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Ende Oktober 1920.

Nun bin ich in der zweiten Hälfte dieses Monats doch noch einmal drüben auf dem festen Land gewesen. Zum Zweiundzwanzigsten, dem Geburtstage der Mutter.

Stille, traurige Tage waren das in Doorn, denn keinem, der sie liebt, kann es entgehen, wie ihre Kräfte schwinden, sich in all dem Leid verzehren. Das Ende meines Bruders Joachim ist nicht verwunden in dem Mutterherzen, das gerade um ihn, als um den schwächsten von uns Brüdern, immer so viel Sorge getragen hat. An dem Geburtstag selbst mußte sie liegen; da konnte ich nur bei ihr an dem Bette sitzen, die schmal gewordene Hand in meiner halten und zu ihr reden. Eine Menge kleiner harmloser Heiterkeiten aus meiner Inselwirtschaft habe ich ihr erzählt und war so froh, wie ich das gütige Gesicht dann immer wieder leise lächeln sah. Aber das kommt wie ein Sonnenschein – und vergeht wieder. Und auch wenn sie auf ist, durch die Zimmer geht und mit den müden Augen über all die alten Möbel und Erinnerungsstücke aus vergangenen Zeiten in Berlin und Potsdam hinblickt, hinstreichelt – so ist das alles wie ein stilles Abschiednehmen. –

Auch mein Onkel, der Prinz Heinrich, war in Doorn und ist dann auf der Rückkehr zu meiner Freude für einen Tag zu mir nach Wieringen gekommen.

Müldner soll im November wieder einmal nach der Heimat und hören, sehen, wie die Zustände jetzt sind. Wie der gute Vater Noah, der die Taube ausschickte, »auf daß er erführe, ob das Gewässer gefallen wäre auf Erden,« komme ich mir bei diesen Reisen immer vor. Wann wird er mit dem Ölblatt wiederkommen?

Unser alter, stets hilfsbereiter Freund Major von Jena soll ihn während dieser Abwesenheit vertreten und mir und meinen beiden Hunden und meiner Katze in meiner Arche hier Gesellschaft leisten.

 

Ich habe vor wenigen Wochen versucht, in diesen Blättern gegen das alberne Geschwätz anzugehen, das mich mit dem Mißerfolg der ersten Marneschlacht in Verbindung zu bringen sucht. Ich möchte im Anschluß daran noch eine zweite Lügenlegende zerstören.

Unter den vielen Unwahrheiten, die Böswilligkeit oder Dummheit über mich in die Welt gesetzt und verbreitet haben, steht auch der Anwurf, ich sei an den schweren Verlusten und an dem schließlichen Mißerfolge vor Verdun schuld. Die Zähigkeit, mit der diese Behauptung immer wieder auftaucht, macht eine Klarstellung der Tatsachen notwendig.

Der Befehl, Verdun anzugreifen, ist nicht von mir ausgegangen, sondern beruhte auf einem Entschlusse der Obersten Führung. Zum Ausdruck kommt die Absicht zu diesem Unternehmen und kommen die allgemeinen Ideen, aus denen es der O.H.L. vorteilhaft erschien, bereits in einem Vortrage, den General von Falkenhayn als Chef des Generalstabes des Feldheeres dem Kaiser um Weihnachten 1915 gehalten hat. Da heißt es: »Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie es, so werden sich Frankreichs Kräfte verbluten, da es ein Ausweichen nicht gibt, gleichgültig, ob wir das Ziel selbst erreichen oder nicht. Tut sie es nicht und fällt das Ziel in unsere Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein. Deutschland wird nicht gezwungen sein, sich für die räumlich eng begrenzte Operation so zu verausgaben, daß alle anderen Fronten bedenklich entblößt werden. Es kann mit Zuversicht den an ihnen zu erwartenden Entlastungsunternehmungen entgegensehen, ja hoffen, Kräfte in genügender Zahl zu erübrigen, um den Angriffen mit Gegenstößen begegnen zu können.« Bald darauf erteilte die O.H.L. dem A.O.K. 5 den Befehl zum Angriff auf Verdun. Mitbestimmend zu diesem Entschlusse der O.H.L. war zweifellos auch der Wunsch und die aus unserer zahlenmäßigen Unterlegenheit sich ergebende Notwendigkeit, einem erwarteten Angriffe der Gegner aus deren ungeschwächter Kraft und gegen einen uns etwa unerwünschten Frontabschnitt zuvorzukommen. Die Organisation der Engländer war um diese Zeit wirksam geworden, die Entlastung der Franzosen war eingetreten. Der Gegner besaß im Frühjahre 1916 im Westen eine Übermacht von mehr als einer Million Kämpfern – nach General von Falkenhayns eigener Angabe standen 2350000 Deutsche gegen 3470000 Streiter der Entente – und ein gewaltiges Mehr an Material.

