltung bedrückte Herz. Denn Emma Siegmund – und das ist der schwerwiegendste Grund für mich gewesen, sie dieser Sammlung einzureihen – ist durch und durch Weib nach Charakter und Sichgeben. Sie ist und bleibt die traditionelle Heldenbraut, die nie von der passiven Verehrung zur aktiven Selbständigkeit überzugehen imstande gewesen wäre, wie etwa eine Anita Garibaldi. –

Herweghs feierten unter den schwierigsten Umständen in der Schweiz Hochzeit, sobald der große und der kleine Rat und die Seltsamkeit der einzeln regierten Kantone es zuließen. In jener Zeit ist Herwegh wohl an seiner Ansicht, daß die Schweiz der einzige Hort der Freiheit in Europa sei, irre geworden. Wenigstens blieb er nicht dort, sondern siedelte nach monatelangen Reisen in Italien und Südfrankreich mit seiner jungen Frau nach Paris über, wo er einen Kreis vertrauter gleichstrebender Männer fand und wo er neben dem Dichten sich auch ernsten fachwissenschaftlichen Studien der Botanik und Biologie, später in Nizza sogar der Meereskunde widmete. Er meinte, so sein Scherflein zur Überwindung des alten »Dualismus von Natur und Geschichte« beitragen zu können. Dann riß ihn die Politik mit sich fort. Der verunglückte Einfall der »demokratischen Legion« in Baden, an dessen Spitze er gestellt worden war, ist bekannt. Emma Herwegh begleitete ihren Gatten und floh unter tausend Gefahren, als Bäuerin verkleidet, mit ihm nach der Niederlage von Dossenbach in die Schweiz. Bald war ihr Salon in Zürich der Mittelpunkt des dortigen geistigen Lebens. Wagner, Liszt, Gottfried Keller, Semper, Moleschott verkehrten bei ihr; aber natürlich stand das Haus auch in erster Linie den politischen Verbannten aller Länder offen, und Garibaldis Erhebung fand nicht nur gespannte Teilnahme, sondern auch nach Kräften Förderung.

Durch Lasalle gerieten die Herweghs mehr und mehr in das sozialdemokratische Fahrwasser; erst nach dessen Tod trat Georg wieder aus dem Arbeiterverein aus, um sich sprachliterarischen Studien, Shakespeareübersetzungen, kurz der Intimität zu widmen.

Er starb in Baden-Baden und wurde auf seinen besonderen Wunsch hin nicht auf monarchisch deutschem, sondern auf republikanisch schweizerischem Boden beigesetzt.

Frau Emma hat drei Kindern das Leben geschenkt. Ihre Tochter lebt in Brasilien als Gattin des Direktors der polytechnischen Schule, der als freiheitlicher Minister auch mehrfach politisch tätig war. Ihre beiden Söhne ließen sich in Frankreich naturalisieren. Der überlebende, Marcel, veröffentlichte nach dem Tode der Mutter den Briefwechsel seiner Eltern als Brautleute. Frau Emma starb als fast neunzigjährige Greisin; es ward ihr nicht mehr vergönnt, das nur sieben Monat nach ihrem Tode aufgestellte Denkmal für ihren Gatten in Liestal enthüllen zu sehen.

[Buchseiten 465 – 480 aus anderem Exemplar ergänzt, da in dieser Augabe fehlend. Re]

Portrait

Briefe von Emma Herwegh.

An Herwegh.

[Berlin], 1. Dezember 1842.

Eben wollte ich mich auf mein Roß schwingen, da kommt Dein Brief, und ich lasse den stolzen Rappen warten und fliege erst zu Dir. Wie ist mir doch jedes Deiner Worte so klar, so lieb, so heimatlich. Fürchte nicht, daß ich Dich nicht verstehe, wenn mir die Gabe des Ausdrucks auch fehlt, ich begreife Dich so ganz und gar, denn das Gefühl ist wundertätig in mir. Was Du über die Liberalen sagst, über den Mangel des Adels in der Erscheinung – finde ich auch, und hinge damit nicht auch ein innerer Mangel im Zusammenhang, würde es wenig schaden. Es kommt aber eben daher, daß sie mehr nach dem Tüchtigen, Materiellen, aber nicht nach der Verwirklichung und Verkörperung der ideellen Freiheit streben. Meine Bekannte haben mir oft den Vorwurf gemacht, daß ich zu viel auf Repräsentation gebe – ich finde jedoch, daß der Inhalt die Form notwendig bedingt, und daß eine harmonisch entwickelte, edle Natur fortwährend einen stillen Zauber tragen muß. Die gesellschaftliche Grazie ist Putz – die innere ist der unbewußte Adel, der sich auf jedes Wort, auf jede Bewegung überträgt ... Du hast das Meer gesehen, wie freut mich das! – Ich weiß, es muß Dich ganz begeistert haben; vielleicht hast Du Dich dabei meiner Worte erinnert: Lieber am Meer, als im Gebirg, wenn beides nicht zugleich sein kann. Ich werde nie jene Nächte an der Nordsee vergessen, wenn die Mondscheibe glutrot über den Wellen stand, kein Mensch am Strande, der Himmel tausend Sterne ausgesandt, unter den Wellen es leuchtete und dazu aus der Tiefe die Meereshymne heraufbrauste. Damals wußte ich noch nichts von dem Gefühl, was mich heute durchbebt, und dennoch war mir schon so groß, so weit, so schöpferisch! Laß uns auf dem Meer reisen, dort geht unsre Welt erst auf. Es scheint mir, als läge noch die ganze Urschöne der Schöpfung auf den Wellen ausgebreitet. – Fürchte doch nicht, daß ich Dich des Poeten wegen liebe, oder irgend einer Ursache halber, ich liebe Dich, weil es mein innerster Beruf, Dich zu lieben, weil – ach, weil es eben nicht anders geht, ich muß, es ist eben mein Leben, und daß ich lebe, macht Dich doch nicht ängstlich. Unfrei kannst Du nicht werden, und Du bist mir das verkörperte Bild der Freiheit, nach der ich, so lange ich lebe, mich gesehnt, darum gekämpft, ihr nahe zu treten. Ich kann jetzt nicht annehmen, daß vor Dir mir eine Seele nahe gestanden. Du bist's, und nichts anderes kann es sein. Woher wissen die Königsberger, daß ich reite? Gewiß durch Crelinger. Justizrat in Königsberg. – Es ist mir lieb, daß der Königsberger seinem Bruder unähnlich. Der hiesige ist kein Mann. Er ist ein Mischmasch von Aesthetik, Politik, Salonwesen und Popularität. – Alles, alles Kanonenfutter, nichts weiter. – Tust recht, die Könige zu bemitleiden, es sind wandelnde Mumien, deren Kronen von den entmarkten Köpfen der Völkersturm schon treiben wird. Ich muß auf mein Roß, adieu!

