Julius Wolff
Der wilde Jäger
Julius Wolff

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VIII.

Der Abt von Walkenried.

An demselben Vormittage
Schritten durch den Wald zwei Mönche
Aus dem Walkenrieder Kloster.
Jeder hielt in seiner Rechten
Einen Büschel Buchenzweige,
Um sich Kühlung zuzufächeln
Und die Fliegen abzuwehren;
Jedem auch schwer an der Seite
Hing ein Korb, kunstlos geflochten
Aus der Weide schwanken Ruthen;
Daraus drang ein Knistern, Kribbeln
Von Gethier mit vielen Beinen.
Krebse waren's, die in Nesseln
Eingepackt, daß sie nicht stickten,
Ihre harten Knochenpanzer
Mit unzähligen Gelenken
Zappelnd an einander rieben.
Die zwei wackern Gottesknechte
Hatten in dem Flüßchen Wieda
Aufwärts watend sie gefangen
Und befanden mit der Beute
Auf dem Rückweg sich zum Kloster.
Beide stritten, ob's geschickter,
Krebse nur in kaltem Wasser
Aufzusetzen, daß sie langsam
Darin kochten, oder aber
Ob man sie in siedend Wasser
Schütten sollte, schnell sie tödtend.
Jeder zählte Für und Wider
An den Fingern her, und Keiner
War dabei des Andern Meinung;
Aber darin waren Beide
Einig, daß zum Wohlgeschmacke
Sei das Wichtigste die Tunke,
Die nach mancherlei Rezepten
Sie besprachen und beriethen,
Und dann wandelten sie schweigend
Eine Weile nebenander.
Aber bald frug Einer wieder:
»Wie hat dir der letzte Puter
Denn gemundet, Jeremias?«
»Hatte nicht genug gelegen,
War zu frisch noch«, sprach der Bruder,
»Und dann ziehe ich auch Trüffeln
Den Kastanien vor zur Füllung«,
Meinte mit der Zunge schnalzend
Wie beim Kosten Jesaias.
»Beim Fasanen allerdings wohl,«
Sagte wieder Jeremias,
»Doch beim Truthahn grade lieb' ich
Süße, mehlige Kastanien.«
Und schon wieder ging's ans Streiten
Ueber Trüffeln und Kastanien.
Auch die Klosterteiche wurden
Schließlich in Betracht gezogen,
Und es klagte Jeremias:
»Habe unsre Karpfenglocke
Lange nicht mehr läuten hören,
Immer Schleie und Forellen
Und Forellen dann und Schleie
Ißt man sich ja satt und über.«
»Wahrlich!« lachte Jesaias,
»Wenn ein fetter Aal zuweilen
Nicht mit Salbei auf den Tisch käm',
Wär' es kaum noch auszuhalten.«
»Oder auf dem Rost gebraten
Und dazu ein ziemlich Gläschen
Alten Salvewein, – was denkst du?«
Sprach der Andre wieder blinzelnd.
Eben auf dem besten Wege
Waren sie, den Klosterkeller
Von dem ersten bis zum letzten
Fasse gründlich durchzuprüfen,
Als dem Kruzifix sie nahten
Und voll Schrecken und Bestürzung
Das zerschoss'ne Bild des Heilands
Dort am Boden liegen fanden.
»Allbarmherz'ger! ist das möglich?
Täuschen mich nicht meine Augen?
Jesaias, sieh doch, sieh doch
Unsers Herrn und Seligmachers
Jesu Christi Leib zerbrochen!«
Rief der Eine, und der Andre
Stand ganz starr, ungläubig schüttelnd,
Bald auf den zerstückten Christus,
Bald hinauf zum Kreuze blickend.
Und es sprach der Erste wieder:
»Wenn das nicht der üble Teufel
Selber that, so war's kein Andrer –«
»Als Graf Hackelbernd,« fiel eifernd
Schnell der Andre ein, »da oben
Steckt er ja, der Pfeil des Grafen,
Vor den Bolzen seiner Jäger
Kenntlich an der schwarzen Farbe!
Und kein Blitz erschlug den Frevler?
Endet denn des Himmels Langmuth
Mit dem Sünder nun und nimmer?«
Zitternd lasen sie die Stücke
Auf und trugen sie zum Kloster
Sammt den Krebsen, um die Einen
In der Küche und die Andern
Ihrem Abte auszuliefern.

