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Wo die Thalschlucht sich erweitert,
      Schäumend in die wilde Bode
      Die Luppbode sich ergießet,
      Stand auf eines Berges Kuppe,
      Dessen grünliche Gesteinsart
      Fast wie Katzenauge flimmert,
      Keck und frei die Treseburg.
      Hier als Lehnsherr und Gebieter
      Hauste Graf Hans Hackelberend
      Mit der schönen, stolzen Tochter,
      Seinen Rossen, Hunden, Falken
      Und gerechten Waidgesellen.
      Wie geschaffen war die Stätte
      Für den Horst und festen Wohnsitz
      Eines ritterlichen Waidmanns.
      Waldumrauscht, geschützt und einsam
      Und in einem Kranz von Bergen,
      Die rundum in weitem Abstand
      Ihn um vieles überragten,
      Hob der schöngeformte Kegel
      Mit der Burg sich aus dem Thale.
 Welches Weges auch der Wandrer
      Kommen mochte, immer sah er
      Mitten vor sich auf dem Berge
      Felsenstolz aus grünem Laube
      Schimmernd in der Mauern Hellgrau
      Doch die Burg mit Thurm und Palas.
      Und wie schaute sich von oben
      In das offne Thal hernieder,
      Das mit Wiese, Wald und Wasser
      Friedevoll und lächelnd dalag
      Und stromab mit steilern Hängen
      Voller Klippen sich verengte!
      In gewundner Schlangenlinie
      So den Weg, den sie gekommen,
      Rückwärts nehmend, daß zum Ringe
      Fast ihr Lauf sich schloß und einte,
      Floß die Bode um den Burgberg.
      Auf drei Seiten war die Beste
      Durch des Felsens jähen Absturz
      Ganz unnahbar, an der vierten,
      Wo der Aufstieg war von unten,
      Zog ein tiefer trockner Graben,
      Drüber eine Zugbrück' führte,
      Und in dem seit manchen Jahren
      Ward ein starker Hirsch gehalten.
      Rings umfriedet von der Mauer,
      Die auf ihrer inn'ren Seite
      Zur Vertheidigung von oben
      Einen hölzern Umgang hatte,
      Letze oder Wehr geheißen,
      Lag der Burghof, und am Eingang
      Stand ein Thorthurm Zinnen tragend,
      Der die Pforte überwölbte.
      Marstall, Rüsthaus, Hundezwinger
 Und das Vogelhaus daneben
      Waren nur aus Holz gezimmert,
      Aber steinern die Gebäude
      Für die Herrschaft und die Gäste
      Und ein zahlreich Ingesinde.
      Trutzig, unbezwingbar reckte
      Sich empor der hohe Bergfried,
      Den der Graf allein bewohnte,
      Nur daß oben noch ein Stübchen
      Für den Wächter war zum Auslug.
      Gänge und Gemächer zierten
      Rings vielendige Gehörne,
      Und darunter hingen Waffen,
      Schwerter, Speere, Helm und Harnisch
      Mit verblichnen Wehrgehenken,
      Hie und da in Stein gemeißelt
      Oder aus gefärbtem Glase
      In den bleigefaßten Scheiben
      Prunkte des Geschlechtes Wappen.
In des dicken Thorthurms Halle
      Saßen eines Nachmittages
      Gerhard Korn, der Falkenmeister,
      Und der Bogenspanner Bruno.
      Beide waren sie die Aelt'sten
      In des Grafen Jagdgefolge;
      Gerhard, schon ein rechter Graubart,
      Wetterfest und kurz gedrungen,
      Hatte Aufsicht und Befehlich
      Ueber Allesammt im Burgstall,
      War berühmt als Falkenier,
      Der zu Falkenwerth in Flandern
      Seine Lehrzeit einst bestanden.
      Bruno war um wenig jünger,
 Aber lang emporgeschossen
      Und geschmeidig in den Gliedern,
      Fester Hand und sichern Auges
      Und des Grafen bester Stahlschütz.
      Einen sonderbaren Halsschmuck
      Trug er auf dem Lederkoller.
      Aufgereiht wie Perlen waren
      Rothgesottner Krebse Scheeren,
      Stark verblaßt schon, als ein Zauber
      Gegen das Gewehr des Keilers.
      Jetzt an einem Schleifstein saß er,
      Und ein großer Haufen Bolzen
      Lag da neben ihm am Boden,
      Deren derbe Eisenspitzen
      Bruno schärfte, und dann wählte
      Er die besten aus von allen,
      Sie mit dem gekochten Safte
      Aus Galläpfeln und mit Grünspan
      Schwarz wie Ebenholz zu beizen,
      Gerhard hatte auf dem Tische
      Einen abgebälgten Wildschwan,
      Den ihm neulich beim Versuchen
      Ein frisch abgetragner Falke
      Aus der Luft gefangen hatte.
      Diesen Wildschwan auszustopfen
      War der Falkenier beschäftigt,
      Denn der königliche Vogel
      Mit dem Schneegefieder sollte
      Mit weit ausgespreizten Schwingen
      Ueberm Bett der jungen Gräfin
      Grade ihr zu Häupten schweben.
      Neben Gerhard hing ein Reifen
      Von der Balkendecke nieder,
      Darin saß verkappt ein Falke
 Mit Kurzfessel am Geschütze.
      Diesen Reifen hielt der Alte
      Stets in schaukelnder Bewegung;
      Wenn er sich zur Ruhe neigte,
      Bracht' ein neuer Anstoß wieder
      Ihn in Schwingung, stets begleitet
      Von des Falkners tiefem Zuruf:
      »Jo! jo!« und recht zärtlich klang es,
      Als ob er ein Kindlein wiegte,
      Um es in den Schlaf zu lullen;
      Nur daß bei dem Falkenschaukeln
      Just das Gegentheil bezweckt ward,
      Als beim Kinderwiegen: schlafen,
      Schlafen durfte nicht der Falke,
      Ward mit Wachen und mit Hungern
      Vorbereitet für den Abtrag.
      »Kennst das hübsche neue Lied schon
      Von der Stadt Pavia, Gerhard?«
      Frug jetzt Bruno, »wo dies Frühjahr
      Am Matthiastag im Hornung
      Sie die große Schlacht geschlagen
      Und der Landsknecht' lieber Vater,
      Herr Georg von Frundsberg selber
      Mitgefochten?« »Nein,« sprach Gerhard,
      »Sing' es mir, damit ich's lerne.«
      »Ich kann's auch nicht,« lachte Bruno,
      »Aber Wenzel kann es singen,
      Ist ein gar erbaulich Liedlein.«
      »Nun so singe mir ein andres,
      Das Waldkaterlied,« sprach Gerhard.
