Julius Wolff
Der wilde Jäger
Julius Wolff

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XII.

Hackelberend's Tod.

Tage schon lag auf dem Siechbett
Hackelberend an der Wunde,
Die der Eber ihm geschlagen.
Heiße Fieberphantasien,
Schwere, wirre Träume quälten
Oft und schrecklich ihn und brachten
Ihn in Zorn dann gegen Alle,
Die ihm nahten und ihm gerne
Seine Schmerzen lindern wollten.
In dem hohen Thurmgemache
Hatt' er nahe an dem Fenster
Sich das Lager betten lassen,
Um die Berge doch zu sehen,
Vogelflug und Wolkenziehen.
Meistens war er still und schaute,
Tiefe Sehnsucht nur im Blicke,
Traurig nach dem Wald hinüber,
Der schon bunt zu werden anfing.
Aber oft auch, wenn den Wind er
In den Bäumen rauschen hörte,
Der die Wipfel bog und Zweige,
Als ob sie mit ihren Armen
Ihn zu sich herüber winkten,
Brach er los mit Ungestüm,
Tobte, fluchte und verlangte,
Daß ihm Wunsch gesattelt würde,
Um zur Jagd hinaus zu stürmen.
Wüthend, wenn man nicht gehorchte,
Wollt' er auf vom Lager springen,
Nach dem schweren Spieße greifen
Und brach ächzend dann zusammen.
Manchmal mit geschlossnen Augen
Lag er da, und leis' geflüstert
Kam ihm von den bleichen Lippen
Waldtrauts Name, und dann frug er,
Wo das liebe Mädchen wäre,
Eben noch an seinem Bette
Habe sie gestanden und ihm
Ein Vergißmeinnicht gegeben,
Wer ihm das denn weggenommen.
Wieder dann mit großen Augen
Blickt' er träumerisch auf Wulfhild,
Die auf einem niedern Schemel
Saß an ihres Vaters Lager,
Ringelte ihr langes Goldhaar
Um die Finger sich und nannte
Hildegard sie; dann entschlief er,
Und um seine strengen Züge
Spielt' ein mildes, sanftes Lächeln.
Doch nach kurzem Schlummer fuhr er
Heftig auf und rief: »Wo ist er?
Egon, gottverdammter Schurke!
Hier, hier war er, hielt umschlungen
Meine Hildegard, o Bube!«
Doch am häufigsten im Traume
Jagt' er fröhlich durch die Wälder,
Rief bei Namen die Genossen
Mit Hallo! und Jägerschreien,
Hetzte immerfort die Rüden:
»Wille! Wille, pack' die Pfaffen!
Hetz' die Bauern! Pfaffen, Bauern!
Hetz! hu hetz! reiß' Alle nieder!«
Und ein ander Mal stand plötzlich
Kalter Schweiß ihm auf der Stirne,
Und er stöhnte, mit den Händen
Sich an seine Decke klammernd.
Aus der Brust, die mächtig kämpfte
Wie nach Athem ringend, zwang sich's:
»Wode! Wode! da! da zieht er!« –
Einen Arzt wollt' er nicht haben,
Was jedoch der treuen Seinen
Heilkunst, Wissen und Erfahrung
Im Geheimniß allen Krautwerks
Und die liebevolle Pflege
Von Wulfhilde und Agnete
Nur vermochte, ihm zu helfen,
Das geschah, der Falkenier selbst,
Gerhard, ward zum Krankenwärter;
Doch der Ritter selber fühlte
Schritt vor Schritt den Tod schon nahen.

Trostlos war Wulfhild, in Schmerzen
Aufgelöst und ohne Hoffnung.
Schrecklich war ihr der Gedanke,
Wenn ihr Vater von dem Bannfluch
Ungelöst dahin gehn sollte,
Und in ihrer Angst befahl sie
Albrecht, Gerhard und Agneten
Seine Pflege, schwang entschlossen
Sich aufs Pferd und ritt mit Bruno
Nach dem Walkenrieder Kloster
Zum Abt Paulus, um mit Bitten,
Auf den Knien, wenn's seien mußte,
Die Erlösung zu erwirken.
Ja sie wollte auch dem Kloster
All ihr Erbe übereignen,
Wollte selbst den Schleier nehmen,
Denn was hielt sie auf der Welt noch,
Wenn ihr letzter Halt, ihr Vater,
Todt war, todt wie ihre Liebe.