* * *

Berlin, den 2. Dezember 1842, abends.

Du mein herztausiger Schatz!

Ich möchte jetzt den ganzen Tag verträumen, nur um immer wie in den letzten Morgenstunden durch Deinen Gruß geweckt zu werden. So einen herzigen Brief wie dieser, den ich heut' empfangen, schreibt kein anderer, als mein Schatz, ach, ich hab' Dich auch so lieb, so unaussprechlich lieb dafür, daß Du von Glück sagen kannst, fern zu sein, ich glaub', ich drückte Dich zu Tode. Zehn Tage bist Du nun fort, das ist lange, und doch welch eine kurze Zeit im Verhältnis zu den vier vollen Monaten der Trennung, die uns bevorstehen. Dazwischen liegt freilich ein Wiedersehn, so sonnig, so schön, daß ich mich selbst darum beneiden könnte. Was Du mir über Königsberg schreibst, interessiert mich umso mehr, als ich bis jetzt vergebens in der Königsberger Zeitung nach einigen Worten über Dich gesucht hab'. – Wenn Du mir so schreibst wie heute über Deine heiligsten Interessen, dann gefällst Du mir am allerbesten. Wenn ich es jedem Deiner Worte anfühle, daß Du Mann bist, Mann des Volkes, der Freiheit! ich wollte, man könnte bei uns das Eine gleichbedeutend dem Andern finden. Nein, ich werde Dich nicht hemmen, ich könnte es nicht, denn Du bist ein Schweifstern, dessen Lauf ein Weib nicht hindern könnte; sei auch unbesorgt, Du wirst eine Marseillaise finden, wenn du willst, und mehr als diese. Einer von uns beiden schreibt sie, wenn nicht Du, so ich! Sieh mal, wie das kleine Persönchen sich breit macht, aber mir scheint's, ich könnte, seit ich Dich liebe, alles, mein Inneres ist jetzt so unbändig, da sieht man, daß der Liebeszustand der naturwahrste ist, denn er macht revolutionär. Die andern meinen, unsere Liebe gleiche der Schöpfung, die auch am siebenten Tage vollendet gewesen – vollendet ist sie aber noch nicht, o, es muß noch ganz anders werden, sie muß noch Taten erwecken – laß mich nicht denken, daß es bei Dir ein Schwächerwerden geben kann. Was wäre das für Liebe, die durch Gewohnheit beruhigt oder irgend beeinflußt würde. Ich hab' mich nie der Gewohnheit untertänig gemacht, sie hat in keiner Beziehung auf mich einwirken können, wird's und kann es nie zwischen Dir und mir. Ich bin diesen Morgen vor dem Zeichnen bei einer Braut gewesen, die eben getraut worden und dann nach dem Rhein reisen sollte, um dort zu bleiben. Die Braut war krank und sehr traurig. – Sie heiratet ihren Schwager. Mir machte dies alles einen schrecklichen Eindruck, ich dachte unwillkürlich an uns, ob Du wohl, wenn ich stürbe, Dir eine andere Frau nehmen würdest. Fort mit den Gedanken ...

* * *

Berlin, den Dezember 1842.
Mitternacht.

Mein geliebter Georg!