      Da hub an der Bogenspanner;
      Nicht gesungen, nicht gesprochen,
      Klang es seltsam doch wie beides.
 Es fand im Wald ein Jägersmann
      Einen wilden Kater sitzen,
      Da legt' er seinen Bogen an,
      Den Kerl hinweg zu flitzen.
      Der hob die Pfoten jämmerlich:
      »Ach, Jägersmann! erbarme dich
      Und laß mich leben!« rief er,
      »Dich irrt mein Bild,
      Ich bin kein Wild,
      Bin ein verwunschner Küfer.
»Weil ich im Keller Wein gemischt,
      Verschnitten und verkandelt,
      Für echt verzapft und aufgetischt,
      Dafür bin ich verwandelt
      Dreihundert Jahr in einem Stück,
      Dann kann ich wiederum zurück
      Mein Schenkenamt erwerben.
      Bald sind sie um,
      Ich möchte drum
      Nicht gern als Kater sterben.
»Viel Ehrtrünk hält ein füdrig Faß,
      Landwein, du wirst ja schweigen!
      Hollunderblüthe macht dein Naß
      Zu Muskateller steigen!
      So sprach ich einst, nun weiß ich doch
      Die allerschönste Mischung noch,
      Will sie zum Dank dich lehren.
      Du aber halt',
      Jung oder alt,
      Waldkaters Rath in Ehren! 
»Im Walde grünt ein Edelkraut,
      Ich nenn' es nicht mit Namen,
      Das mußt du pflücken frisch bethaut,
      Eh's Blüthen trägt und Samen.
      Wie Quirle stehn in grader Zahl
      Um eck'gen Stiel die Blättlein schmal,
      Das mußt du streu'n und stürzen
      Ins Kännelein,
      Den kühlen Wein
      Dir wohl damit zu würzen.
»Viel holde Kraft in Müßiggang
      Ist diesem Kraut verliehen,
      Doch nicht zu kurz und nicht zu lang
      Darf in dem Wein es ziehen.
      An einem Augenblicke hängt,
      Wie man im Nest den Vogel fängt,
      Des Wonnetranks Gelingen.
      Wird der verpaßt,
      Weh dir! du hast
      Ein Lied davon zu singen.«
Der Jäger thut die Kräuterei
      Zum Wein und spricht mit Sinnen:
      »Sind aller guten Dinge drei,
      Drei Stunden laß' ich's drinnen.«
      Es duftet süß und duftet stark,
      Dem Trinker steigt's in Herz und Mark
      Aus seines Humpens Tiefe.
      Als er gezecht,
      Da dünkt's ihm recht,
      Daß er ein wenig schliefe.
 Doch wie er endlich nun erwacht
      Im weiten Wald, dem dunkeln,
      Sieht er in rabenschwarzer Nacht
      Zwei grüne Augen funkeln.
      Waldkater sitzt vor ihm und kraut
      Den Kopf ihm, bis der Morgen graut
      Als wie mit Eisenklammern,
      Und's schallt darein,
      Daß sich ein Stein
      Erbarmen könnt', sein Jammern.
Sein Messer zuckt der Waidgesell:
      »Waldkater, bist verloren!
      Ich ziehe dir dein Katzenfell
      Jetzt über beide Ohren!
      Verwunschner Küfer oder nicht,
      Du Hexenbrut, du Bösewicht,
      Der du mich arg verlocktest,
      Aus deinem Kraut
      Wird Gift gebraut,
      Nun friß, was du mir brocktest!«
Da fängt der Kater an zu schrei'n,
      Sie balgen sich und raufen,
      Und graulich klingt ins Thal hinein
      Das Stöhnen und das Schnaufen.
      Waldkater fleht: »O, laß mich los!
      Ich will auch in der Erde Schoß
      Ein Häuflein Gold dir zeigen,
      Flammt Nachts empor
      Am Bodethor,
      Nimm's hin, es sei dein eigen.«
 Da ward der Waidmann selbst ein Schenk,
      Ließ sich ein Wirthshaus bauen
      Und auch zum ew'gen Angedenk
      In Stein den Kater hauen.
      Der Wein, den euch der Schenke tischt,
      Ist nicht gefärbt und nicht gemischt,
      Jetzt mit dem Edelkraute
      Weiß er Bescheid,
      Denkt an das Leid,
      Wie ihn Waldkater kraute.
Jetzt trat Valentin, der Troßknecht,
      Gar ein hübscher, schlanker Bursche,
      In die Halle, warf die Thüre
      Krachend zu und sagte mürrisch:
      »Weiß den Wunsch nicht mehr zu bänd'gen,
      Scharrt und schlägt und tobt im Stalle,
      Daß ich nur mit Angst ihm nahe.«
      »Kann's dem Hengste nicht verdenken,«
      Lachte Gerhard, »geht uns auch so,
      Sehnen uns grad so ins Freie
      Wie der Rappe aus dem Stalle.«
      »Könnt' ihn nur ein Andrer reiten!«
      Sprach der Troßknecht, »ich versuch' es
      Aber nicht zum vierten Male,
      Fühle heute noch die Rippen,
      Wie zuletzt er aus den Bügeln
      In den Burghof mich geschleudert,
      Und doch weiß ich sonst so ziemlich
      Mich gerecht in allen Sätteln.«
      »Ja, der folget nur dem Grafen,«
      Meinte Gerhard, »und im Bergfried
      Ist noch immer böses Wetter.«
      »Und noch schlimmres ist im Anzug,«
 Sagte Bruno, »auf der Zingel
      Sah ich heute einen Raben
      Auf dem linken Beine stehen.«
      »Ach! du meinst den Laienbruder
      Aus dem Wallenrieder Kloster?
      Ja, was Gutes bracht' er schwerlich
      Mit dem pergamentnen Briefe,«
      Lachte Valentin. »Was Gutes!«
      Höhnte Bruno, »Pfaff' ist Pfaffe,
      Wann bringt je ein Mönch was Gutes!«
      »Weißt nichts Neues von dem Aufstand,
      Den die Bauern vor'gen Herbst
      Zu Mühlhausen angestiftet?«
      Fragte Gerhard. »Ja, in Kempten
      Ist es wieder losgegangen,«
      Sagte Valentin, »der Fürstabt
      Hat zu Kreuze kriechen müssen
      Und hat schmählich nachgegeben.«
»Nun, den Pfaffen kann's nicht schaden,
      Daß die Bauern sie bekriegen,
      Wenn sie uns nur hier verschonen.
