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9. Voyageur, der unvergleichliche Leithund

Voyageur war der beste Leithund, den ich überhaupt besessen habe. Kein Pferd gehorchte schneller einem Ruck am Zügel als Voyageur der Stimme des Treibers. Die Leithunde lernen bald gewisse Worte der Treiber verstehen und gehorchen dann mehr oder weniger schnell, je nach ihrer Begabung und Abrichtung. Manche Hunde zeigen zeitenweis viel Verständnis für die Zurufe und sind zu anderen Zeiten entsetzlich dumm. Aber auf Voyageur konnte man sich immer verlassen. »Marsch« hieß für ihn immer »vorwärts«; »Chaw« oder »Gee« hieß immer »rechtsum«, »linksum«; er verwechselte niemals die beiden Zurufe. Er wußte auch, daß »Isse«, wenn es zu einem der vorerwähnten Wörter gefügt wurde, ein schnelles Umkehren bedeutete.

Voyageur war ein großer, langbeiniger Hund von einer Mischrasse und nicht eigentlich hübsch. Einmal war er mit einer Peitsche ins Auge getroffen worden und hatte dieses verloren. Seine Sehkraft wurde dadurch nicht sehr beeinträchtigt, aber es machte ihn etwas ängstlich und er nahm es immer übel, wenn jemand sich ihm leise auf seiner blinden Seite näherte.

Er war kein freundliches, munteres Tier und Liebkosungen betrachtete er als eine Beleidigung. Ein Wort des Lobes für eine besonders tüchtige Leistung verschmähte er, wenn es nicht von einer außerordentlichen Gabe an Büffelfleisch oder Fisch begleitet war. Man sah ihn nie mit seinesgleichen spielen, und ein paar jüngere Hunde, die versucht hatten, mit ihm zu tollen, wurden so gründlich von ihm bestraft, daß sie es nie wieder versuchten. Wenn ich die Hundeställe öffnete und die Hunde herausließ, damit sie sich Bewegung machen konnten, so schien das Voyageur zu ärgern und niemals nahm er an dem wilden, fröhlichen Herumspringen der andern teil. Wenn er ihnen je einmal nachlief, blieb er doch weit zurück und war froh, wenn er sich unbemerkt zurückschleichen und sich in seine Lieblingsecke setzen konnte.

In Zeiten, wo man die Hunde zur Arbeit brauchte, mußte ich ihm während der Stunden, in denen er frei herumlaufen durfte, ein langes Seil um den Hals binden. Er war nämlich sehr schwer einzufangen, einem geschickten Indianer aber, der dem Hund auf seiner blinden Seite nahekam, gelang es meistens bald, das Ende des Seils zu erwischen. War das einmal gelungen, so ließ sich Voyageur ohne den geringsten Widerstand anspannen.

Sobald er im Geschirr war, ging eine große Veränderung mit ihm vor. Der verdrießliche, mürrische, scheue Hund wurde dann der munterste und beweglichste von allen. Als Leithund hatte er nicht seinesgleichen. Ein Wort von dem Treiber, einerlei ob ein Weißer oder Indianer, genügte vollkommen. Wenn der Weg über die großen Seen von einem Vorgebirge zum andern ging, so brauchte man nur auf eine steile Anhöhe oder vorspringende Klippe zu zeigen, die vielleicht 30 Kilometer entfernt war, und zu sagen: »Voyageur, das ist der nächste Punkt, darauf zu!« Gerade wie eine Meßschnur war die Spur, die er machte, während er mit straffgezogenen Riemen und ohne daß ein Führer voranging, ja ohne ein weiteres Wort des Treibers, tapfer dahinrannte.

Seine Klugheit zeigte sich besonders, wenn der Weg über gefährliche Stellen im Eis führte. Dies war nicht selten im Frühjahr der Fall, wenn die Sonne anfing, das Eis aufzulösen und es in lange Kristalle spaltete, so daß es, obgleich oft meterdick, doch eine gefährliche Straße bildete; denn man konnte plötzlich zwischen diese eigentümlich gespaltenen Eismassen geraten, die unter der Last nachgaben, so daß man hindurchfiel, während man rings um sich das unangenehme, reibende Geräusch der zahllosen, langen Eissplitter hörte. Wenn kein geübter indianischer Führer vorausging, war es die Aufgabe des Leithundes, diese schwachen Stellen zu entdecken und sich zwischen ihnen durchzuwinden, so daß die nachfolgenden Hunde auf sicherem, festem Eis blieben. Gerade in solchen Schwierigkeiten zeigte Voyageur, was er leisten konnte. Er war äußerst empfindlich und ließ sich nichts dreinreden. Er wollte gar nichts wissen, als das Ziel, auf das er lossteuern sollte, und das behielt er trotz aller Windungen und Drehungen zwischen den schlimmen, gefährlichen Stellen im Auge und erreichte es mit unfehlbarer Genauigkeit.

