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Sophie Brentano

Ein reifes und auch gefallsüchtiges Weib, das mit sinnlichem Zauber einen Schwärmer betört, das seine Eroberungslust reizt wie seine Phantasie, das mit dem jugendfrischen Romantiker spielt, bis es sich in den eigenen Netzen fängt; kurze Liebesglut, poetische Stunden und viele Tränen, denen der Tod ein Ziel setzt, ehe sie ungetrocknet bleiben: das ist der Roman Sophie Mereaus mit Clemens Brentano.

Jung an einen ungeliebten Mann gefesselt, hatte die hübsche Sophie Schubart in ihrer neuen Heimat wenig Befriedigung, aber desto mehr Anbeter gefunden. Die Gesellschaft von Jena, wo ihr Gatte eine Bibliothekarsstellung einnahm, kristallisierte sich um die kleine, anmutige und geistreiche Frau, die den ihr gespendeten Weihrauch mit Entzücken einatmete. Sie war glücklich, bewundert zu werden. »Gelt«, schreibt ihr Clemens einmal, nachdem es ihm zum Bewußtsein gekommen ist, daß seine Leidenschaft erwidert wird, »Du reitest nicht mehr, Du schminkst Dich nie wieder – mich lieben, mich beglücken, das soll Deine ganze Lust sein...«

Sie hat ihn ehrlich geliebt, sie hat ihn ganz gewiß auch beglückt; denn in der Tat konnte nur ein Weib wie Sophie seine widerspruchsvolle Natur fesseln. Aber zwischen einem Beglücken im Rausche taumelnder Sinne und dem dauernden Glück der Ehe ist ein Unterschied. Vielleicht hätte das Leben der Beiden sich anders gestaltet, wenn Sophie seine Geliebte geworden wäre. Doch in dem romantischen Sonderling, der in freischwebender Stimmung sein Höchstes suchte, lebte doch auch ein ganz gesundes Empfinden. Die Geliebte seiner Sehnsucht sollte nicht abseits der Gesellschaft stehen.

Sophie mag von Anbeginn an ihr Schicksal geahnt haben. Sie hat sich nach der Scheidung von ihrem Manne durch einen längeren Aufenthalt in Kamburg den Huldigungen Clemens' zu entziehen gesucht. Sie hat Monate der Prüfung zwischen ihn und seine Wünsche gelegt, und als schließlich ihr Zustand sie zwang, auch vor der Welt seine Frau zu werden, schrieb sie noch: »Ich werde mit Dir glücklich sein, das weiß ich; ob ich es bleiben werde, das weiß ich nicht«.

Sie heirateten am 29. November 1803. Sophie war damals dreiunddreißig Jahre alt; dennoch wirkte sie viel, viel älter als der fünfundzwanzigjährige Clemens. Auch an dieser Differenz mag sich das Glück der Beiden zerrieben haben.

Anfänglich geht alles gut. In einem Briefe vom Juni 1804 schildert er Sophie: »Meine Frau ist ein tüchtiges Weib, an Leib und Seele gesund, und mehr noch rüstig, gewandt, und bis zur Kunst an beiden gelangt durch Anlage, Lust und Übung; wenn man sie auf den Kopf stellt, fällt sie immer wieder auf die Füße. Es macht mir oft einen großen Spaß, daß sie bei mir ist, sie ist ein allerliebster Kamerad, wenn sie vergnügt ist ... Bis jetzt weiß ich noch nicht, wo ich meine Heimat finden werde. Ich möchte gern meinem Vaterlande nah oder auch in meinem Vaterlande wohnen, aber die Teuerung! Alles andere ist in Frankfurt für mich beinahe besser als sonst wo, und auch für Sophien, welche Gesellschaft und Vergnügungen bedarf, denn ihr Element ist Freude, und in der Freude ist sie auch wie ein Kind, und oft wie ein Engel.«

Aber bald wird es anders. Das Zusammenleben mit Clemens, schreibt Sophie an Charlotte von Ahlefeld, umfasse Himmel und Hölle, doch die Hölle sei vorherrschend. Und gerade in dieser Periode, der Marburger Zeit, fand Clemens Muße, eines seiner schönsten Werke, die »Chronika«, zu arbeiten. Der Tod ihres ersten Kindes verbitterte ihnen Marburg. Sie siedelten sich in Heidelberg an, wo Sophie sofort einen neuen Freundeskreis um sich scharte. »Die Madame Brentano«, so skizziert sie ein Heidelberger im Herbst 1804, »ist eine niedliche kleine Figur. Einigen Reiz hat die Zeit schon von ihrem Gesicht abgestreift. Sie hat ein freundliches Wesen, spricht gern von literarischen Produktionen, doch ohne Ziererei und ohne sich darauf etwas einzubilden« ... Wie tief im übrigen schon damals das wachsende Zerwürfnis ging, beweist eine Briefstelle von Clemens an Achim von Arnim vom 3. Oktober:

»...Glaubst Du wohl, Arnim, daß es schmerzt, mit einem kalten Wesen täglich zusammen zu sein, das die Häuslichkeit verachtet, ohne zu einem andern Dasein Talent zu haben. Man kann nur mit zweierlei Weibern leben, entweder mit der frommen häuslichen begränzten Frau, oder mit der beflügelten, gedankenerweckenden, phantastischen, und beide müssen unergründlich sein. Sophie ist immer traurig, launenvoll und hart, ihr poetisches Streben, welches nie ein ächtes war, ist mit ihrem Leiden und meiner Nähe zu Grunde gegangen, sie glänzte unter den Studenten, und war eine Mythe des jenaischen glänzenden Enthusiasmus, mit dem sie unterging, ich glaubte, sie sei ein Kind, und an der Gränze ihres Sturzes, den sie mit der sentimentalen Epoche in ihrer Ehescheidung begründete, kam ich ihr entgegen, aber sie gab sich mir nicht hin, ihre vorige sehr schlechte Welt ging nicht in dem großen Liebesmeere unter, das ich, mich selbst auflösend, um ihre Brust ergoß. Stirb, stirb in mir, so rief ich ihr im Anfang zu, aber die Götter verwandelten sie in eine kalte, nordische Insel, ein traurig Feld, um das ich mein begehrend Herz bewegte. Alles wendete ich auf, rastlos hoffend, alle meine wunderbaren südlichen Feenschlößer riß ich ein, und spielte die glänzenden Krystalltrümmer hin auf den Sand, ich warf alle reichbeladenen Schiffe auf die Bank hin, und was mein Schooß verbarg, alles, alles gab ich hin. Arnim, öde ist das Feld, muthlos, trüb, und liebt mich nicht. Sie fühlt das, so wie ich, wir haben oft ruhig darüber gesprochen...« Freilich: es muß schwer gewesen sein für jede Frau, sich in die Stimmungen Brentanos zu finden. Es waren die Stimmungen seiner Generation, wie Walzel treffend bemerkt: der faustische Sehnsuchtstrieb romantischer Art, über alle Grenzen des Erlebbaren zu einem Höheren zu dringen, das hinter dem Erlebnis liegt.