      Still! – wer bläst den Hift am Thore?«
»Wenzel ist es auf der Letze,
      Und ich kenne schon die Weise,
      Gilt als Gruß dem ersten Storche,
      Den er kommen sieht im Frühjahr,
      Bringt ihm einen Ehrentrunk ein,
      Das ist Wächterrecht von Alters.«
      »Hm!« macht' Gerhard, »zu Agnete
      Geht er, läßt den Trunk sich schwenken
      Und bleibt dann am Kruge hängen,
      Schickt sich gar nicht für den Wächter!
      Sonderbar! spricht man vom Trinken,
      Wird man auch gleich selber durstig;
 Velten, geh zu meiner Alten,
      Sag', sie soll mir auch Eins spenden
      Und so voll den Becher gießen,
      Daß ein Mücklein, so am Rande
      Ganz zu oberst saß, vom Biere
      Trocknen Fußes trinken könnte, –
      Wäre bloß des Storches wegen.«
      Valentin, den Trunk zu holen,
      Ging zur Thür und stieß auf Ludolf,
      Der mit frohem Gruße eintrat
      »Nichts verspüret?« frug ihn Gerhard;
»Doch! sie stecken all' im Bau noch,«
»Wer?« – »Die Füchse,« – »Ach! das weiß ich,«
      Brummte Gerhard, »nicht die Füchse
      Mein' ich jetzt, den Wilddieb mein' ich,
      Könnt' ihn euch mit Namen nennen,
      Und ich werf' ihn zu den Todten,
      Wenn wir auf der Birsch ihn fangen,
      Soll er's mit dem Leben büßen,
      Schwur der Graf, und der, – ihr kennt ihn!«
      »Woher weißt du's? und wer ist es?«
      Frug gespannt der junge Jäger
»Hör', bei meines Vaters Lebzeit
      Hieß es wohl: geheime Rede
      Soll der Luft nur und dem Erdreich
      Offen sein; doch euch sei's wißlich.
      Köhler Volrat ist's, kein Andrer.«
      »Nun, wenn's der ist«, meinte Bruno,
      »Laßt euch nur die Lust vergehen!
      Der kann sich gefroren machen
      Und hat auch den Farrensamen,
      Der ihn unsichtbar wie Luft macht,
      Wenn er ihn sich in die Schuh streut;
      Auch ein Ruthengänger ist er,
 Weiß, wo mancher Schatz sich wettert,
      Hat's von Aulke, seiner Mutter,
      Die als Zaubersche ja heimlich
      Hier zu Lande im Geruch steht.«
      »Meinetwegen!« brummte Gerhard,
      »Hat er seine Schlich' und Ränke,
      Hab' ich meine; wirst ja sehen,
      Wer den Andern überbietet
      Mit des stärksten Segens Wirkung,«
      Weder Falkenier noch Bogner,
      Die von ihrer Arbeit selten
      Bei der Unterhaltung aufsahn,
      Merkten, welchen tiefen Eindruck
      Das Gespräch auf Ludolf machte,
      Daß er stieren Blickes dastand
      Und an seines Hornes Fessel
      In Gedanken dreht' und drehte.
      »Wißt ihr denn,« frug Bruno wieder,
      »Was die Walkenrieder Mönche
      Uns für einen Streich gespielt?
      Ist ihr Kloster doch das reichste
      An Kapellen, Häusern, Höfen;
      In der ganzen güldnen Aue
      Steht kein Dorf, in dem sie nicht
      Hebung und Gefälle hätten.
      Erzbergwerke, Ackerfluren
      Liefern ihnen Frucht und Segen,
      Und die beste Einkunftsquelle
      Ist der silbernen Maria
      Wunderthätig Gnadenbild
      Mit den beiden Dornen Christi.
      Auf der Fahrt nach Rom hin können
      Stets in ihrem Eigenthume
      Doch die Mönche übernachten,
 Und wo Wein wächst, allda haben
      Sie auch ihren eignen Keller.
      Haben nun, ihr wißt, vom Kaiser
      Die Gerechtigkeit im Forste,
      Binnen ihrem Glockenschalle
      Federwildpret sich zu jagen.
      Und was thun sie? eine Glocke
      Lassen sie so groß sich gießen,
      Wie's noch keine gab, und hängen
      Sie zu oberst in dem Thurme
      Mit dem Schallloch nach dem Forst hin,
      Daß recht weit hinein es läute.
      Wenn der Wind steht nach dem Walde,
      Hört man's wohl auf eine Stunde
      Und darf nichts dagegen sagen,
      Trifft man binnen Glockenschalle
      Einen auf dem Dohnenstiege
      Oder auf dem Vogelherde.
      Doch mich ärgert's, daß die Schufte
      Sich mit unsern Schnepfen mästen
      Und den Auerhahn beschleichen.«
      »Gönn' es ihnen!« lachte Gerhard,
      »Haben wir doch unser Späßchen
      Auch mit ihnen, weißt ja, Bruno,
      Als wir einst das Nest des Marders
      Mit den ausgewachs'nen Jungen
      Fanden und sie dicht beim Kloster
      Niedersetzten mit dem Segen:
      So, ihr Kindlein, mehrt euch, nährt euch!
      Hier im Kloster giebt es Täubchen,
      Hühner auch und frische Eier,
      Linker Hand, da geht die Stiege
      Zu den Nestern, könnt nicht fehlen!
      Wie die Thierlein sich vermehret,
 Weißt du selber, und wir schonen
      Alles Raubzeug ja beim Kloster
      Binnen ihrem Glockenschalle.
      Ist die Glocke größer worden,
      Müssen wir noch weiter schonen
      Fuchs und Marder, Weih und Habicht,« –
      Valentin kam endlich wieder
      Mit dem mächtig hohen Kruge
      Braunen Bieres, dem zur Färbung
      Rothe Benediktenwurzel
      Und auch etwas wilder Salbey
      Zugesetzt war, daß es kräftig
      Und ein wenig bitter schmecke.
      Gerhard blickt' hinein und sagte:
      »Na, die Mücke möcht' ich sehen,
      Die vom Rande hier will trinken!
      Velten, zeig' mal deinen Schnauzbart,
      Ob er feucht ist, durstig Mücklein!«
      Der sprach: »Frau Agnete meinte,
      Aus dem Trinkgeschirre könnten
      Biedermänner wohlgeboren
      Auch selb Vieren sich genügen.«
      »Auch selb Vieren? so?« sprach Gerhard,
      Trank und ließ den Krug dann umgehn.