Hackelberend war mit Gerhard
Ganz allein; betrübt und schweigend
Saß der Alte fern im Winkel
Des Gemachs in dumpfem Brüten.
»Alter, setz' dich an mein Bett hier,«
Sprach der Graf zu ihm, »ich habe
Eines noch dir zu vertrauen. –
Wenn ich sterbe, hinterlaß' ich
Einen Todfeind in der Welt,
Falls er wirklich noch darin ist.
Hab' ihn nie gesucht und mochte
Auch nie wieder ihm begegnen;
Aber triffst du ihn, so sag' ihm,
Daß ich meiner Sünden Hälfte
Ihm in sein Gewissen schöbe;
Denn sie sind die Frucht und Ernte,
Von der Saat, die wir uns Beide
Selbst in unsres Lebens Furche
Mit verruchten Händen streuten.
Er heißt Egon Graf von Hordorf,
Führt den Eberkopf im Schilde
Und am Helm zwei Büffelhörner.
Er und ich, zwei Jugendfreunde,
Die ein Treuschwur band, wir liebten
Beide Hildegard von Warberg,
Und beim Einen wie beim Andern
Hat die Liebe es verschuldet,
Daß der Freund den Freund verrathen.
In der Schlacht bei Dornach hab' ich
Schmählich ihn im Stich gelassen;
Er hat sich gerächt, o! furchtbar
Hat er mich ins Herz getroffen.
Längst für in der Schlacht gefallen
Hielt ich ihn, allein er lebte,
Schlich sich her und traf die Gräfin
Hier im Walde, – Gerhard! Gerhard;
Wer mir's jetzt noch sagen könnte,
Wie viel sie von ihrer Liebe
Ihm gegeben, ob sie sein ward,
Ob sie treulos mich verrathen! –
Wie von Seelenangst vernichtet,
Sank sie hin, verblich, verwelkte
Einer Blume gleich, und sterbend
Hat sie selbst es mir gestanden;
Im Vergehn ihr letztes Wort war:
›Egon sprach ich, meine Liebe,
Sie gehörte Egon Hordorf.‹
Stumm für immer war ihr Mund,
Nie erfuhr ich's, nie erforscht' ich's,
Ob sich Beide wirklich sahen,
Ob er wirklich noch am Leben,
Ob er wirklich ihre Liebe,
Ihre Treue mir geraubt hat,
Oder ob's nur ein Gesicht war,
Von des nahen Todes Schatten
Schon umdüstert; und so schlepp' ich
Durch die langen, langen Jahre
Diese Zweifel, ach! sie nagten
Tag und Nacht an meinem Herzen,
Nie und nirgend fand ich Ruhe
Vor dem schrecklichen Gedanken
Und der Ungewißheit Qualen.
Rastlos trieb mich's durch den Wald hin,
Ueber Berge, durch die Thäler,
Ob ich's irgendwo nicht fände,
Ob mir's nicht der Wind verriethe,
Der wie ich den Forst durchbrauste.
Und ich jagte, jagte, jagte,
Als wie wenn ich in dem Herzen
Jedes Thieres, das erreichbar
Meinem Speer und meinem Pfeile
Das Geheimniß suchen müßte.
Mich verfolgen die zwei Bilder
Wie Gespenster, die mich martern:
Jene Unthat auf dem Schlachtfeld,
Und was hier im Wald geschehen.
Immer seh' ich Hordorf liegen
Blutend, hilflos, seinen Blick
Starr und steif auf mich geheftet;
Und dann sehe ich ihn wieder
Lächelnd und gesund und glücklich,
Meine Hildegard in Armen –.
Wenn ich hetzte, trieb und jagte,
Ach! Vergessenheit nur war es,
Was ich mir erjagen wollte,