Bei der Beurteilung des Angriffsentwurfes vertrat das A.O.K. 5 die Ansicht, es müsse beiderseits der Maas mit starken Kräften gleichzeitig angegriffen werden. Ein solches Vorgehen lehnte die O.H.L. ab. Der alleinige Angriff auf dem Ostufer ist auf direkten Befehl der O.H.L. hin ausgeführt worden. Aber auch dieser Angriff wäre wahrscheinlich gelungen, wenn nicht ungünstige Umstände eingetreten wären.

Die Vorbereitungen zum Angriff waren den Franzosen vollständig entgangen. Der Artillerieaufmarsch war in keiner Weise gestört worden, die Angriffsinfanterie hatte in der Sturm-Ausgangsstellung kaum Verluste. Alles war glänzend vorbereitet. Da traten am Abend vor dem ursprünglich vorgesehenen Angriffstage strömende Regengüsse und Schneetreiben ein, die der Artillerie jede Möglichkeit nahmen, ihre befohlenen Ziele unter Feuer zu nehmen. Der Angriff mußte von Tag zu Tag aufgeschoben werden, so daß der Sturm erst zehn Tage später als ursprünglich beabsichtigt erfolgen konnte. Wir haben damals beim A.O.K. qualvolle Zeiten durchlebt, denn, wie die Dinge lagen, bedeutete jeder verlorene Tag, jede verlorene Stunde Verminderungen unserer Aussichten auf raschen Erfolg. In der Tat ist in dieser Wartezeit der ganze Angriff den Franzosen durch zwei übergelaufene Landwehrmänner – elende Schufte – verraten worden.

Trotzdem wurde es unseren Gegnern nicht mehr möglich, die nötigen Gegenmaßregeln schnell genug durchzuführen. Der Angriff begann am 21. Februar 1916, und die überwältigenden Erfolge der drei ersten Tage sind bekannt. Die Infanterie des III., XVIII. A.K. und VII. Reservekorps vollbrachte auf ihrem Sturmwege Wunder der Tapferkeit. Die Einnahme des Forts Douaumont war die Krönung. Und auch jetzt noch wäre es gelungen, die gesamte Ostfront von Verdun zu überrennen, wären die uns zugesagten Reserven rechtzeitig zur Stelle gewesen. Warum diese nicht eintrafen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Mir hat damals der Stürmer des Forts Douaumont, der Hauptmann von Brandis, erzählt, er habe am vierten Tage selbst beobachtet, daß in der ganzen Gegend zwischen Douaumont-Souville-Tavannes kein Franzose mehr war. Aber unsere eigenen Truppen waren am Ende ihrer Kräfte. Das Wetter war entsetzlich, und die Verpflegung konnte nicht überall rechtzeitig herangeführt werden. Daß es wohl möglich gewesen wäre, bei sofortiger Fortsetzung des Angriffes die gesamte Ostfront von Verdun zu nehmen, geht schon allein daraus hervor, daß die örtliche Führung der Franzosen bereits die Räumung der Ostfront befohlen hatte. Diesen Befehl hat erst General Joffre rückgängig gemacht. Aus dem mir unlängst zugegangenen Berichte eines französischen Offiziers aber, der bei Verdun mitgekämpft hat und die Kämpfe beschreibt, ergibt sich, daß am dritten Tage die Verteidigung der Ostfront von Verdun in der Tat gebrochen war. Die ganze Gefahr der Lage für die Franzosen am 24. Februar schildert auch General Mangin in seinen Ausführungen in der Revue des Deux Mondes.

Die nach einer ungeheuren militärischen Leistung eingetretene Ermüdung unserer Sturmtruppen und der Mangel an Reserven haben uns um den Siegespreis gebracht.

Ich klage nicht an, ich stelle nur die Tatsachen fest.