      Nun kam auch der Rüdenjunge
      Tile noch hinzu, war freilich
      Längst kein Junge mehr, der Name
      War ihm aber doch geblieben.
      »Seh' mir Einer!« lachte Gerhard,
      »Hat bei Ehr und Eid der Junge
      Eine feine Hundenase,
      Daß er's gleich von weiten wittert,
      Wenn bei uns ein Krug hier umgeht!
      Na, so sauf, du Hundejunge!«
 Tile trank. »Was hast du da
      Für ein Wickelkind im Busen?«
      Fragte Valentin und langte
      Mit der Hand nach Tile's Wammse,
      Der nun selber aus den Falten
      Einen gelben Dachshund vorzog.
      »Ist ein Kranker,« sagte Tile,
      »Will nicht fressen, klagt und winselt,
      Weiß nicht, was dem Glöckner fehlet;
      Neulich schon, als ich den Hunden
      Frischung brachte, blieb er liegen.
      Gab ihm Beifuß schon und Ibisch,
      Attichkraut, Alant und Fenchel,
      Rosmarin und Krauseminte,
      Doch es will nicht anders werden.
      Und es ist vom ganzen Wurfe
      Grad der beste, hab's probiret.
      Hat geworfen eine Hündin,
      Mach' ich ihr ein frisches Lager
      Fern vom alten in dem Stalle
      Und geb' Acht dann, welches Junge
      Sie zuerst im Maul dahin schleppt,
      Dieses ist dann stets das beste.«
      »Komm mal her mit deinem Teckel!«
      Sagte Gerhard und beschaut' ihn;
      »Hast du auch ein Büschlein Kreuzdorn
      Ob der Thür des Hundezwingers
      Angenagelt gegen Hexen?«
      »Ja,« sprach Tile, »drin und draußen.«
      »Trägst du auch das Herz der Wölfin
      Immer bei dir gegen Tollwuth?«
      »Ja!« sprach Tile, und der Falkner
      Fuhr nun fort gedämpften Tones:
      »Nimm das grüne Reis der Weide,
 Dreh' es links herum zum Kranz,
      Häng's dem Hunde um im Leide,
      Streif's ihm rückwärts übern Schwanz,
      Dörrt das Reis, so ist der Hund
      Auch von Schnauz bis Schwanz gesund.«
      Und dann wieder lauter sprach er:
      »Laß es nur den Herrn nicht merken,
      Ihm ist allweg schlimm zu Muthe,
      Selbst das Fräulein, das er liebt,
      Wie nichts Andres auf der Welt,
      Edles Waidwerk ausgenommen,
      Hat doch einen schweren Stand jetzt.
      Meiner Alten aber warf er
      Ein Krystallglas vor die Füße,
      Weil der Wein zu stark verdünnt ihm
      Und zu wenig auch gewürzt war;
      Und doch sollte er den Würzwein
      Billig meiden, bis die Wunde
      An der Schulter gut vernarbt ist,
      Die der Bär ihm dort geschlagen.
      Wäre Wille nicht gewesen
      Bei dem Kampfe mit dem Unthier,
      Wär' der Graf um eine Gurgel
      Aermer, denn die andern Rüden
      Hatten Furcht und schweißten auch schon;
      Wille nur hat ihn gerettet,
      Und nun dauert's schon vier Wochen,
      Daß er an dem Schmiß kuriret
      Mit Latwergen und Gekräutig
      Und nicht jagen kann, das macht ihn
      Gar so wüthig und verdrießlich.«
      »Nun, ich denke, daß es balde
      Wieder losgeht,« meinte Bruno,
      »Müßte sonst nicht Bolzen schärfen.«
 Tile wollte mit dem Dachshund
      Aus der Thür, da rief ihm Gerhard
      Mahnend nach: »Du hast die Wache
      Bei den Vögeln diese Nacht,
      Tile, daß du mir den Hagard
      Richtig schaukelst und nicht einnickst!
      Wenn du schläfst, schläft auch der Falke,
      Und ihr Beiden sollt nicht schlafen!«
      Tile ging und nickte lächelnd,
      Denn er wußte, daß Gesellschaft
      Ihm den Schlaf vertreiben würde,
      Die ihm lieber war, als Falken.
      Auf der Bank im Dämmerwinkel
      Saß gedankenvoll der Jäger.
      »Sag', was ist das mit dir, Ludolf?«
      Fragte Bruno, »hat dir Einer
      Einen Waidmann heut gesetzt?
      Bist ja schweigsam wie sonst niemals.«
      »An den Wilddieb muß ich denken,«
      Sagte Ludolf, doch er dachte
      Mehr noch an des Wilddiebs Tochter,
      Die von ihres Vaters Frevel
      Sicherlich nichts wußt' und ahnte.
Oben im Gemach des Bergfried
      Weilte Graf Hans Hackelberend
      Sitzend halb, halb ausgestreckt
      Auf dem Ruhbett, das belegt war
      Mit gefleckten Damhirschhäuten,
      Und die dunkle Haut des Bären
      – Leider nicht des letzt bekämpften –
      Lag als Teppich ihm zu Füßen.
      Darauf ruhte, mit dem Kopfe
      Zwischen beiden Vordertatzen,
 Wille, jene mächt'ge Dogge,
      Die dem Herrn beim Bärenkampfe
      So getreulich beigestanden.
      Für den Grafen leicht erreichbar
      Lehnte seine schöne Armbrust,
      Reich mit Silber und Perlmutter
      Ausgelegt an Schaft und Kolben,
      In der Ecke, die er öfter
      Auch zur Hand nahm, um durch Zielen
      Den geschwächten Arm zu üben.
      Bleich von Antlitz war der Ritter,
      Aber hoch und stark von Körper,
      Seines Haars und Bartes Schwärze
      Ließ noch blässer ihn erscheinen.
      Eine kühne Adlernase
      Trat hervor mit breiten Flügeln,
      Und an ihrer Wurzel wuchsen
      Beide Brauen dicht zusammen.
      Seine Stirne war gefurcht,
      Tief in ihren Höhlen lagen
      Dunkle Augen, deren Blick,
      Scharf wie Pfeilschuß, schon Befehl war,
      Dem man gerne oder ungern,
      Doch unweigerlich gehorchte.
      Auf erhöhtem Sitz am Fenster
      Saß Wulfhilde, seine Tochter,
      Herrlich wie am Junimorgen
      Eine aufgeblühte Rose.
      Um ihr Antlitz wogten Locken
      Wie aus gleißend Gold gesponnen,
      Und des Körpers edle Formen
      Hoben sich in Jugendfülle
      Aus eng schließendem Gewande.