Und mit täglicher Gewohnheit
Wurde Jagen mir und Waidwerk
Erst Zerstreuung, dann Begierde,
Leidenschaft und Lust und Leben.
Nimmer fand ich, was ich suchte,
Aber jagen, jagen muß ich
Oder sterben, und gestorben
Möcht' ich ewig, ewig jagen! –
Die zwei Mädchen hinterlaß' ich:
Wulfhild, – hoffte, daß mit Albrecht
Sie sich einst vermählen würde,
Glaub' es nicht mehr. Und die Waldtraut, –
Meine Tochter ist sie, Gerhard.
Einst im Walde traf ich Hathtorp;
War ein wunderlieblich Wesen
Damals wie heut ihre Tochter,
Und ich sah sie öfter, suchte
Sie im Forste, denn ich fühlte,
An der Todten Treue zweifelnd,
Liebe zu dem schönen Mädchen,
Und sie wurde Waldtrauts Mutter.
Später nahm sie Köhler Volrat,
Der sie damals schon umworben,
Doch zum Weib, denn ich verließ sie,
Und sie starb nach wenig Jahren.
Hildgards Bild in meinem Herzen
Konnte sie einmal verdrängen,
Aber trotz der Nachtgedanken,
Die es düster oft umschwebten,
Nimmer, nimmer ganz verlöschen,
Volrat sinnt auf schwere Rache,
Die ich wenig fürchten würde,
Könnt' ich selber ihr begegnen.
O! mir ist, ich säh' ihn kommen
Mit den wüsten Bauernhaufen,
Hör' ihn schon ans Burgthor donnern,
Einen Feuerbrand in Händen.
Und ich kann euch nicht beschützen,
Wulfhild! Waldtraut! auch euch Beide
Muß ich lassen, sterben, sterben! – –
Gerhard! bist mir treu gewesen
All mein Lebtag; Eins versprich
Und beschwör' es in die Hand mir:
Gerhard! sargeng ist's im Grabe,
Dunkel, unergründlich dunkel,
Tiefen, die nicht aufzuhellen,
Hat der Tod mit seinem Jenseits.
Glaubst du an die Ewigkeit
Und an Wiedersehen, Gerhard?
Meinst du, daß wir auch da drüben
Wieder jagen können, Alter?
Du sollst mich begraben, Gerhard!
Du und Bruno, nur ihr Beide;
Aber legt mich in den Sarg nicht,
Nein, in Sarg nicht! nur in Sarg nicht!
Da, im Walde will ich liegen,
Wo der Sturm braust, wo die Wipfel
Mächtig mir zu Häupten rauschen,
Wo der edle Hirsch dahinzieht
Und der Wolf trabt, legt ins Grab mich,
Das ihr selber mir gegraben,
Ohne Sarg und laßt die Wurzeln
Durch das kalte Herz mir wachsen.
Deckt mich zu mit grünen Zweigen,
Gebt die Armbrust und das Hifthorn
Mir ins Grab, im Lederkoller
Will ich schlafen, jagdgerüstet.
Früh am Morgen, wenn ich todt bin,
Setzt mich auf des Wunsches Rücken,
Bind' mich aufrecht, führ' ihn sicher;
Wie ich in die Schlacht geritten,
Wie ich auf die Jagd geritten,
Will ich auch zu Grabe reiten.
Oben auf den Sperberklippen
Da begrabt mich, aber Niemand,
Niemand wisse um die Stätte,
Und statt Pfaffenlitaneien
Blas ein Halali vom Felsen,
Will dort schlafen bis zum Aufbruch,
Bis die Jagd da drüben losgeht,
Und statt jüngsten Tags Posaunen
Wecke mich ein fröhlich Hifthorn, –
Gerhard, schwör' es in die Hand mir,
So zu thun, wie ich dich heiße!«