Clemens reist viel umher. Er besucht Arnim in Berlin, und ist glücklich, ihn im Frühjahr und Sommer 1805 bei sich in Heidelberg zu wissen, wo das Trio gemeinsam am »Wunderhorn« arbeitet. Sophie hat inzwischen auch ihr zweites Kind verloren; aber ihr Gemüt ist doch ruhiger geworden. »Ist es der Einfluß freier, freundlicher Beschäftigungen, ist es der ruhige, über weite Felder herabfließende Schimmer des Mondes, oder hat das Herz in dem Studium der Menschengeschichten Trost gefunden, da gefehlt zu haben, wo viele fehlten, auch Vortreffliche« – so schreibt sie um diese Zeit in ihr Tagebuch. In der Tat scheinen die Stürme der Ehe nachgelassen zu haben. Im Sommer 1806 bittet Clemens Freund Arnim, zum dritten Male bei ihm Pathe stehen zu wollen und erzählt bei dieser Gelegenheit, in welcher »wunderschönen einigen Ehe« er jetzt lebe. Die Stimmung war wieder einmal auf der Höhe, die Seele flog der Sonne entgegen.

Aber der armen kleinen Sophie sollte die Mutterschaft, die ihr den Ring an den Finger gezwungen hatte, nichts als Tränen bringen. Von ihren beiden Kindern erster Ehe war ihr nur eins geblieben, ihre Tochter Hulda. Die beiden, die sie Clemens geschenkt, starben bald; das dritte sollte die Mutter töten. »Sie war froh und gesund den 30. Oktober 1806«, schreibt Clemens an Arnim, »wir waren auf dem Schloß. Sie sah in die Sonne mit den Worten: ›Ich will Dir einen Jungen gebären, wie die Sonne so feurig! er soll uns so lieb werden wie Arnim, wenn er im Kriege untergeht!‹ Aber die Sonne ging unter. Hinten im Schloßgarten wurden grade die schönen Linden durch Gatterer abgehauen: ›Ach, wenn nur die nicht umfällt, die wir aus unserem Fenster sehen!‹ Sie eilte hin, sie bat, aber der Baum war schon unterwurzelt. Die Stricke zogen, er schlug vor ihren Füßen nieder. Da faßten wir uns in den Arm und gingen sehr erschüttert und sehr liebend, aber traurig nach Haus« ... Daheim findet er Besuch vor: Joseph Görres, der in Heidelberg Philosophie lesen will, mit seiner Schwiegermutter, der alten Frau von Lassaulx. Sophie ist »wie eine Heilige froh«; sie bittet Clemens, mit Görres und der kleinen Hulda auf das Schiff zu gehen, das den Besuch gebracht hat, bis alles vorüber sei. »Da ich wieder nach Haus kam, hörte ich Sophie jammern: ›Lieber Clemens, rufe mir den Arzt! ach Gott, ach Gott, stärke mich!‹ Ich rief den Doctor Mai. Um zwölf Uhr kam die Mutter Lassaulx und sagte: ›Das Kind ist da, man sucht es zu beleben, es ist ein Mädchen.‹ Und ich sprach: ›Lebt mein Weib? ich habe keine Freude an Kindern, sie sterben.‹ – ›Ihr Weib ist sehr schwach!« – Da hörte ich Sophien schwer, schwer athmen; sie sagte: ›Lebt mein Kind?‹ und starb, und die Erde starb, alles starb! und ich schrie ›Arnim! Arnim!‹ und rang die Hände nach Deinem Bild. Und Schwarz und Zimmer und Fries Schwarz, Professor der Theologie in Heidelberg; Zimmer, Mitinhaber der Verlagsbuchhandlung Mohr und Zimmer ebendaselbst; Fries, Professor der Philosophie und Mathematik. trugen mich zu Görres auf das Schiff, und Görres drückte mich fest, fest ans Herz, und ich schrie immer: ›Sophie, das Herz ist zerbrochen!‹ – Den andern Tag brachte mich Görres bis Darmstadt ...«

Brentanos Schmerz war fassungslos; war auch sicher ein ehrlicher: was er an Glück empfinden konnte, hatte Sophie ihm gegeben. Seine zweite Ehe mit Auguste Bußmann, einer Nichte der reichen Frankfurter Bethmanns, wurde bald wieder getrennt.

Die arme Sophie aber war bald vergessen: als Frau wie als Dichterin. Brentano hat nie viel von ihrem poetischen Talent gehalten, und doch war sie mit ihren Altenburgischen Freundinnen »die schöne Quelle seines Enthusiasmus« für den »Godwi«, hat er ihren Namen als Herausgeberin vor seine spanischen und italienischen Novellen gesetzt, hat sie ihm für die Märchen, die Chronika und die Romanzen vom Rosenkranz fruchtbare Anregung gegeben. Er hat auch an ihrem »Kalathiskos«, an der »Bunten Reihe kleiner Schriften« und an ihrer Übersetzung von Boccaccios »Fiammetta« mitgearbeitet. Schiller hat ihrer Begabung liebevolle Pflege zuteil werden lassen, ihre Gedichte haben viele Freunde gefunden, und heute greift man auch wieder nach ihrem Briefroman »Amande und Eduard« und sucht nach dem verschollenen »Kalathiskos «.