      Vor sich auf dem Tischchen hatte
 Sie den Rahmen, wob und stickte
      Einen Zaum in bunten Farben
      Für den stolzen Apfelschimmel,
      Der ihr Leibroß war beim Jagen.
      An dem andern Fenster aber
      Stand mit kräftig gradem Wüchse
      Junker Albrecht von Loseinen,
      Dem des Bartes junges Hellblond
      Weich sich um die Lippen legte.
      Hackelberend war sein Pathe,
      Und der Junker war seit Kurzem
      Auf der Treseburg beim Oheim,
      Um des edlen Waidwerks Künste
      Und von Gerhard Vogelabtrag
      Und die Baize zu erlernen.
      In der Hand hielt er ein Schreiben
      Und sah fragend auf den Grafen
      »Lies noch mal die Stelle, Albrecht!«
      Sagte dieser; Albrecht that es:
      »Anerwogen, daß es löblich
      Nicht und christlich, wenn zween Nachbarn
      Feindlich sich beim Reich verklagen,
      Hoffen wir, daß Ihr freundwillig
      Unserm Vorschlag Euch bequemet
      Und von jetzt die hohe Jagd auch
      Binnen Glockenschall uns lasset.«
      »Nichts da!« rief der Graf, »was Nachbar!
      Wasser laß' ich ihm und Weide,
      Vogel in der Luft und Fische
      Zur gerechten Fastenspeise,
      Meinetwegen Hasen stricken
      Kann er auch und Krebse fangen,
      Doch Gejaid und Hundelege
      Hört als Lehn im Reichsbannforste
 Zu der Burg seit zweier Männer
      Unverbrüchlichem Gedächtniß
      Ohne männiglich Verhind'rung
      Oder Ansprach. Holz zum Pfluge
      Und Geschirre kann er nehmen
      Und den Windschlag, doch kein Bauholz,
      Und er soll nicht roden, wüsten,
      Haideschinden, kohlenbrennen
      In dem Forst bei höchster Wette!
      Treff' ich einen Mann des Klosters
      Hinterm Hochwild, so wird Gnade
      Nutzer ihm, dann Recht, erscheinen.
      Will beim Reiche mich verklagen?
      Mag er! ist ja selber Reichsstand
      In dem obersächs'schen Kreise,
      Denkt wohl, Abt gilt mehr als Ritter?
      Sitzt wie eine Schleiereule
      Einsam in den Klostermauern,
      Hab' ihn niemals noch gesehen.
      Doch den Schluß, den Schluß noch, Albrecht,
      Der erbaulichen Epistel!«
      – »Item, als des Herrn unwürd'ger
      Knecht und heil'ger Kirche Diener
      Wollen wir Euch noch vermahnen,
      Daß Ihr Euer sündhaft Treiben,
      Aergernuß und bös Exempel,
      So mit Jagen Ihr und Hetzen
      An den heil'gen Feiertagen
      Frommer Christenheit im Lande
      Oft bereitet, abbestellet
      Und Eu'r Seelenheil bedenkend
      Euch zur Buße bei uns meldet,
      Sonsten schwere Kirchenstrafen
      Ueber Euch verhängen müßten.«
 »Dummer, aufgeblas'ner Pfaffe!«
      Rief der Graf und sprang vom Sitze;
      Wille hob den Kopf und knurrte;
      »Recht so, trauter Hund! wir werden
      Uns um einen Pfaffen scheren!
      Mag er seine rothe Nase
      Ins schweinsledern eingebundne
      Evangelienbuch doch stecken
      Und in Ruh den Waidmann lassen!
      Käme mir daher gefahren
      Der leibhaft'ge Gottseibeiuns,
      Mir das Jagen zu verbieten,
      Würf' ich ihn mit Schwanz und Hörnern
      Von der Burg, und so 'n verfluchter
      Pfaffenknecht will sich erdreisten
      In die Quere mir zu kommen?
      Fromme Christenheit und Kirche
      Können mir gestohlen werden!
      Und mein Seelenheil? pah! Unsinn!
      Keine taube Nuß drum geb' ich
      Um die Seligkeit im Jenseits,
      Waidmannslust ist mein Begehren
      Und mein Seelenheil und Glaube,
      Meine Rüden hör' ich lieber,
      Als verdammtes Glockenläuten,
      Jägerschrei, Hallo und Hifte
      Lieber, als ihr Sanktusplärren;
      Wär' das Kruzifix 'ne Armbrust,
      Riß' ich's ihnen vom Altare
      Und schöß' in das Tabernakel!« –
Weder Albrecht noch Wulfhilde
      Wagten etwas zu erwidern,
      Denn im Zorn war Hackelberend
 Taub für Bitten oder Zuspruch.
      Funkelnd rollten ihm die Augen
      In dem geisterbleichen Antlitz,
      Und sein Athem keuchte hörbar;
      Wie der Löwe in dem Käfig,
      Wenn ihn hungert, schritt er bebend
      Im Gemache auf und nieder.
      »Hab' es satt, dies Salbenschmieren
      Und Besprechen, das nichts nutzet!
      Vier unendlich lange Wochen
      Mußte ich die Lust bezähmen,
      Länger laß' ich mich nicht halten
      In den Mauern, jagen will ich!
      Wart'! – Frohnleichnam ist es nächstens,
      Donnerstag, da will ich hetzen
      Nah beim Walkenrieder Kloster
      Binnen ihrem Glockenschalle,
      Daß sie's hören in dem Kreuzgang,
      Wie Hans Hackelbernd sich meldet!
      Geh' und rufe mir den Gerhard!«
Albrecht wechselte mit Wulfhild
      Einen Blick und ging hinunter.
      Sie erhob sich, ging zum Vater,
      Der schon ruhiger geworden,
      Doch noch immer auf und ab schritt,
      Und den Arm in seinen legend
      Sprach sie herzlich: »Lieber Vater,
      Wollt Ihr es nicht noch verschieben?
      Seht noch bleich aus, Eure Kräfte
      Sind geschwächt vom Stubensitzen,«
      »Noch fünf Tag sind's bis Frohnleichnam,«
      Sprach der Graf, »ich will sie nützen,
      Daß die Kraft mir schneller kehre.«
      »Uebet Euch am kleinen Waidwerk
      Mit der Armbrust, nehmt den Schuhu,
      Setzt Euch in die Krähenhütte.«
      »Kann ich thun,« sprach Hackelberend,
      »Doch Frohnleichnam wird geritten
      Auf den Hirsch, so wahr ich lebe!