Von diesem Tage ab war das Moment der Überraschung dahin, und die bisher stark vorwärtsdrängenden Stürme verwandelten sich in ein ungeheures Ringen und Würgen um jeden Fußbreit Boden. Schon nach wenigen Wochen wurde mir hierbei klar, daß es nicht möglich sein würde, die zähe Verteidigung zu durchbrechen, und daß die eigenen Verluste auf die Dauer in keinem Verhältnisse zu dem Gewinn standen. So habe ich dann bald alles daran gesetzt, den Angriff einzustellen, und ich habe diese meine Ansicht und die aus ihr gefolgerten Vorschläge mehrfach mündlich zum Ausdruck gebracht. Es wurde meinen Darlegungen, mit denen ich übrigens in einen gewissen Gegensatz zu der Auffassung meines damaligen Chefs, des Generals Schmidt von Knobelsdorf trat, zunächst nicht Folge gegeben, der Befehl lautete auf weitere Fortsetzung des Angriffes. Daß ein anderer Entschluß für die O.H.L. angesichts der hohen moralischen Werte, die an eine Aufrechthaltung des Unternehmens gebunden waren, ungeheuere Widerstände überwinden mußte und daß die O.H.L. den Kampf um Verdun aus anderen Gesichtspunkten werten mußte als der Oberbefehlshaber des A.O.K. 5, ist ohne weiteres zuzugeben. Trotzdem glaube ich, daß meine Anregungen, auch von diesem höheren Standpunkte aus betrachtet, damals schon das Richtige trafen.

Als sich die Lage später so verschärfte, daß ich die Fortsetzung des Angriffes im Hinblick auf die Nutzlosigkeit der Opfer nicht mehr verantworten zu können glaubte, bin ich in persönlichem Vortrage bei Seiner Majestät dem Kaiser und auch schriftlich bei der O.H.L. vorstellig geworden, worauf der Kaiser meiner Ansicht beigetreten ist und die von mir gewünschte Einstellung des Angriffes genehmigt hat. Sie ist, nachdem General Falkenhayn am 29. August als Chef des Generalstabes des Feldheeres und von der Leitung der Operationen zurückgetreten war, von Generalfeldmarschall von Hindenburg am 2. September 1916 zugleich mit der Anweisung, die erreichte Linie als Dauerstellung auszubauen, befohlen worden.

So traurig das Endergebnis gewesen ist, so soll man doch andererseits nicht vergessen, daß, wenn auch uns der Angriff auf Verdun schwerste Verluste gekostet hat, die Franzosen in noch viel höherem Maße unter diesen Kämpfen gelitten haben. Etwa fünfundsiebzig französische Divisionen sind in dem Höllenkessel von Verdun zerschlagen worden. Die Wucht des französischen Anpralles an der Somme ist so durch Verdun ganz außerordentlich gemindert worden, und es bleibt unübersehbar, welche Folgen die Somme-Offensive gehabt hätte, wenn die Schlacht vor Verdun nicht die Hilfsquellen Frankreichs an Menschen und Material in diesem Maße vorzeitig gebunden und verzehrt hätte. –

Ich möchte die Darlegungen über meine Stellung zu den Kämpfen um Verdun nicht schließen, ohne mich auch noch mit einem Schimpfe auseinandergesetzt zu haben, der mir seit nun zwei Jahren immer wieder aus solchen Zeitungen, die lieber ein billiges Schlagwort gebrauchen als der Wahrheit Raum gewähren, feige und verleumderisch entgegenspringt.

Gerade dieser Tage konnt' ich's wieder lesen: » – der Kronprinz, der lachende Mörder von Verdun – «

Galle und Bitterkeit in das karg genug bemessene Licht, das mir auf meiner Insel hier, die von dreihundertfünfundsechzig Tagen dreihundert Tage lang in Sturm und Nebel liegt, verbleibt.

» – der lachende Mörder von Verdun – « das bin also ich. Eigentlich könnte man ja daran gewöhnt sein, so oft hat man die gleiche Niederträchtigkeit nun schon gelesen. Aber sie trifft mich immer wieder, weil sie an das rührt, was ich mir als letzten sichersten Besitz aus diesem Krieg und Niederbruch gerettet habe: an die reine Erinnerung meines Verhältnisses zu der mir anvertrauten Truppe – an das Wissen: die Leute und du, ihr habt euch verstanden und vertraut, und ihr habt mit Recht aneinander geglaubt, denn jeder hat an seinem Teil sein Bestes getan und gegeben.

Was von Verdun und meiner Rolle in dem Ringen um die Festung zu berichten ist, das habe ich ausgesprochen. Bliebe noch über mein Verhältnis zu der Truppe etwas zu sagen – und über mein Lachen.

