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August 1920.

Seit ich die Blätter hier aus meinen Händen legte, ist wiederum ein schwerer Schmerz über die Eltern und über uns Geschwister gekommen: Mein Bruder Joachim ist, seelisch niedergebrochen, aus dem Leben geschieden. Ich bin gleich am Tage nach dem Eintreffen der Nachricht nach Doorn hinüber gefahren, um meiner Mutter wenigstens in der ersten, härtesten Zeit nahe zu sein. Wie viel Leid das Geschick auf dieses arme kranke Mutterherz lädt!

Anfang des Monats hat mich dann mein Bruder Oskar, der gleich nach mir nach Doorn gekommen war, auf der Insel besucht, und auch Eitel Friedrich war hier. So lernen sie nun alle nach und nach den kleinen Flecken Erde kennen, auf dem ich seit über 20 Monaten lebe. Ich kann mir denken, daß es ihnen, wenn sie hier zufällig gut Wetter treffen, für ein paar Tage garnicht so schlimm erscheint. Eine große Freude brachte mir das Kommen meines alten allzeit getreuen Maltzahn, der bei seinen Besuchen im Felde manche ernste Sorge um unsere Lage im Inneren mit mir geteilt hat. – Ende des Monats soll auch meine Frau wieder kommen – diesmal mit allen vier Jungens!

 

Es drängt mich, im Zusammenhange meiner Aufzeichnungen über mein persönliches Erleben auch einige Worte über die beiden Männer zu sagen, in deren Namen sich für das gesamte deutsche Volk Idee und Bild des militärischen Führertumes verkörpern, über den Generalfeldmarschall von Hindenburg und über seinen Ersten Generalquartiermeister, den General Ludendorff.

Was unser Vaterland den beiden Männern dankt, darüber sind wohl keine Worte nötig. Es mag genügen, die Erinnerung an die Tage der großen Siege bei Tannenberg und an den Masurischen Seen wachzurufen, in denen die Namen dieser Beiden auf allen Lippen waren, nach denen Front und Heimat in gleicher Weise wünschten, daß die Führung des gesamten deutschen Heeres in ihre Hände gelegt werden möge. Auch wir Oberbefehlshaber haben diesen allgemeinen Wunsch, Hindenburg und Ludendorff an der höchsten verantwortlichen Stelle wirken zu sehen, rückhaltlos geteilt und den endlichen Entschluß Seiner Majestät mit Freude und Hoffnung aufgenommen.

Nie vorher im Leben habe ich zwei Männer von so verschiedener Wesenheit sich ähnlich ergänzen und zu einer Einheit verbinden sehen wie diese beiden, denen der Gedanke an das Wohl des Vaterlandes, an Glück und Ehre des Heeres in allen Fragen jener Zeit, in der sie miteinander wirkten, der gemeinsame Boden für Pläne, Erwägungen und Entschlüsse gewesen ist.

Soll ich den Generalfeldmarschall, so wie er mir in den Jahren seiner reifen Höhe erschienen ist, charakterisieren, so möchte ich sagen, daß der ausschlaggebende Eindruck von der schlichten Wucht und Ruhe seiner in sich geschlossenen Persönlichkeit ausging. Von einer gläubigen, fest gefügten Ruhe, die sich jedem, der mit ihm menschlich oder dienstlich in Berührung trat, mitteilte, die jeden davon überzeugte, daß die Geschicke der Armeen in dieser gelassen festen Hand und unter dem Blick dieser ernsten und doch stets warm blickenden, tief gebetteten Augen aufs beste geborgen seien. Sprach er dann noch, drang neben der Wirkung des gleichsam unverrückbaren Bildes seiner statuarisch großen, breitschulterigen Gestalt noch die tiefe Klangfarbe seiner langsam, besonnen und bedächtig fließenden Worte auf seinen Partner ein, so verstärkte sich das vertrauende Empfinden, daß hier ein überlegener Beherrscher der Lage eine völlig gesicherte Auffassung vertrat. Dieser Eindruck war wirksam nicht nur auf den Einzelnen, mit dem er etwa sprach, er erstreckte sich auch auf die Menge, wenn sich der Generalfeldmarschall ihr zeigte. Dazu kam, daß eine kaum bestimmbare Besonderheit seiner Art die Grenzen zwischen seinem dienstlichen und seinem menschlichen Interesse an Menschen, Problemen und Dingen aufzuheben schien. Vor dem Hintergrund der sehr bald schon mit beinahe mythischen Zügen umkleideten gewaltigen und befreienden Ostsiege wurde Hindenburgs Persönlichkeit für Feld und Heimat gewissermaßen das Symbol des deutschen Sieges und der Errettung aus der Not des Krieges. Das unenthüllte und wohl zum guten Teile in einer Kritik des Herzens und Gemütes wurzelnde Etwas, das für die Massen-Seele den volkstümlichen Heros macht und das sich von und zu Männern wie Falkenhayn oder Ludendorff niemals spannte, umwob ihn rasch mit vollem Nimbus, machte ihn zum erwählten Führerideale der deutschen Herzen. Ich habe dieses in seiner primitiven Gläubigkeit ergreifende Vertrauen: »Unser alter Hindenburg wird's schon schaffen!« immer wieder im Vaterlande wie an der Front als eine Zuflucht aus allem Druck der Zeit ausklingen hören – auch noch in späten Tagen, in denen wir Führer, denen die Kenntnis der Lage solchen Optimismus längst entzogen hatte, nur ein Schweigen als Antwort finden konnten.