Endlich finde ich eine ruhige Stunde, Dir zu schreiben; den ganzen Tag war ich wie ein gejagtes Reh, morgens von Visiten, mittags von einem Diner und abends wieder von Besuchen dergestalt heimgesucht, daß ich Mühe hatte, meinen Unmut zu bergen. Inmitten all' dieser Sonntagsunruhe trafen Deine beiden Briefe zu gleicher Zeit ein, und ich schickte mich augenblicklich an, die 15 Exemplare Deines Porträts unter Crelingers Adresse nach Königsberg zu befördern. In wie tausendfältige Stimmungen Deine Nachrichten mich diesmal versetzt, kann ich Dir kaum beschreiben. Die erste war eine unendliche Freude, denn mich dürstete nach einem Worte von Dir, so sehr, wie bisher noch nie. Ich glaube, wäre ich ohne diese Zeilen geblieben, ich wäre ganz melancholisch geworden. Wohl zehnmal hab' ich sie an die Lippen gedrückt, kamen sie doch von Dir. Als ich nun endlich las und wiederholte, konnte ich mich eines tiefen schmerzlichen Gefühls jedoch nicht erwehren. Du ahntest nicht, wie viel Bitteres es für mich hat, zu wissen, daß Du von allen Seiten wegen Deiner Verbindung mit mir leiden mußt, oder Dich einer schiefen Beurteilung aussetzest, verdenken kann ich es den Leuten nicht, wenn sie an mich den gewöhnlichen Maßstab anlegen, wodurch hätte ich denn ein günstigeres Urteil mir schon verdient, und sind nicht die meisten Frauen eher Blei als Flügel für die Männer? Du mußt deshalb auch gerecht sein und es ihnen nicht verargen, wenn alle, die ihr Hoffen bis jetzt auf Dich gesetzt, diesen Schritt nicht gut heißen. Glaube es mir, Georg, wäre meine unermeßliche Liebe und die innerste Teilnahme an denselben Interessen mir nicht eine Bürgschaft dafür, daß ich Dich der Welt noch schöner erhalten werde, ich sagte Dir noch heute: vergiß mich – laß jede Nebenrücksicht schwinden, denk' nicht zurück an das, was Du zurückläßt und wie es zurückbleibt. Was ist denn auch das Geschick des Einzelnen gegen den Mord, den Du an Deinem Volke begehst? Ich schreibe Dir dies, damit es Dir Erleichterung sein mag, wann selbst Dich ein Zweifel, ob Du gut getan, durchbeben sollte. Kommt er, und wäre er noch so leise, dann schicke mir diesen Brief, und ich werde Dich noch im tiefsten Grunde meines Herzens segnen, daß Du mich verstanden und nicht geglaubt, ich wolle Dich für mich, sondern mich ganz hingeben, damit die Welt Dich um so reicher besitzen möchte. Ein Weib kann viel, unendlich viel, wenn es liebt, und Deine Emma kann lieben, magst es schon glauben, mein Georg. Laß durch nichts in der Welt Dich binden, als durch Deine höchste innere Wahrheit – führt die Dich zu mir, glaubst Du durch mich ihr näher – dann bleib' bei mir bis zur letzten Stunde; entferne ich Dich von Deinem Ziel und wär' es nur um eines Zolles Länge – so schicke mich fort.

Meine Liebe bleibt Dir, die kannst Du nicht mehr entfernen, Du müßtest mich denn zuvor erst töten und selbst dann, denke ich mir, müßte sie wie ein Phönix aus der Asche entstehen, verzeih', wenn ich so aufgeregt schreibe, aber ich kann nicht anders, ich bin es und mag Dir's nicht verbergen ...

* * *

den 5. Dezember.

... Ich will nicht für ein Ideal von Dir gehalten, noch als etwas Besseres von Dir geliebt werden, als ich bin. – Was wäre denn Liebe, wenn sie um dieser oder jener Eigenschaft wegen erstürbe? Gestern habe ich von einem Theologen eine Friedenshymne, uns beide betreffend, erhalten. Der gute Mensch freut sich, daß nun das Schwert in die sanfte Zither verwandelt wird. Das ist ein arger Irrtum! Ich kann dir's nicht genug aussprechen, wie lieb es mir ist, in die Schweiz zu kommen und all' dies Philistervolk zurücklassen zu können. Mir liegt Berlin auch schon wie Ballast auf dem Herzen. Ja, laß uns fort in das Alpenland. Zuweilen, wenn meine gute Stunde aufgegangen und ich mich mit Dir vereint träume, unser Leben nur Du und ich, dann wird mir so groß, so überselig, das ganze Glück überflutet mich. Wir wollen vereint die Blitze in die Welt schleudern, ach, und ich will ihnen beweisen, was eine Frau tun kann, wenn sie ihr eigen Ich beiseite setzt, mit andern Worten ist das wohl gleichbedeutend mit dem Einen – wenn sie liebt! ...

... Ich weiß nicht weshalb, aber ich habe jetzt eine starke Antipathie gegen die Schöngeister, gewöhnlich sind es so entmarkte Gesellen. Außerdem kann ich Vorlesungen für Frauen und Männer nicht leiden! – Es ist selten was Kluges, es ist immer von allem ein wenig, ich habe genug von dieser Art genossen ...

Berlin, den 8. Januar 1843.

* * *

Mein lieber, teurer Georg!