Beinahe widerstrebt es mir, zum ersten dieser beiden Punkte überhaupt viel Worte zu machen. Nur dieses sei bemerkt: Mir waren meine in ungezählten Kämpfen als tapfer und treu erprobten Divisionen wahrhaft wie Kinder ans Herz gewachsen, und ich habe stets alles getan, was in meinen Kräften stand, um ihnen Ablösung, Ruhe, Verpflegung, Fürsorge und Auszeichnungen zu teil werden zu lassen – so weit sich das unter den harten Umständen des Krieges nur irgend schaffen ließ. Wann und wo irgend möglich – das heißt: immer wieder, wenn mir die Pflichten meiner Stellung die längere Entfernung von dem Oberkommando der Heeresgruppe möglich machten – bin ich zu meinen kämpfenden Truppen in die im Feuer liegenden Abschnitte nach vorne gegangen, habe mit eigenen Augen nach ihrer Lage gesehen, wenn möglich dann auf Grund des eigenen Erkennens Erleichterungen für sie durchzusetzen gesucht. Das war in den Argonnen nicht anders als vor Verdun oder in den Kreidegräben der Champagne, und es wird wenig Kämpfer unter den vielen Hunderttausenden geben, die meinem Oberbefehl im Lauf des ungeheueren Ringens unterstanden haben, die mich nicht so in ihren Kampfabschnitten gesehen haben.

So kann ich, statt viel Worte zu verlieren, sie alle, meine tapferen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der alten 5. Armee und der Heeresgruppe, ohne Scheu zu Zeugen dafür aufrufen, wie ich zu ihnen stand. Das Wissen, daß sie mir alle meine Liebe mit unvergleichlicher Soldatentugend, mit Treue und Tapferkeit gedankt, daß sie rein menschlich an mir gehangen haben, das ist für mich noch heute ein Stück Glück, das ich mir aus der Vergangenheit herüber gerettet habe – und das mir auch kein leichtfertiger Hetzer mit seinen lügnerischen Anwürfen zerstören soll!

»– der Kronprinz, der lachende Mörder von Verdun –«

Also schließlich: mein Lachen.

Ja, und noch einmal ja: Ich habe gern gelacht in meinen jungen Jahren und bin ein Trübsalbläser und ein matter Stubenhocker nie gewesen. Ich habe gern gelacht, weil ich das Leben damals schön und reich gesunden habe und weil mir dabei war, als ob mein Lachen etwas wie ein Dank an das Geschick sei, das mich frisch, gesund und gläubig meine Kräfte fühlen ließ.

Ich habe auch im Krieg, trotz alles bitter Schweren, mein Lachen nicht völlig verlernt. Wer mitgemacht hat und ein ganzer Kerl ist, der hat das sicher auch an sich selbst erlebt, wie damals gerade in den schweren Zeiten alles in einem fortgedrängt hat von dem unerhörten Grauen, von Tod und von Vernichtung, und man beinahe gierig nach jedem Empfinden und jeder Äußerung der Bejahung dieses ewig zwischen hier und dem zweifellos besseren Jenseits pendelnden Lebens gewesen ist. Also auch damals habe ich aus meinem Gesichte kein Theater für ein registrierendes Publikum gemacht, sondern habe es gezeigt, wie es war.

Daß mir das auch in jener Zeit schon in der Heimat, vielleicht auch in der Etappe, hier und da üble Zensuren eintrug, weiß ich: Der Kronprinz sieht immer vergnügt aus – er nimmt die Dinge wohl nicht allzuschwer –

Ihr lieben, braven Ausdeuter und Klugschwätzer, was habt denn ihr gewußt?! Wenn ich mich damals halb so viel um euch gekümmert hätte wie ihr um mich, dann wäre mir mein Lachen vielleicht doch vergangen.

Ich aber habe mich allein um eines gesorgt und gekümmert: um die mir anvertrauten Männer, die im Kampfe standen. Und nur wenn diese meine alten Kämpfer, die mir an das Herz gewachsen waren und deren ich heute wie je in Liebe und in kameradschaftlicher Zugehörigkeit gedenke – wenn die etwa an meinem Lachen Anstoß nahmen, dann sollt ihr Recht behalten haben!

Die aber haben mir dafür gedankt und haben mich verstanden. Um derentwegen habe ich auch wirklich mehr als einmal gelächelt und gelacht – auch wenn mir nicht eben danach zu mute war.

Bilder drängen mir aus den schweren Tagen zu.