Es war schon während des Krieges und es ist wohl heute mehr noch als damals die Meinung verbreitet, daß der Generalfeldmarschall während seines Wirkens an dieser höchsten Kommandostelle neben dem General Ludendorff, der als der eigentliche spiritus rector der Obersten Heeresleitung angesehen wurde und wird, eine mehr repräsentative Rolle gespielt habe. Diese Auffassung kann ich auf Grund meines Einblickes in das schöne Verhältnis zwischen den beiden Führern nur als irrig bezeichnen, und sie kann keinesfalls Geltung haben für jenen Zeitabschnitt, in dem der Generalfeldmarschall sich noch auf der Höhe seiner physischen Kraft und Energie befand. Daß auch ein Hindenburg, der als nahezu Siebenundsechzigjähriger, aber dabei im Besitze vollster geistiger und körperlicher Frische in den Krieg eintrat, sich nach drei und vier an Arbeit, Sorgen und Verantwortungen überschweren Jahren den natürlichen Folgen seines zunehmenden Alters nicht ganz entziehen konnte, darf sicher ausgesprochen werden, ohne daß dadurch den großen und unvergänglichen Verdiensten des Feldherrn und verehrungswürdigen Mannes irgendwie Abbruch geschähe. Die unermüdliche Arbeitskraft des soviel jüngeren Freundes und engsten Mitarbeiters ist ihm bei den im Laufe der Zeit notwendigen Entlastungen auf halbem Wege entgegengekommen, und jedenfalls ist ihre schöne Einheit zu einem starken zielsicheren Willen stets erhalten geblieben, ohne daß je ängstlich um die Zuschreibung des geistigen Anteiles zwischen ihnen gemarktet worden wäre. Was Hindenburg an seinem Kameraden in der Führung besessen hatte, das zeigte sich bitter hart von dem Augenblicke an, in dem diese Einheit der beiden durch das Ausscheiden Ludendorffs zerbrochen war und ein neuer Mann an seine Stelle trat, dessen Unzulänglichkeit vor dem Gedanken, das leck gewordene Schiff über Wasser zu halten und im Zeichen seiner alten Flagge durch allen Sturm sicher in den rettenden Hafen zu bringen, nur allzu rasch verzweifeln mußte. Ein Mann, dessen Wesensart mit einem Achselzucken diese Flagge strich, so wie er kühl Werte, die unserem deutschen Volke bisher Heiligtümer gewesen waren, als leere »Ideen« zum Gerümpel warf; dessen auf andere Ziele gerichtete Energie die stärkste Triebkraft für die besondere Entwickelung der Vorgänge des 9. November im Großen Hauptquartier von Spa geworden ist.