Seine Gnaden den Herrn Paulus
Drückten eben schwere Sorgen,
Als die beiden Krebsefänger
Das zerschoss'ne Bild ihm brachten,
Denn es war ihm von den Bauern
Wieder schlimme Nachricht worden.
Kloster Reinhardsbrunn war kürzlich
Erst von ihnen ausgeplündert,
Abt und Mönche draus vertrieben.
Bilder, Tafeln, Grabdenkmale,
Glocken und Altäre hatten
Sie zerschlagen und die Erbgruft
Der Landgrafen von Thüringen
Ganz zerstört, auch alle Schriften
In der Bücherei zerrissen
Und verbrannt die Klosterkirche.
Auch im Walkenrieder Kloster
Schwebte man in Noth und Aengsten
Vor dem Bundschuh, und dem Abte
Machte ganz besondern Aerger
Noch die Lehre Doctor Luthers,
Die sich immer fester setzte
In den Städten, und das Landvolk
Auch wie Pestilenz und Seuche –
Also nannt' er's – schon ergriffen;
Denn schon ward es widerspenstig
Und verweigerte beharrlich,
Seine Zehnten und Gefälle
An das Kloster abzuliefern.
Und nun hatt' auch Hackelberend,
Der vom Abt zum Tod Gehaßte,
Ruchlos, sündhaft sich vermessen,
Daß er an Frohnleichnam jagte,
Daß er in die Abendmette
Ließ sein gellend Hifthorn schallen
Und den Körper Jesu Christi
Selbst vom Kreuz geschossen hatte.
Abscheu und Entsetzen herrschte
Da im Kloster ob der Meldung,
Und der Bruder Kellermeister
Wurde flugs zum Abt beschieden.

Innerhalb der hohen Mauer,
Die in umfangreichem Viereck
Das Gehöft des Klosters einschloß,
Ragten stattliche Gebäude:
Das Konventshaus mit dem weiten,
Luftigen Kapitelsaale,
Refectorien, Wirthschaftshäuser,
Vorrathsgaden, Scheunen, Ställe,
Küche, Keller, Brau- und Schlachthaus;
Dann der ausgedehnte Remter
Und die prächtig stolze Kirche
Mit den schön gemalten Fenstern
Und dem reichen Schmuck im Innern;
Dann der breite, kühle Kreuzgang,
Dessen Bögen Säulen trugen
Mit den zierlichsten Kap'tälen.
An der Wand war manch ein Steinbild
Edler Frauen oder Ritter,
Die durch Schenkung sich ums Kloster
Wohl verdient gemacht, auch Platten
Mit schon halb verwischter Inschrift;
Namen, Jahreszahl und Schädel
Mit gekreuzten Todtenbeinen
Mahnten stets: Memento mori!
An der Kirche über'm Kreuzgang
Lag des Abtes stille Wohnung
Mit den festen Schatzgewölben.
War schon manches Bruders Zelle
Gegen strenge Ordensregel
Ganz behaglich eingerichtet,
Prangten fürstlich die Gemächer
Schier des Abtes; reiche Decken
Schmückten Sitze, Tisch und Wände;
Sessel mit geschnitzten Lehnen
Und gepreßtem Lederpolster,
Kostbar ausgelegte Schränke,
Schwerbeladne Truhen standen
Wohl geordnet, und auf ihnen
Schimmerte im Silberglanze
Oder auch von edler Steinart
Manch ein seltenes Stück Hausrath,
Manch ein Kunstwerk feinster Arbeit.

Paulus, seit des Stiftes Gründung
Vor vierhundert Jahren nun der
Neununddreißigste der Aebte,
War ein Herr von edler Haltung
Und von hohem, kräft'gem Wuchse.
Große, blaue Augen blickten
Stolz und herrisch, doch auch heiter
Unter einer freien Stirne.
Dichte Locken, wenig grau erst,
Drängten unter'm Sammetkäppchen
Sich hervor; fest war sein Schritt,
Tief und tönend seine Stimme.
Im Gemache auf und nieder
Ging er jetzt, und seine Rechte
Hielt das große goldne Abtskreuz
An der Kette fest umschlossen,
Auf die Brust es pressend, als ob
Er so niederdrücken wollte,
Was da innen wogt' und stürmte.