      Keinen Widerspruch mehr duld' ich!«
      »Wohl!« sprach sie, »so reit' ich mit Euch.«
      Hackelberend sah der Tochter
      Ernsthaft, drohend in die Augen,
      Doch dann sagt' er beinah freundlich:
      »Prüfe vorher deinen Rothwang,
      Ob er sicher und gelenkig,
      Fest am Zügel steht, gut wendet,
      Reit' ihn erst einmal zur Baize,
      Und laß Albrecht dich begleiten.« –
      War's der letzte Abendschimmer,
      Der durch die gemalten Scheiben
      In den tiefen Fensterlauben
      Auf der Jungfrau goldig Haar fiel
      Und die Wangen lieblich streifte,
      Daß sie bis zur Stirn erglühten?
Albrecht kam zurück mit Gerhard.
      »Alter, vorwärts! wollen reiten!«
      Rief der Graf ihm froh entgegen,
      »Unser Freund, der Walkenrieder,
      Will es uns verbieten, denke!
      Also nun erst recht! Frohnleichnam
      Haltet euch bereit zur Hetze!«
      »Herr! es ist der heil'ge Blutstag!«
      Mahnte lau der Falkenmeister
      Mit nicht eben sichrem Tone.
      Er allein als Aelt'ster wagte
 Dann und wann ein Wort zu reden,
      Wo kein Andrer sich's getraute,
      Doch man sah an seiner Augen
      Hellem Leuchten bei der Botschaft,
      Wie jetzt Frömmigkeit und Jagdlust
      In der alten Waidmannsseele
      An einander scharf geriethen.
      »Ach was Blutstag! fängst du auch an?
      Bist ein Waidmann oder Mönch du?
      Komm mir nicht mit solchen Possen!«
      Schnob der Ritter, »du und Ludolf,
      Ihr geht nächstens auf die Suche,
      Einen Hirsch mir zu bestät'gen
      Dort hinaus, den stärksten Kronhirsch;
      Meine Tochter und der Junker
      Wollen baizen mit den Vögeln,
      Valentin mag sie begleiten,
      Und ich selber geh' mit Bruno
      In die Krähenhütte, sorge,
      Daß der Schuhu in der Frühe
      Morgen nicht zu voll sich kröpfe.
      Grüße auch den Wunsch und sag' ihm,
      Daß wir wieder jagen wollen,
      Wird sich freuen, wie ihr Alle.«
      »Herr!« sprach Gerhard, »wollt Ihr wirklich
      Wieder schon den Wunsch besteigen?
      Er wird schwierig sein, im Stalle
      Kann ihn Valentin kaum bänd'gen.«
      »Schweig'! sonst stoße ich ins Hifthorn,
      Schwinge jetzt im Augenblicke
      Mich dem Wunsche in den Sattel,
      Und wir sausen durch die Nacht hin!«
      Donnerte der Graf und stampfte
      Wüthend mit dem Fuß den Boden.
 »Mir soll's recht sein!« brummte Gerhard.
      »Fräulein, welchen Vogel wollt Ihr?«
      »Meinen Blaufuß,« sprach Wulfhilde,
      »Der ist treu, dem Vetter Albrecht
      Kann ich alle Kunst und Lehre
      Grad mit ihm am besten zeigen.
      Doch erst in zwei Tagen, Gerhard,
      Will ich baizen, weil ich –, weil ich –,
      Weil der Zaum nicht früher fertig.«
Gerhard schritt aus dem Gemache,
      Und als er die Thür im Rücken,
      Fand er hinter dieser Thüre
      Seine biedre Ehehälfte,
      Frau Agnete, die verlegen
      Sich etwas zu schaffen machte,
      Wo sie nichts zu schaffen hatte.
      »Du hier, Alte?« raunte Gerhard,
      »Hast gehorcht? pfui! das gilt Strafe!
      Aber warte, kannst dich lösen:
      Schicke noch ein Krüglein Braunes
      Mir herunter, dann vergeß' ich's.«
      »Wirst doch nicht Frohnleichnam birschen?'
      Polterte Agnete. – »Stille!
      Schick' mir einen Krug herunter!«
      »Ist mir das ein ruchlos Leben,«
      Murrt' Agnete, »schon der dritte!«
      Aber Gerhard war die Stufen
      Schon hinab und hört' es nicht mehr,
      Doch er rief zurück noch einmal:
      »Einen großen! hörst Du, Alte?«
      Als er in den Thurm zurückkam,
      Fand er seine Waidgesellen
      In der allerbesten Stimmung.
 Durch zwei lange Kienholzfackeln
      War die Halle voll erleuchtet,
      Ludolf, Valentin und Bruno
      Saßen auf der Bank, und Tile
      Lehnte neben dem Kamine;
      Auf dem Eichentische aber,
      Mit den krummen Beinen baumelnd
      Saß des lust'gen Burgwarts Wenzel
      Kleine bucklichte Gestalt,
      Der den überreich bemess'nen
      Storchtrunk hier zum Besten gab.
      Die Gesellschaft war so fröhlich,
      Weil das Jagen wieder anfing,
      Daß sie ihrer Herzensfreude
      Luft in einem Liede machten,
      Und als Gerhard eintrat, tönte
      Ihm die Runda voll entgegen,
      Während Bruno ihm den Krug hob.
      Gerhard that dem Bogenspanner
      Tief Bescheid und half dann singen.
Wohlauf! wohlauf! ihr Waidgeselln,
      Ob Ritter oder Knecht,
      So mit zu Holz aufs Jagen wölln
      Nach jährlichem Recht
      Mit Speer und Stahl
      Zu Berg und Thal,
      Vor Burgen und Hallen
      Die Hörner erschallen,
      Hift! hift! halloho!
      Tjuho! dorido!
Wo zeucht, wo fleucht der edle Hirsch?
      Hinfür, mein Hund, hinfür!
 Greif' wanks und schwanks auf rechter Birsch,
      Forna, Geleitsmann, spür'!
      Er renkt und schrenkt
      Gradaus und schwenkt,
      Da sah ich ihn wenden
      Mit Stangen und Enden,
      Hift! hift! halloho!
      Tjuho! dorido!
Zu Holz! zu Holz! in Bruch und Fließ
      Da liegt manch hauend Schwein,
      Dem stoß' ich meinen Federspieß
      Wohl ins Gebrech hinein.
      Wetz', Eber, wetz'!
      Hu, Sau! hetz! hetz!
      Dich sollen ermüden
      Wohllautende Rüden,
      Hift! hift! halloho!
      Tjuho! dorido!
Nun her, nun hin zum Schenkenhaus!