Ihr Briefwechsel mit Clemens gelangte durch Bettina von Arnim in den Besitz Varnhagens, dessen Nachlaß der Berliner Königlichen Bibliothek zufiel. Reinhold Steig konnte in seinem Werke »Achim von Arnim und Clemens Brentano« einiges daraus mitteilen, aber das Hauptmaterial blieb auf Hermann Grimms Bitte hin sekretiert. Erst kürzlich ist es einem jungen Germanisten, Heinz Amelung, gelungen, unter Mithilfe der Professoren Erich Schmidt und Roethe die Lösung der Sekretierung zu veranlassen, und hat nun den Briefwechsel im Leipziger Insel-Verlag erscheinen lassen. Auf diese ausgezeichnete Publikation, der wir einen Auszug entnehmen konnten, sei besonders hingewiesen: es sind Dokumente heißflutenden Menschentums – und für die Zeit der Romantik, die ihre poetischen Theorien in das Leben zu übertragen versuchte, Zeugnisse von unschätzbarem Wert.

Portrait

Briefe von Sophie Brentano.

An Clemens Brentano.

(Jena, den 4. Februar 1799.)

Sie sind zu scharfsichtig und ich zu wahr, als daß Sie sich über den Grund meiner gestrigen Bewegung irren könnten. Sie haben nicht meinen Stolz, sondern mein Gefühl beleidigt, und daß Sie dies konnten, daß ich dabei fühlte, was ich empfand, dies verbreitet für mich eine große Klarheit über uns beide. Es hat mich ganz unabänderlich bestimmt, eine Idee aus meinem Herzen zu reißen, die, mir selbst unbewußt, dunkel aber innig darinnen lebte. Lassen Sie uns nicht weiter davon sprechen. Alles übrige bleibt unverändert.

* * *

(Jena, November 1799.)

Es ist ein sonderbares Gefühl, sich auf dem Papier jemand nähern zu wollen, und ich habe Ihre Entfernung nie mehr gefühlt als jetzt, da ich Ihnen schreiben will. Ich hasse alle Briefe an vertraute Wesen, ob ich sie gleich um keinen Preis missen möchte. – Ein Brief ist mir immer wie ein Roman, – und ich mag lieber zu wenig als zu viel sagen. Das Papier ist ein so ungetreuer Bote, daß es den Blick, den Ton vergißt, und oft sogar einen falschen Sinn überbringt, – und doch ist selbst der Kampf mit Irrungen besser als die fürchterliche Oede, die kein Ton durchhallt.

Ich habe jetzt wochenlang einer freien poetischen Stimmung genossen; mancher Reim ist aus meiner Feder geflossen, und manchen glücklichen Nachmittag habe ich in meiner Einsamkeit verlebt, bis bei dem kalten Hauch der Notwendigkeit alle die süßen Blumen meines Herzens erstarrt sind. – Ich kämpfe im Leben einen sonderbaren Kampf. Eine unwiderstehliche Neigung drängt mich, mich ganz der Phantasie hinzugeben, das gestaltlose Dasein mit der Dichtung Farben zu umspielen und unbekümmert um das Nötige nur dem Schönen zu leben. Aber ach! der Nachen meines Schicksals schwimmt auf keiner spiegelhellen Fläche, wo ich, unbekümmert, mit Mondschein und Sternen spielend, das Ruder hinlegen könnte, indes ein schmeichelndes Lüftchen den Nachen leicht durch die kräuselnden Wellen treibt – durch Klippen und Wirbel, von Stürmen erschüttert schifft es umher, und ich muß das Ruder ergreifen oder untergehn.

* * *

(Hamburg, Dezember 1801.)

Es war eine Zeit, wo Sie mir oft und viel von Ihrem innigsten, ganz absichtlosen Wunsch sprachen – den nämlich, mich befreit und ruhig zu wissen. Dann, sagten Sie, würden alle Schranken niederfallen, die Ihnen das Leben verhüllten, und eine segensvolle Welt würde in Ihnen und durch Sie erschaffen werden.

Ich glaubte an dies Gefühl; ich hielt Sie der schönen Innigkeit fähig, das Unglück eines fremden Wesens so tief zu fühlen, daß wir nur mit der Aufhebung desselben auch uns befreit und lebend fühlen können.

Ist denn dies so, warum klagen Sie? was begehren Sie noch von dem Leben? – Die Zeit ist gekommen, wo das Gemüt derjenigen, die Sie unglücklich sahen, auf ewig Eins mit sich selbst ist, und sich wohl traurig aber nicht mehr elend fühlen kann.

Dies ist die Ansicht für unser Verhältnis. Alles andre vergessen Sie – vor allem Ihre Liebe, damit ich vielleicht auch Ihren Haß vergessen könne. – Sehen kann und will ich Sie nicht, und gegen meinen Willen werden Sie mich gewiß auch nicht sehen wollen ...

* * *

(Weimar, ca. 20. Januar 1803.)

Ihr Brief, junger Mann, hat mir Veranlassung zu mannigfaltigen reflexionen gegeben. Ich muß auf der einen Seite Ihren Scharfsinn bewundern, obgleich ich auf der andern Ihren strafbaren Mutwillen beseufzen muß, der freilich Ihrer Jugend zuzuschreiben ist. – Ich danke Ihnen, daß Sie mir Gerechtigkeit wiederfahren lassen, und meinen Carakter anerkennen. Ja, es ist wahr, daß ich ein ganz andres Wesen geworden bin, das immer streng nach Grundsätzen handelt, und alles Unwillkührliche verabscheut. Sonst freilich, lieber Himmel! – gab es viele Augenblicke, wo mir das Unwillkührliche im Menschen als das einzig Göttliche erschien, ja ich hatte sogar Momente der Begeisterung, wo ich mich mit unsichtbaren Mächten auf das innigste verbunden fühlte. Schwärmerei! Nein, jezt geht mir der Verstand über Alles, und ich würde mich schämen, etwas zu glauben, was ich nicht begreifen könnte. Ein paar Jahre können freilich viel zur Reife unsers Geistes beitragen und es war auch hohe Zeit, wie Sie, lieber, junger Freund, auch zu fühlen scheinen, da Sie mich an mein Alter erinnern. Ehedem hatte ich freilich den Wahn; die Jahre bestimmten das Alter gar nicht, das läge nur im Gemüth, und es gäbe Menschen, die alt gebohren würden, und Andre, die jung stürben, sie möchten noch so lange leben.