Von des Alten Wangen rollten
Heiße Thränen in den Graubart,
Und er kniet' am Bette nieder,
Legte seine treue Rechte
In des Grafen Hand: »Ich schwör's Euch!«
»Gut! nun geh'! wo ist Wulfhilde?«
Fragte Hackelbernd, »ich habe
Mancherlei noch anzuordnen.«

»Herr, sie ist in Wald geritten.«

»Gut! so gehe, laß mich einsam.«

Und dann mit gesenkten Wimpern
Lag er still, als ob er schliefe.
Plötzlich aber auf der Hand
Fühlt' er etwas Warmes, Feuchtes;
Wille war's, der sie ihm leckte.
Der stand neben ihm am Bette,
Hob die schwere, breite Pfote,
Hielt dem Grafen sie entgegen,
Der wie Freundes Hand sie faßte.
Rührend war der Blick des Hundes;
Traurig sah er dem Gebieter
In die Augen, fragend, klagend.
»Trauter Hund!« sprach Hackelberend,
»Mein Gesellmann, lieber, treuer!
Sprich doch! sprich! was willst du sagen?
Müssen scheiden; wo ich hingeh',
Kann ich dich nicht mit mir nehmen,
Werden nicht, wir Drei, wie sonsten,
Du und Wunsch und ich, mehr jagen
Durch den Wald in Wind und Wetter,
Wo du fröhlich vor uns hersprangst
Und den edlen Hirsch verfolgtest.
Kommt ein andrer Waidmann jetzo,
Heißt der Tod, der grimme Jäger,
Spürt gerecht, trifft immer, immer,
Jagt und hetzt mich in das Dunkle.
Fahrewohl, mein Hund! hast treulich
Wie ein Freund mir beigestanden
Gegen Bär und Wolf und Keiler,
Darfst mich einmal noch begleiten
Auf dem allerletzten Ritte,
Aber langsam wird's dann gehen.
Grüß' den Wunsch, den Wunsch, mein Wille!«
Und er schmiegte seine Wange
An den dicken Kopf des Hundes

Unterdessen war Wulfhilde
Nun zu Walkenried im Kloster,
Mußt' im Kreuzgang lange warten,
Bis der Guardian zurückkam
Von dem Abt, um ihr zu melden,
Daß Herr Paulus streng verweigre,
Des gebannten Grafen Tochter
Zu empfangen und vom Bannfluch
Ihren Vater eh' zu lösen,
Als sich Hackelbernd in Demuth
Selbst erniedrigt hab' zur Buße.
Schmerzerfüllt vernahm Wulfhilde
Diese Kunde, bat und flehte,
Doch umsonst, zum zweiten Male
Ging der Guardian nicht zum Abte,
Dessen festen Sinn er kannte.
Da vorüber schritt Johannes,
Der Großkellner, durch den Kreuzgang,
Sah und hörte, was hier vorging,
Und die weinende Wulfhilde
Mit erstauntem Blick betrachtend,
Hieß er sie verziehn und wandte
Selber seinen Schritt zum Abte.
»Paulus!« sprach er dann zu diesem,
»Draußen steht die Tochter Eines,
Den du hassest, doch auch Einer,
Die du liebtest; willst du wieder
Auf dem Scheitel der Lebend'gen
Sehn das Goldhaar einer Todten?
Laß, o laß mich her sie führen!
Paule, geh', mach deinen Frieden
Mit dem Grafen Hackelberend,
Löse ihn um der Lebend'gen
Und auch um der Todten willen!«
Schweigend und in schwerem Kampfe
Mit sich selber schritt der Abt
Im Gemache auf und nieder,
Und dann winkte er Gewährung.
Als Johannes mit der Jungfrau
Wiederkehrte und Abt Paulus
Sie erblickte, ward aufs Tiefste
Er ergriffen, und er hauchte:
»Hildegard! bei dem Allmächt'gen!
Hildgard, wie sie leibt' und lebte!«
Wenig Worte nur und Bitten,
Während dem des Abtes Augen
Auf des Mädchens Antlitz weilten
Wie gefangen von dem Anblick,
Dann befahl er, daß sechs Rosse
Augenblicks gesattelt würden
Und zween Brüder mit drei Knechten
Ihn zur Burg geleiten sollten.