      Da hat's der Waidmann gut,
      Schlägt ihm kein Reis ein Auge aus,
      Wann's nit ein Kandel thut.
      Schwenk' aus den Krug
      Auf einen Zug!
      Kannst tanzen und springen
      Und küssen und singen,
      Hift! hift! halloho!
      Tjuho! dorido!
»Nun, das laß' ich mir gefallen,
      Wenzel, daß Du lustigen Brüdern
      Auch was abgiebst!« lobte Gerhard,
 »Wohl bekomm' dir's! bin im Rückstand,
      Schaff' auch mehr noch.« Wieder trank er,
      Und dann theilt' er kurz und bündig
      Die Befehle aus vom Grafen,
      Die sie Alle baß erfreuten.
      Da zur Thür herein kam Christel,
      Eine junge, schmucke Burgmagd,
      Mit dem allergrößten Kruge.
      »Eins dem Storchen, Eins fürs Horchen!«
      Lachte Gerhard, »danke, Christel!«
      Diese stellte ihren Humpen
      Auf den Tisch und wollt' enteilen.
      »Trink' uns doch erst zu ein Schlückchen,
      Schmeckt uns dann ja um so besser!«
      Scherzte Valentin; da sprach sie:
      »Waidmanns Heil denn, euch zum Wohle!«
      Kicherte und lacht' und lachte,
      Konnte kaum vor Lachen trinken.
      Valentin umfing das Mädchen,
      Doch entwand sie sich dem Kühnen
      Und entschlüpfte ungeküßt.
      Da ward ausgelacht der Troßknecht,
      Und der Bogenspanner sagte:
      »Velten, Velten! wenn schön Elsbeth
      Das mit angesehen hätte!
      Doch die Jungfer sitzt beim Fräulein
      Oben in der Kemenate,
      Und das weißt du, kommst verwegen
      Hier dem Tile ins Gehege.«
      »Bist doch wohl nicht eifersüchtig?
      Nichts für ungut!« sprach der Troßknecht
      Und hielt Tile seine Hand hin,
      Welche dieser lachend drückte.
      Wenzel aber sang zur Laute:
 Ein lustig Vierblatt war einmal
      Von Frohen, Wohlgemuthen,
      Sie zogen über Berg und Thal
      Und wanderten und ruhten.
      Der Eine, der hieß Dürstemund
      Und Lachemund sein Schätzchen,
      Der Andere hieß Singemund
      Und Küssemund sein Kätzchen.
Wenn Singemund ein Liedel sang,
      Saß Küssemund daneben;
      Wenn Dürstemund das Krügel schwang,
      Ließ Lachemund ihn leben;
      Wenn Küssemund das Mäulchen blies,
      Thät Singemund schon winken;
      Wenn Lachemund die Perlen wies,
      Konnt' Dürstemund nicht trinken.
Und manchesmal von ungefähr
      Gab's wunderbare Irrung,
      Aus Rand und Band, die Kreuz und Quer
      Kam Alles in Verwirrung,
      Daß Singemund und Lachemund
      Sich nicht zu scheiden wußten
      Und Dürstemund und Küssemund
      Die Flammen löschen mußten.
Es kam auch vor, daß Singemund
      Ein Dürsten wohl verspürte,
      Und daß gar lieblich Dürstemund
      Ein Singen auch vollführte,
      Und dann geschah's, daß ihm zu lieb
      Lachmund ans Küssen dachte
      Und Küssemund nichts übrig blieb,
      Als daß sie saß und lachte.
 »Das gemahnt mich an ein Stücklein,
      Als ich noch ein junger Kerl war,«
      Sagte Bruno; »die Geschichte,
      Wie ich einmal recht zum Küssen
      Bin gekommen, will ich jetzo
      Euch zum Wiederspiel erzählen.
      Also eines schönen Tages
      Gehe ich mit Speer und Schießzeug
      Tief im Forst zur Bärengrube,
      Nachzusehn, ob einer drin steckt.
      Oben am Mailaubenkopfe
      Dicht an einem Buchenstamme
      Sitzt ein Hase und macht Männlein.
      Na, ich schieße und wahrhaftig!
      Nagle ihm den einen Löffel
      Mit dem Bolzen an die Buche.
      Du bist fest gemacht, mein Bursche!
      Läufst mir ja nicht fort, so denk' ich,
      Laß' ihn sitzen und geh' weiter.
      Nicht mehr fern von meiner Grube
      Hör' ich bald ein merklich Brummen,
      Bald ein Wimmern und ein Weinen,
      Und was hast du und was kannst du
      Lauf' ich hin; mein Bär schleicht brummend
      Immer um die offne Grube,
      Aeugt hinunter, möchte springen,
      Geht dann wieder um und brummet.
      Ich nun vor, den Speer zu Händen
      Und das Messer in den Zähnen;
      Er kommt auf den Hinterbranten
      Auf mich los und brummt so schrecklich,
      Das mir's Herz im Leibe wankte.
      Na, was half's? ich oder du!
      Stoß' ihn nieder, bums! da liegt er.
 Wie ich in die Grube gucke,
      Sitzt gefangen drin ein Mädchen.
      Ich besinne mich nicht lange,
      Spring' hinein, sie zu erlösen.
      War 'ne hübsche, dralle Dirne,
      Mochte wohl so zwanzig Jahr sein,
      Die am ganzen Leibe zitternd
      Eine Todesangst hier ausstand.
      Meine liebe Noth erst hatt' ich,
      Bis ich sie beruh'gen konnte;
      Doch dann ward sie guter Dinge
      Und mir dankbar für die Rettung.
      Na, ich nahm sie in die Arme,
      Habe mich an ihren Lippen
      Satt geküßt, – ich sag' dir, Veiten,
      War ein hübsches Ding, das Mädchen!
      Ließ sich willig mein Gekose
      Auch aus Dankbarkeit gefallen.
      Aber dann kein leichtes Stück war's,
      Aus dem Loche sie zu bringen.
      Sieben Fuß tief war die Grube,
      Und ich hatte brav zu heben
      An dem Kinde, bis ich endlich
      Sie auf meinen Schultern hatte
      Und sie übern Rand hinausklomm.
      Aber nun saß ich allein drin,
      Konnte selber mir nicht helfen;
      Doch sie hielt mir meinen Spieß hin,
      Und ich kletterte und rutschte,
      Und sie zog und zog mich wirklich
      Auch heraus; nun hatte ich doch
      Ihr zu danken, mußte wieder
      Schon aus Dankbarkeit sie küssen.