Was Sie mir über die weiblichen Schriftsteller, und ins besondre, über meine geringen Versuche, Bisher waren von ihr erschienen: Beiträge zu Schillers »Thalia«, »Horen« und »Musenalmanachen«, zu Beckers »Erholungen«, zum »Taschenbuch für Damen«, dem »Roman-´´ und »Damenkalender«, ferner »Gedichte« (Berlin 1800-1802) und »Kalathiskos« (Berlin 1801-1802), an dessen Arbeit Clemens bereits Anteil hatte. Der Roman »Amanda und Eduard«, aus dem einige Briefe schon in den »Horen« von 1797 abgedruckt worden, war in Vorbereitung, ebenso die Übersetzung eines englischen Romans »Die Margarethenhöhle«. sagen, hat mich recht ergriffen, ja erbaut. Gewis ziemt es sich eigentlich gar nicht für unser Geschlecht und nur die außerordentliche Grosmuth der Männer hat diesen Unfug so lange gelaßen zusehen können. Ich würde recht zittern wegen einiger Arbeiten, die leider! schon unter der Preße sind, wenn ich nicht in dem Gedanken an ihre Unbedeutsamkeit und Unschädlichkeit einigen Trost fände. Aber für die Zukunft werde ich wenigstens mit Versemachen meine Zeit nicht mehr verschwenden, und wenn ich mich ja genöthigt sehen sollte, zu schreiben, nur gute moralische, oder Kochbücher zu verfertigen suchen. Und wer weis, ob Ihr gelehrtes Werk, auf deßen Erscheinung Sie mich gütigst aufmerksam gemacht haben, mich nicht ganz und gar bestimmt, die Feder auf immer mit der Nadel zu vertauschen ...

Sollten Sie mir wieder schreiben, Clemens, so verlange ich, daß Sie mir die artigsten Sachen schreiben, die übrigens gar nicht wahr zu sein brauchen. Ihre Wahrheiten sagen Sie nur Ihrer Geliebten, die ich, wie Sie selbst sagen, gar nicht kenne; aber da meine Persönlichkeit, die Sie gar nie geliebt haben, und gar nicht genug herab zu setzen wißen, doch Ihre Briefe lesen mus, so ist es billig, daß Sie ihr entweder gar keine, oder angenehme Briefe schreiben. Sie nennen mich Psiche – warum das verstehe ich nicht, das kümmert mich auch nicht, aber der Name gefällt mir. Denn ich leugne nicht, daß, obgleich ich jezt auf der Welt kein andres Leiden habe, als daß es einen Winter giebt, und daß ich nicht schön bin, doch – aber was geht das Sie an? – Leben Sie wohl, Clemens.

* * *

Dresden. Mitwochs, (den 24. August 1803.)

Nun sind wir hier! – Ach! Clemens, wie sehne ich mich nach Dir! wenn ich nicht bald Briefe von Dir habe, wird meine Liebe Hungers sterben. – Ich bin ganz erschöpft von Nachtluft, Fahren und Bekannten. Ueberall stößt man auf welche – ich habe mir schon bald den Kopf an ihnen eingestoßen, und ich finde daß das Leben nur intreßant ist, wenn es unbekannt ist. Auch eine Art von Abentheuer, ein Art von Anbetern fand sich, ich bin aber heute zu verdroßen um es zu erzählen ...

* * *

Donnerstags. Abend.

Guten Abend, lieber Clemens! ei! wie froh bin ich, daß ich bei Dir bin! Ich bin aus einer Gesellschaft, wo die andern noch sind, fortgegangen, ich sagte ganz naiv: ich müße schreiben, ließ mich von einem garstigen Hofrath, der mich immer neckt und mir ganz pedantisch die zärtlichsten Sachen sagt, nachhauße führen, wo ich mich aufs Sopha warf, mir von einem artigen Markeur das Abendeßen bringen ließ, und nun zum erstenmal frei athme, und Dir schreibe. – Die Menschen hier gefallen mir gar nicht. Ich habe noch keinen einzigen Mann gesehen, mit dem ich nur ein Wort hätte sprechen mögen, und keine Frau, in die Du Dich nur einen Augenblick hättest verlieben können. – Den Morgen waren wir auf der Gallerie, wo wir nun täglich hingehen. Die Menge Eindrücke betäubt mich ganz und ich weis für diesmal nichts, als daß ich ein Gemälde sah, von dem Du mir viel gesprochen. Ein spanischer König hat seine Geliebte als Venus mahlen laßen und sich selbst vor ihr, auf der Laute spielend. Des Mittags waren wir in Gesellschaft, ich glaube es war sehr langweilig, aber ich habe nicht viel an das gedacht, was mich umgab...

Ich will Dir noch ein Liedchen schreiben, welches ich schon unterwegs in Gedanken dichtete. Ich dachte an unsern lezten Spaziergang in Weimar, und wie ich nun allein den Bach besuchen würde, und dabei fiel es mir ein.

In Tränen geh ich nun allein,
am Quell – Du kennst ihn wohl.
Ich blicke in den Bach hinein,
daß er mich trösten soll.

Du freundlich Liebesangesicht,
wie bist Du doch so fern!
Dich bringt mir nun kein Tagelicht,
bringt nicht der Abendstern.

Mein Leben schließt die Augen zu,
weil es Dich nicht mehr sieht,
indeß in Träumen ohne Ruh
mein Herz stets zu Dir zieht.

Die leise Welle rinnet klar,
und zeigt den grünen Grund.
O! Welle mache offenbar,
was wohl mich macht gesund!

Die Welle schweigt und fliehet bald,
doch unten frisch und hell
grünt wundervoll ein Pflanzenwald
bedeckt vom klaren Quell.

Und aus dem frischen Wasserreich
steigt hell der Trost zu mir:
»es grünet so der Hofnung Zweig
auch unter Thränen Dir!«

Gute Nacht, Clemens! – strafe mich für meine schlechten Briefe bald mit einer guten Critik, aber setze sie, ich beschwöre Dich, keiner fremden aus, – Die Augen fallen mir zu, und ich eile in Träumen zu Dir!

* * *

(Weimar) Montags. (5.) September. (1803.)