Dienstlich bin ich – und das lag in der Natur meiner Aufgaben und Pflichten – wesentlich mehr als mit dem Generalfeldmarschall mit dem General Ludendorfs in Berührung gekommen, und ich kann aussprechen, daß ich dabei stets das starke Empfinden hatte, hier einer Persönlichkeit von gestählter Energie und scharf geschliffenem Geiste, einem preußischen Führer im besten Sinne der alten ruhmvollen Tradition gegenüber zu stehen. Unzählige Male habe ich in seinem hellen Arbeitszimmer, in dem sich die Strahlungen von allen Fronten des vom Feinde umstellten Vaterlandes wie im Brennpunkte einer Linse fanden, die Fragen und Probleme des Krieges, und im besonderen die Kampflage bei meiner Heeresgruppe mit ihm besprochen. Gewann man bei solchen Aussprachen mit dem Generalfeldmarschall, wie ich erwähnte, den Eindruck, daß seine schwer und sachte fließenden Worte das Ergebnis einer von ihm vertretenen tiefen Sicherheit waren, so schien es in den Auseinandersetzungen mit General Ludendorff, als wäre man in jene blanke Werkstatt höchsten geistigen Ringens eingetreten, in der in einem nimmer still werdenden Kampfe mit ungezählten Widerständen, mit feindlichen Prinzipien, Hindernissen, Nöten, Unzulänglichkeiten aller Art diese Sicherheit jeden Tag neu gewonnen werden mußte.

Daß mit dem Komplexe dieser ungeheuren Forderung auch Aufgaben und Probleme sich an ihn heranschoben, die eigentlich nicht innerhalb der hergebrachten Grenzlinien seiner Stellung zur Erledigung hätten kommen sollen, wurde schon erwähnt. Er hat sie ans sich genommen, weil ihre Lösungen von größter Bedeutung auch für die militärische Lage waren und weil sie ohne sein Zufassen und Eingreifen liegen geblieben wären. So dankenswert, gelungen und in mancher Hinsicht geradezu vorbildlich mir auch vieles erscheint, was er auf diesen Vorfeldern seines engeren Arbeitsbereiches geschaffen hat, so glaube ich doch, ohne jede Beeinträchtigung des Umrisses seiner starken Persönlichkeit, aussprechen zu dürfen, daß mir seine wesentliche Bedeutung und Größe auf den Gebieten der Strategie, Taktik und Organisation zu wurzeln schien. Auf diesem Felde hat sein theoretisch glänzend geschulter, an eigenen Ideen reicher und wunderbar exakt arbeitender Geist in jenen Jahren, in denen die Truppen und das Kriegsmaterial noch als intakter Apparat in seinen Händen lagen, militärische Probleme von schwierigster Gestaltung blendend sicher gelöst und unvergänglichen Ruhm für sich und für die deutschen Waffen erworben. Die scharfe, restlose Durchdenkung der Lage, die sichere Umwertung der Theorie in Befehl und Tat, die genaue Kenntnis der Leistungsfähigkeiten der zum Einsatz kommenden Kräfte, mit denen er wie mit feststehenden mathematischen Werten zu rechnen wußte, haben ihm damals im Osten die großen Siege von Tannenberg, von Lodz und an den Masurischen Seen gebracht. Sie haben ihm auch weiter, als er die gewaltigeren Aufgaben der O.H.L. übernommen hatte, im Ringen um die deutsche Linie bis in das Frühjahr 1918 hinein Erfolge von unvergänglicher strategischer Bedeutung gesichert. Erfolge, die vielleicht heute noch von dem Mangel einer letzten Auswirkung und dem Dunkel des Niederbruches im Endkampfe umschattet erscheinen, die aber eine gerecht urteilende Zukunft zweifellos den größten militärischen Leistungen aller Zeiten zuzählen wird.

Beeinträchtigt wurden seine großen und kühnen Ideen erst von dem Augenblicke an, in dem die Einheiten, die er in das Kunstwerk seiner Operationspläne einbaute, den Forderungen, die er nach alter Tradition an die Truppe glaubte stellen zu können, nicht mehr entsprachen – in dem der gerne als kanonisch angenommene Kampfwert des Einsatzes dem Auf und Nieder physischer und psychischer Einflüsse allzusehr unterworfen war und damit in die exakte Berechnung der Maschine die Unsicherheit und Brüchigkeit des Materials als unabstellbare Fehlerquellen traten.