Eben komm' ich aus einem Konzert von Liszt. – Die Berliner sind rasend vor Enthusiasmus, – und einen Teil dieser Begeisterung verdient der Künstler auch sicher, nur schade, daß allein die Musik sie in Bewegung setzen kann, während die wichtigsten Lebensereignisse nicht imstande sind, den alten Michel aufzuwecken. Nach der heutigen Zeitung sollst Du binnen vier Wochen auch aus Zürich verwiesen werden, Die Bestimmung des Regierungsrats von Zürich, die Georg Herwegh den ferneren Aufenthalt in diesem Kanton verweigert und ihm als letzten Aufenthalts- Bewilligungstermin den 19. Februar ansetzt, ist vom 9. Februar 1843 und unterzeichnet: Hottinger. In der Sitzung vom 15.Februar 1843 bestimmte der Großrat durch 132 Stimmen gegen zur Tagesordnung überzugehen, ohne die zahlreichen Petitionen zu Herweghs Gunsten irgendwie zu berücksichtigen. ist die Nachricht wahr? Du kannst denken, in welcher Spannung ich mich befinde, und wie ich stündlich die Entfernung zwischen uns verwünsche. Außer Czybulski, Wojcick Czybulski, polnischer Literarhistoriker, 1808 geboren, an der Berliner Universität habilitiert. Dr. Ruge, Arnold Ruge, Herausgeber der Deutschen Jahrbücher. Mühlenfels L. von Mühlenfels, Freund von Caspari, dem Schwager Emma Siegmunds, heiratete später die jüngere Schwester. und Weill, Alexandre Weill (1811–t899), französischer Schriftsteller, Elsässer von Geburt, schrieb auch als Korrespondent für deutsche Zeitungen. Einer seiner Romane, »Emeraude«, erschien später von Emma Herwegh übersetzt unter dem Titel »Esmeralda« statt »Emmerode« bei Franckh in Stuttgart, doch hatte der Verleger den Titel wie erwähnt verändert und den Namen des Uebersetzers nicht einmal genannt. welcher heute seine französische Antrittsvisite machte und ganz Deiner Beschreibung entsprach, habe ich von den Bekannten keinen einzigen gesehen, Müller Dr. Hermann Müller-Strübing. fürchtete sich vor einer Strafpredigt, und die andern fliehen klugerweise unser Haus, um nicht von den antiroyalistischen Gesinnungen angesteckt zu werden. – Das ist ein Pack! Von den vielfachen Reden über Dich und unser Verhältnis kannst Du Dir keine Vorstellung machen. Ich bin nur glücklich, daß meine Alten sich nicht irre machen lassen und mit derselben innigen Freude Dich heute als ihren Sohn betrachten, als in jenen Tagen, wo jeder einzelne mit Neid auf sie blickte. Wo man Dich doch noch hinbringen wird! Mir gilt's gleich, vorausgesetzt, daß wir beisammen sind, denn das fühl' ich in jedem Moment klarer, daß ich eine lange Trennung schwer ertragen würde. Dir unter Deinen Freunden, fern von all' dem kleinlichen Getriebe, mitten in der großartigen Natur, Dir werde ich wenig fehlen, fast kann ich mir denken, daß Dir auf Augenblicke Dein Mädchen samt Deiner Liebe nur wie ein Traumbild erscheint, das Dich mitten in Deinen letzten Irrfahrten zuweilen heiterer gestimmt – mir – geht's aber anders, ich lebe so mit, so tief in Dir, daß Alles mich Umgebende mich nur schmerzlicher die Lücke fühlen läßt ...

* * *

Pakoslaw, Landgut ihrer Freundin Emilie Sczaniecka bei Posen., den 15. Januar 1843.

Mein lieber, teurer Georg!

wahrend die andern sich aus den Gebetbüchern ihren Sonntag holen, suche ich meinen Gottesdienst bei Dir, und bin sicher, ihn schöner zu finden, als jene. Seit drei Tagen bin ich hier unter meinen alten Freunden, welche mich mit Jubel empfangen haben, aber das Leben hier ist so geräuschvoll, daß man kaum einen ruhigen Augenblick findet. Fortwährend ist man gewärtig, Besuchende empfangen und unterhalten zu müssen, und da die Gäste immer während ganzer Tage sich einnisten, hält es schwer, Geduld und gute Laune zu behalten. Heute rechne ich ganz bestimmt auf einen Gruß von Dir und weiß noch nicht recht, wie es werden soll, wenn meine Hoffnung betrogen wird. Zuweilen ist das Heimweh nach Dir so groß, daß es mir jeden Gedanken benimmt, dazu kommt, daß ich oft hier Karten spielen muß, um die alten Herrn zu amüsieren, eine Sache, die mich stets tödlich gelangweilt hat und jetzt rasend machen könnte. Man ruft, ich muß ausfahren nach einem fremden Gute und vielleicht gar zuvor noch in die katholische Kirche, wenn ich nicht während der Messe auf der Landstraße frieren will. Das wäre gar ergötzlich! ...

Fürchte nie, daß ein Laut Deines Briefes an mir verloren geht, ein Wort mir unklar bliebe, wie flüchtig Du auch schreiben magst. Es geht mir mit Deiner Prosa wie mit Deinen Versen, sie sind mir beide der Schlüssel zu meiner eigenen Natur, und tausend Dinge, die noch unbewußt in mir lagen, weckt der heimatliche Klang Deiner Stimme gleich gereift ins Leben. Jetzt versteh' Du mich. Hätte ich nicht die einzige Zuversicht, daß zu Deiner höchsten Entwicklung Du eines Weibes bedürftest, so viel wie ich Deiner größeren, schöneren, stärkeren Seele, zur Ausbildung meiner Natur, sagte ich heute: vergiß Dein Mädchen und geh' allein Deinen Gebirgsweg, aber ich fühl's, wir bedürfen beide einander durch und durch, und keine Macht soll uns um eine Faser der Seligkeit betrügen, die uns miteinander, und in der Tatkraft durcheinander, werden muß. Schleud're Deine Blitze, denke an nichts, als an das eine, Dein Mädchen liebt die Gewitter, wenn sie rechter Art sind, und wird mitten in dem Feuer nur noch gestählter werden. Du liebst Deutschland, das weiß ich, wie entrüstet Du auch sein magst, oder vielmehr Deine Entrüstung zeigt es – nur was wir lieben, kann uns zur Verzweiflung bringen. Bin ich nur erst mit Dir, mich dünkt, ich könnte die Welt dann erobern, unsere Liebe scheint mir alles möglich machen zu können. – Denke viel an mich, aber weniger über mich, Du könntest Dir, wenn Du fern bist, Illusionen machen, die meine Gegenwart nachher bitter zerstörte, und das wäre entsetzlich für uns beide. Sei auf nichts stolz, als auf Deines Mädchens Liebe, darauf aber kannst Du nicht stolz genug sein, und auf ihre Gesinnung, was Eins ist. Freiheit, Liebe, trenn' es, wer es kann, bei mir ist's Eins. Wir beide werden einander treu sein, so lange wir uns selbst nicht untreu sind, denn von dem Augenblicke an würde jeder von uns das Wahrhafte in der falschen Form lieben ...