Wie schon erwähnt, konnten Jack und Kuffy das nicht vollbringen, so oft ich auch versuchte, eins von ihnen als Leithund zu gebrauchen. So blieb Voyageur der Leithund, wo sichtbare und noch häufiger, wo für das menschliche Auge unsichtbare Gefahren auf unserm Wege drohten. Jahrelang bestritt ihm niemand sein Recht, der Leithund des ersten Zuges zu sein.

Bei meinen längeren Reisen ging gewöhnlich der indianische Führer voran und seine Schneeschuhe hinterließen eine genügende Spur, auch wenn er unseren Schlitten kilometerweit voran war. Der Pfad mochte dann noch so gewunden sein, die gut abgerichteten Hunde folgten ihm genau in allen seinen Windungen.

Die indianischen Führer sind außerordentlich begabte Männer. Ihre Fähigkeit, die Reisenden in jene nordischen weglosen Wüsten zu führen, wo man auf hunderte von Kilometern und während mehrerer Monate nicht die Spur eines Pfades sieht und wo für einen gewöhnlichen weißen Mann nichts vorhanden ist, wonach er sich richten kann – ist geradezu wunderbar. Auch an ganz trüben bewölkten Tagen, an denen ich nicht wußte, ob ich nördlich oder südlich, östlich oder westlich gehe, schossen sie auf ihren großen Schneeschuhen mit derselben Schnelligkeit und Sicherheit dahin, wie an Tagen, wo die Sonne in all ihrem nordischen Glanz am Himmel strahlte. Sie konnten bei Nacht ebenso gut reisen wie bei Tag, in einer sternlosen Nacht ebensogut wie in einer sternhellen.

Der Führer war in erster Linie für die Reise verantwortlich. Er wählte den Lagerplatz und wies jedem Indianer seine Arbeit zu. Er mußte sich nach einem drohenden Sturm umschauen und, ehe ein gewöhnlicher Mensch dessen Vorboten bemerkte, trieb er uns, eiligst den Schutz des noch fernen Waldes zu suchen. Nie durfte er sich zwischen dichtstehenden Bäumen durchdrängen, nie über Stellen laufen, wohin die Schlitten nicht folgen konnten. Der Führer war also nicht nur ein Mann, der rasch vorauszueilen hatte, sondern er mußte zugleich mit einem Blick die Eigentümlichkeiten einer Gegend erfassen und die Spur so machen, daß Menschen und Hunde mit möglichst wenig Strapazen ihm folgen konnten.

Wenn man an einen großen See kam und der Führer, der vielleicht tagelang allein vorangeeilt war, auch wieder bei den Menschen sein wollte, dann übergab er gerne Voyageur die Führung. Tapfer übernahm der edle Hund die Aufgabe, und nachdem man ihm den Weg gesagt hatte, eilte er vorwärts, Stunde auf Stunde, unermüdlich, während der Führer mit den andern Indianern den Nachtrab bildete und nach dem langen Alleinsein nun gerne mit seinen Kameraden plauderte und rauchte.

Voyageur hat mehrmals durch seine Klugheit und Vorsicht einer Anzahl von Menschen das Leben gerettet. Die folgende Begebenheit, die ich nicht selbst miterlebt habe, ist ein bezeichnendes Beispiel dafür.

Ein Hauptstapelplatz für die verschiedenen Handelsstationen der Hudson-Bai-Kompanie im Innern des Landes war jahrelang Norway-House, am Nordende des Winnipeg-Sees. In den vielen Gebäuden, die die Gesellschaft hier hatte, sammelte man von den verschiedenen Handelsstationen aus die wertvollen Pelze, bis man eine Schiffsladung beisammen hatte, die dann auf dem Nelson-Fluß nach der Handelsniederlassung an der Hudson-Bai und von da nach England verschifft wurde.

In einem Winter verließen eine Anzahl von Beamten mit ihren indianischen Treibern und Dienern die Stadt Winnipeg, um mit Hundeschlitten die fast 600 Kilometer weite Reise nach Norway-House zu machen. Es war eine ziemlich große Gesellschaft, die es unternommen hatte, im Winter, bei einer Kälte von 30-45 Grad unter Null über das Eis zu reisen. Gewöhnlich richtete man es so ein, daß die Beamten ihre großen Reisen während des herrlichen nordischen Sommers machen konnten, besondere Verhältnisse aber nötigten diesmal zu einer Winterreise, bei der die Beamten und ihre Leute die Nächte in Schneelöchern in den trübseligen Wäldern an dem Ufer des großen Sees zubringen mußten, über dessen gefrorene Oberfläche sie reisten.