Der reife Schlachtendenker und Errechner der Siege, der, seit er als kleiner Leutnant zum ersten Male einen Zug geführt, gewohnt war, Begriffe wie Disziplin, Pünktlichkeit, Kampfgeist als eisern feststehend anzusehen, und dem sich, seit er als junger Generalstabsoffizier zum ersten Male die himbeerroten Streifen an den Beinkleidern getragen, mit Einsatzwerten wie Batterie oder Division stets die Vorstellung von Einheiten mit bestimmter Schlagkraft und schätzbarer Wirkungsfähigkeit verbunden hatte, mußte hinter all diese Begriffe mit einem Male große Fragezeichen setzen. Unternehmungen seines Geistes, die den Stempel des Erfolges bei Voraussetzung der Intaktheit aller Einzelfaktoren zu tragen schienen, mußten am Ende vor ihren letzten Zielen niederbrechen, weil die teils überanstrengte, teils verunreinigte Maschine in Einzelteilen oder als Ganzes versagte. Die letzten deutschen Offensivstöße seit dem 21. März 1918 bis zu dem entscheidenden Wendepunkt des Krieges – dem 18. Juli mit dem Feindeinbruch vor dem Walde von Villers-Cotterets – sind, trotz zum Teil blendender Anfangserfolge, doch nur eine Kette von bitteren Beispielen für diese Tatsache.

General Ludendorff hat als Mann und Soldat schwer an diesen Zuständen getragen, hart unter ihnen gelitten, und ich, wie wohl auch jeder andere Führer, wußte ihm diese Qualen nachzufühlen. Wir alle, die wir durch die eiserne Schule der alten herrlichen Armee gegangen waren und die wir die Luft des roten Hauses auf dem Königsplatz geatmet hatten, sind dort mit dem sicheren Vertrauen auf die Unerschütterlichkeit des großen, auf Kraft und Stolz des deutschen Volkes selbst gestellten Heeres und aller seiner Teile ausgerüstet worden. Dieses Palladium mußten wir erschüttert sehen.

Ich für mein Teil habe mich der Erkenntnis werdender Sprünge, Risse und Schäden recht früh schon nicht entziehen können und habe meine Beobachtungen und Anregungen dem Generalquartiermeister in mancher Aussprache pflichtmäßig vorgetragen. Noch jetzt, wenn ich dieser Unterredungen gedenke, erfüllt mich tiefe Dankbarkeit bei der Erinnerung daran, wie General Ludendorff die Ansicht und Wünsche des soviel Jüngeren stets freundlich und aufmerksam entgegennahm und alles tat, um den Anforderungen, deren Berechtigung er erkannte, gerecht zu werden. Nur zu oft – und das gilt namentlich für die spätere Zeit unserer fortschreitenden Erschöpfung an Menschen, Nahrungsmitteln und Kriegsmaterial – mußte er freilich mit einem resignierten »ultra posse – –« davon absehen, das zu geben, was er sicher nur zu gerne zugestanden hätte.

General Ludendorff ist, soweit ich ihn nach jahrelanger gemeinsamer Arbeit zum gleichen Ziele zu erkennen vermag, niemals ein Blender, niemals ein Streber gewesen. Das Drängen nach der Gunst oder die Sorge vor der Mißgunst einzelner Persönlichkeiten war seinem herb-soldatischen, geraden Wesen so fremd wie das Werben um Zustimmung der Masse oder die Angst, ihr zu mißfallen. Er kannte für seine Entschlüsse ein einziges Kriterium: ihre sachliche Eignung zur Erreichung des großen Zieles, die Mittelmächte und im besonderen Deutschland ungekränkt aus dem Kriege in einen starken Frieden zu retten, der unserer Zukunft Raum und Licht zur natürlichen Weiterentwickelung ließ.