Bakunin Michael Bakunin, der russische Revolutionär. grüße herzlich von mir. Gewiß werde ich in den nächsten Tagen eine ruhige Stunde auch für ihn finden, seine lieben Zeilen zu erwidern. Sage ihm nur einstweilen, mein Georg, daß seine teilnehmende Gesinnung für mich mich umso mehr freut, als sie ein aufrichtiges Echo in mir findet und ich die feste Ueberzeugung habe, daß es des langen Sehens nicht bedarf, um sich zu erkennen und zu sympathisieren; vorausgesetzt, daß etwas Verwandtes vorhanden, heut sind's elf Wochen, seit ich Dich zum ersten Male sah. Geahnt habe ich Dich, seit ich bin. Morgen in 14 Tagen bin ich in Berlin und will mich gleich malen lassen, es ist mir ja so lieb, daß Du es wirklich wünschest. Nimm dieses Mißtrauen nicht falsch, ich bin bisher im Leben immer mehr die Gebende, was das Gefühl betrifft, gewesen, als die Empfangende, und soll nun mit einem Male denken, daß ich dem Einzigen unentbehrlich bin, der es mir ist. Wenn sie nun in Zürich Dich nicht duldeten, welcher Schade? Gibt's nicht tausend Orte, wo wir leben können, leben für die Welt, und dadurch noch mehr uns. Ja, wir wollen nicht nur lieben, wie keine anderen, mein Georg, lieben und hassen, schon zum Schrecken der Philister; ich wenigstens fühl's von mir und auch von Dir. Geht's mit Dir in diesem Punkt gleich langsamer, es geht dennoch; bis ins Innerste ist mir's jetzt klar, daß Du einst mich noch lieben mußt und wirst, wie kein anderer es könnte. Nicht jeder Natur wird's so leicht wie mir, und Du gebrauchst Zeit, um davon durchdrungen zu sein, daß Du nichts aufzugeben, nichts zu vergessen, nur noch alles zu steigern hast, wenn Du wert sein willst, daß die Liebe über Dich kommt. Leb wohl, mein einzig Lieb. – Daß ich jetzt mit Dir auf den Alpen stehen könnte, so ganz allein mit Dir. Ich denke an keine Trennung, mit Dir gibt's nur ein Finden, denn wovon ich auch scheide, ich finde alles, alles, doch wenn es noch ein Drüber gibt, finde ich es in Dir. Gute Nacht, und bleib mir treu! ...

* * *

Pakoslaw, Donnerstag, den 19. Januar 1843.

... Du glaubst nicht, was ich Dir danke; wenn Du meinst, ich habe Einfluß auf Dich gehabt, so darf ich mit Recht ein Gleiches behaupten, und gewiß in größerem Maßstabe. Du hast, ohne es zu wollen oder zu beabsichtigen, meinen besten Bestrebungen eine weit edlere Richtung gegeben, und wenn sich früher in meine Wünsche für die Zukunft, meine geistige Entwicklung betreffend, nicht selten, wenngleich sehr unvermerkt der persönliche Egoismus hineinmischte, wenn bei dem Größeren, was ich erstrebte und zu erstreben mich laut berufen fühlte, ich nicht frei war von jener Eitelkeit der Person, welche durch das Gelingen stolzer Pläne genährt wird, so fühle ich jetzt im Innersten meiner Seele, daß das eigene Ich nur dann Wert hat, wenn es imstande ist, sich selbst über dem Wohl des Ganzen zu vergessen. Wohl soll unsere Liebe groß sein und ein Dorn in den Augen aller Feigen, sie soll unsere Kräfte verdoppeln und ich baue auf das Gelingen fest wie auf unsere Liebe. Das Volk soll erfahren, was es bedeutet, wenn ein Mann und ein Weib in der echten Bedeutung zusammentreten, denn was mir heute noch fehlt, so viel es auch ist, ich werde durch Dich es erlangen....

* * *

Berlin, den 29. Januar 1843.