Endlich bin ich gestern wieder hier angekommen und fühle mich recht glücklich. Meine Seele hat gleichsam von ihren Fenstern alle Vorhänge weggezogen und die Lebenssonne stralt hell und lachend in die freundliche Wohnung herein. Die Zeit erscheint mir gar nicht wie ein krummgebückter Alter, der die Blumen der Jugend abmäht, sondern wie ein Engelchen mit Flügeln, das die Puppe von einem Schmetterling herabstreift. – Ich ruhe auf Deinem Brief, wie auf einem Rosenbett; er ist der erste, worinn mir alles, alles lieb ist, und gar nichts mich stört und erschreckt. Könnte ich nur gleich die Flügel ausbreiten und zu Dir fliegen! aber daran darf ich jezt noch gar nicht denken; ehe ich Anstalten zur Reise mache, muß ich vorher meine litterarischen Angelegenheiten, die, im Vorbeigehen, ein sehr günstiges Ansehen gewonnen haben, völlig anordnen und zum Theil vollenden – Doch wird dies alles, wenn ich so einsam und still, wie ich wünsche und Hofe, fortlebe, bald zu berichtigen sein, und ich rechne noch immer darauf, zu Ende Novembers reifen zu können. – Meine Reise von Dresden hat mir vielen Spas gemacht, den Weg bis Altenburg abgerechnet. Ich mußte die ganze Nacht durch fahren, es war sehr kalt und schauerlich, ich fuhr oft durch Wald und der Mondschein schuf seltsame Gestalten. Bald sah ich am Weg einen kleinen aschgrauen Einsiedler sitzen, mit einer ellenlangen weißen Nase, bald trat ein schwarzer vermummter Riese mir im Weg, bald stand ein Sarg mit weißen Creuz mir zu Seite. Der Aufgang der Sonne verwandelte alles. Ich betete innbrünstig zu dem Quell des Lichts, das auch mich mit feinen Stralen im Innern erleuchtet, sobald ich still und ergeben bin, und mein Leben zum Gebet wird. O! blicke mich immer an, so betete ich, heiliges, beschüzendes Auge! laß mir nie das Vertrauen auf Dich schwinden, so bleibt mein Leben schön und kindlich, denn nur wer fest vertrauen kann, der ist wahr und bleibt ewig! ...

* * *

(Weimar) Dienstags. (6.) September. (1805.)

Ich habe nun Deinen zweiten Brief, und muß es freilich billig und natürlich finden, daß in meine helle Stimmung nun wieder ein Schatten fällt. Da ich thörichterweise Deine lezte Stimmung für gediegner hielt, als sie war, so war mir Deine jezige Unzufriedenheit befremdlich, ja ich empfand auf einen Augenblick jenes grauenvolle Zurückbeben vor Dir, was ich sonst wohl zuweilen gefühlt habe. Aber, Du kennst mich und weißt, wie schnell mein Muth erwacht. »Es ist nichts«, rief es in meinem Innern, das ist alles nicht wahr! und beherzt gieng ich auf die Gespenster los, die mir die Bahn meines Lebens zu verfinstern drohten, sie verschwanden alle, ich sah Dich wieder rein, und konnte Dich wieder lieben, ohne unglücklich zu sein. Ja, Clemens, es ist nicht möglich, daß dieser gottlose Mismuth, der ganz andre Menschen, ein ganz eigen, eingerichtetes Leben begehrt, der gar keinen Sinn für die Mannigfaltigkeit, gar keinen Ueberblick dultet, von keinem Vertrauen auf Gott weis, daß dieser Mismuth wirklich in Dir sein kann, – in Dir, den ich anbeten mus, weil ihn die Natur so herrlich ausgestattet. – Glaube mir, Lieber, es ist Krankheit, ich beschwöre Dich, frage einen Arzt, lerne pflügen und holzsägen wenn es sein muß, Du bist wirklich krank, ein gesunder kann in Deiner Lage nicht so fühlen. Ich habe oft eine sonderbare Empfindung. Es ist mir als stünde Dein Geist noch im Schatten einiger beschwerlicher Vorurtheile, als fesselten ihn noch einige dunkle Bande, die ihm den freien Blick in's innre und äußre Leben hemmten, und dann ist mir, als müßte ich Dich auf eine Stufe heben, worauf ich selbst nicht stehe, wo Du frei und herrlich über das Leben hinschauen könntest, wo Du die Menschen liebtest, auch wenn sie Dir nicht gefielen, wo Du nichts über Dir hättest als den Himmel, und die ganze Erde unter Dir.

Ach! Clemens, wenn ich nichts für Dein Glück thun könnte, so müßte ich ja verzagen, denn wie sollte ich Dir dann vergelten, was Du an mir gethan? – Ja, Du hast mich geweckt, Du hast mir den dichtenden gottliebenden Sinn wieder gegeben, ohne dem das Leben mir nur eine unendliche Last ist. Es ist ein herrlicher Muth in mir, und wenn es auch nicht immer so bleibt, so kann es doch nie ganz vergehen. Mir ist, als reichte ein Arm aus den Wolken, der mich führte, und von allem was ich unternähme, könne nichts mislingen.

Nun von Geschäften. Die Wohnung muß recht schön sein, und ... ist auch der Preis nicht zu hoch. Doch schreibe mir, ob ich für die Meubles, die ich einstweilen im Gebrauch habe, noch besonders bezahlen mus. In diesem Fall wäre es freilich beßer, wenn die neuen bis zum November fertig werden könnten, sonst aber hat es mit der Bestellung Zeit, bis ich komme. Auf jedem Fall bitte ich Dich, mir drei Betstellen zu besorgen; zwei davon so hübsch als möglich, die dritte schlechter. Die Länge 3½ Elle. Auch eine Strohmatraze wünschte ich, weil ich meine Sophakißen mitnehmen will. Sie muß 3¼ Elle lang, 1¾ breit und etwas über ½ Elle hoch sein, von ganz grober Leinwand, sehr fest mit Stroh gefüllt. Wegen des Holzes und des Transports will ich das nächstemal schreiben; auch wegen der spanischen Novellen, Spanische und italienische Novellen. Herausgegeben von Sophie Brentano (sie sind aber eine Arbeit von Clemens), Penig 1804–1805. worüber ich erst noch einen Brief erwarte, um Dir dann zu sagen, was ich damit angefangen. Jezt nur noch eins. Da ich eine ziemliche Menge Gedichte habe, so könnte ich jezt für das nächste Jahr, einen Almanach accordiren, den ich den Namen: romantischer Almanach, geben möchte. Doch müßtest Du mir einige Deiner Lieder dafür geben, weil ich durchaus keine fremden Beiträge nehmen werde. Kannst Du das? schreib mir es bestimmt und bald. Der Plan zerschlug sich. Ihre Gedichte veröffentlichte sie in der »Bunten Reihe kleiner Schriften«. Frankfurt a. M. 1805.