      Sie ging ab. Ich hieb dem Bären
 Seine Tatzen ab und kehrte
      Nun zurück zu meinem Hasen.
      Der saß auch noch angenagelt
      An der Buche, doch zween Stößer
      Stritten sich um ihn, der zappelnd
      An dem Löffel und dem Bolzen,
      Aber doch vergeblich zerrte.
      Na, ich schoß die beiden Vögel
      Durch und durch mit einem Pfeile,
      Nahm sie mit, nahm meinen Hasen,
      Nahm die Tatzen von dem Bären
      Und die Küsse von dem Mädchen
      Mit nach Hause und trank lustig
      Einen Schoppen übern Durst mir.« –
      Beifall und ein herzlich Lachen
      War des tapfern Bogenspanners
      Dank und Lohn für die Geschichte.
      Dann sprach Einer aus dem Kreise:
      »Wenzel, trink' uns zu und singe
      Uns ein Lied noch!« und der Wächter
      Ließ nicht warten, trank und sang.
Jetzt, Gutgeselln, merkt fleißig auf,
      Ein' Lehr will ich euch geben,
      Ob ihr allein sitzt, ob zu Hauf,
      Wein macht ein fröhlich Leben,
      Alt oder jung, nur sein genung,
      Bergunter durch die Kehle,
      Krug oder Glas, 's wird alles naß,
      Duck' unter, liebe Seele!
Und aber, wenn du trinken willt,
      Solltu dich nit drum grämen,
      Was von dem Wein das Kännlein gilt,
      Du darfst dich sein nit schämen.
 Den Beutel auf! Geld macht den Kauf,
      Ihr sollt mir nichts verkreiden,
      Fort, Füchslein, spring'! kliklimperling!
      Das mag der Wirth wohl leiden.
Bei weißem Wein ein rother Mund
      In dunkelgrünen Lauben
      Ist auch nit so gar ungesund,
      Dürft ihr aufs Wort mir glauben.
      Ein Mägdelein, gewitzt und fein,
      Zum Liebchen auserkoren,
      Kein Muttersohn hat darum schon
      Das Himmelreich verloren.
Wer weiß, wo gute Herberg sind,
      Der geh' voran und führe
      Und schneid' mir, daß ich's wieder find',
      Ein Spänlein aus der Thüre
      Ist's Mädel futsch, zur Bank hin rutsch',
      Wo Viertelskannen blinken,
      Nur festgesetzt! der Allerletzt
      Will saufen und nit trinken.
Spielmann, noch nüchtern heut? schnell komm' herein!
      Setz' dich zu oberst am Tische,
      Naß ist er freilich, steh! Kringel vom Wein,
      Nimm nur den Aermel und wische.
      Heilo! stoß' an! und klingt's nicht, so klappt's
      Nicknack am steinernen Kruge,
      Ueber den Rand hinaus schwippt es und schwappt's,
      Leckt wie das Faß aus der Fuge.
 Herr meines Lebens! er setzt nicht mal ab,
      Halte, du Schlucker, halt' inne!
      Weh meine Batzen, kommt der erst in Trab
      Mit dem Mühlengerinne!
      Mann, um den Durst beneid' ich dich doch,
      Wär' mit dem halben zufrieden,
      Meiner ist hin, ach, hätt' ich ihn noch!
      Alles ist Stückwerk hienieden.
Schmeckt dir? das glaub' ich! ja, der ist auch firn,
      Und bei diesem hier bleibe,
      Dadernach kracht dir von Weisheit das Hirn,
      Lach? ja das Herz dir im Leibe.
      Fiedelst und singst mir ein Liedel zum Dank,
      Trichterst hinunter das Tönnchen,
      Lieber doch ist mir ein lustiger Schwank,
      Als das Gratias von Mönchen.
Das Schlimmste, was ich vom Leben weiß,
      Ist, daß es einmal muß enden,
      Sonst wollt' ich als tausendjähriger Greis
      Mein Krüglein noch drehen und wenden.
      Und krähte der nüchterne Morgenhahn,
      Mich sollt' er vom Schemel nicht bringen,
      Ich wollt' auf den wackligen Schenktisch schla'n
      Und trommeln und pauken und singen:
Gling glang gloria!
      Potori est voctoria!
      Bring' Einer es dem Andern rum,
      Daß es von Eim zum Andern kumm!
Und käm' mir Magister und Doctor ins Haus,
      Ich wollte vor Keinem, mich ducken,
      Ich streckte dem Teufel die Zunge heraus
 Und ließ' ihn durchs Schlüsselloch gucken.
      Doch ein Brüderchen links und ein Brüderchen rechts,
      Das ließ' ich mir gerne gefallen,
      Da sollt' in der Hitze des Bechergefechts
      Mein Stimmlein gar lieblich erschallen:
Gling glang gloria!
      Potori est victoria!
Bring' Einer es dem Andern rum,
      Daß es von Eim zum Andern kumm!
Noch seh' ich das Ende der Dinge nicht ein
      Und das Wenn und Warum hier im Leben,
      Noch bin ich so jung wie der älteste Wein,
      Will Alles noch nehmen und geben.
      Ist die hübscheste Maid doch, der treu'ste Kumpan
      Und der stattlichste Humpen mein eigen,
      Und was ich so recht mit dem Herzen gethan,
      Das kann ich nun mal nicht verschweigen.
Gling glang gloria!
      Potori est victoria!
Bring' Einer es dem Andern rum,
      Daß es von Eim zum Andern kumm!
Beim vorletzten Glas und beim letztletzten Kuß
      Da will ich vielleicht mich besinnen
      Und denken: meinswegen! was sein muß, das muß!
      Die köstlichsten Tropfen verrinnen.
      Dem Trinker der Sieg und dem Sänger der Ruhm!
      Dafür in der Hölle zu braten,
      Das nenn' ich, ihr Nipper, ein Märtyrerthum,
      Stoßt an! auf die künftigen Thaten!
Gling glang gloria!
      Potori est victoria!
Bring' Einer es dem Andern rum,
      Daß es von Gim zum Andern kumm!
 Also scherzten, tranken, sangen
      Frohbeherzte Waidgesellen
      In der Burg, bis daß zur Ruhe
      Sie die späte Stunde mahnte.
      Draußen aber wob die Mondnacht
      Ihren stillen Waldeszauber,
      Berg und Thal und Felsen ruhten
      Hier in: Schatten, dort im Lichte.
      Tiefes Schweigen war, nur manchmal
      Schrie von fern der kleine Waldkauz,
      Und der Bode Wellen rauschten
      Leis dahin wie Silber blinkend.