... Unsere Reise war so schrecklich, daß ich mich nicht enthalten kann, Dir einige nähere détails darüber zu geben. Um 12 Uhr mittags fuhren wir am Freitag auf unchaussiertem Wege mit eigenen Pferden aus, um nach Frankfurt zu gelangen und uns am andern Morgen per Eisenbahn weiter zu expedieren. Wir rechneten darauf, daß die selbst ungebahnten Wege in jetziger Zeit durch den Frost gut sein würden, und auf die Ausdauer der kleinen polnischen Pferde, die tüchtig laufen können. – Statt dessen hatte der einnächtige Regen alles verwüstet, den Schnee geschmolzen und den Boden dergestalt gefurcht, daß wir um die Wette rechts und links geschleudert wurden, in steter Gefahr, umgeworfen zu werden. Der Glanzpunkt trat jedoch erst in der Nacht ein. Ehe wir es vermuteten, hielt der Wagen in einer tiefen Wassergrube an, die Pferde waren trotz der jämmerlichen Hiebe nicht fortzubringen, und so saßen wir in stockfinstrer Nacht, während welcher der Wind und Regen uns förmlich durchpeitschten, drei volle Stunden fest. Der Wagen bis zur Deichsel im Wasser. Der Bediente, der Hilfe zu holen ausgesandt worden, kehrte erst nach dieser Zeit zurück, nachdem er nur durch Hilfe von Leuten vom Wassertode errettet worden; einige Minuten später, wäre er in einem nahen Gewässer ertrunken. Meine Freundin und ich waren die einzig Unbesorgten, unsere jungen Mädchen schrien abwechselnd und glaubten jeden Augenblick, von Räubern angefallen zu werden ...

Die Leute Die Freunde in Deutschland. sind unklug. Sie denken, ich ziehe aus der Heimat, und ich weiß doch, daß ich hinein ziehe. Nicht so, Schatz? Die Wohnung, von der Du schreibst, ist mir ganz lieb, mein guter Georg; nur bitte Frau Schulz, daß sie die nähere Beschreibung der Höhe und Tiefe der Zimmer und Fenster übernimmt, denn sonst kann ich nicht gut auswählen. – Du sollst Dich damit nicht befassen. Auch möchte ich wissen, ob ein Stübchen für unsere Mädchen im Hause ist, denn ich bringe meine eine mit und will dort die Köchin nehmen, und möchte ihnen wenigstens den kleinen Raum ihrer Freiheit gemütlich machen. – Die Schlafstube laß denn nur für beide sein. – Morgen- und Abendstunden sind die schönsten, weil es die stillsten sind, nicht, Schatz? Da will ich lieber in einem Zimmer mit Dir sein. – Mir scheint, wir dürfen uns beide ohne Not nicht trennen, wird ohnehin mancherlei im Leben noch kommen, was uns äußerlich auseinander treibt. Auch ist es besser, das Haus allein, als noch fremde Leute hinein. Es soll kein Mensch uns belauschen können, als wenn wir wollen. Du glaubst nicht, wie selig ich bin in dem bloßen Gedanken unseres Beisammenseins. Liebe nur immer mehr, immer, immer zu, hab' nicht Angst, daß Dein Gefühl Dich überfluten wird, der Mensch kann nicht genug lieben, nur wo die Unendlichkeit Dir im Herzen aufgeht, da bist Du erst, was Du sein sollst. Was die Leute Liebe nennen, ist ein mir lächerlicher, skizzenhafter Seelenkitzel. Man sieht ja, was daraus wird, – Kinder höchstens – für die Menschheit aber nichts, keine Tat, keine Selbstverleugnung, nichts als eitle Sichwiederspieglung des jämmerlichen Subjekts, was man nicht gering genug anschlagen kann, wenn es gilt 0pfer zu bringen in rechtem Sinne des Worts. Mit dem Armen Jakob Gedicht Herweghs. hab' ich heute meinen Gottesdienst gehalten. O schreib' immer zu, das sind die Klänge, die bis ins Mark des Volkes dringen; daß ich imstande sein möchte, zu solchen Liedern Dich zu begeistern! Wenn man statt alberner Predigten solch' Gedicht dem Volke von der Kanzel vortrüge, es würde anders wirken, als tausend Sermone. Ja, mein Herz, Du kannst lieben, das fühl' ich. Nur wer das Elend der Menschheit in allen seinen kleinsten Bewegungen mit durchlebt, nur wer das jammervolle Geschick des einzelnen ganz mitzufühlen, ganz zu würdigen weiß, der kann lieben im Vollgewichte des Wortes ...

* * *

Berlin, den 8. Februar 1843, nachts.

... Auf Dein lieb Konterfei freue ich mich unendlich, wenngleich es seinen Zweck nimmer erreichen wird. – Hältst Du es wirklich für möglich, daß Du mir einst weniger sein könntest, und glaubst Du, daß in solchen Zeiten dies Bild mir angenehm als Erinnerung sein würde? Ich denke, Du glaubst weder das eine noch das andere, wohl aber, daß Dein Schatz wieder einmal keinen Humor gehabt hat, und darin hast Du teilweise recht. –