Vom Heurathen sprich mir nicht. Du weißt, ich thue alles alles, was Du begehrst, und wovon Du glaubst, es könne Dich glücklicher machen, aber wolle nichts, was Dich nicht zufriedner macht, – und mich auch nicht. Sag jezt den Leuten, was Du willst, und überlaß mir das übrige ganz; ich werde alles schon einzurichten wißen. Vertraue mir ganz, ich verdiene es, liebe die Menschen und sei lustig. Was soll ich mit einem so unzufriednen Liebhaber anfangen? ...

* * *

(Weimar, den 13. September 1803).

Ich bin heute ernster als gewöhnlich, und deswegen schreibe ich Dir. Lieber Clemens, laß mich mein Leben in Marburg so still und einfach anfangen als möglich. Die Sorge für Dich wird nur Sorge für mein Vergnügen sein, und wie gern will ich sie übernehmen! aber gönne mir Zeit, mich in der neuen Lage erst selbst zurecht zu finden. – Bei allem was Du von mir begehrst, nimm Deine Gründe stets nur von Dir selbst her, mischest Du andre mit hinein, so empörst Du mein Gefühl unausbleiblich. – Es giebt Augenblicke wo ich für Dich, für Dein Glück mit Freuden sterben könnte; ich opferte Dir mein Leben, ein reines Opfer, denn es geschah aus Liebe – willst Du aber meine Gabe für den Dienst fremder Götter gebrauchen, so entweihst Du das Opfer, die Flamme der Andacht verlischt, und ich bin um meine Seeligkeit betrogen.

Die Zucht Deiner Geschwister, der Ruf Deiner Schwester! – erst erfordert ihre Ruhe, daß ich Dich nicht heurathe – jezt will ihr Ruf das Gegentheil! – Clemens, erinnere Dich daß ich für Dich lebe, für niemand anders als für Dich! – Deine Familie würde nichts dagegen haben! – mein Blut kocht, wenn ich mir das sage. Diese Menschen, die mir nichts sind, die mir ewig fremd sind – o, Clemens bist Du wirklich mündig? – ich schweige, dis ist die Klippe, wo meine Sanftmuth scheitert.

* * *

(Weimar, 14. September 1803).

Gestern schrieb ich wegen meines Stücks Sie hatte den »Cid« des Corneille übersetzt. an Schiller; er kam selbst zu mir, und brachte den ganzen Nachmittag bei mir zu. Wir lasen das Stück und er sagte, daß es in einigen Wochen aufgeführt werden sollte. Wir besezten die Rollen gemeinschaftlich und waren sehr lustig; doch hat er mir versprochen, meinen Namen zu verschweigen, und außer ihm und Dir soll niemand etwas davon wißen. Ich muß nun aber wegen der Aufführung Es kam weder zur Aufführung noch zum Druck. noch manches darin zu verändern und daß ist mir leider wieder eine neue Arbeit ...

* * *

(Weimar, den 20./21. September 1803).

Clemens! Gott verzeihe Dir die Stunden, die ich soeben erlebt habe, die brennenden Tränen, die ich geweint, die qualvollen Schmerzen, die mein Innres zerrüttet haben! – Ich bin zu sehr vernichtet, als daß ich mich verstellen könnte. Jezt, jezt erst trefen mich die tödlichen Pfeile, die Du, verhüllt von dem Zauber der Gegenwart, auf mich abdrücktest. O! ich war noch nie unglücklich – jezt bin ich es erst geworden! Beschimpft zu sein von dem was man liebt, das ist das einzige, größte Unglück des Weibes – die einzige Schande, die einzige üble Nachrede, die sie trefen kann! Ich erfuhr es noch nie, bis jezt, jezt. – O! warum war ich, Unselige, bestimmt alle Schmerzen des Lebens zu erfahren, auch diesen, ach! den größten von allen! Durfte kein bittrer Kelch der Erde mir vorüber gehen? – Gott, wie hast Du mein Leben vergiftet, die Einsamkeit giebt mir keine Ruhe und die Menschen fliehe ich – nicht aus Stolz, aus Freude, wie ich es zu thun hofte, nein! weil ihr Anblick mich verwundet, weil mein Sinn gebrochen ist, weil ich keine Freiheit, keinen Muth mehr fühle. – Gestern vertheidigte ich Dich noch, wegen einer Beschuldigung, mit leidenschaftlicher Wärme, – heute aber sagt man mir mit fühlloser Genauigkeit Worte, die Du von mir, von meiner Liebe gesagt – ach! ich erkannte sie zu gut diese schneidenden, verachtenden, schrecklichen Worte, die niemand gehören können, als Dir! aber ich glaubte sie allein zu kennen, nun tönen sie von fremden Lippen mir wieder – o! und das thatest Du zu eben der Zeit, wo ich Dich so rein, so innig liebte, wo ich gern mein Leben für Dich gegeben hätte! was ein redlicher Mann selbst gegen Fremde sich nicht erlaubt, das thatest Du an Deiner Freundin! –

Aber nicht Worte allein, auch Züge müßen es mir sagen. »Das ist nun auch vorbei, schriebst Du Deiner Schwester, ich habe die M geliebt, ich liebe sie nicht mehr; an Heurath ist gar nicht zu dencken, aber sie will meine Freundin – dies Wort zweideutig unterstrichen – sein, und sie wird mir durch die ganze Welt nachlaufen. – Hättest Du nur wahr, nicht schonend sein wollen, so mußtest Du schreiben: Sophie will nicht daß wir uns heurathen, sie meint es sei für mich beßer und ich gebe ihr Recht. – Aber auch jenes – wenn es Dir angenehmer war – ich hätte es leicht verschmerzt, ja gutmüthig hätte ich Dir die Freude gegönnt gegen Menschen die Dir werth sind, Deiner Selbstliebe auf meine Kosten kleine Opfer zu bringen. Aber mich hingeopfert zu sehen für Alle, ein Triumpf für alle die mich beneideten, das Ziel schmähsüchtiger Reden, die nun sagen: seht! sie hat sich ihm an den Hals geworfen, und er verschmäht sie – sie verfolgt ihn mit ihrer Liebe und er verachtet sie. – ...

Gut machen kannst Du nichts, denn so arm ist der Mensch, daß er das nicht zurücknehmen kann, was er gethan, aber um gotteswillen schreibe gleich. – Ach! so groß ist mein Unglück, daß ich es niemand klagen kann, sondern nur bei der Quelle deßelben auch Trost suchen mus. Schreibe mir das treuherzigste, einfachste was Du weißt, nur nichts was mich an Witz und Genie erinnert. Mache, daß ich lachen muß; damit ich wieder begreifen lerne, ich sei noch daßelbe Wesen, wie vorher, und wieder an mich glauben kann.