Die Indianer hatten viele Hundegespanne bei sich, denn bei solchen Reisen muß man nicht nur viele Pelze und wollene Decken fürs Nachtlager mitnehmen, sondern auch reichliche Vorräte an Lebensmitteln, nebst Kesseln, Flinten, Schießbedarf, Beilen u. dgl., und auch einen Vorrat von Büffelfleisch und Fischen für die Hunde.

Voyageur, der damals noch nicht mir gehörte, war der Leithund. Es fiel keinem von den indianischen Führern ein, voranzugehen, solange dieser wackere Hund den Führer machte. Wenn morgens das Winterlager abgebrochen wurde und die Gesellschaft ihre Reise auf dem See antrat, so brauchte man dem Hund nur die nächste Landspitze zu zeigen, und pfeilgeschwind und pfeilgerade ging er auf sein Ziel los. Das laute Zurufen, das schußartige Knallen und das Schlagen mit den Peitschen, das sonst bei solch schwierigen Reisen notwendig ist, war entbehrlich, wenn Voyageur führte und ebenso mutige und ausdauernde Hunde seiner Führung folgten.

So reiste man Tag für Tag weiter nach Norden. Die Sonne schien in ungetrübtem Glanz und ihr Widerschein von dem leuchtenden Schnee brachte die Gefahr der Schneeblindheit. Dieses Leiden ist äußerst schmerzhaft. Es kündigt sich durch starkes Tränen der Augen an. Dann folgen heftige Schmerzen in den Augäpfeln, ein Gefühl, als ob man einem heißen Sand in die Augen würfe. Wenn man nun nicht schnell vorbeugt, folgt die vollständige Erblindung. Bei dieser Reise litten mehrere der besten Führer an Schneeblindheit. Sie hatten die Augen verbunden und konnten nur weiterkommen, indem sie sich an einem hinten an ihrem Schlitten befestigten Seil hielten.

Während einer Nacht fiel starker Schnee. In jenem kalten Land legt sich der Schnee nicht schwer auf die Erde oder das Eis, sondern er ist sehr leicht und wird von dem nächsten besten Wind in die Höhe geweht. Einen solchen Wind, der unmittelbar auf einen Schneefall folgt, nennt man einen Blizzard. Dies ist also kein eigentlicher Schneesturm, d. h. ein Wind, der den Schnee bringt, sondern ein Wind, der bei klarem Himmel entsteht und den Schnee mit großer Heftigkeit aufwirbelt, so daß manchmal die Luft verfinstert und alle Wege und Spuren verweht werden. Der schon erwähnte Schneefall bekümmerte weder die Weißen, noch die Indianer der Gesellschaft. Er kam, während sie behaglich in ihre Decken und Pelze gehüllt waren, und diente dazu, sie warm zu halten. Am folgenden Morgen war freilich das Aufstehen nicht so angenehm wie sonst, denn der Schnee war überall und kam unter die Kleider und an alle Orte, wo man ihn nicht haben wollte. Ferner war es ein mühsames Werk, die Hunde zusammenzubringen, denn manche steckten metertief in ihren Schneelöchern, in denen es ihnen so behaglich war, daß sie keinem Ruf Folge leisteten. Schließlich mußte man sie mit Schneeschuhen, die die Indianer als Schaufeln benützten, herausgraben.

Als endlich alles bereit war und man die Reise antrat, zeigte es sich, daß der trockene Schnee einen halben Meter hoch auf dem Eis lag und daß man deshalb nicht so schnell vorwärts kam wie bisher. Doch zunächst hatte man ruhige Luft und hellen Himmel und unter Voyageurs tüchtiger Führung eilte man tapfer voran. Manchmal gingen eine Anzahl Treiber, einer hinter dem andern, voran und machten einen Pfad, so daß die Hunde ihre schweren Schlitten besser vorwärts brachten.

An einem Nachmittag bot sich am westlichen Himmel ein prachtvolles Schauspiel. Eine Dunstwolke schien von dort aufzusteigen und sich schnell gegen die Mittagshöhe zu verbreiten. Dann erschienen viele einzelne Kreise um die Sonne und in jedem zeigte sich in prachtvoll leuchtenden Regenbogenfarben eine Nebensonne. Allmählich verschwanden die Kreise hinter dem sich mehr ausbreitenden Nebel, und die Sonne selbst wurde der Mittelpunkt eines flammenden Kreuzes von wunderbarer Schönheit.