Es gibt wenige, aber einige Dinge, die ich im Scherz mir selbst nicht ohne Schmerz bezweifeln lasse, dazu gehört denn obenan meine Liebe zu Dir. Nicht, daß der Zweifel meine Person verletzte, die kommt dabei durchaus nicht in Gefahr, aber ich kenne nicht Liebe, die der Wandlung fähig ist, schreib' also nie mehr, wir werden uns bleiben, was wir uns sind, schreib', wir müssen uns immer mehr werden, denn Stillstand ist nicht möglich. Ich doziere wohl wieder? Verzeih, mein Schatz. Wenn ich Dir doch so ganz sein könnte, was ich möchte. Zuweilen durchschauert mich eine große Angst, ich könnte vielleicht unfähig sein, Dich ganz zu beglücken und poetisch anzuregen. Eine Frau wie George Sand, wäre sie nicht besser für Dich gewesen? Freilich hätte sie Dich lieben müssen, wie aber wollte sie nicht, wie ich hätte sie es zwar nimmer gekonnt. – Wyß Wyß, der schweizerische Historiker. war heute abend hier, läßt schön grüßen und hat viel von der Bettina Bettina von Arnim. erzählt. Ein geniales Weib ist's sicherlich, und hätte ich nicht schöneres vor, würde ich sie zuvor noch aufsuchen. Ich denke mir nur, daß man das beste von ihr in ihren Büchern hat, und ihr Umgang auch manche Enttäuschung mitbringt. Sie soll sich ganz aus der Romantik in die Politik geworfen haben, und jetzt bald eine Schrift solchen Inhalts zu publizieren gedenken. Dein Entschluß, den 2. Band Gedichte früher zu veröffentlichen, macht mir Freude. Ich bin sicher, sie werden eine große Wirkung auf das politische Volksbewußtsein haben, und wer weiß, ob sie nicht die Vorläufer einer großen bewegten Zeit werden. Wenn der Eindruck eben nur Eindruck bleibt, nicht zur Tat wird, dann hol' der Kuckuck die ganze Schreiberei, aber Du wirst sehen, die kranke Lise und der arme Jakob Gedichte Herweghs. finden den Weg zu den Hütten der Aermsten, und ist erst das Volk gewonnen, dann kann man das beste erwarten. Nur aus den Massen der Proletarier ist jetzt ein Ostern zu erwarten, daß es aber kommt und wir es noch feiern helfen, steht klar in meiner Seele. Ich fühle es, wir werden noch, wenigstens ich, gewaltige Zeiten erleben, und ich erflehe sie mit der ganzen Glut meines Wesens. Dann sollst Du sehen, ob ich lieben kann, mein einziger Schatz ... denk' recht fest: »Mein Mädchen ist kein Philister!« Ja, pilgern wollen wir, Georg, recht tief hinein in die Waldnächte. Ich möchte die Stellen mit Dir durchstreifen, die noch kein anderer Mensch zuvor betreten, und auf denen noch die ganz jungfräuliche Urschöne der Schöpfung ruht. Wo aber wäre dieser Ort? Im Grunde überall – der Tritt der Menschen kann wohl die gewaltigen Tempel Gottes nicht entweihen ...

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Berlin, den 10. Februar 1843.

... Je näher die Zeit unserer Vereinigung heranrückt, desto größer ist einerseits mein Verlangen nach Dir, aber auch wieder die Besorgnis, Dich dauernd fesseln und befriedigen zu können, wie ich es möchte und überhaupt ein Weib es soll, wenn sie Deiner würdig ist. Du glaubst nicht, wie viel mir noch fehlt, wie viel Geduld Du auch wirst mit mir haben müssen und wie arm meine Natur in geistiger Beziehung im Vergleich zu der Deinen ist. Nimm, was ich Dir schreibe, nicht für eine Superbescheidenheit, ich bin nie bescheiden gewesen und halte diese Eigenschaft für ebenso einfältig als die entgegengesetzte. Das beste in uns ist eine Gabe der Götter, und für Geschenktes kann man dankbar sein, aber sich nichts darauf einbilden, noch die Bescheidene spielen. So oft ich aber uns beide vergleiche, so oft ich mit einer wahren Andacht Dein ganzes tiefes Wesen still beschaue, kommt mir unwillkürlich das Bewußtsein eigener Armut und Kleinheit, und ich bedarf aller Kraft, mich durch mein Glück nicht beugen, statt stählen zu lassen. Wärst Du ein Mann wie die andern, welche sich freilich mit Unrecht so nennen, würde ich Dich nie geliebt haben, aber nun Du das bist, was ich als das Alleinwahre anerkenne, hinsichtlich Deines Strebens und Deiner ganzen Richtung, dünkt mich, müßte Dir auch etwas Ebenbürtiges werden. Diesen Morgen war Fräulein Miethe da, Du kennst mein Urteil über dies Mädchen. Wir sprachen viel über ihre Kunst, und was sie sagte, so unbefriedigend sie es auch äußern mochte, bekundete eine tiefe, innere Gewalt, die ihr ganzes Wesen erhebt und seinem bestimmten Rufe entgegenführt. Sie hat eine Sphäre, in der sie ganz heimisch ist. Ich bin unstet, überall bekannt, nirgends ganz zu Hause. Das einzige, was alle meine Kräfte und mein Interesse ungeteilt in Anspruch nimmt, ist das Geschick, eigentlich die politische Entwicklung meines Volkes und meine Liebe , in allem übrigen bin ich Stümper, Dilettant, und ich hasse den Dilettantismus. – Nur in der Liebe fühle ich mich ganz fertig und gestählt zu dem Größten. Ich fürchte, daß es besser gewesen wäre, Du hättest mich ein Jahr später kennen gelernt, der Mensch vermag viel in einem Jahr, und ich wäre imstande gewesen, Dir besseres bieten zu können, – mehr Dich fortwährend anzuregen und zu heben ...

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Berlin, den 12. Februar 1843.

Mein einziger Schatz!

Brauchst nicht krank zu werden, um mich bald bei Dir zu haben, das merke.