Ach! stünden nur Deine gottlosen Reden nicht feurig in meinem Gehirn! ...

... Ich schreibe Dir wieder mit versöhntem, stillen friedlichen Gemüth. Ich habe Dir vergeben, ganz, aus reinem Herzen, noch ehe ich Deine Antwort auf meinen Brief erhalte. Nein! Clemens, der Schmerz, den Du mir gabst, kam nicht aus Deinem Herzen, und soll ich wegen solcher Zufälligkeiten die kurze Zeit des Lebens mit feindseligen, traurigen Gedanken anfüllen? ach nein, laß mich mein Herz, so lang es noch schlägt, leicht, wahr und liebend zu erhalten streben ...

* * *

(Weimar) d. 11ten 8ten (1803).

O! Du Ungeheuer, Genie, Bösewicht, Lügner, Verläumder, Räuber, Schriftsteller, Comediant – ach! Du Teufel – ich bin außer mir, ich sterbe, ich bin schon todt. Betraure mich, weine ein paar verführerische Tränen, um damit das Lächeln eines weichfühlenden Mädchens zu gewinnen, schreibe die rührendsten Trauerlieder auf Deine arme Geliebte, um Dir neue Freude damit zu erkaufen – ach! wie intreßant wirst Du sein in Deinem heuchlerischen Schmerz, Deine Coquetterie lockt mich von den Todten zurück, ich kehre noch einmal ins Leben, um mich von neuen in Dich zu verlieben – Doch nein! ich nehme mich zusammen, wir sind getrennt, und ich sage Dir ein ewiges Lebewohl!

Lieber Clemens, Du siehst wohl, daß ich Deinen lezten Brief erhalten habe. Ach! Du hast Deinem armen Freund einige sehr harte Worte gesagt, und er hatte es nicht verdient, die treue Seele! bereuen kann er nichts, denn er sagte Dir keine Lüge, und daß er unglücklich war und kranck, hättest Du so streng nicht rügen sollen. Aber er, er ist Dir drum nicht böse, er ist nur still, und sieht Dir nach, Du kühnes, göttliches Licht, das ihn mit fernen Stralen nach dem Himmel lockt. Dort sucht er Dich, mit dem hellen Blick der Liebe, (nicht mit dem Augenglaß, durch welches Ama Deine Tugend sehen sollte, als könnte diese mit bloßen Augen nicht erkannt werden, wie bescheiden!) er betet still zu Dir, und hat sich nie mit Dir vergleichen wollen. Ach! was in seinem armen treuen Herzen redlich glüht, ist ohne Stral und Glanz, doch kennen es die Himmlischen wohl, sie lieben es und wissen daß es einstens Eins mit ihnen wird ...

Reise nun bald nach Marburg zurück, denn ich komme bald – ob ich es gleich selbst noch nicht glaube – und ich schicke vorher noch Bücher und Betten. Doch erwarte ich erst einen Brief von Dir und schreibe Dir noch einmal – dann geht hinab die dunkle Zeit, auf geht des Glückes Stern, ich trage gern das größte Leid, bist Du mir nur nicht fern! ...

Bei alle dem, Brentano, betragen Sie sich doch sehr unzart gegen mich. Bei der geringsten Veranlassung werfen Sie gleich die Maske der Liebe und Bescheidenheit weg, und machen sich mit Ihrer Vortreflichkeit so breit, wie Mauers Rücken, den ich doch immer noch lieber sah, als sein Gesicht. Da heißt es gleich »Doch das verdienst Du nicht! Das kannst Du nicht verstehen! Das wirst Du nie erreichen!« hören Sie, mein Herr, eine solche Geringschäzung verzeiht kein Weib, daß Sie es nur wißen! – Beleidigt hast Du mich, ich habs geschworen, ich räche mich, nahst Du dich mir, so bist Du gleich verlohren, ich warne Dich, in Liebesworten will ich mit Dir rechten, vernimms und schweig, die Arme sollen feßelnd Dich umflechten, Verbrechern gleich, wie Pfeile sollen meine Blicke sincken, in Deine Brust den Hauch will ich von Deinen Lippen trinken, mit Rache Lust, empfehle mich Ihnen –

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(Weimar, ca. 28. Oktober 1803).

Clemens, ich werde Dein Weib – und zwar so bald als möglich. Die Natur gebietet es, und so unwahrscheinlich es mir bis jetzt noch immer war, darf ich doch nun nicht mehr daran zweifeln. Meine Gesundheit, Deine Jugend, meine jezige Kränklichkeit – ist Dir, Unbefangnen, denn nie etwas dabei eingefallen? – Ich weis nicht, warum es mir kostet, Dir zu sagen, und doch kann ich nicht länger schweigen. – Wärest Du bei mir, so wollt' ich Dir es sagen, mit einem Kuß, doch will die Feder nicht zu schreiben wagen, den Götterschluß. Geheimnisvollstes Wunder, so auf Erden, die Götter thun, was nie enthüllt, nie kann verborgen werden – so rathe nun! denk Schmerz, Lust, Leben, Tod, in Einem Wesen verschlungen ruhn, denk, daß ein ahndungsvoller Sänger Du gewesen – erräthst Du's nun?

Wärst Du in Deine vorigen Grausamkeiten zurückgefallen, so war ich fast entschlossen, eine Diebin zu werden, und mit Deinem Eigenthum an einen Ort zu flüchten, den ich mir schon ersehen hatte, wo Du mich nie, nie wieder gefunden hättest; so aber, da Deine Briefe in schönen Zusammenhang sich wie eine Kette von goldnen Blumen um mich geschlungen, und mich ununterbrochen immer näher zu Dir geführt haben, will ich Dir Dein Eigenthum zurückbringen, und sorgsam bewahren. Mein Herz ist jezt so frei, so leicht, so muthig, daß ich kaum noch weis, ob ich eins habe – und meinen Kopf entführen mir Menschen, Geschäfte und Briefe. Ich habe diese Woche eine Menge Besuche gehabt – wie froh will ich sein, wenn ich nur Einen Menschen sehen, nur ein Geschäft haben, und gar keine Briefe mehr schreiben werde!