Aber während die Weißen unter der Reisegesellschaft mit Entzücken die Erscheinung beobachteten, waren die erfahrenen Indianer mehr besorgt. Sie wußten wohl, was solche Zeichen bedeuteten: daß nämlich weiter im Norden, von Athabaska, oder im Westen vom Felsengebirge her ein Wind unterwegs war, der über den nun so friedlich daliegenden Winnipeg-See herfegen und den frischgefallenen Schnee aufwehen und unter fürchterlichem Brausen und Heulen ein gefährliches Schneegestöber hervorrufen würde. Wenn sie auf dem See, fern von einem schützenden Wald von dem Sturm übereilt wurden, so konnte nur die größte Ausdauer und Geschicklichkeit die Reisenden retten. Als die Indianer ihre Besorgnis den Beamten mitteilten, beschlossen diese, die Reise möglichst zu beschleunigen. Jeder verfügbare Mann wurde vorausgeschickt, um den Pfad für die Hunde bequemer zu machen. So kam man während einiger Stunden schnell vorwärts, denn der Sturm war noch fern und der Schnee lag noch ruhig.

Als es Nacht wurde, schlug man im Wald das Lager auf. Als die jüngeren Herren, in ihre Pelze gehüllt, ums Feuer saßen und ihr Nachtessen verzehrten, waren sie geneigt, über die Besorgnisse der Indianer zu lachen. Es schien wirklich, als hätten diese diesmal falsch geahnt, denn nichts wies auf einen Sturm hin. Über ihnen schienen, durch keinen Nebel getrübt, die Sterne in ihrem gewöhnlichen nordischen Glanz und der Rauch von dem Feuer stieg kerzengerade in die Höhe, denn kein Lüftchen regte sich. So war's kein Wunder, daß die unerfahrenen jungen Leute sich ein bißchen über die Indianer lustig machten, die aber unbekümmert um den Spott alle nötige Vorsorge für das kommende Unwetter trafen.

Voyageur bekam bei der Fütterung einen Fisch mehr als sonst und man gab ihm ein Fell zum Schlafen; sein Leitseil aber wurde an einem Baum befestigt, damit er sich nicht davonschleichen konnte.

Am andern Morgen brach die Gesellschaft früh auf und sie hatte schon eine große Strecke zurückgelegt, ehe das herrliche Nordlicht, das die Nacht erhellt hatte, in den noch helleren Strahlen der aufgehenden Sonne erlosch. Im Sonnenlicht eilte man einer waldbewachsenen Landspitze zu, wo die Indianer schnell ein paar Bäume fällten und bei dem Feuer das ersehnte Frühstück kochten, das sich alle recht schmecken ließen. Es bestand aus heißem fettem Fleisch, heißem fetten Kuchen und heißem starkem Tee. Die Kälte zehrt so sehr an der Lebenskraft, daß große Mengen möglichst fetter Kost für den Reisenden notwendig sind, wenn er gesund und kräftig bleiben will.

Nach dem Frühstück machte man sich wieder auf den Weg. Aber nur zu bald zeigte sich's, daß die Indianer mit ihrer Prophezeiung recht gehabt hatten. Manchmal kommt der Blizzard ganz plötzlich, manchmal beginnt er mit einzelnen heftigen Windstößen, die von allen Seiten kommen und ebenso plötzlich und geheimnisvoll wieder verschwinden. So war es diesmal, und die Gesellschaft hoffte schon, es werde dabei sein Bewenden haben oder der eigentliche Sturm werde erst kommen, wenn sie einen Bergungsort erreicht hätten. Sie eilten tapfer vorwärts über eine breite Bucht, bei der man auch bei hellem Wetter stundenlang kein Land sah.

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Langsam und sicher nahm der Sturm zu. Voyageur eilte tapfer, in immer gleicher Geschwindigkeit voran. Er schien so gut wie die Treiber zu wissen, daß keine Zeit zu verlieren war. Die Gespanne waren jetzt alle aneinander gebunden; außerdem hatte man noch Stricke an den Schlitten befestigt. Als der Sturm jetzt in seiner vollen Wut über den Reisenden ausbrach, faßte jeder – mit Ausnahme der Indianer – ein solches Seil, um sich daran zu halten oder es an seinem Gürtel zu befestigen, damit er nicht vom Wege abkam und sich hoffnungslos verirrte. Ein solches Schneegestöber ist so dicht, daß man nur ein paar Schritte vor sich sieht, und ein Zurufen ist nicht möglich, da das Geheul des Sturmes jede menschliche Stimme übertönt.