Abend ward es, eh' Wulfhilde
Mit dem Abt zur Treseburg kam.
Schwül war's, dunkle Wolken schwebten,
Und es regte sich kein Lüftchen
In der Stille vor'm Gewitter.
Als im matt erhellten Zimmer
An des Grafen Bett der Abt trat,
Bohrten forschend und durchdringend
Sich zwei Blicke in einander,
Und auf Hackelberends Zunge,
Der beim unverhofften Anblick
Eines priesterlichen Kleides
Aufzubrausen im Begriff war,
Starb das Wort; er sah und starrte,
Als ob dämmernde Erinn'rung
Furchtbar mahnend in ihm aufstieg,
In das Angesicht des Abtes.
Auch dem Abte schlug das Herz,
Und auch er fand noch das Wort nicht.
Todfeind stand dem Todfeind schweigend
Gegenüber; durch das Zimmer
Blitzt' es roth jetzt, und am Bergfried
Rüttelte der erste Donner.
»Kennst du mich, Hans Hackelberend?«
Frug der Abt nun, doch es bebte
Ihm die Stimme. – »Egon Hordorf!!«
Schrie der Ritter, seine Augen
Traten fast aus ihren Höhlen,
Wie nach Worten suchend zuckten
Seine Lippen, und er winkte,
Daß die Andern aus dem Zimmer
Sich entfernten, er allein blieb
Mit dem Abte. »Also wirklich!
Er! er lebt! o Hildegarde!«
Flüstert' er und frug dann zitternd
Vor Erregung: »Was – was willst du?
Hast du nicht genug gethan mir,
Mörder meines Weibes? willst du
Meines Lebens letzte Stunde
Mir vergällen, wo ich machtlos
Dich zu tödten, sterbend liege?« –
»Deines Lebens letzte Stunde!«
Sprach der Abt mit bittrem Tone,
»Wiegt, und wär' es auch die letzte,
Eine Stunde wohl ein Leben,
Eines ganzen Lebens Glück auf,
Das mir dein Verrath und Treubruch
Niedertrat zu Staub und Asche?
Laß die Toden ruhn! nicht dazu
Kam ich her, Hans Hackelberend!«
»Zu den Todten all, die Dornachs
Blutgetränktes Feld bedeckten,
Zählte ich dich selbst in Wahrheit;
Denn als wir, zurückgeworfen,
Noch einmal zum Ansturm ritten,
Sah ich selbst für todt dich liegen.«
»Und warst froh, des Nebenbuhlers
Los zu sein, hiebst nicht heraus mich,
Als ich dich in Todesnöthen
Anrief, sprengtest schnell vorüber,
Als du blutend mich am Boden
Liegen sahst, gabst dir nicht Mühe,
Auf dem Schlachtfeld mich zu suchen,
Deinem Freund der Lieb' und Ehre
Letzten Dienst noch zu erweisen,
Rittest heim zu ihr und sporntest
Deine Seele zu dem Glauben,
Daß ich wirklich todt sein möchte,
Grad so eifrig wie dein Roß.
Hast mich freilich überholet
Mit dem Ritt und mit dem Treubruch.«
Hackelberend wollte heftig
Seinem Feind ein Wort erwiedern,
Doch in Schwäche sank er rückwärts.
Draußen donnert' es und stürmt' es,
Und der Regen schlug ans Fenster.
Bald ermannt doch frug der Graf:
»Weshalb nun in dieser Stunde
Kommst du zu mir? sprich, was willst du?«
»Von dem Banne dich zu lösen
Komm' ich,« sprach der Abt mit Würde.

»Bist, ich seh's, ein Pfaff geworden,
Nun so scher' in Teufels Namen
Hin dich zu dem andern Pfaffen,
Der in Walkenried sich mästet,
Wenn mein Bann dich drückt! ich frage
Nichts nach eurem Fluch und Segen.«

»Paulus, Abt von Walkenried,
Steht hier vor dir, Hackelberend!«

»Du? du bist der Walkenrieder,
Der mir's Jagen wehren wollte,
Und der binnen Glockenschalle – ?
O das hast du ganz vortrefflich
Mit dem Himmel eingefädelt!«
Und des Grafen höhnisch Lachen
Gellte schaurig zu dem Donner,
Der durchs Thal hin dröhnend rollte.
»Hast dich wie der Wolf im Schafspelz
In der Kutte hergeschlichen,
Mir das Leben zu vergiften
Und mein Weib zu überlisten.«