... Ich weis nicht, ob es Dich beleidigt, wenn ich Dich bitte, meine Gründe, nun gleich Dein Weib zu werden, jezt vor Allen Andern ein Geheimniß bleiben zu laßen; es kann sein, daß es sich von selbst versteht, aber ich verstehe mich nicht genug auf die Feinheit des männlichen Tackts um dies zu wißen.

So eilet ihr Tage, mit klingenden Schwingen,
mir schnell den Erwünschten, den Liebsten zu bringen,
verschwunden sind Stunden voll finstrer Schmerzen,
nur festliche Kerzen erhellen die Herzen.

O! laßt mich nicht sterben, ich kann nicht vergehen!
Er ist es, ich habe den Liebsten gesehen!

er ist mir erschienen im goldnen Gewande,
ein Engel, zu lösen die irdischen Bande ...

Gute Nacht, meine Zukunft, mein Gebieter – und doch mein Eigenthum!

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(Weimar) Freitags d. 4ten Novembe 1803).

... Alles liegt klar und bestimmt vor mir, ich handle Deinem Willen gemäß, erfülle eine heilige Pflicht, ich handle recht, unschuldig, natürlich – und habe folglich alle Ursache, mich ganz dem Leichtsinn, der Lustigkeit hinzugeben, was ich denn auch von Herzen thue. Freilich steht mir eine sehr ernste Stunde bevor, die Stunde, wo ich Dir wirklich den Namen Gatte geben werde, ich weis es im voraus, ich werde gerührt sein, vielleicht weinen, denn wie es auch sei, aber ich fühle es tief in meinen heiligsten Momenten, da, wo die Herrlichkeit einer andern Welt, die sich nicht in Worten, nur in Tränen spiegelt, in meine Seele scheint, das Wort Gatte, Vater, sind geheimnisvolle, heilige Simbole von höhren Verhältnißen, die wir nur ahnden, nicht begreifen können. – Aber dann macht das Erdenweib, die leichtgeschürzte, leichte Pilgerin des Lebens, wieder ihre Rechte geltend, sie steht einen Augenblick still und schaut lächelnd zurück auf die buntgerathne Zeichnung ihrer Reise, und freut sich dann, mit kindischem Muthwillen vorwärts blickend, daß sie im Begrif steht, den kecksten, lustigsten Streich ihres Lebens, aus dem Clemens einen Ehemann zu machen! laut muß sie lachen, und kann gar nicht begreifen, was dabei bedenkliches, schwerfälliges und ernstes sein soll; rasch und muthig sezt sie ihre Reise weiter fort, und fest überzeugt, daß sie da, wo sie ermüdet auch schnell ihre Heimat finden wird ...

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(Heidelberg) d. 17ten (November 1804.)

Soll ich weinend oder lachend auf Deinen lezten Brief antworten? – einen größern Don Quichote wie Dich, trug gewis nie die prosaische Erde! Zuhauße sizt sein treues Weib, liebt ihn, lebt eingezogen arbeitsam, trägt ihn in und unter dem Herzen, und ist ganz zufrieden – er reißt ganz lustig durch die Welt, zu einem geliebten, wunderholden, einzigen Freund, er könnte ganz ruhig und glücklich sein, aber weil er nun gar nichts weis, ihm gar nichts fehlt, so kämpft er gegen Windmühlen, und trägt sich mit den unwesentlichsten Grillen! – Ich bitte Dich, nimm doch das Gute wahr, das Dein ist, es nicht genießen, ist auch Sünde, und bekämpfe diesen unbeschreiblichen Hang, stets nach dem Fernen Dich zu sehnen. Diese ewige Sehnsucht gehört nur Gott. – Meine Liebe, meine ich, müßte Dich umgeben wie ein warmes, weiches Kleid, das Du überall mit Dir trägst und in dem Du Dich wohl befindest, aber es scheint, als bedürfe Dein Gefühl, um zu fühlen, öfters einen Reiz, der, wie spanische Fliegen, Blasen zieht. Du bist es, nicht ich, der ewig nach der Fremde trachtet. Deine Begierde nach mir ist eben das, was Du oft bei mir empfunden, was Dich jezt zu mir zieht, zog Dich oft von mir weg, es ist ein allgemeines Gefühl, ein stetes Sehnen nach dem entferntem, das mich eigentlich ins besondere gar nichts angeht. Ich bitte Dich, lieber Fremdling, kom doch endlich einmal nachhauße, Du bist stets nicht bei Dir, und es ist so hübsch bei Dir; versuch es nur, und kom zu Dir selbst, Du wirst die Heimath finden, sie lieben, und dann immer mit Dir tragen! –

Es ist wahr, ein Gefühl ist in mir, ein einziges, welches nicht Dein gehört. Es ist das Gefühl der Freiheit. Was es ist, weis ich nicht, es ist mir angebohren, und Du verletzest es zuweilen. Verteidigen kann ich es nicht, denn wer sich vertheidigen muß, ist nicht frei, betrügen kann ich nicht, denn Betrug ist Zwang, kannst Du es also mehr schonen, wie bisher, so bin ich zufrieden...

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(Heidelberg, den 20. Juli 1806.)

Ich kann Dir es nicht leugnen, Clemens, daß mich Dein Brief ganz unendlich gerührt hat. Eine heilige Flut von glauben, hofen und lieben drang so gewaltig in mein Herz, daß ich in süßer Wehmut vergehen zu müßen glaubte. Ich weis nicht, wie ich das nennen soll, was zuweilen aus Dir spricht, mit wunderbarer Stimme aus Dir heraus schreit, aber es mag wohl etwas göttliches sein, weil es so viel Gewalt hat, und man so viele Schmerzen darum vergeßen kann. Und wenn es auch in der Erscheinung vorüber gehend ist, so weis ich doch so gewis daß es wahr, und eigentlich unvergänglich ist, daß ich darauf sterben wollte. – Ich gönne Dir es recht herzlich daß Dir so friedlich zu Muthe ist, und Du dort mit den Deinigen lebst, wie die seligen Götter, denen irrdische Sorge und Schmerz nicht nahen darf. Theile diesen Zustand, so lange es Dir möglich ist, denn er ist selten und stärkt auf lange. Ich habe Dich herzlich lieb, und freue mich recht, Dich wieder zu sehen. Dann will ich Dir sagen, daß ich in Deiner Abwesenheit noch oft habe weinen müßen, aber auch, was für neue Hofnung ich habe ...


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