Da trat, mit gekreuzten Armen
Tief sich neigend, der Großkellner
Zu ihm ein, um manche Jahre
Aelter als der Abt, doch voller
Auch an seines Körpers Ründung.
»Habt, hochwürd'ger Herr und Abbas,
Eurem treuen Knecht geboten –«
Sprach der Mönch. »Laß das, Johannes!
Nicht dein Abt, dein Freund, mit dem du
Manchen Scheffel Salz gegessen,«
– Und manch Fäßlein drauf geleeret,
Dachte sich dazu Johannes –
»Braucht den klugen Rath des Bruders,«
Sprach der Abt, »dort sitze nieder.
Leihe mir dein Ohr, Johannes!
Aber deine Zunge bind' ich;
Nie darf über diese Schwelle
Eines meiner Worte dringen.«
Abt und Kellermeister saßen
Gegenüber sich, und Paulus
Hub nun an mit ernster Miene:

»Von zwei jungen Rittern muß ich
Dir erzählen, die einst Freundschaft
Sich gelobt mit festem Treuschwur.
Beide lebten sie am Hofe
Eines Fürsten, beide liebten
Waffenspiel und Kampf und Waidwerk,
Und der Eine saß im Sattel
Grad so fest und schwang sein Schwert
Grad so wacker wie der Andre.
Im Gefolg der Fürstin lebte
Auch am Hof ein Edelfräulein,
Hildegard war sie geheißen,
Tugendsam, doch hold und minnig,
Fröhlich und von großer Schönheit.
Und zu jedem andern Liebreiz
War's ihr wunderprächtig Goldhaar,
Das der Menschen Blick und Staunen
Auf sich zog, und das ihr glänzend,
Weil's in überreicher Fülle
Sich nicht barg in Netz und Haube,
Lang und frei herniederwogte.
Die zwei jungen Ritterherzen
Flammten zu dem schönen Mädchen
Beide auf in heißer Liebe,
Und ein jeder von den Freunden
Warb mit Blicken, Worten, Thaten
Um der Jungfrau Gegenliebe.
Hildegard war Beiden freundlich,
Und wenn wirklich sie im Herzen
Einen vorzog vor dem Andern,
Ließ sie niemals doch sich merken,
Wem zumeist sie zugethan war.
Auch die kleinste Gunst, ein Lächeln,
Das sie je dem Einen schenkte,
Oder einen Dienst, den Einer
Ihr so glücklich war zu leisten,
Glich sie aus mit kluger Sorgfalt,
Auch dem Andern Huld erweisend.
Die beschworne Freundschaft Beider
Hatte eine schwere Prüfung
Zu bestehen bei dem Wettstreit,
Doch sie hielten sich die Treue,
Beide liebend, Beide leidend.
Da zu einem neuen Kriegszug
Rief der Kaiser Max den Herzog
Auf zum Heerbann und Gefolge.
Anno neunundneunzig war es,
Mit den Schweizern gab es Fehde,
Die zwei jungen Ritter folgten
In den Schwabenkrieg dem Lehnsherrn,
Und zum Jüngern sprach der Aeltre:
»Von uns Beiden darf nur Einer
Aus dem Felde wiederkehren;
Thut's nicht Feindes Hellebarde,
Nun, so mag der Speer des Freundes
Selbst den Freund danieder strecken,
Und der Ueberwinder trage
Heim die Botschaft dann und werbe
Frei um Hildegardens Liebe.«
Mit dem Vorschlag war der Andre
Auch zufrieden, und zum Abschied
Als die letzte Gunst erbat sich
Jeder von Hildgardens Goldhaar
Eine Locke und erhielt sie.
Ach! es war ein Haar, Johannes,
Wie's auf Erden keines Weibes
Stirn noch sonsten wo umlockte! –
In der heißen Schlacht bei Dornach,
Die dem Krieg ein Ende machte,
Kam der beiden Ritter einer
Fechtend in ein scharf Gedränge.
Unentrinnbar von den Feinden
Rings umstellt, ums Leben kämpfend,
Sah er in der höchsten Noth
Nahebei den Waffenbruder,
Rief ihn an zu seinem Beistand,
Glaubte freudig sich gerettet.