Es ist Besichtigung eines Rekrutendepots. Der jüngere Jahrgang hat seine Ausbildung beendet, jetzt soll er an die Front. Da stehen nun sechshundert kaum der Knabenzeit entwachsene frische, liebe deutsche Jungen – eigentlich sind sie ja noch viel zu jung für das schwere Handwerk! Erwartend, fieberig sind ihre hellen Augen auf mich gerichtet: was wird der Kronprinz ihnen sagen? – Und da steigt es einem in der Kehle hoch, und die Augen wollen trübe werden – ich sah schon zu viele gehen und zu wenige wiederkehren, und dies sind ja beinahe noch Kinder! Dürfen diese Jungen sehen, was in mir vorgeht? Nein! Man reißt sich zusammen – und lächelt – und spricht zu ihnen: »Kameraden, denkt an die Heimat, es muß sein, es wird mir schwer, euch ziehen zu lassen, aber ihr werdet eure Sache schon gut schaffen. Erweist euch würdig der Kameraden an der Front. Gott schütze euch!« Und nun jubeln sie mir zu und gehen gläubig ihren schweren Weg. –

Es ist Großkampf. Ernste Meldungen von der Front, der Feind ist an einer gefährlichen Stelle eingebrochen, im Zimmer des Chefs sitze ich vor der Karte, das Telephon neben mir. Wir haben die Reserven herangeführt, die Artillerie und Flieger sind angesetzt, und nun wartet man auf Meldungen. Das Telephon klingelt, man reißt den Hörer ans Ohr. Meldung vom A.O.K.: Die Einbruchstelle hat sich erweitert, wir hoffen aber in der Linie A bis B halten zu können. Die schwersten Sorgen drücken auf den Chef und auf den Oberbefehlshaber. Reserven sind nicht mehr verfügbar, der letzte Mann, das letzte Maschinengewehr ist in Marsch gesetzt. Jetzt muß die Truppe es machen. Wird sie es machen?

Dann trete ich aus dem Oberkommando, um mit dem bereitstehenden Auto nach vorne in das Gebiet des Angriffes zu fahren. Hunderte von Soldaten stehen auf der Straße; ihre fragenden Augen sind unsicher auf mich gerichtet. Die Schwierigkeit der Lage vorne hat sich herumgesprochen, richtig nach Panikstimmung sieht es hier aus. Da richte ich mich auf und rufe ihnen zu: »Kinder, es sind schwere Kämpfe im Gange, aber die Sache wird geschafft, muß geschafft werden, und ihr müßt mir dabei helfen.« Und dabei lächle ich ihnen zu. Da wissen sie: Wohl, es geht hart auf hart, und vielleicht kommt es bitter schwer. Aber er glaubt an uns, und er läßt selbst den Kopf nicht hängen – es wird werden.

Und statt des dumpfen Schweigens, das ich fand, tönen jetzt zustimmende Rufe hinter mir her. –

Ein anderes Bild. Es ist nach dem schweren Ringen am Chemin des Dames. Ich fahre zu einem Regiment, das soeben aus den Kämpfen kommt und auf dem Boverücken einige Tage ausruhen soll. Die Leute haben sich in Granattrichtern und in alten französischen Unterständen notdürftig eingerichtet. Mit vielen spreche ich; die Männer sind sehr abgespannt. – Da sitzt in einem Granattrichter eine Korporalschaft und spielt Skat. Ich setze mich dazu und stifte drei Mark in die Kasse. Und nun geht's los. Alles waschechte Berliner Jungens – die meisten kennen mich von zu Hause. Sie schimpfen zunächst, daß der Krieg so lange dauert, aber behaupten trotzdem: »wir wern det Kind schon schaukeln.« Ich muß fort zu anderen Truppen. Da steht so ein alter Knabe auf, fünfundvierzig ist er wohl, und hält mir seine rauhe Hand hin, sagt: »Sie sind unser oller Willem, und det Se uns hier besucht haben, vergessen wir Ihnen nich; wenn wir wieder injesetzt werden, dann denken wir an Ihnen, und Sie sollen mit uns zufrieden sin.« Und dann ertönt ein donnerndes Hurra über den blutgetränkten Chemin des Dames. –

So also war es mit dem Lachen.

Ja – und da ich schon dabei bin, so soll noch ein Bekenntnis her: Ich kann's auch heute noch!

Allen Schicksalsschlägen und Widrigkeiten und aller Enge und Einsamkeit zum Trotz: Auch jetzt noch spüre ich es manchmal froh und unbefangen aus mir quellen – und danke meinem Gott dafür, daß er mir das gelassen hat!

Gestern erst, als ich in Den Oever drüben mit den Fischerkindern spielte – und letzthin, als ich mir da mit dem Schmiedegesellen eins erzählte.


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