Mit geradezu leidenschaftlicher Schaffensenergie und Hingabe hat er seine ganze reiche Persönlichkeit rückhaltlos in den Dienst seiner Führeraufgaben gestellt, ohne in dieser ungemessenen Opferwilligkeit jemals mehr zu sehen als eine selbstverständliche Pflichterfüllung, wie jeder deutsche Mann und Soldat sie seinem Vaterlande schuldig ist. Eine Folge dieser schönen und starkmütigen Auffassung von Pflicht und ausdauernder Treue, sowie seiner vornehmen, hohen Einschätzung der ethischen Werte des deutschen Mannes an der Front und in der Heimat war es, daß er, namentlich in den letzten Abschnitten des Krieges, geneigt war, solche Kräfte und Tugenden als eine tragfähige Basis für militärische Operationen oder für Anforderungen an die erschöpfte Heimat auch dort noch anzunehmen und vorauszusetzen, wo Entbehrungen und Enttäuschungen, wo zersetzende Einflüsse amoralisch wirkender Kräfte die ursprüngliche Tüchtigkeit bereits zermürbt und angefressen hatten. Es ist dem von tiefstem nationalen Ehrgefühl durchdrungenen Manne bitter schwer gefallen, endlich, da sich kein sehendes Auge mehr den Tatsachen entziehen konnte, an den Zerfall dieses stärksten moralischen Haltes im deutschen Volke zu glauben. Er hat sich gegen diese bitterste Erkenntnis lange genug gewehrt und hat in seinem Innern darum gerungen, sich das stolze Idealbild des unerschütterlich zu Kaiser und Reich stehenden Deutschen zu erhalten. Diese hohe Einschätzung der Masse, der gegenüber er die absplitternden Kräfte durch geraume Zeit nur als üble Ausnahmeerscheinungen werten mochte, war vielleicht die letzte Ursache dafür, daß verhältnismäßig spät und zu spät erst an ein energisches Vorgehen gegen die Wühler und ihre Opfer gedacht wurde.

In der Beurteilung des moralischen Kampfwertes und der physischen Kampffähigkeit der Truppen, die als die wichtigsten Voraussetzungen für den Gedanken einer baldigen und glücklichen Beendigung des Krieges gelten mußten, wichen unsere Ansichten, wie schon angedeutet, namentlich in dem letzten Jahre des Ringens immer weiter von einander ab.

Ich möchte in diesem Zusammenhange nicht verbergen, daß General Ludendorff nach meiner Ansicht in der Wahl seiner nächsten Mitarbeiter nicht immer sehr glücklich gewesen ist und daß er auch für Hinweise auf die Unzulänglichkeit einzelner solcher Männer oder für Darlegungen, die ihren Berichten entgegen waren, nicht leicht zugänglich war. Eine hochgespannte Auffassung des Begriffes der Treue gegenüber fleißigen Helfern, die im Rahmen ihres Könnens sicher das Beste geben wollten, ließ ihn dann solche Fehlbesetzungen länger ertragen, als das im Interesse der Sache wünschenswert erschien.

Stehe ich also dem General Ludendorff auch keineswegs als kritikloser Zustimmer zu jeder seiner Meinungen oder als stummer Bewunderer jedes seiner Schritte gegenüber, so bleibt er für mich doch ein überragend großer deutscher Feldherr von stärkster vaterländischer Kraft und Treue – ein Mann, der wie ein Sinnbild der Tradition und des Gewissens der deutschen Armee an ihrer Spitze stand.

Wenn seine Gegner diesen Mann als einen »Spieler« und »Hasardeur« bezeichnen, so setzen sie damit nur eine Unwahrheit in Umlauf. Wollte Gott, wir hätten auch in der Reichsleitung gleich tüchtige Fachleute von gleich gründlich wägender und ehrlich wagender Gewissenhaftigkeit gehabt wie diesen! Und wollte Gott, es wäre damit jedem Einzelnen möglich geblieben, alle Kräfte allein auf dem Felde seines ureigensten Berufes zu verwenden!

In der »Weltgeschichte in Umrissen« des Grafen Yorck von Wartenburg, in der ich dieser Tage wieder das Kapitel über Rom, die Schlacht bei Cannae und über die Standhaftigkeit gegenüber Niederlagen las, bin ich an einem Satze haften geblieben, der mir gleichsam für unsere Tage dazustehen scheint. Yorck spricht in einem Exkurse auf spätere Zeiten davon, wie schmählich das preußische Volk Schimpf und Schande auf die bei Jena geschlagene Armee gehäuft habe, »die doch weder die einzige noch die hauptsächlichste Schuldige war«. Und er sagt weiter: »Will ein Volk auch ein Cannae siegreich überstehen, so darf es die Achtung vor seinen Führern und seinen Fahnen nie gänzlich verlieren.«

Aus tiefstem Herzen wünsche ich den neuen Aufstieg und die neue Größe unseres Vaterlandes und seiner deutschen Menschen. Aber nur wenn die breite Menge wieder frei geworden ist von jener Blindheit gegen vergangene Größe, mit der geifernde Hetzer und falsche Propheten sie schlugen, wird sie mit dem rechten Verstehen für das Versunkene auch die seelische Kraft zum gläubigen Bau am Neuen finden!


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