Auch der Andere erkannt' ihn,
Hatte Raum und freie Hand
Und ein Häuflein Knechte bei sich;
Doch er sprang dem hart Bedrängten
Nicht zu Hülfe, ritt von dannen
Und ließ seinen Freund verderben.
Spät ward der im Stich Gelass'ne
Schwer verwundet auf dem Schlachtfeld
Von den Schweizern aufgelesen
Und lag mit dem Tode ringend
Lang in Basel auf dem Siechbett.
In des Fiebers Rasereien,
In den schlummerlosen Nächten
Und in seinen bunten Traumen
Stand ihm Hildegard vor Augen,
Wie ein Hoffnungsstern ihn tröstend
Und verheißungsvoll ihm lächelnd.
Endlich heilten seine Wunden,
Endlich durft' er heimwärts reiten
Nur in kleinen Tagemärschen,
Wie's die schwache Kraft erlaubte.
Nahe schon des Fürsten Hofburg
Trifft ihn, schwerer als des Schweizers
Morgenstern aufs Haupt, die Kunde,
Daß Hildgarde vor fünf Tagen
Seines Freundes Weib geworden.
Da verließ ihn Trost und Glaube,
Gottvertrau'n und Menschenliebe,
Und mit einem wilden Fluche
Auf den Himmel und die Heil'gen
Schwur er Rache dem Verräther.
Doch es warf ihn ganz danieder,
Wieder lag er an den Wunden
Krank und elend, gottverlassen.
Als, zum zweiten Mal genesen,
Er vom Lager sich erhoben,
War der Seele Kraft gebrochen,
Selbst des Zornes Gluth verblichen,
Und es überkam ihn Reue,
Daß er zweifelnd Gott beleidigt.
Er verkaufte Wehr und Waffen,
Roß und Zaum und gab's den Armen;
Seinen Namen selber tilgt' er
Aus der Lebenden Gedächtniß,
So daß Niemand ihn noch kannte,
Und wie Saulus zu Damaskus
Hatt' er seinen Tag der Umkehr,
Nannte sich von Stund an Paulus,
Ging ins Kloster und ward Mönch. –
Mußt du's,hören noch, Johannes,
Wer die beiden Ritter waren?
Hackelberend war der Eine,
Und der Andere – war ich.«
Also sprach der Abt; dann schloß er
Einen Schrein auf, und ein Kleinod,
Eine flache, goldne Kapsel
Holt' er draus hervor und legte
Ihre beiden Schalen öffnend
Auf den Tisch sie vor Johannes.
Eine Locke lag geringelt
Drin mit wunderbarem Goldglanz.
Paulus schwieg; doch als Johannes
Jetzt zum Wort die Lippen regte,
Bat der Abt: »O schweige, schweige!
Höre nur! denn die Geschichte
Ist noch lange nicht zu Ende,
Und das Allerschlimmste folgt noch.
Ich versuchte mit Gebeten
Und mit Fasten und Kasteien
Alle Weltlust zu ertödten;
Ich vergrub mich unter Büchern,
Las die frommen Kirchenväter
Und die lebensfrohen Heiden,
Las und schrieb manch lange Nächte,
Ward gelehrt und wußt' es selbst nicht.
Vieles fand ich; was ich suchte,
Fand ich nicht – des Herzens Ruhe.
Hieher ließ ich mich versetzen
In das Walkenrieder Kloster,
Um der immer noch Geliebten,
Die auf Treseburg ich wußte,
Nah zu sein, denn ach! im Mönche
Lebte wieder auf der Ritter.
Ich verwünschte Tag und Stunde,
Da ich aus der Welt geschieden,
Und wie eine schwere Kette
Schleppt' ich mein verfehltes Dasein,
Maßlos leidend, fast verzweifelnd.
Hörte ich von Krieg und Fehde
Draußen in dem Reich, so packte
Eine Unruh mich und Kampflust
Wie den Vogel im Gebauer
Um die Zeit des Wanderfluges.
Drauf und dran schon war ich manchmal
Zu entfliehn, statt in die Kutte
Wiederum in Helm und Harnisch
Mich als Rittersmann zu bergen
Und zu reiten und zu streiten
Frank und frei in Wind und Wetter;
Doch ich blieb und trug mein Elend.
Oftmals kam mir die Versuchung
Mit des Herzens heißem Gehren,
Hildegard zu sehn von fern nur;
Doch auch dies Gelüst bezwang ich.