So zusammengebunden eilte man unter Voyageurs Führung voran, so gut oder schlecht die Verhältnisse es erlaubten. Der Sturm kam aus Nordosten und die Reisenden hatten ihn gerade im Gesicht. Manchmal aber wirbelte er so um sie her, daß man glaubte, er komme von allen Himmelsgegenden zugleich. Dieses Herumwirbeln des Sturms macht ihn besonders gefährlich. Denn da jede Spur eines Weges verweht ist und man weder die Sonne noch das Land sehen kann, ist es ungeheuer schwer, die Richtung nach dem Ziel einzuhalten.

Aber Voyageur war an der Spitze, und manchmal reicht der Verstand des Menschen weit nicht an den eines Hundes. Er hatte schon mehrmals Reisende auf diesem Wege geführt und alle verließen sich auf ihn, während sie selbst nur eine kleine Strecke voraussehen konnten.

Nach einigen Stunden machte man Halt; die Büffelfleischsäcke wurden geöffnet und andere, schon vorher bereitgelegte Lebensmittel hervorgeholt und jeder stärkte sich durch kräftiges Essen für den Kampf mit dem Sturm und der grimmigen Kälte. Dann ging's wieder vorwärts und während einiger Stunden führte Voyageur noch ohne Zaudern den langen Zug. Es wurde jetzt dunkler, denn der kurze Wintertag neigte sich zum Ende und die lange Nacht brach an. Die Reisenden fragten, ob man sich denn auch jetzt nur auf den Hund verlassen, ob man nicht sonst etwas tun könne, um sich des rechten Wegs zu versichern. Allein die Indianer erklärten, es sei am besten, wenn man den Hund ganz in Ruhe lasse, dann finde er allein am sichersten den Weg. Aber gerade jetzt hielt Voyageur plötzlich an und legte sich hin.

Zuerst rief man ihm scharfe und zornige Worte zu, und als das nichts half, holte man die große Peitsche. Man glaubte, Voyageur sei nur eigensinnig und so wurde das edle Tier hart geschlagen. Merkwürdigerweise aber schrie er nicht, sondern ertrug die grausame Züchtigung, ohne einen Laut von sich zu geben. Weiße, die zornig neben ihm standen, traten ihn mit den Füßen, aber er blieb regungslos und stumm.

Da rief endlich einer der Beamten einem Indianer, dem erfahrensten Führer seiner Zeit: »Paulette, du mußt uns führen; wir können nicht hier stehen bleiben und erfrieren.«

Paulette machte sich gleich auf. Sein scharfes Auge erkannte die Richtung, in der Voyageur den Zug bisher geführt hatte, und ehe die Gesellschaft marschfertig war, eilte er in das Dunkel hinein. Er war aber noch nicht lange fort, als er mit einem Schreckensruf zurückkehrte.

»Wir sind auf dem dünnen Eis über dem Fluß,« rief er, »der Hund hat uns das Leben gerettet.«

Der Winnipeg-See, in den viele kleine und große Flüsse münden, hat nur einen Ausfluß, das ist der große Nelson-Strom. An der Stelle, wo er ausströmt, ist er so breit, daß bei Nacht oder in einem Schneegestöber eine Gesellschaft von Reisenden ganz leicht, ohne es zu bemerken, vom See weg auf den Fluß geraten kann. Bei sehr großer Kälte, d. h. von wenigstens 20 Grad, kann man ohne Gefahr auf dem Eis des Stromes reisen. Wenn die Temperatur nur wenig milder ist, wird das Eis infolge der starken Strömung unten dünner, und die Sache wird sehr gefährlich für den Reisenden. Voyageur hatte dies vermöge seiner scharfen Witterung entdeckt und sich geweigert, weiterzugehen.

Eine Untersuchung des Eises zeigte gleich, daß es sich so verhielt, und man zog sich schnell auf stärkeres Eis zurück. Zum Glück wußte man nun an dem unter dem Eis strömenden Wasser, wo man sich befand, und ein kleiner Umweg brachte die Reisenden in den Schutz des Waldes. Hier fand sich viel dürres Holz und bei einem guten Essen am flammenden Feuer vergaß man die Strapazen über der Dankbarkeit für die Rettung.

Der alte Voyageur war nun auf einmal der Held des Tages, aber er wehrte verdrießlich jede Liebkosung ab, dagegen ließ er sich gerne ein großes Stück Büffelfleisch gefallen, das ihm noch zu seinen Fischen gereicht wurde.


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