Wenn sonst nicht Dinge vorfallen, die nicht zuvor zu berechnen, reise ich am 1. März hier ab und fliege zu meinem Georg. Ich bin so glücklich durch Deine beiden Briefe, die gestern früh gemeinsam ankamen, daß ich sogar im Augenblick meines Glückes einen Philister umarmt hätte, und das will etwas bedeuten. Erstens ist das Umarmen mit andern Leuten außer – Du weißt schon, Schatz, mir zuwider, und dann die Braut eines Republikaners, einen Philister! Die Aufregung muß groß gewesen sein. – Die Eltern hindern mich gewiß nimmer an der Abreise und lieben und verehren Dich sehr, daran glaube fest, was auch das elende Pack wieder geredet haben mag. Was könnte sie auch wankend machen? Bist Du nicht derselbe, der Du warst, als sie mit solchem Stolz und solcher Freude Dich ihren Sohn nannten? Ruge hat mir nicht geschrieben, ich weiß also nicht, was man in Dresden schwatzen mag, aber arg muß es sein, und ich bin froh, von diesen elenden Gewaschen verschont geblieben zu sein. – Die Menschen sind zu erbärmlich, zu arm, um zu begreifen, daß zwei Menschen sich wahrhaft lieben, man sollte sie beklagen. Mir scheint's wirklich, als wären wir beide die zur Seligkeit Bevorzugten, Du siehst ja überall, wohin Du blickst, diese jämmerlichen Gefühlsfetzen, die einer dem andern auftischt und sich krampfhaft daran hält. Unsere Liebe ist wie das stolze, hehre Freiheitsbanner, unbefleckt von dem Schmutze der gemeinen Menge und unverletzt mitten im Zwiste und Kampfe der Völker, über ihnen wie ein ewig Gebot fortrauschend.

Noch vier Sonntage, mein Herz, und ich bin bei Dir, Dein Weib vielleicht, Braut oder Weib, ist's nicht ganz einerlei, wenn wir nur eben beisammen sind? Schicke doch nur endlich die nötigen Scheine, kein Pfaffe proklamiert uns, ehe sie hier sind, und ehe dies nicht geschehen, können wir in der Schweiz nimmer getraut werden...

Dolche und Pistolen werde ich mir schenken lassen; wie kannst Du doch meinetwegen die spanische Reise aufgeben wollen? Das geht nimmermehr, und sollte ich in irgend einem sicheren Flecken des südlichen Frankreichs allein zurückbleiben, Du müßtest hin. Du darfst Dich meinetwegen nie stören lassen. Du hast ja keinen ängstlichen Schatz, hast gewiß vergessen, daß ich mich auf das Waffenführen verstehe. Laß es uns besprechen, wohin wir reisen, sind wir nur erst beisammen, dann findet sich alles. Freue Dich nur ganz fürchterlich auf mich; ich kann oft vor Seligkeit in dem Gedanken gar nichts vornehmen...

... Nächsten Freitag denk' fein an mich, da wird mir eine Abschiedsfete gegeben, und Sonntag über acht Tage kommt das junge Volk noch einmal zu mir. Ich wollte, es wäre erst vorbei, und ich auf der Eisenbahn. Man wird verlangen, daß ich traurig bei jedem Abschiede bin, und mir leuchtet die Freude aus jeder Gesichtslinie. Du bist ein rechter Despot, Schatz, daß Du Dich dergestalt all meiner Liebe bemeistert hast...

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Berlin, 15. Februar 1843.

Mein Georg!

In diesem Augenblick bringt mir Crelinger die Nachricht, daß im Baselerblatte Deine Verbannung aus Zürich wegen Deiner feindseligen Gesinnungen gegen Preußen usw. usw. stehe, und nur ein zehnjähriges Bürgerrecht gegen dergleichen Ausweisungen aus irgend einem der andern Kantone sichere. Ob dies Gerücht, ob Wahrheit, weiß ich nicht, wie es aber auch sein mag, treibt mich's, Dir zu schreiben, um Dir nochmals zu sagen, daß wohin zu ziehen Du Dich auch entschließen magst, mir jeder Ort ganz gleich ist, wenn er Dir zusagt. Wäre die Nachricht eine wahre... es wäre das Schimpflichste, Infamste, was in letzter Zeit von Elenden geschehen. Ich weiß, mein Georg, Du bedarfst nicht meiner Zusprache, um, wie es kommen mag, den Kopf oben zu behalten. Ja, laß sie es aufs äußerste treiben, Dich können sie eben so wenig stumm machen, als mich hörend auf das feile Geschwätz der Menge. Laß sie Dich verfolgen, o, diese freien Republikaner! sie werden fühlen, mit wem sie es zu tun haben, denn Dein Haß wird wachsen wie unsre Liebe, nicht so, Schatz? Warum kann ich im Augenblick nicht zu Dir? Ich bin Wut durch und durch, aber noch mehr als empört, in Liebe zu Dir. – Wollen sie Dich nicht in Zürich, nun wohlan, dann gehen wir in einen andern Ort, hat er nur Raum für Dich und mich. Ich weiß nun nicht, was Du beschließest. Sehen muß ich Dich bald, das fühle ich, selbst wenn wir noch nicht heiraten können. Schreib' bald Deinen Entschluß, denn ich zähle die Stunden bis auf einen Brief von Dir. Sei stark und froh, was auch geschehen mag, ich bleibe Dir bis an das Ende der Tage, und wenn ich Dich nie mehr sehen sollte, könnte ich Dir nur sagen, wie über alle Maßen ich Dich liebe, und wie kein Gedanke in mir ist, kein Pulsschlag, der Dich nicht segnete, nicht zu Dir flöge...


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