Nur den Grafen sah ich einmal,
Zog ums Haupt schnell die Kapuze,
Als er mir durch Zufall nah kam,
Und blieb unerkannt und fremd ihm.
Sorglich hab' ich ihn gemieden,
Und bis heute weiß er noch nicht,
Daß in Walkenried Abt Paulus
Einst sein Freund und Waffenbruder
Egon Graf von Hordorf ist,
Der für todt gilt und verschollen.
Doch von dem gelehrten Mönche
Hier im Kloster – also hieß es –
Hatte Gräfin Hackelberend
Einst vernommen und verlangte,
Ihm zu beichten. Also kam sie.
Man berief aus meiner Zelle
Mich vom Plato weg zum Beichtstuhl,
Aber Niemand ließ mich ahnen,
Wessen reuiges Gewissen
Ich von Sünden lösen sollte,
Ruhig ging ich und gelassen.
Doch, Johannes, als die Stimme
Mir ins Ohr drang, da erbebt' ich!
Denn kein Zweifel blieb und Irrthum,
Sie, sie war es, die Geliebte!
Als ob ihre ganze Seele
In die meine überströmte,
So durchfuhr's mich heiß und süß doch,
Süß und selig, und es klangen
Wie ein Saitenspiel im Winde
Zitternd alle meine Fiebern,
Durch des Beichtstuhls kleines Gitter
Sah ich in dem Dämmerlichte
Ihre goldnen Locken glänzen,
Mußte auf dem Sitz mich halten,
Daß ich nicht betäubt hinabsank.
Und was hatte sie zu beichten?
Ihre Liebe! ihre Liebe
Zu dem Grafen Egon Hordorf,
Zu demselben, dem sie weinend
Ihre Schmerzen jetzt vertraute.
Aus Hildgardens Munde hört' ich
Meine eigene Geschichte,
Sie erzählte, wie sie mich nur,
Mich geliebt, für mich gebetet,
Daß ich wiederkehren möge,
Daß sie mein Weib werden wollte,
Ihres Lebens Lust und Wonne
Nur an meiner Brust zu suchen.
Als Graf Hackelbernd zurück kam
Ihr den Tod des Freundes meldend,
Habe sie halb aus Verzweiflung,
Halb in Schwärmerei des Herzens,
Um den Todten noch zu ehren,
Seinem besten Freund zu eigen
Sich gegeben wie ein Opfer
Zum Gedächtniß des Verlornen.
Aber nimmer aus der Seele
Sei ihr Egons Bild gewichen,
Sei im Traum ihr oft erschienen,
Selbst in Hackelberends Armen
Habe Egons nur gedacht sie,
Habe im lebend'gen Gatten
Doch den todten Freund geliebt nur,
Und es habe eine Ahnung
Sie verfolgt und noch bis heute
Nimmer, nimmer sie verlassen,
Daß Graf Hordorf nicht gestorben,
Daß er lebe, daß sie einmal
Noch ihn wiedersehen würde,
Dem allein doch ihre Liebe
Hier und dort zu eigen wäre.
Doch vor des Gewissens Qualen
Ob der Untreu in Gedanken
Wider ihren Herrn und Gatten
Habe sie nicht Ruh und heischte
Rath und Hülfe in der Drangsal, –
Nun, Johannes, was zu tragen
Eines Menschen Kraft vom Himmel
Aufgelegt wird, soll er tragen;
Wird's zuviel, bricht er zusammen
Wie Herr Christus unter'm Kreuze,
Oder es empört das Blut sich
Und reißt ihn in Schuld und Schande.
Ich bin auch ein sünd'ger Mensch nur,
Und nun sah ich meines Lebens
Glück und Stern in Staub getreten,
Könnt' an dieses Weibes Busen,
Das ich über alle Schranken
Dumpfen Erdendaseins liebte,
Selig sein, ein freier Ritter
Auf dem Schlosse meiner Väter,
Und nun war ich ein geknickter,
Freudenloser und betrogner
Mönch in enger Klosterzelle,
Laß mich schweigen von dem Kampfe,
Der mein Innerstes durchwühlte;
Zwanzig Jahr ist's her, und jetzt noch,
Wenn ich jenes Tages denke,
Fühl' ich's in der Brust hier stürmen.