»Einmal, kurz vor ihrem Scheiden
Sah ich Hildgard, niemals wieder.«

»Jetzt, jetzt sage mir und schwöre –
Halt! mir grauet vor der Antwort,
Und wer glaubt denn einem Pfaffen?«

»Ich kam her, um meinen Frieden,
Hackelbernd, mit dir zu machen,
Will der Sünden dich entled'gen,
Mit dem Himmel dich versöhnen,
Und du hast von Zeit nichts übrig.«
»Meine Sünden?« rief der Ritter,
»Die hast du auf dem Gewissen,
Du hast mich hineingetrieben,
Als mein Weib und ihre Liebe
Du mir raubtest! und der Himmel?
Ich will nichts vom Himmel wissen!
Den will ich euch Pfaffen lassen,
Könnt euch zanken und vertragen
Um den Himmel, wie ihr Lust habt!
Oder weißt du was vom Himmel,
Egon Hordorf, weiser Abbas?
Giebt's dort Jagd? kann ich dort jagen?
Dann komm' her, mach' Hokus Pokus,
Zeig', daß du ein echter Pfaff bist,
Der aufs Lügen und Betrügen
Sich versteht, und schwärz' und schmuggle
Mich hinein durchs Hinterpförtchen,
Aber wo ein gut Revier ist
Für des Himmels hohen Wildstand.«

»Hörst du denn nicht Gottes Stimme,
Der im Donner zu dir redet,
Mit so fürchterlichen Schlägen
An dein Herz klopft und dich abruft
In die Ewigkeit hinüber?«

»Sag' ihm nur, es käm' ein Waidmann
Hoch zu Rosse angeritten,
Und er sollt' in seinem Himmel
Nur den Wildbann mir verpachten
Für die Ewigkeit, ich wollte
Ihm für seine Herrgottstafel
Mit den Engeln und Erzengeln,
Mit den Heil'gen und den Pfaffen,
So man euch dort oben duldet,
Immer frisches Wildpret liefern.
Alles Andre sonst im Himmel,
Seligkeit und Seelenwonnen
Könnte er für sich behalten,
Sich den Trunk damit zu würzen!«
Wieder zuckten rothe Blitze
Durch die Nacht, des Grafen Antlitz
Ward entstellt, sein Athem keuchte,
Und die schwarzen Wolken brüllten,
»Bete! bete! 's geht zu Ende!«
Rief der Abt und griff zum Kreuze.

»Beten? ha! um was? zu wem denn?
Beten will ich nicht, will jagen,
Hörst du? jagen, ewig jagen!
Oder doch, ich kann auch beten:
Lieber Gott, ich bitt' dich höflich,
Laß in deinem grünen Himmel
Die drei nächsten Ewigkeiten
Mich recht lustig, lustig jagen!
Aber wenn du nicht willst, Alter,
Schieß' ich dich von deinem Throne,
Wie ich deines Herren Sohnes
Lieblich Ebenbild vom Kreuze
Niederschmetterte, herunter!
Also rathe ich zum Frieden:
Laß mich jagen, jagen! Amen!
So! das wär' nun auch gebetet!
Bist du nun zufrieden, Pfaffe?«
»Herr, vergieb ihm!« sprach der Andre,
»Denn er redet ja im Wahnsinn.«

»Hat mir gar nichts zu vergeben!
Aber ich vergeb' es ihm nicht,
Daß er mich im edlen Waidwerk
Durch den dummen Tod hier störet;
Jagen will ich, ewig jagen
Und verdammt sein, aber jagen!«
Zürnend wandte sich Abt Paulus:
»Meine Langmuth ist zu Ende,«
Rief er, »sei verflucht und jage,
Jage bis zum jüngsten Tage!«
»Endlich! Dank für diesen Segen!«
Lachte Hackelberend fröstelnd,
»Bist ja doch des Herrn Gesalbter,
Deine Fürsprach wird schon helfen;
Ewig jagen! ewig jagen!
Hallo ho! hoho!« im Bette
Sprang er halb empor, da flammte
Schrecklich eines Blitzes Feuer
Durchs Gemach, und Donner krachten,
Daß die Burg im Grund erbebte.
»Wode! ho!« schrie Hackelberend
Und sank todt zurück aufs Kissen.


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