Trotzig kühne Pläne zuckten
Mir durchs Hirn wie Flammenblitze
Und erloschen, aber Eines
Stand mir fest wie Fels im Meere:
Einmal noch mußt' ich sie sprechen.
Doch nicht hier in meinem Kerker,
In des Klosters trüber Stickluft,
Draußen unter Gottes Himmel
Wollt' ich ihr entgegen treten,
Einmal nur und niemals wieder.
Mühsam mit verstellter Stimme
Sagt' ich ihr, zu lösen wüßt' ich
Sie noch nicht aus ihrer Noth,
Doch sie sollte gehn in Hoffnung
Und bei Sonnenuntergänge
Vor dem Kruzifix im Walde
Zum Gebet sich niederwerfen.
Du erräthst es wohl, Johannes,
Daß ich sie dort traf am Kreuze.
Aufgelöst in Lust und Leid
Hielten wir uns heiß umschlungen,
Und dann schieden wir auf ewig.
Vierzehn Tage später war sie,
Hingerafft von der Erschütt'rung,
Mit vor Gram gebrochnem Herzen
Bleich und todt. Sie ruh' in Frieden! –
Jetzt bin ich zu Ende. Dreimal
Habt ihr mich zum Abt erwählet;
Zweimal schlug ich's aus, doch endlich
Nahm ich an die hohe Würde,
Und als euer Hirt und Hüter
Trage ich nun Stab und Inful,
Muß des heil'gen Amtes warten
Und des Klosters Macht und Ansehn
Nach Gebühren aufrecht halten;
Mußte auch Graf Hackelberend
Oft um Großes, oft um Kleines
Bitten, mahnen oder drohen,
Weil es meine Pflicht mir vorschrieb,
Doch ich that es niemals gerne.
Jetzt den ungeheuren Frevel
Hat der Unmensch gar begangen
Und am hohen Feiertage
Christi Leib vom Kreuz geschossen.
Bannfluch steht darauf, du weißt es,
Und jetzt frag' ich dich, Johannes:
Darf ich, der ich selbst gesündigt,
Der ich unter jenem Kreuze
Mein Gelübde brach und der ich
Jenes Mannes Weib getödtet,
Die vor Schreck und Schmerz dahin sank,
Darf ich Den, der um mein Leben
Mich bestohlen und betrogen,
Den ich hasse wie die Hölle,
Noch verpönen vor'm Altare?
Nehm' ich mit des Himmels Rache
Nicht die eigene am Todfeind? –
Alles weißt du jetzt, Johannes!
Und nun sprich! Nun rathe du mir!«

Der Großkellner saß und starrte
Schweigend vor sich hin; dann nickt' er
Leise mit dem Kopf, erhob sich
Und dem Abt und Freund tiefinnig
In die Augen schauend sprach er:
»Wenn du's völlig mir anheimstellst,
Zu entscheiden und zu richten,
Paulus, so gieb mir Bedenkzeit.
Einsam will ich mich verschließen
Und will rathen, sinnen, suchen,
Was du darfst, und was du mußt.
Bleib' auch du allein, und wenn du
Heut beim Sonnenuntergange
Die Kapitelglocke hörest,
Denke, daß in deinem Auftrag
Ich sie läuten lasse, Paulus.
Im Kapitelsaale findest
Du die Brüder dann versammelt,
Und als Abt kraft deines Amtes
Sprich ihn aus, den schweren Bannfluch.
Schweigt die Glocke, schweig' auch du
Und laß den da oben richten.«

Abt und Kellermeister schieden
Mit treufestem Händedrucke,
Und des Tages Stunden gingen
Ihnen einsam hin und langsam.
Doch als oben auf dem Kirchthurm
Von dem goldnen Kreuz der Sonne
Letzter Schimmer war gewichen,
Läutete mit tiefem Klange
Feierlich und ernst die Glocke.
Und Abt Paulus, angethan
Mit den Zeichen seiner Würde,
Stieg herunter zum Kapitel,
Trat entschlossen an den Lettner
Und that hier vor allen Brüdern
Hackelberend in den Bann,
Schloß ihn aus von allen Rechten
Einer kirchlichen Gemeinschaft
Und den heil'gen Sakramenten
Und verwünschte und verfluchte
Ihn zur ewigen Verdammniß.


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